In meiner Gier
»Ich hasse ihn, diesen Gott. Eine Welt hat er geschaffen, die voller Ärger, Schinderei und Abschaum ist - und mich hat er mitten in sie hieneingeworfen, hat mich meine Kindheit und Jugend im Erziehungsheim verbringen lassen, hat mich mit Arbeitslosigkei, Nikotinsucht und Krebs gesegnet. Vater, ich danke dir – auch wenn`s dich gar nicht gibt!« Dann sprang ich, fiel und flog in den Fluß, plätscherte noch eine Weile, trank, um mich mit dem Wasser zu verbinden.
So verließ ich die Welt und sitze nun hier. Warte darauf, dass man mich zu all den Anderen hineinführt. Hinein in das ewige Strafgemach. Jemand gab mir diese Tafel und einen Griffel, wies mich an zu schreiben, wer ich sei. Nun hinterlasse ich hier auf diesem Stein genauso meine verwischbaren Spuren wie im Leben. Ich schreibe diese paar Zeilen für dich, zur Warnung an die noch Lebenden. Nicht leben und nicht sterben wollte ich, nur tot sein! Bloß dass nach diesem Sterben das Leben im Tod seinen Fortgang findet, nun ja, davon wollte ich nichts wissen.
Einmal liebte ich ein Mädchen. Ich liebte sie so sehr. Lange schwarze Haare, schöner Körper und dunkelbraune Augen, hinter denen unergründliche Sehnsucht, Furcht, Leidenschaft und Hingabe tobten. Augen, in die man hineinfällt und denen man weder entkommen will noch könnte. Ein Mensch zwar, doch von überirdischem Wesen.
Ich tötete sie in meiner Gier.
Und wollte nun zu ihr in den Tod, doch ich ahne schon, dass ich sie hier nicht finden werde.
[Beitrag editiert von: nohome am 01.03.2002 um 14:07]