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Ingas Narbe

Bas

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16.09.2018
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Ingas Narbe

Inga war noch jünger. War noch außer Atem. Ihre Brust bebte noch, sie hatte den Weg vom Hof rennend zurückgelegt, damit auch ja niemand auf die Idee käme, ihr zu folgen. Hu, rief er da. Blieb stumm. Dann wieder: Hu. Inga wischte sich die Tränen von den Wangen. Stutzte. Schon quollen sie wieder hervor, ganz ohne, dass sie etwas dagegen hätte tun können, jetzt war sie sauer auf ihn, das hier war ihr Ort, ihrer, ganz allein, nur Inga kannte den Baumstumpf auf der Lichtung und wie die Sonne einen hier wärmte, wie sie den Wald ausschloss und die Welt dahinter: Den Hof, die Katze Minka, die Hühner und den alten Gockel und vor allem Ruben. Ruben war schuld, auf Ruben war sie sauer, Ruben hatte die Milchkanne umgestoßen und dann behauptet, Inga war es gewesen, wegen Ruben hatte Mama geschimpft und Papa gesagt: Geh mir aus den Augen, sofort, und jetzt war der Mann da und rief Hu.
Sie ging auf ihn zu. Er blieb sitzen. Sie war wütend, ihr kleines Herz pochte, der Himmel drückte ihr auf die Seele und die Baumwipfel schüttelten sich und da hob Inga einen Stein auf und warf ihn in seine Richtung. Geh weg!, rief sie, und: Wo der herkommt, gibt’s noch mehr!, und sie bückte sich schon nach dem nächsten und holte aus, die kleine Faust hinter dem Kopf.
Er sah sie bloß an. Ganz lange. Bis es dunkel wurde und dann wieder Tag, bis es ihr heiß wurde, bis sie sich am liebsten ausgezogen hätte, ganz nackt, ganz egal, dass da einer saß und starrte, den sie nicht kannte, ihr war kalt, sie musste zittern und ihre Zähne klapperten und sie wollte nach Hause, jetzt war er ihr unheimlich mit seinem Blick und seinen Augen.
»Hast du’s geglaubt?«, fragte er endlich.
»Was geglaubt?«, fragte Inga.
»Dass ich eine Eule bin.«

Wenn man einem schlafenden Menschen eine Eulenfeder auf die Brust legt, ohne dass er davon aufwacht, offenbaren sich einem seine Geheimnisse, hatte Gustaf ihr ein Mal erzählt. Gustaf kannte ihr Geheimnis. Gustaf wusste, dass sie nachts wachlag und Ruben neben ihr und dass sie sich dann keine Eulenfeder, sondern ein Messer wünschte. Dass es ihr am liebsten wäre, allein zu sein, nur mit Mama und Papa und Minka und den Hühnern und dem alten Gockel, und mit Gustaf. Am liebsten mit Gustaf, denn Gustaf verstand sie, Gustaf wusste Rat, Gustaf hörte zu, Gustaf sprach mit ihr wie zu einer Erwachsenen und nicht wie zu einem Kind, Gustaf sagte nicht: Ja, aber!, sondern nickte und sagte gar nichts. Dass sie damals den Stein nach ihm geworfen hatte, tat ihr jetzt leid, denn jetzt hatte sie Gustaf schon lange nicht mehr gesehen: Die Lichtung, der Baumstumpf, die Sonne, alles war wieder wie früher, Inga war wieder einsam und Gustaf war woanders.

***​

Dachse sind schön. Kleine Bären mit schwarzen Streifen am Kopf und weichen Pfoten, aber den Kopf kann man nicht essen und alles andere auch nicht, Dachse stinken. Dachse sind scheu. Man kann ein Jahr lang durch den Wald laufen und doch keinen zu Gesicht bekommen, Dachse sind schlau, aber wenn einer in der Falle steckt und noch zuckt, muss man ihn töten.
Das Feuer ist aus, die Asche liegt da wie Schnee. Wie der erste, feine Schnee, der nach tagelangem Frost vom Himmel fällt. Noch ganz zaghaft. Sich fast entschuldigend. Der von jedem noch so sanften Windhauch weggeweht werden könnte, sich noch nicht entschieden, sich noch nicht wie eine warme Decke über die Welt gelegt hat.
Gustaf zieht die Schultern zu den Ohren. Wirft den Kopf in den Nacken. Sieht die Baumkronen mit knochigen Fingern nach den Sternen greifen: Sinnlos, denkt Gustaf, und im selben Moment springt er auf und greift selbst in den Himmel, schnappt selbst nach den Sternen, mit aufgerissenem Maul, und im Mondschein glänzen die stumpfen Zähne und offenbaren, was vom Dachs noch übrig ist.

Licht. Ja, jetzt wird alles besser. Im Morgengrauen sind auch die Gedanken still.
Gustaf geht. Wohin? Egal. Was zählt, ist das Gehen selbst. Die Bewegung. Wichtig ist, die Nacht aus den Knochen zu bekommen, sie hinter sich zu lassen, zu vergessen. Auch die Sonne wandert mit. Lässt das Moos schwitzen. Das Gestrüpp rascheln. Irgendwo lacht ein Grünspecht: Ha-ha-ha, und Gustaf schaut hoch, nach oben, und oben, im Baum, sitzt ein Kind.
»Warst du das?«, fragt Gustaf und hält die Hand gegen die tiefstehende Sonne vor die Augen.
»Dumm«, sagt das Kind. Mehr nicht.
Mit dem kann man nicht reden, denkt Gustaf und geht weiter, und im Gehen trifft ihn etwas am Kopf, vielleicht ein Tannenzapfen, vielleicht ein Stock, egal, Gustaf kehrt um. Stürzt auf den Baum zu, hält sich am ersten Ast fest und zieht sich hoch, greift nach dem zweiten und schwingt sich auf den ersten, stellt sich drauf und packt den Jungen am Arm.
»Wer ist dumm?«
Der Junge sieht ihn an. Ahnt etwas.
»Lass mich los. Dann verrate ich dir, wo der Schatz ist.«
Gustaf lässt los.
Der Junge geht voran.

***​

»Wie heißt du?«, fragt Gustaf.
»Dumm«, sagt der Junge bloß.
»Gut. Dumm also.«
»Ruben.«
»Zu spät.«
Der Wald wird dichter, die Äste greifen nach dem Pfad. Gustaf muss gebückt gehen. Schnaufen. Muss jetzt aufpassen, wo er hintritt. Aus der Erde ragen dicke Wurzeln. Manche sehen aus wie vollgefressene, versteinerte Regenwürmer.
»Also Dumm«, stößt Gustaf zwischen schweren Atemzügen hervor. »Der Schatz. Juwelen? Gold?«
»Besser.«
»Besser als Juwelen?«
»Pst«, macht Ruben und bleibt stehen. Kneift die Augen zusammen. Legt den Finger an die Lippen, hält die Hand flach über den Boden. Steckt den Finger in den Mund. Lutscht ihn ab. Hält ihn in den Wind. »Da lang. Über den Bach da.« Über dem Bach liegt ein Baumstamm. Irgendwo singt ein Rotkehlchen sein unbedarftes, fragendes Lied.

Jetzt. Jetzt könnte er ihn vom Stamm stoßen. Könnte hinterher springen und ihn in den Schlamm drücken, so lange, bis er aufhört, zu zucken, Gustaf ist stärker, der Junge ist schwach, ist noch ein Kind, Gustaf könnte ihm seinen Stiefel in den Nacken pressen und würde nicht viel mitbekommen von dem, was sich unter ihm tut. Bis sich dann gar nichts mehr tut. Bis der Junge tot ist, mausetot.
Ruben dreht sich um.
»Was ist?«, fragt Gustaf, und Ruben versteht. Ist schlau. Und rennt weg.
Und auch Gustaf rennt, und jetzt ist es etwas anderes, das Gustaf lenkt, jetzt ist nur noch ein ganz kleiner Funken Gustaf im Gustaf, klitze-klitzeklein, und etwas anderes ist größer, die Sinne schärfer, die Augen weiter und die Nasenflügel und sogar die Ohren: Jetzt kann er den Wald aufnehmen, ganz, jetzt ist es fast wieder Nacht, und wie gut, dass ihm jetzt keiner eine Feder auf die Brust legt, wie gut, dass jetzt keiner sein Geheimnis kennt, und eigentlich ist es ja bloß der Hunger, weiß Gustaf, weiß es und weiß es dann auch wieder nicht, der Hunger und die Sehnsucht und die Ruhelosigkeit, das ganze … Sein, das an ihm nagt, weil es ihm nicht gelingen mag, weil er nicht weiß, wie man zu sein hat, wie man sein soll, nicht sein darf, wie man ist.

***​

Ruben ist. In Sicherheit. Am Leben. Verängstigt und erleichtert, traurig und wütend, Ruben ist zu viel und zu wenig und vor allem alles zugleich und wohin damit, wohin mit den Gefühlen, wenn man noch jung ist und noch nichts weiß? Jung sein sollte verboten werden, man sollte erwachsen auf die Welt kommen dürfen wie die Pferde, gleich auf eigenen Beinen stehen, findet Ruben jetzt, auch wenn es eigentlich Ingas Worte waren, die sie damals der Mutter ins Gesicht gezischt und sich dafür eine Ohrfeige eingefangen hat. Und trotzdem oder gerade deshalb findet Ruben jetzt auch, dass Inga schuld ist. Einfach, weil er es nicht besser weiß. Vielleicht auch bloß, weil Inga die erste ist, die er zu sehen bekommt, als er aus den Baumreihen tritt und den elterlichen Hof erblickt.
Zuerst ist er froh. Da ist Inga!, denkt er, und sein Körper ist ganz Vertrauen, ist Geschwisterliebe, ist sogar schon einen Schritt weiter als er selbst, will sich schon auf seine Schwester stürzen, sie in die Arme schließen, will ihr zeigen: Ich bin froh, dass du da bist, dass ich dich habe, Inga. Froh, abends neben dir einschlafen zu dürfen, während die Eltern noch unten in der Stube sitzen und Papas tiefes Gemurmel zu uns nach oben dringt, das du dann nachmachst: Nununununu. Bis die Mama dann ruft: Ist jetzt Ruhe da oben, muss ich erst hochkommen? Und wie wir dann die Köpfe unter die Decke stecken, die stickige Luft einatmen und lachen. Aber etwas anderes hält ihn zurück. Etwas anderes will nicht alleine sein mit seinem zu viel. Warum darf Inga da sitzen, ganz unversehrt, und mit Minka spielen? Warum hat nur Ruben Kratzer an den Armen und im Gesicht, warum muss nur er durch den Wald rennen und um sein Leben bangen, flüchten vor dem Irren? Warum spielt die Welt nur mit ihm ihre Spielchen, warum muss er jung sein? Warum überhaupt am Leben sein? Wozu? Und da nimmt er sich einen Stock, der am Waldrand liegt. Atmet tief durch. Versucht seine Brust und das, was in ihr wummert, zu kontrollieren, zu bündeln, und geht langsam auf seine Schwester zu.

 

Hallo @Bas,

am Anfang möchte ich mit Inga sympathisieren: Was ist da passiert, mit ihrem Gesicht? Das ist auch guter Spannungsaufbau. Dann kommt das hier und es fällt nicht mehr ganz so leicht, sie zu mögen:

sondern ein Messer wünschte. Dass es ihr am liebsten wäre, allein zu sein, nur mit Mama und Papa und Minka und den Hühnern
Ich bin kein Pädagoge, aber Konkurrenz um elterliche Liebe ist meine ich unter Geschwistern nicht so ungewöhnlich. Nur dass sie sich gleich ein Messer wünscht, das fand ich irgendwie hart.

Dann kommt der Wechsel zu Gustaf und der kommt mir vor wie, aus Kindersicht, der unheimliche alte Mann. Redet krudes Zeug und tatsächlich hat er dann auch Gewaltfantasien:

Jetzt könnte er ihn vom Stamm stoßen. Könnte hinterher springen und ihn in den Schlamm drücken, so lange, bis er aufhört, zu zucken, Gustaf ist stärker, der Junge ist schwach, ist noch ein Kind, Gustaf könnte ihm seinen Stiefel in den Nacken pressen und würde nicht viel mitbekommen von dem, was sich unter ihm tut. Bis sich dann gar nichts mehr tut. Bis der Junge tot ist, mausetot.
Und weiß seinerseits um Inga, denn sie weiß ja, dass er das weiß mit dem Messergedanken.

Und dann ist es aber Ruben, der am Ende zuschlägt. Ausgerechnet der, der bis hierher eigentlich unauffällig war. Jetzt mal abgesehen davon, dass er seiner Schwester die Sache mit der Milchkanne angehängt hat. Fein ist das auch nicht, aber er wünscht sich kein Messer, um sich Luft zu machen.

Das scheint mir so der Punkt zu sein. Oder sagen wir mal, das ist das, was mir aufgefallen ist und was bei mir hängengeblieben ist. Ich fand es am Anfang schade, dass ich Inga nicht mögen konnte und ich frage mich, ob das wirklich Absicht ist, ob das Messer nicht vielleicht einfach ein bisschen viel des Guten ist, um ihre (gelegentlichen) Gefühle gegenüber Ruben zu beschreiben.

und Ruben versteht. Ist schlau. Und rennt weg.
Hier wird für mich angedeutet, dass er am Ende ausrastet, weil er quasi verstört ist von der Begegnung mit Gustaf. Und dann tut er seiner Schwester das an.

So richtig unschuldig ist hier keiner. Ruben noch am ehesten? Seine Schwester ist seinetwegen auf einem Auge blind, aber er war ja in dem Moment auch nicht Herr seiner Sinne. Schuld scheint mir so das Thema zu sein. Alle schuldig. Und natürlich:

nicht weiß, wie man zu sein hat, wie man sein soll, nicht sein darf, wie man ist.
Ist zwar heikel, wenn das von jemandem kommt, der darüber sinniert, einen Jungen totzutreten, aber es trägt halt auch nochmal zu diesem sperrigen Ton bei; die Geschichte erzählt, ohne sich darum zu scheren, gemocht zu werden.

Ich kann dann auch unter dem Strich nicht sagen, dass ich die Geschichte mag. Aber gut im Sinne von gelungen finde ich sie, weil sie glaube ich ist, was sie sein will.


jetzt war sie sauer auf ihn,
Das umgangssprachliche „sauer“ hat mich rausgehauen, obwohl es zur Stimme eines Kindes passt. Liegt denke ich daran, dass die kindliche Perspektive in der Erzählstimme bis zu diesem Punkt nicht durchgekommen ist.

nur Inga kannte den Baumstumpf und die Sonne und wie sie einen hier wärmte,
… und wusste (darum), wie sie einen hier - so stutze ich und denke, da stimmt doch was nicht: nur Inga kannte, wie sie einen hier wärmte

und dann behauptet, Inga war es gewesen
sei es gewesen

ihr kleines Herz pochte, der Himmel drückte ihr auf die Seele und die Baumwipfel schüttelten
Das Fette ist mir zu viel, ein kleines, pochendes Herz reicht doch, das ist ein schönes Bild, warum das so überladen?

sprach mit ihr wie zu einer Erwachsenen und nicht wie zu einem Kind,
Etwas verbrauchte Formulierung/Beschreibung. „sprach nicht mir ihr, als würde er sie insgeheim für dumm halten …“ oder zumindest irgendwie etwas, das noch nicht ganz so oft da war.

auf dem er saß.
Inga war noch jünger.
Ich habe ein bisschen Zeit-Schwierigkeiten am Anfang. Die Beschreibung der Narbe im Präsens, der Gustaf saß auf dem Stumpf … Muss es heißen „war gewesen“?


***

Dachse sind schön.

Mit den Sternen wechselst du immer die Perspektive. Beim ersten Mal hat mich das durcheinandergebracht, weil Gustaf dann erst im dritten Absatz auftaucht.

Gustaf im Gustaf: Klitze-klitzeklein, und etwas anderes ist größer: Die Sinne schärfer, die Augen weiter und die Nasenflügel und sogar die Ohren: Jetzt
Dreimal hintereinander Doppelpunkt … Absicht?


Viele Grüße
JC

 

Hallo @Proof,

freut mich, dass du vorbeischaust :)

Ich fand es am Anfang schade, dass ich Inga nicht mögen konnte und ich frage mich, ob das wirklich Absicht ist, ob das Messer nicht vielleicht einfach ein bisschen viel des Guten ist, um ihre (gelegentlichen) Gefühle gegenüber Ruben zu beschreiben.

Und gut, dass du da Licht drauf wirfst. Sympathisch ist hier wohl keiner so wirklich, das ist auch nicht weiter wichtig, denke ich, wäre eher ein netter Bonus. Aber zumindest menscheln sollten alle drei Protagonisten, damit die Geschichte "funktioniert", das empfinde ich hier als sehr wichtig, auch wenn jeder von ihnen ja ganz eindeutig ein bisschen ... drüber ist.

Man lernt Inga ja als junges, aufgerütteltes Mädchen kennen, kann sich womöglich auch ganz gut mit ihr identifizieren, man war ja selbst mal jung, versteht ihren Ärger ... na, und dann hat sie plötzlich diese expliziten Mordfantasien. Und da ist es dann (hoffentlich :shy:) leider vorbei mit der Identifikation, da ist man dann als Leser vielleicht auch schon komplett raus, nicht weiter interessiert an ihrem Schicksal. Vielleicht auch, weil dann die ganze "Welt" bröckelt: Gut, hier passiert Blödsinn, was juckt mich das.

Gustaf und Ruben befinden sich beide in einer Extremsituation, die ihre Handlungen, so abstoßend sie dann auch sein mögen, zumindest in Ansätzen nachvollziehbar machen, da ist das also was anderes, denke ich. Hoffe ich. Aber mit dem Messer solltest du recht haben, das habe ich deshalb auch gestrichen.

Ich kann dann auch unter dem Strich nicht sagen, dass ich die Geschichte mag. Aber gut im Sinne von gelungen finde ich sie, weil sie glaube ich ist, was sie sein will.

Das ist ein ... interessantes Urteil :D, aber auf jeden Fall eines, mit dem ich leben kann. Geht mir zumindest ähnlich.

Das umgangssprachliche „sauer“ hat mich rausgehauen, obwohl es zur Stimme eines Kindes passt. Liegt denke ich daran, dass die kindliche Perspektive in der Erzählstimme bis zu diesem Punkt nicht durchgekommen ist.

Ich suche mal nach Alternativen.

Das Fette ist mir zu viel, ein kleines, pochendes Herz reicht doch, das ist ein schönes Bild, warum das so überladen?

Guter Punkt, danke

Etwas verbrauchte Formulierung/Beschreibung. „sprach nicht mir ihr, als würde er sie insgeheim für dumm halten …“ oder zumindest irgendwie etwas, das noch nicht ganz so oft da war.

Das auch, habe es jetzt einfach gestrichen, ich denke, die Bindung zu Gustaf kommt auch ohne gut rüber.

Ich habe ein bisschen Zeit-Schwierigkeiten am Anfang. Die Beschreibung der Narbe im Präsens, der Gustaf saß auf dem Stumpf … Muss es heißen „war gewesen“?

Gute Frage. Dieser fließende, vielleicht auch etwas verwirrende Übergang war schon bewusst so gewählt, ich habe das jetzt aber mal durch eine Leerzeile voneinander getrennt, um die Verwirrung gering zu halten.

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Bas

 

Hallo @Bas,

schon ein bisschen grausam, diese Gustafwelt. Ja, Ruben begeht ja diese grausige Tat aus einer Art Affektneid. Ist natürlich spannend zu wissen, wie Ruben ein, zwei Tage später zu dieser Tat steht. Aber das ist eine andere Story. Ich lese ja deine Texte sehr gerne und ich glaube, sie sind außergewöhnlich schwer auszubalancieren: Die Beschreibung dieser eigenartig archaisch-bäuerlichen Welt, in der Dinge passieren, die man nicht klären kann und von denen man nicht weiß, wer sie verursacht und warum sie verursacht werden, droht bei kleinsten Ungenauigkeiten den Leser ins orientierungslose Niemandsland zu schicken. Das war bei mir am Anfang der Fall. Schwer fiel es mir, die Szenen in eine zeitliche Folge zu packen: Du erwähnst eine Narbe - bedeutet also, die Tat liegt sehr lange zurück, die Wunde ist verheilt - aber gleichzeitig scheint ja irgendwer auf dem Baumstumpf zu sitzen ("auf dem er saß"), du gehst in die Rückblende ("Inga war jünger"), jetzt taucht Gustaf auf, du berichtest einiges über Gustaf. Vielleicht macht es Sinn, die Geschichte zeitlich zu komprimieren, sie sitzt eben auf dem Baumstumpf oder sie sinniert, wie Ruben jetzt vergiftete Milch trinkt, als Racheaktion (jetzt gestaltete ich die Geschichte um), egal - im Endeffekt wusste ich nicht, wo und wann ich war, als ich mit dem zweiten Absatz begonnen habe. Instinktiv wollte ich das Ende vor den Anfang packen, da die Geschichte auf der Lichtung beginnt und auf der Lichtung endet. Liegt vielleicht nahe, dass ein kurzer Text mit drei Figuren ein stabileres Gerüst braucht. So mein grober Eindruck. Aber vielleicht habe ich auch etwas überlesen.

Inga. Irgendwo ja deine (kindliche) Hauptfigur. Aber, wenn ich ehrlich bin, bleibt sie gegenüber Gustaf und Ruben ein wenig blass. Wenn ich jetzt an Inga denke, denke ich an ein Mädchen, das mit Ruben streitet, vielleicht in Gustaf naiverweise verliebt ist, mit einer Katze Minka spielt und sich auf eine Lichtung im Wald zurückzieht. Dass sie sich auf der Lichtung vom Bauernhof geschützt fühlt, ist weniger auf ihre Entdeckerkünste, sondern auf die Sonne zurückzuführen ("...wie sie einen ausschloss"). Ein Opfer, das sich opfern lässt. Vielleicht muss sie auch mal agieren statt reagieren. Mordphantasien ingaseits? Ich glaube, ich kann diese nicht ernst nehmen, weil mir Inga zu kindlich-naiv erscheint, die eben auch mal grausam denkt. Tun ja alle in der Gustafwelt.

So. Das war jetzt der kritische Anmerkungsteil meinerseits.

Die Narbe zieht sich quer durch ihr Gesicht. Beginnt am Kinn oder an der Braue, je nachdem, geht weiter über den Mund, der jetzt immer ein wenig schräg steht, immer ein wenig: Hm, zu sagen scheint, weiter über das Auge. Mitten durch das Auge hindurch, das jetzt nicht mehr viel sieht außer den milchigen Schleier und den Schatten, den Umriss vom Baumstumpf auf der Lichtung, auf dem er saß.
Die Narbe beginnt am Kinn, spaltet den Mund in zwei Teile und zieht zum Milchauge, das Licht von Schatten trennt, das eine Form erkennt: Der Baumstumpf, auf dem er saß.

Der fette Satz klingt ein bisschen umgangssprachlich, "nicht mehr viel sieht".

Inga war noch jünger. War noch außer Atem. Ihre Brust bebte noch, sie hatte den Weg vom Hof rennend zurückgelegt, damit auch ja niemand auf die Idee käme, ihr zu folgen. Hu, rief er da. Blieb stumm.
Diese Überleitung finde ich klasse (bestimmt gibt es dafür einen schönen Stilmittelausdruck) - Inga war noch jünger (suggeriert Rückblende), dann das "war noch außer Atem".
Ruben war schuld, auf Ruben war sie sauer, Ruben hatte die Milchkanne umgestoßen und dann behauptet, Inga sei es gewesen, wegen Ruben hatte Mama geschimpft und Papa gesagt:
Vielleicht statt Papa "Oheim"? Irgendeine veraltete Verwandtschaftsbezeichnung? Papa sagen doch Kinder der heutigen Zeit und italienischsprachige Päpste.
Sie ging auf ihn zu. Er blieb sitzen. Sie war wütend, ihr kleines Herz pochte, die Baumwipfel schüttelten sich und da hob Inga einen Stein auf und warf ihn in seine Richtung. Geh weg!, rief sie, und: Wo der herkommt, gibt’s noch mehr!, und sie bückte sich schon nach dem nächsten und holte aus, die kleine Faust hinter dem Kopf.
Seltsam, ich bin mir gar nicht sicher: Ist dort Gustaf, ist dort Ruben? Okay, vielleicht habe ich wirklich etwas überlesen. Was mir wichtig erscheint: Die Lichtung ist Ingas Ort, das ist ihr persönliches Refugium und das will sie verteidigt wissen. Behaupte ich jetzt ganz frei.
Wenn man einem schlafenden Menschen eine Eulenfeder auf die Brust legt, ohne dass er davon aufwacht, offenbaren sich einem seine Geheimnisse, hatte Gustaf ihr ein Mal erzählt. Gustaf kannte ihr Geheimnis. Gustaf wusste, dass sie nachts wachlag und Ruben neben ihr und dass sie dann auf seinen Atem hörte und sich nichts sehnlicher wünschte, als wieder allein zu sein.
Ein sehr schönes Bild. Du wechselst hier zu Gustaf, dann wieder zu Inga und Ruben, den gibt's ja auch noch.

Dachse sind schön. Kleine Bären mit schwarzen Streifen am Kopf und weichen Pfoten, aber den Kopf kann man nicht essen und alles andere auch nicht, Dachse stinken. Dachse sind scheu. Man kann ein Jahr lang durch den Wald laufen und doch keinen zu Gesicht bekommen, Dachse sind schlau, aber wenn einer in der Falle steckt und noch zuckt, muss man ihn töten.
Das Feuer ist aus, die Asche liegt da wie Schnee. Wie der erste, feine Schnee, der nach tagelangem Frost vom Himmel fällt. Noch ganz zaghaft. Sich fast entschuldigend. Der von jedem noch so sanften Windhauch weggeweht werden könnte, sich noch nicht entschieden, sich noch nicht wie eine warme Decke über die Welt gelegt hat.
Hm, Dachse, du beginnst mit Eulen - braucht es die Dachse als Motiv? Das wirkt auf mich ein bisschen overload. Auch wenn mir das Bild sehr, sehr gefällt.

»Warst du das?«, fragt Gustaf und hält die Hand gegen die tiefstehende Sonne vor die Augen.
»Dumm«, sagt das Kind. Mehr nicht.
Mit dem kann man nicht reden, denkt Gustaf und geht weiter, und im Gehen trifft ihn etwas am Kopf, vielleicht ein Tannenzapfen, vielleicht ein Stock, egal, Gustaf kehrt um. Stürzt auf den Baum zu, hält sich am ersten Ast fest und zieht sich hoch, greift nach dem zweiten und schwingt sich auf den ersten, stellt sich drauf und greift den Jungen am Arm.
»Wer ist dumm?«
Der Junge sieht ihn an. Ahnt etwas.
»Lass mich los. Dann verrate ich dir, wo der Schatz ist.«
Gustaf lässt los.
Der Junge geht voran.
Für mich das Highlight. Da ist dieser oberschlaue Gustaf, der Inga mit Tat und Rat und Kraft zur Seite steht, und bei der kleinsten Aussicht auf einen Schatz siegt die Gier über all die Intelligenz. Stark charakterisiert. Auch dieses Hin-und-her zwischen Gustaf und Ruben, dieses Auflauern beiderseits.

Ruben ist. In Sicherheit.
Das würde ich streichen. In Sicherheit bringen, das ist ein sehr konkreter, auf die Gegenwart und auf eine Aktion gerichteter Ausdruck, den Feuerwehr, Polizei und Seerettung benutzen. Ich finde, in deiner Gustafwelt sagen die Menschen vielleicht etwas anderes: In Frieden, In Ruhe, Von Gefahr befreit, In Schutz, Unter Schutz, im Waldschutz.
Jung sein sollte verboten werden, man sollte erwachsen auf die Welt kommen dürfen wie die Pferde, gleich auf eigenen Beinen stehen, findet Ruben jetzt, auch wenn es eigentlich Ingas Worte waren, die sie damals der Mutter ins Gesicht gezischt und sich dafür eine Ohrfeige eingefangen hat.
Vielleicht bin ich jetzt sehr streng, aber "eigentlich" schließt ja auf eine Wertung Rubens? Wirkt auf mich wie ein Perspektivfehler ... aber bin mir unsicher.
Pferde. Vielleicht Fohlen? Die Umgebung formt die Sprache.
Auch Ohrfeige, auch da vielleicht ein Gustafweltausdruck (sorry, dass ich das ständig erwähne und in dein Universum eingreife): Vielleicht ein Ohrschlag oder eine Ohrtrommel oder ein Ohrquetsch.

lg

 

Hallo @kiroly,

freut mich, dass du vorbeischaust bzw. dich überhaupt mal wieder zu lesen :)

Ich lese ja deine Texte sehr gerne und ich glaube, sie sind außergewöhnlich schwer auszubalancieren: Die Beschreibung dieser eigenartig archaisch-bäuerlichen Welt, in der Dinge passieren, die man nicht klären kann und von denen man nicht weiß, wer sie verursacht und warum sie verursacht werden, droht bei kleinsten Ungenauigkeiten den Leser ins orientierungslose Niemandsland zu schicken.

Ja, das ist ein K(r)ampf :D Zuerst mal freut es mich natürlich, dass du meine (Gustaf-)Texte gerne liest, ich bin selbst immer mal wieder überrascht, in welche Richtung sich das entwickelt hat. Was auch einen großen Teil des Spaßes ausmacht - mich selbst zu überraschen, tiefer einzutauchen, es fühlt sich an, als würde immer noch erst an der Oberfläche kratzen mit diesen kleinen Texten.

Schwer fiel es mir, die Szenen in eine zeitliche Folge zu packen: Du erwähnst eine Narbe - bedeutet also, die Tat liegt sehr lange zurück, die Wunde ist verheilt - aber gleichzeitig scheint ja irgendwer auf dem Baumstumpf zu sitzen ("auf dem er saß"), du gehst in die Rückblende ("Inga war jünger"), jetzt taucht Gustaf auf, du berichtest einiges über Gustaf. Vielleicht macht es Sinn, die Geschichte zeitlich zu komprimieren, sie sitzt eben auf dem Baumstumpf oder sie sinniert, wie Ruben jetzt vergiftete Milch trinkt, als Racheaktion (jetzt gestaltete ich die Geschichte um), egal - im Endeffekt wusste ich nicht, wo und wann ich war, als ich mit dem zweiten Absatz begonnen habe.

Wie schon in meiner Antwort an Proof erwähnt, ist diese zeitliche Verwirrung nicht unabsichtlich so gestaltet. Mein Wunschdenken: Ein bisschen die Leserwahrnehmung durchschütteln, ein Gefühl von: Moment, was passiert hier? erzeugen, die Aufmerksamkeit steigern.
Was aber natürlich nichts daran ändert, dass es dich rausgeworfen hat. Was im blödesten Fall - wie auch schon erwähnt - dann dafür sorgen kann, dass der Leser denkt, whatever, ist mir zu blöd, ich bin hier zum Geschichtenlesen und nicht zum Rätselraten.

Deshalb habe ich da jetzt auch an ein, zwei Stellen geschraubt. Mit so kleinen Orientierungswörtern wie "damals".

Eine andere Sache, die bei dir für Verwirrung gesorgt hat:

Seltsam, ich bin mir gar nicht sicher: Ist dort Gustaf, ist dort Ruben? Okay, vielleicht habe ich wirklich etwas überlesen.

Ja, verstehe ich, auch da habe ich jetzt noch mal ein bisschen geschraubt und Gustaf gleich zu Anfang ins Spiel gebracht, wo zuvor nur rätselhaft von "ihm" die Rede war. Also ... Ganz stimmt das nicht, ich habe Gustaf jetzt im Gegenteil sogar komplett gestrichen aus Ingas Perspektive, einfach den "Fremden" aus ihm gemacht, aber zumindest gibt es jetzt direkt eine Abgrenzung zwischen "ihm", dem Fremden, und dem anderen "ihm", Ruben. Etwas weniger unnötiges Rätselraten, hoffe ich? Etwas leichterer, zugänglicherer Einstieg?

Inga. ... Ein Opfer, das sich opfern lässt. Vielleicht muss sie auch mal agieren statt reagieren.

Ja, auch das kann ich nachvollziehen. Und gefällt mir auch eigentlich gar nicht, die einzige weibliche Protagonistin in so eine Rolle zu stecken - hier mal 'ne Ohrfeige einstecken, da mal 'ne Narbe verpasst bekommen. Hm ... Gleichzeitig sehe ich aber schon auch, wie sie da am Anfang mutig ihr "Revier" verteidigt, der Mutter gegenüber aufmüpfig wird, wenn man das so deuten möchte, den Vater nachäfft ... Und sich ja ein Stück weit von der Familienenge emanzipiert, indem sie "ausreißt". (Wobei man das sicher auch als feige Flucht deuten könnte.)
Du merkst, ich bin nicht verlegen, Inga die Blässe abzusprechen, aber wie gesagt, ich kann deine Sicht auch gut nachvollziehen und versuche mal, sie noch ein wenig mehr strahlen zu lassen, verdient hat sies ja.

Hm, Dachse, du beginnst mit Eulen - braucht es die Dachse als Motiv? Das wirkt auf mich ein bisschen overload. Auch wenn mir das Bild sehr, sehr gefällt.

Erwischt :shy: Bevor die Geschichte da war, war dieses Bild da und jetzt tu ich mich natürlich schwer, mich davon zu lösen - auch, wenn ich mir das selbst auch schon gedacht habe mit dem overload. Mal schauen.

Auch danke für die Hinweise mit den "falschen" Wörtern - Papa, Sicherheit, Ohrfeige -, da suche ich beizeiten noch nach stimmigen Alternativen :)

Vielen Dank für deinen Kommentar!

Bas

 

… war ihr Ort, ihrer, ganz allein, nur Inga kannte den Baumstumpf und die Sonne und wie sie einen hier wärmte, wie sie den Wald ausschloss und die Welt dahinter: …

Ja, Dachse sind schlau (deshalb stinken sie auch, um feinere Nasen von sich fernzuhalten),

lieber oder doch besser bitterböser Bas,

und weil sie klug sind, wirken sie frech, wobei der Frechdachs mit Sicherheit niemals vom Aussterben bedroht ist, selbst wenn sich Generationen von Ältern wider den Frechdachs zusammenrotten ...
Ich denke, dass Du Namen bewusst wählst und nicht nach Schön- und somit wohligem „kling“-Klang aussuchst und „Ruben“ [hebr.: „Seht den Sohn (= Ben)] ist der älteste Sohn Jakobs und trägt – selbst bei überwältigendem Mehrheitsbeschluss – die Verantwortung für den Verkauf des jüngsten Bruders (die Geschichte ist bekannt und wiederholt sich immer wieder, dass eine „aufstrebende“ Nation – und heiße sie Egypten – Arbeitskräfte anwirbt, besonders, wenn sie billig zu haben sind)

Bliebe die Frage, welchen Gewinn die Bruderschaft hatte bei ihrem Geschäft - die umgestürzte Milchkanne wird – kanns anders sein? - ein Loch in den bäuerlich/ländlichen Haushalt reißen.

Womit wir beim Namen der Inga sind, eine weibliche Variante der nordischen Ingwionen (die Behüteten/Beschützten, eine ganze Völkergruppe nannte sich da nach). Die Narbe wird sie sich nicht selbst gezogen haben (als gewesener Pfadfinder weiß ich aber durch Nacht“spazier“gänge mitten durch den Wald, dass Sträucher, niedrige Äste neben Stolpersteinen ihre Narben hinterlassen können … Es muss nicht immer Menschenwerk sein, zudem wissen wir ja auch um Selbstkasteiung!, zu der auch Wohlbehütete - ob mit oder ohne Kopfbedeckung - fähig sind in welchem Glauben oder Wahn, einerlei.

Bevor ich jetzt über die Ufer schwappe ein bisschen Flusenlese

Die Narbe zieht sich quer durch ihr Gesicht. Beginnt am Kinn oder an der Braue, je nachdem, geht weiter über den Mund, der jetzt immer ein wenig schräg steht, immer ein wenig: Hm, zu sagen scheint, weiter über das Auge.
Warum soll die Interjektion „hm“ mit Majuskel geadelt werden, wenn sie nur „vermeintlich“ die Interjektion hervorquällt? Weg mit dem Doppelpunkt, das Komma spart m. E. zugleich das Komma vorm Inifinitv ein

Schon quollen sie wieder hervor, ganz ohne, dass sie etwas dagegen hätte tun können, jetzt war sie sauer auf ihn, das hier…
Warum der Konjunktiv, wenn sie schlicht „nichts dagegen tun konnte“?

Ha-ha-ha, und Gustaf schaut hoch, nach oben, und oben, im Baum, sitzt ein Kind.
Kommas weg!, zumindest fällt mir nix zwingend in dieser Richtung ein.
Willstu Pausen erzwingen, gibts einige Striche -

Sehr gerne vorm Mittag gelesen vom

Friedel

 

Hallo @Friedrichard,

schön, dass du vorbeischaust :)

Ich denke, dass Du Namen bewusst wählst und nicht nach Schön- und somit wohligem „kling“-Klang aussuchst

Und schön, dass du mir solche Dinge unterstellst, ich lasse dich dann auch gerne in dem Glauben, schadet ja niemandem :Pfeif:

Weiter zu den Flusen:

Warum soll die Interjektion „hm“ mit Majuskel geadelt werden, wenn sie nur „vermeintlich“ die Interjektion hervorquällt? Weg mit dem Doppelpunkt, das Komma spart m. E. zugleich das Komma vorm Inifinitv ein

Das ist wohl vor allem Spielerei, ich lese das ganz anders, wenn das da mit Doppelpunkt, in groß und mit Komma steht. Und ja, ich weiß, die deutsche Grammatik ist kein Spiel sondern eine ernste Angelegenheit ... Aber nur dieses eine Mal noch, ja? :shy: Versprochen!

Warum der Konjunktiv, wenn sie schlicht „nichts dagegen tun konnte“?

Ja ja, der Konjunktiv ... Wenn es einen Junktiv gibt, den ich nicht leiden kann, dann ganz eindeutig den. Danke.

Kommas weg!, zumindest fällt mir nix zwingend in dieser Richtung ein.
Willstu Pausen erzwingen, gibts einige Striche -

Auch hier könnte ich wieder mit der Spielerei kommen, gebe an der Stelle aber nach, habe ich ja versprochen.

Danke dir für die Flusenlese und auch für die Namensforschung. Tatsächlich habe ich (zu meiner Ehrenrettung) Inga kurz gegoogelt, eher, um zu sehen, ob es den Namen überhaupt gibt - kannte bis dahin nur Inka -, und "die Hüterin" erschien mir dann doch sehr treffend, wo Inga ja ein Geheimnis hat, das sie hütet. Oder sogar zwei, wenn man Gustaf dazuzählt.

Bis zum nächsten Mal!

Bas

 
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Hallo @Bas,

ich habe Deine Geschichte vier Mal gelesen. Zum einen erkenne ich mich in dieser Geschichte. Finde viele Lieblingsstellen. Zum anderen überzeugt mich mein Leseeindruck nicht. Was ja an mir liegt.
Habe ich erfasst, worum es Dir geht oder ist das nicht so wichtig?
Ist Dir an der individuellen Interpretation gelegen?

Die Narbe zieht sich quer durch ihr Gesicht. Beginnt am Kinn oder an der Braue, je nachdem, geht weiter über den Mund, der jetzt immer ein wenig schräg steht, immer ein wenig: Hm, zu sagen scheint, weiter über das Auge.
Toller Einstieg. Die Faszination für das „grausam-entstellte.“
Beginnt am Kinn oder an der Braue, je nachdem, geht weiter über den Mund, der jetzt immer ein wenig schräg steht, immer ein wenig: Hm, zu sagen scheint, weiter über das Auge
Musste ich zweimal lesen, vielleicht, „Hm“, in wörtliche Rede setzen.

Sie ging auf ihn zu. Er blieb sitzen. Sie war wütend, ihr kleines Herz pochte, die Baumwipfel schüttelten sich und da hob Inga einen Stein auf und warf ihn in seine Richtung. Geh weg!, rief sie, und: Wo der herkommt, gibt’s noch mehr!, und sie bückte sich schon nach dem nächsten und holte aus, die kleine Faust hinter dem Kopf.
Er sah sie bloß an. Ganz lange. Bis es dunkel wurde und dann wieder Tag, bis es ihr heiß wurde, bis sie sich am liebsten ausgezogen hätte, ganz nackt, ganz egal, dass da einer saß und starrte, den sie nicht kannte, ihr war kalt, sie musste zittern und ihre Zähne klapperten und sie wollte nach Hause, jetzt war er ihr unheimlich mit seinem Blick und seinen Augen.
»Hast du’s geglaubt?«, fragte er endlich.
»Was geglaubt?«, fragte Inga.
»Dass ich eine Eule bin.«
Ich frage mich ob das ein imaginärer Freund ist. Inga macht auf mich den Eindruck eines introvertierten Kindes.
Gustaf zieht die Schultern zu den Ohren. Wirft den Kopf in den Nacken. Sieht die Baumkronen mit knochigen Fingern nach den Sternen greifen: Sinnlos, denkt Gustaf, und im selben Moment springt er auf und greift selbst in den Himmel, schnappt selbst nach den Sternen, mit aufgerissenem Maul, und im Mondschein glänzen die stumpfen Zähne und offenbaren, was vom Dachs noch übrig ist
Lieblingsstelle. Nach den Sternen greifen …
Dumm«, sagt das Kind. Mehr nicht.
So frech, so überlegen.
Der Junge sieht ihn an. Ahnt etwas.
»Lass mich los. Dann verrate ich dir, wo der Schatz ist.«
Gustaf lässt los.
Schlau.
Aus der Erde ragen dicke Wurzeln. Manche sehen aus wie vollgefressene, versteinerte Würmer.
Lieblingsstelle
Jetzt. Jetzt könnte er ihn vom Stamm stoßen. Könnte hinterher springen und ihn in den Schlamm drücken, so lange, bis er aufhört, zu zucken, Gustaf ist stärker, der Junge ist schwach, ist noch ein Kind, Gustaf könnte ihm seinen Stiefel in den Nacken pressen und würde nicht viel mitbekommen von dem, was sich unter ihm tut. Bis sich dann gar nichts mehr tut. Bis der Junge tot ist, mausetot.
Da ist es das Böse.
Und auch Gustaf rennt, und jetzt ist es etwas anderes, das Gustaf lenkt, jetzt ist nur noch ein ganz kleiner Funken Gustaf im Gustaf: Klitze-klitzeklein, und etwas anderes ist größer, die Sinne schärfer, die Augen weiter und die Nasenflügel und sogar die Ohren: Jetzt kann er den Wald aufnehmen, ganz, jetzt ist es fast wieder Nacht
Das Tier ist erwacht.
Jung sein sollte verboten werden, man sollte erwachsen auf die Welt kommen dürfen wie die Pferde, gleich auf eigenen Beinen stehen
Lieblingsstelle
Und so greift er sich einen Stock, der am Waldrand liegt. Atmet tief durch. Versucht seine Brust und das, was in ihr wummert, zu beruhigen, zu bündeln, und geht langsam auf seine Schwester zu.
Das Böse, auch im Kind ist es, schlägt zu.

Eine Geschichte über die großen Gefühle. Wut, Lustbefriedigung, Geschwisterliebe, Einsamkeit … und dem Wolf, den sie füttern.
Oder vielleicht auch eine Geschichte über den freien Willen.

Gerne gelesen, mit großem Nachklang.
Schönen Sonntagnachmittag
CoK

 

Hallo @CoK,

ich habe Deine Geschichte viermal gelesen. Zum einen erkenne ich mich in dieser Geschichte. Finde viele Lieblingsstellen. Zum anderen überzeugt mich mein Leseeindruck nicht. Was ja an mir liegt.
Habe ich erfasst, worum es Dir geht oder ist das nicht so wichtig?
Ist Dir an der individuellen Interpretation gelegen?

Darüber habe ich jetzt eine Weile nachgedacht. Die Geschichte ist ja irgendwie … symbolisch aufgeladen, denke ich. Also ich könnte mir zumindest vorstellen, dass man sie so lesen möchte, weil der Text einen in so eine Richtung drängt, da sind ja so ein paar … hm, sehr starke Pinselstriche, so „Signalbilder“ drin. Vielleicht bräuchte es die gar nicht, vielleicht überlagern die sogar ein bisschen die eigentliche Geschichte. Wie, wenn man einen Song hört, dem Text folgt, der eingängigen Melodie, dem Klavierspiel – und dann wird da zusätzlich noch wild reintrompetet. Was bedeutet die Trompete???

Beschreibt das dein Gefühl ein bisschen? Vielleicht liege ich auch voll daneben.

Dann könnte ich mir vornehmen: Bisschen weniger Trompete, bisschen mehr Konzentration auf das, worum es geht, die Handlung, die Handelnden. Aber vielleicht würde dann ja auffallen, dass ich ein echt schlechter Klavierspieler bin … Und außerdem höre ich selbst die Trompete ja so gern … Aber ich würde es mir zumindest vornehmen!

Ich habe vor einer Weile den neuen Roman von Arno Geiger gelesen und ganz kurz dachte ich da zwischenzeitlich: Wo bleibt denn jetzt der spannende Twist, wann kommt der Bruch mit der Erwartung, wann zündet er das Feuerwerk? Hat er einfach nicht gemacht. Zum Glück, hätte dem Buch nämlich nur geschadet, und so war das für mich ein toller Beweis dafür, dass man ganz ohne Trompete erzählen kann. Wenn man es denn kann.

Hm, ich bin ein bisschen abgedriftet, weg vom Text, aber ich denke, das ist okay. Vielen dank jedenfalls für deinen Kommentar, der das ja angestoßen hat – macht mir immer Spaß, über so grundsätzliche Schreibfragen nachzudenken. Lass mich aber gerne wissen, wenn dein "Problem" mit dem Text doch woanders herrührt, würde mich natürlich interessieren!

Und wenn das Fragen sind, die du nicht nur dir selbst, sondern direkt an mich stellst, dann würde ich sagen: Nein, das ist mir nicht so wichtig, wichtig ist mir, dass du den Text vier Mal gelesen hast und dich dabei vor lauter Fragenstellen hoffentlich nicht gequält hast, sondern im Gegenteil sogar irgendwie Spaß daran hattest, auch beim vierten Mal noch

:)

Bas

 
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Hallo @Bas,

Und wenn das Fragen sind, die du nicht nur dir selbst, sondern direkt an mich stellst, dann würde ich sagen: Nein, das ist mir nicht so wichtig, wichtig ist mir, dass du den Text vier Mal gelesen hast und dich dabei vor lauter Fragenstellen hoffentlich nicht gequält hast, sondern im Gegenteil sogar irgendwie Spaß daran hattest, auch beim vierten Mal noch
Ich habe mich nicht gequält.
Weißt Du, ich mag Jazz, am liebsten alten Südstaaten Jazz. Insofern hat mich das mit der Trompete nicht gestört.:thumbsup:

Gruß CoK

 

Hallo @Bas,

überrascht hat mich die Geschichte nicht - hab ja schon einige gelesen von Dir. Ich hab jetzt auch nicht sinniert darüber, was sie aussagen soll - hab einfach die Worte, die Sätze eingesogen und mich daran gelabt; verwoben mit meinen Kindheitserinnerungen und der Kraft, die in Deiner Erzählung liegt. Du schaffst eine Intensität und Phantasie, zelebrierst und jonglierst mit der Sprache, dass ich die Geschichte mehrmals las, allein, um sie zu genießen.
Natürlich schimmert da ja immer etwas Autobiografisches durch - lüg jetzt nicht! Ich schrieb selbst in der Vergangen mitunter krude Stories, die auf Beobachtungen fußten. Kinderwelt. Kindergedanken und ihre Art, mit Ängsten und ihren Sehnsüchten umzugehen.
Immer wieder ein Erlebnis, in Deine Geschichten zu tauchen. Gefällt mir sehr gut.
Beste Grüße
Detlev

 

Hallo @Detlev,

und vielen Dank für deinen Wohlfühlkommentar. Klar, wir sind hier für die schonungslose, ungeschönte Kritik :teach:, aber einfach mal zu hören, dass das, was man sich beim Schreiben erhofft hat, dann tatsächlich genau so funktioniert, bestärkt ungemein.

Bas

 

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