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Inschrift

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23.04.2006
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Inschrift

Für Nadja, Denise und Anne, denen ich alles zu verdanken habe, was ich heute bin: Glücklich!

Blutverschmiert und ausgelaugt sitze ich vor dem Bildschirm meines Monitors., daneben ein Bockwurstglas mit einer Inschrift, einer Telefonnumer drauf. So habe ich sie damals kennengelernt. Sie haben es alle drauf angelegt. Ich wollte das eigentlich nicht. Es stinkt. Ich höre ein leises Summen, mein Notebook? Mein Magen? Ich höre meinen Atem. Ich habe Angst, Angst davor, dass mich niemals wieder ein Mensch so sehen wird wie Nadja, Denise oder Anne mich gesehen haben, Angst, nie wieder Gefühle, Emotionen, Liebe entwickeln zu können. Alle anderen Ängste und Frauen lasse ich hier mal weg. Es war ihre Schuld, dass es irgendwie nicht funktionieren sollte. Sie besaßen nicht die Kraft mich umzuhauen. Sie waren zu gewöhnlich und ich konnte mich auf sie einstellen, um mich schnell genug zu verpissen.
Ich werfe einen Blick in den Spiegel meines Kleiderschranks. Eine Mischung aus Glanz, Individualität und Chaos: Unklare Definitionen, aber eindeutige Linien. Blau und Rot vermischen sich zu hellen, holzähnlichen Brauntönen. Alles wirkt irgendwie verschwommen. Mein Blick schweift auf das Sixpack, dass durch das schimmernde Licht hervorsticht. Woher bist du? Vom gestrigem Besäufnis und Fressen oder vom Kampf und den Mühen der letzten Jahre. Ich weiß es nicht und es ist mir auch langsam egal, in jedem Fall muss es weg. Ich will nicht noch mehr kaputt machen. Mein Kopf muss wieder frei werden genau wie es mein Körper die ganzen letzten Jahre sein musste. IQ und Körpergewicht verflechten sich zu einer Urkunde, der Aufdruck stark und voller Stil, das Gewebe vergleichbar mit einer Serviette, an der noch Essensreste hängen. Mein Kopf sinkt zu Boden und erblickt sie. Ich sehe alte Fotos, auf denen das Wasser so blau strahlt wie alle acht Augen, sogar meine eigenen. Im Moment tränen diese nur. Denn die Realität sieht anders aus: Ein Eimer Wasser vor mir, braun und ekelig. In diesem Farbton spiegeln sich auch die Augen. Ich lasse meinen Blick erneut Richtung Spiegel schweifen und merke, dass das nichts daran ändert. Das Tränen wird zu einem Tropfen, der Atem zu einem Wutschrei.
Und so mache ich mich auf den Weg , um Nadja zu unterrichten, dass sie ihre Ausbildung als Fitnesstrainerin abbrechen soll, um ihr Studium fortzusetzen. Ich gehe los, um Denise ihren Schläger zurückzugeben , damit er niemals wieder zuschlägt. Ich werde Anne ihren Sportsocken bringen und ihr einen Zettel hinlegen, dass ich sie immer noch liebe. Ich weiß auch, dass das alles nichts davon entschuldigen kann, was ich ihnen angetan habe, aber es ist wenigstens ein Versuch und so fällt schon die Tür hinter mir zu. Schade nur, dass ich meine Springerstiefel anhabe und mal wieder den Autoschlüssel nicht dabei. Ich denke eben nicht an alles, mich selbst vergesse ich immer. Da kann auch mein hektischer Gang nichts dran ändern. Unterwegs mache ich mir Gedanken darüber, dass ich schon immer Autor werden wollte und sich Blutstropfen gut auf den ersten Seiten eines Buches machen würden. So gehe ich auf dem Rückweg bei der Tanke am Friedhof vorbei, investiere das gesparte Spritgeld und überlege mir Zeilen für die Widmung in meinem zukünftigen Bestseller:

Für Nadja, Denise und Anne, denen ich nichts davon zu verdanken habe, was ich heute bin: Unglücklich

“Und so wird ein Monitor zu einem Grabstein, dem man durch Zuschlagen nach Belieben die Sicht versperren kann: Geheimnisvoll wie auch das Leben selbst.” - Nobody´s letzte Worte

 

Ich möchte nicht jedes Wort der Geschichte entschlüsseln, obgleich es sicherlich seine Bedeutung hat. Und da ich sie nicht selbst verfasst habe, sondern nur ihr Erbe bin und aufgefordert, sie zu veröffentlichen, nur soviel als Hinweis zum Inhalt:
1. Der Wahn nach einer perfekten Figur ist nicht immer erstrebenswert.
2. Oft entwickeln sich Beziehungen so, dass man am Ende nicht mehr deutlich erkennt, wer eigentlich wen in irgendetwas hineingezogen hat.
3.Zu Beginn einer Beziehung kann sogar ein Bockwurstglas eine Trophäe sein, wenn man damit geglänzt hat, mehrere Gläser zu essen und dadurch die Telefonnummer eines Mädchens bekam, ganz gleich, was danach passierte.
4. Nicht alle Geschichten sind Fiktion.
5. Geschichten, die das Leben schreibt können zugleich verletzen, aber auch heilen.

 

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