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iookl

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13.03.2003
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iookl

Gutemiene kann schreiben!
Bitte? Nein - keine Gedichte, nichts Schöngeistiges. Sie kann einfache, kurze Mitteilungen schreiben. Ach – vielleicht sollte ich zunächst erklären: Gutemiene ist eine alte Katzendame.
Wie alt sie genau ist, weiß ich nicht. Gutemiene ist uns zugelaufen, als sie etwa vier oder fünf Jahre alt war. Und das liegt gut zehn Jahre zurück. Sie ist also selbst für eine Katze schon recht alt. Umso erstaunlicher, dass sie auf ihre alten Tage mit dem Schreiben begonnen hat.

Mein Laserdrucker, den ich – ihn vor Staub zu schützen – mit einem dicken, doppelt und dreifach gefalteten Leinentuch abdecke, ist Gutemienes Lieblingsschlafplatz. Darauf liegt sie oft und gerne und döst vor sich hin. Manchmal blickt sie kurz auf, wirft mir einen Blick zu und schläft sofort wieder ein. Beneidenswert, denke ich dann, und: Katze müsste man sein!

Der Drucker steht in einem Regal neben meinem Computer. So habe ich beim Schreiben oder Arbeiten schnell die Hand am Netzschalter, wenn es etwas zu drucken gibt. Was natürlich nicht geht, wenn Gutemiene darauf schläft. Sie des Druckens wegen aus dem Schlaf zu reißen: undenkbar - ist sie doch ein wenig empfindlich!

Um auf ihren Schlafplatz zu gelangen, springt sie vom Fußboden auf meinen Stuhl, beziehungsweise auf meinen Schoß, wenn ich auf dem Stuhl sitze. Von dort über den kleinen Rolltisch, auf dem sich Monitor, Tastatur und Maus befinden, zum Drucker. Kurz ein wenig Katzenwäsche - eingedreht und eingeschlafen.
Und dabei hat sie es immer vermieden, die Tastatur zu betreten, was nicht verwunderlich ist, sind doch die Abstände zwischen den Tasten gefahrenbergende Klüfte für nicht mehr ganz junge Katzenpfoten.

So war das, bis vor einigen Wochen.
An jenem Tag, ich quälte mich seit einigen Stunden mit einem Gedicht herum, wobei mir Gutemiene zwischendurch mitleidig zusah, erhob sie sich plötzlich vom Drucker, schlich sich auf den Rolltisch und setzte die rechte Vorderpfote gezielt auf den zentralen Punkt zwischen vier Tasten. Meine begonnene Verszeile wurde nun fortgesetzt durch das von Gutemiene geschriebene Wort: iookl.

iookl – was will mir meine Katze damit sagen? fragte ich mich.
Dass sie mir etwas sagen wollte, stand für mich außer Zweifel.
Jahrelang tagtäglich, abend für abend vom Schlafplatz aus einem Schreiber bei der Arbeit zusehen - das muss zwangsläufig irgendwann auch auf eine Katze abfärben. Katzen sind schlau – warum sollten sie nicht in der Lage sein, ihren Menschen einfache Mitteilungen in Katzensprache zu schreiben?

Schon hatte sie über meinen Schoß den Weg zur Zimmertür gefunden. Abwechselnd mich und die Tür ansehend, signalisierte sie mir: „Mach die Tür auf – ich will raus!“. Sollte das die Bedeutung von „iookl“ sein? Wohl kaum, die Gestenkommunikation funktionierte seit Jahren problemlos, warum sollte Mienchen, so nennen wir sie, sich die Mühe machen, mir diesen Wunsch, besser gesagt: Befehl, nun schriftlich mitzuteilen? Ich öffnete die Tür und folgte meiner alten Katze auf ihrem Weg durch unser Haus. Den Flur entlang bis in die Küche lief sie, ohne nach links und rechts zu sehen. Dort stürzte sie sich förmlich auf den stets gutgefüllten Fressnapf und begann, laut schmatzend die edlen Schlachtereiabfälle zu fressen.
Da war mir klar: „iookl“ bedeutet in der Katzensprache soviel, wie:
„Hunger – essenwollen - mach ‘ne Dose auf!“.

Wenige Tage später.
Das Gedicht war fertig, eine Kurzgeschichte im Entstehen. Ich hatte schon gut zwei Stunden daran geschrieben und wurde ein wenig müde. So entschloss ich mich zu einer kurzen, entspannenden Pause: eine Patience und dazu etwas Musik.
Ich schaltete das Radio ein und es erklang ein Stück der Bloodhound Gang]. Nach einem kurzen Intro auf der akustischen Gitarre folgte ein Stakkato auf elektrischen und Bassgitarren, begleitet von einem wummernden Schlagzeug und der sonoren Stimme des Sängers. Gutemiene, die fest auf dem Drucker zwischen den Lautsprechern geschlafen hatte, fuhr aus dem Schlaf empor, sprang auf den Rolltisch, drückte mit ihrer rechten Vorderpfote die Tastenfolge: erfder und sah mich vorwurfsvoll an. Als ich nicht reagierte, wiederholte sie ihre Eingabe, eindringlicher, wie mir schien: errffdeer.
Sollte die Musik, dieser heftige Beat, sie gestört haben? Ein Druck auf den Netzschalter des Radios: die Musik verstummte. Gutemiene gab ein leises „yiouw“ von sich, sprang zurück auf den Drucker und war bald darauf fest eingeschlafen.
In ein kleines Oktavheft, dass ich wenige Tage zuvor aus gutem Grund gekauft hatte, notierte ich in die Zeile unter iookl:
erfder – mach die Musik aus!

Wenig später am selben Tag:
Mit leisem Quietschen öffnete sich die nur angelehnte Zimmertür, und ein trat Diesel, unser junger Kater. Gutemiene kann Diesel nicht ausstehen. Sie kann überhaupt keine anderen Katzen leiden, auch Menschen gegenüber ist sie sehr kühl. Diesel hockte sich auf die Hinterpfoten und blickte an meinem Monitor vorbei auf Mienchen. Die fauchte ihn von ihrer erhoben Position aus an, streckte sich vom Drucker aus so weit vor, dass sie die Letternfolge
üpöüüä
schreiben konnte.
Da mir Gutemienes Abneigung gegenüber Diesel nicht neu war, ahnte ich sofort, wozu sie mich mit ihrem Wort bewegen wollte.
Sanft setzte ich Diesel vor der Zimmertür auf dem Flur ab, nicht ohne ihn kurz und tröstend zu kraulen, schloss die Tür und setzte mich an meinen Arbeitsplatz. Gutemiene sah mich an, zufrieden.
In das Oktavheft notierte ich:
üpöüüa – schmeiß den dämlichen Kater raus!

In wenigen Wochen sammelten sich etliche Katzenbefehle in dem Notizheft. Immer schneller begriff ich, immer weniger Überlegungen waren erforderlich, sie zu dechiffrieren.
Auf jeden Befehl und den Anlass für Gutemiene, ihn zu schreiben, einzugehen, würde den geschätzten Leser langweilen.
Daher nur kurz meine Notizen, die - so denke ich - auf dem besten Wege sind, zum unentbehrlichen Wörterbuch für den Katzenhalter zu werden:

asyyxs - dreh‘ die Heizung höher/mir ist kalt
jiuku - dein Bart kratzt
oiklii - mach Feierabend, lass mich endlich alleine
huzjhu - kraul mich am Bauch
huzjhi - kraul mich im Nacken
aawsaq - ich muss mal (raus in den Garten)
ooiiioo - sag deiner Frau, sie soll nicht so laut singen
tzhhz - hör auf zu lachen


Bald hatte ich das System in den Buchstabenfolgen, die Mienchens Aufforderungen bildeten, entdeckt. Es war gar nicht so schwer. Um sicherzugehen, dass ich ihre Sprache verstand, versuchte ich heute den umgekehrten Weg. Wenn ich ihre Sprache wirklich verstehe, so dachte ich mir, müsste die Katze auf einen von mir in ihrer Sprache geschriebenen Befehl ebenso gehorchen, wie andersherum.
Als sie vorhin in mein Zimmer schlüpfte, nahm ich Gutemiene behutsam mit der linken Hand auf, setzte sie auf meine Oberschenkel, so dass sie auf den Monitor sehen konnte und tippte das Wort:

ölopo.

Es funktionierte!
Eine Sensation!
Gutemiene las und verstand!
Unverzüglich folgte sie meiner in Katzensprache geschriebenen Aufforderung, sich hin zu legen und zu schlafen!

 

Hallo Bobo,

das ist eine hübsche kleine Geschichte, die immer in der Schwebe bleibt, da sie im Unklaren lässt, ob es sich um ein echtes Talent handel oder nur um die realitätsverzerrte Wahrnehmung eines stolzen Katzenpapas.
Jedenfalls musste ich schmunzelnderweise an all die Gespräche zwischen Katzen- und Hundebesitzern, sowie junger Eltern denken. Dabei hast du deine Prots (Katze und Mensch) liebevoll beschrieben. Kein großer Brüller an Lachen, aber der leise Humor hätte auch zu Satire gepasst. Aber vielleicht meintest du die Geschichte ja ernst?

Auf alle Fälle hat sie mir in meiner Lesart gefallen.

Lieben Gruß, sim

 

hi bobo

Auch ich finde, die Geschichte hätte fast in Satire gepasst. Allerdings geschieht das von dir Beschriebene vermutlich so oft, dass es auch schon wieder Alltag ist.
Den Schluss finde ich sehr gelungen, die Zweideutigkeit dabei. Einerseits kann man den durchschlagenden Beweis für die Intelligenz der Katze darin lesen. Andererseits könnte man auch sagen, dass sich die Katze hinlegt, hat nichts zu bedeuten, Katzen legen sich andauernd hin zum Schlafen.
Bei mir lag sie immer auf dem Monitor, weil der so schön wärmt ;)
Insgesamt eine schöne Persiflage auf alle Katzenliebhaber, mir hätte es gefallen, wenn das ganze ins Absurde abgedriftet wäre: die Katze schreibt Gedichte, die reißenden Absatz finden usw... dann wäre es eine wirklich bissige Satire.

Liebe Grüße
wolkenkind

 

Liebe(r) sim,

dass Dir meine Geschichte gefallen hat, ist mir das Wichtigste. Mit den Schubladen tue ich mich schwer. Satire ist es nicht. Humor schon, m.E. Aber ich weiß, dass es hier einige Leser gibt, die unter Humor den Megabrüller erwarten und dann enttäuscht wären. Also stelle ich fast alle meine Stories unter "Alltag" ab. Da passt letzlich fast alles hinein.
Und: natürlich meine ich die Geschichte ernst!! *lol*


Hallo wolkenkind,

"Auch ich finde, die Geschichte hätte fast in Satire gepasst. Allerdings geschieht das von dir Beschriebene vermutlich so oft, dass es auch schon wieder Alltag ist."

D'accord. ;)

Eine bissige Satire sollte es nicht sein, daher kommt der von Dir erwünschte Schluss nicht in Frage. Bissige Satiren (schreiben) ist mein Ding nicht, ich mag den leisen Humor.

Euch beiden vielen Dank fürs Lesen und Eure Rückmeldungen!

Gruß
Bobo

 

Hallo Bobo!
Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen! Ich kann mich den anderen nur anschließen. Wirklich sehr gut gelungen, wobei man sich fragt, ob sowas wirklich passieren könnte, (da meine Katze die Angewohnheit hat, immer über die Tastatur meines Klavieres zu laufen. Das nächste Mal werde ich besser "zuhören" *smile*)

Habe Deine Geschichte gerne gelesen!
Gruß Joker

 

Hallo Joker,

auch Dir einen Dank für Deine Rückmeldung. Unter uns: So etwas kann passieren, ist sogar passiert... ;)

Gruß
Bobo

 

hi Bobo!

wirklcih amüsant beschrieben - vor allem der Schluss, dass reagieren von Gutemiene... :D
Katzen/Tiere zu vermenschlichen bidelet oftmals nette Anlässe und witzige Situationen. Das hast Du liebevoll und leise dargestellt, sehr gern gelesen. Dein flüssiger und ruhiger Stil passt sehr gut!

schöne Grüße
Anne

 

... und Carlotta Pfefferkorn ist ein lustiger Nick, Carlotta! :)

Dir und AnneMaus herzliche Grüße und je 1 Dankeschön!

Bobo

 

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