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Irrtum
Ich lief ohne zu hetzen einen Feldweg entlang, die Sonne hatte sich bereits hinter den Horizont gesenkt und die weiten Felder links und rechts von mir verschwanden im Halbdunkel. Neben mir lief, trotz meines geringen Tempos bemüht, Schritt zu halten, eine zarte Fee. Sie hatte ihre Zauberkraft verloren und so gab ich ihr meine Hand und führte sie.
Nun kamen wir aber beide erst an eine Kreuzung, und da wir nicht genau wussten, wohin und weiterhin kein Ziel hatten, (‚folge einfach der schwarzen Linie’, meinte die etwas dumme Fee) wählten wir den nächstbesten Weg und gelangten an eine Brücke. Als wir ungefähr die Mitte der Brücke erreicht hatten, erschreckte uns ein zorniges Knurren. Ein gefährlich aussehender Hund näherte sich uns von der anderen Seite. Ich bekam Angst, gemeinsam wichen wir zurück. Seltsam, aber der Hund schien uns nicht zu folgen. „Wahrscheinlich“, bemerkte die Fee, „will er uns nicht auf der anderen Seite“. Ich stimmte zu. An die Kreuzung zurückgekehrt entschieden wir uns also für einen anderen Weg, gelangten wieder an eine Brücke und wieder kam ein Hund, der diesmal noch gefährlicher aussah. Wieder wichen wir zunächst zurück, doch wollte ich nicht so recht fliehen. Eine riesige Katze erschien nahe dem Ufer, doch vor ihr fürchtete ich mich nicht. Ich schritt mutig zurück, und auf sie zu. Den Hund hatte ich wegen der Katze vergessen. Da begann eben diese mit ihrer Pfote nach ihren Jungen zu greifen und warf sie in meine Richtung. Weil ich mir nicht anders zu helfen wusste, trat ich, sobald sie landeten. Dennoch schafften es ein paar, mir in die Füße zu beißen und meine Beine zu zerkratzen. Ich fiel zu Boden.
Angelockt von meinem Mut erschienen mehr und mehr Hunde auf der Brücke, und kamen immer näher. Ich verstand, dass wir einfach nicht erwünscht sind und wollte wieder nach der Fee sehen, mit ihr umzukehren. Da sah ich gerade noch, wie ein Schäferhund sich ihr ins Genick biß. Vor Schrecken sprang ich auf, taumelte zwei drei Schritte und brach dann, unter dem Gefühl eines Bisses in etwa zwischen Hals und Schulter zu Boden.
Ich erwachte in meinem Zimmer. Deutlich erkannte ich die schräge Decke, die beigefarbenen Schränke. Verwundert stand ich auf und lief herum. Ich sollte nicht hier sein, dachte ich. Aber ich war sehr zufrieden. Die Treppe hinunter gelangte ich in mein altes Kinderzimmer. Zunächst war es eingerichtet wie ich es in Erinnerung hatte, doch in einem Wimpernschlag verwandelte es sich, um so zu erscheinen, wie es tatsächlich war. Auf dem nun neuen Schreibtisch stand eine Schale Salat. Ich kostete ohne ihn zu berühren und freute mich. Gleichzeitig machte mich der Anblick des Salates unheimlich traurig, den er war Vergangenheit. Ich sah mich weiter um. Im Bücherregal entdeckte ich „Das Blaue vom Himmel“, schlug es auf und las „Folge dem Verlauf der schwarzen Linie und du kommst ins Zauberland…“, schlug es zu und wunderte mich, an wen dieser Satz mich erinnerte.
Unten im Haus sah ich meine Oma, sie warnte mich, ich würde keine Geschenke bekommen, wenn ich nicht anrufen würde. Schwerlich konnte ich ein Grinsen verbergen und wieder freute ich mich, über ein Stück zurückgekehrter Vergangenheit und spürte mit Trauer, dass es vergangen war.
So ist es also,dachte ich, im Himmel. All unsere Erinnerungen kehren wieder, so klar, dass wir erst ihre wahre Schönheit erkennen, aber gleichzeitig die Wunden, die ihr Verlust uns zugefügt hatte. Dieses Gefühl war so absurd, höchstes Glück und tiefste Trauer in einem und doch nicht ausgeglichen. Was für eine Entdeckung! Die Antwort aller Fragen, es ist so simpel, jeder Idiot hätte auf sie kommen können, denn es gibt nur Ich bin Tot??
Wenn ich wirklich im Himmel bin, bin ich dann nicht TOT??
Plötzlich zerflossen die Wände, mein Herz durchbohrte ein Stechen, dass mich beinahe zusammensinken ließ. Ich rannte schreiend nach oben, meinen Kopf durchbohrte die Vision, wie ich im Koma liege und alle mich drängen aufzuwachen, ich wachte nicht auf, schleppte mich mit Mühe ins Bad, wo ich meiner Mutter begegnete. Mit schmerzverzehrtem Gesicht winselte ich um Hilfe, bekam keine und nahm ich meine Hand von meinem Bauch und er erschien mit einem sauberen Schnitt geöffnet, aus seinem Inneren quollen weiße Würmchen, die sich wanden und zu Tausenden zu Boden fielen. Alles um mich herum verblasste immer mehr, ich schien zu fliegen und ohne Vorankündigung stand ich unversehrt in einem Büchergeschäft, vor mir ein älterer Herr, Er drehte sich um und fragte, „Kennst du das Buch, das Buch vom Himmel?“ Ich bejahte und wollte klug tun. „Es ist mit dem berühmten Satz“, schnatterte ich kokett. „Ja, dem berühmten Satz“, erwiderte der Alte, „Um ins Zauberland zu kommen …“ – „Folge einfach der schwarzen Linie“, unterbrach ich ihn.
„Nein“, schrie er, „folge dem Verlauf, auf den Verlauf kommts an!“