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Jährchen

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06.12.2004
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Jährchen

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Schwül, heiß und laut, im Stadion. Martin mag eigentlich kein Fußball, aber all' seine Freunde, die Jungs aus dem Schachclub wie auch der Bruder des Mädchens seiner Träume sind begeisterte Schalkefans. Also liest er, Gähnen unterdrückend, den Sportteil - um mitreden zu können - und geht, wie heute, sogar mit zu den Spielen. Warum ist er hier? Er mag doch eigentlich nicht einmal Bier - bestellt sich aber ein überteuertes Weizen, da er sich vor den Freunden doch nicht zeigen kann, mit einer Cola, die er tief im Herzen viel lieber trinken würde.

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Die Wolken brechen und alles was wir kennen versinkt in der Regenflut. Der Bürgersteig wird nass und der Straßendreck wird mitgerissen von den Bächern in die Regenrinnen. Die Bäume haben schon längst ihre Blätter verloren und bieten dem Wanderer keinerlei Schutz. Nur Joachim wird nicht nass. Er und sein Aktenkoffer werden von keinem Tropfen erwischt, nicht ein bisschen. Es blitzt und gewittert, doch Joachim zeigt sich vollends unbeeindruckt. Er hat einen Knirps-Regenschirm, der Joachim.

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Weihnachten und die Welt schneeweiss. In der alten Fachwerkinnenstadt riecht's nach Zimt und Zauber. Zwischen der Volksbank und dem Gasthaus "Zur Krone" knutschen Jugendliche Marius und Simone. Wochen und Monate träumte sie davon und wurde enttäuscht - seine Hände schnellen in ihre Jacke, an ihre Knie und Schenkel, überhaupt nicht romantisch. Wenn der so weitermacht, kriegt er eine Backpfeife und muss sich was richtig Gutes überlegen, um die aufkeimende Liebe wieder zu kitten. Backpfeife, wegrennen und heulen. Warum wollen die Männer alles sofort und nichts nach und nach? Wie Kinder, die schon am ersten Dezember den ganzen Kalender vernaschen - und morgen ist dann nichts mehr übrig.

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Picknick im Grünen und Steaks auf dem Grill, ein Bach plätschert und die Bienen summen auf den Blumen. Der Kasten kühlen Wiküler-Pilses ist halbleer und hochkant gestellt, damit Marius sich draufsetzen kann, Gitarrespielend und betrunken-schiefsingend. Joachim ist nicht betrunken, er trinkt Alkoholfrei. Er zeltet heute auch nicht, er fährt Heim. Es sei denn, Simone ist ihm gewogen. Die hatte vorher was mit Marius, widmete heute aber einen guten Teil ihrer kostbarer, vielbegehrter Aufmerksamkeit Martin, der ihr gerade hilft, ihr Zelt aufzubauen. Die Schlacht ist aber noch nicht verloren, denkt Joachim. Er traut sich zu, die "Versager" zu übertölpeln und das Mädchen für sich zu gewinnen. Immerhin ist er charmant, wortgewandt und gut gekleidet.

Nur Simone weiß aber, dass heute keiner von denen bekommt, was er begehrt. Weil sie keine Lust hat. Es ist viel schöner, begehrt zu sein, als besessen, als einziges Mädchen im Quartett.

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Hey Anton!

Ich fang mal mit dem Guten an: Bin großer Fan des zweiten Absatzes! Der würde zwar allein hier nicht als KG durchgehen, aber für mich ist er das: eine äußerst sympathische, gut pointierte Kürzestgeschichte! :)

Zum großen Ganzen: Habe überlegt und finde es als Idee nicht schlecht, wenn's denn funktionieren würde. Ich meine Patchwork in dieser Art. Tut es aber nicht, weil die Lücken dann doch zu groß sind. Das Einzige, was in diesem Text kittet, sind die Namen. Das reicht leider nicht: Der Leser braucht ein paar mehr Ansatzpunkte, um die Geschichte rekonstruieren zu können. (Der Titel hilft dem auch nicht, macht den Text höchstens zum Bericht.)

Aber wie gesagt, zweiter Absatz :thumbsup:!

Gruß
Kasimir

 
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Hallo Kasimir,

Eigentlich wollte ich das Ding in "Experimente" posten, es war mir dann doch nicht experimentell genug. Wäre dort vielleicht doch etwas besser aufgehoben, da es, wie du sagst, im Ganzen keine einheitliche Geschichte mit Anfang und Ende ist.

Der zweite Absatz war eigentlich an sich mein Sorgenkind. Ich habe Joachims Portrait nämlich nur am Äußeren festgemacht. Dafür durfte er am Ende zum Zug kommen. Cool, dass dir gerade der zweite gefiel.

Der Titel. Ja, den habe ich kurz vor dem Posten schnell ausgedacht, weil man hier nichts unbetiteltes posten kann. :D Aber im nachhinein bereue ich nicht, das Ding gerade so und nicht anders genannt zu haben.

 

Hi Anton,

an der Rubrik liegt es nicht, es gibt hier auch in anderen Rubriken Geschichten, die szenisch aufgebaut sind. Wie gesagt, es fehlt nur an ein wenig mehr Hinweisen in den einzelnen Szenen, woran sich der Leser entlanghangeln kann.
So weiß man z.B. in dem Text hier nicht, was Martins Abneigung gegen Fußball und Bier mit Simone zu tun hat. Das Motiv kehrt zwar im letzten Absatz wieder, aber dann ist Joachim derjenige, der nur alkoholfrei trinkt - ein größerer Zusammenhang entsteht nicht. Die Charakterzüge der Figuren sind also für die eigentliche Geschichte (Absatz 4) irrelevant, das verwirrt dann. In einem literarischen Text hat alles eine Bedeutung, wurde mir eingebläut :D, aber wo es keinen Zusammenhang gibt, bleibt die außenvor. Gib also dem Leser Infos, die er zu einem Ganzen verarbeiten kann.

Den Titel kannst du übrigens - wenn du doch willst - von einem Alltag-Moderator ändern lassen (weltenläufer, Brother Kane).

Kleine Anm.:

Die Bäume verloren schon längst ihre Blätter und bieten dem Wanderer keinerlei Schutz.

haben schon längst verloren

Gruß
Kasimir

 

Hallo Anton,

ich finde die Rubrik passt. Die Form ist zwar eher experimentell aber der Inhalt passt in die Rubrik.
Die Idee, das so szenisch aufzubauen, finde ich auch ganz gut. Aber die Beschreibung der Personen ist vielleicht noch etwas dünn: Martin mag kein Fussball - geht aber der Freunde wegen mit, Joachim hat einen Aktenkoffer, Marius verdient sich eine Backpfeife. Vielleicht kann das alles noch etwas tiefer und eingehender beschrieben werden? Dann wäre auch klarer, dass es zunächst um die Beschreibung der Personen geht.
Am Ende treffen alle beim Grillen aufeinander, alle wollen was von Simone. Aber wieso gibt es dieses Quartett überhaupt? Ist der Bruder von Martins Traumfrau aus dem Schachklub auch mit dabei? :confused:

Schön wäre auch zu zeigen, wie das begehrt sein schöner ist als jemanden "zu gehören". Z.B. könnte Simone sich die drei Jungs ansehen, wie sie alle um sie buhlen und dabei in sich hineingrinsen...;)

Noch eine Anmerkung:

wird mitgerissen von den Bächern in die Regenrinnen

Viele Grüße

MLasar

 

Hallo Kasimir, hallo MLazar!

Liebsten dank für eure Kritiken! Sie zeigen mir woran die Geschichte hier noch krankt. Die Korrekturen übernehme ich mal.

So weiß man z.B. in dem Text hier nicht, was Martins Abneigung gegen Fußball und Bier mit Simone zu tun hat.

In den ersten drei Kapitel wollte ich den Charakter der Prots beschreiben. :) Um mich von der Krankheit des Schwallens auszukurieren beschloß ich, mich auf so wenige Worte wie möglich zu beschränken, um lebendige, vorstellbare, runde Charaktere zu schaffen.

Das Motiv kehrt zwar im letzten Absatz wieder, aber dann ist Joachim derjenige, der nur alkoholfrei trinkt - ein größerer Zusammenhang entsteht nicht.

Martin trinkt kein Alkoholfrei. Er würde gerne, trinkt aber ein Weizen, weil er sich nie durchsetzt. Joachim soll ein pragmatischerer Mensch sein. Aber man sieht das alles ja nicht aus der Story, wenn man sie nicht gerade selbst geschrieben hat. :( Vielleicht braucht man eben doch mehr Wörter.

Die Charakterzüge der Figuren sind also für die eigentliche Geschichte (Absatz 4) irrelevant, das verwirrt dann. In einem literarischen Text hat alles eine Bedeutung, wurde mir eingebläut :D, aber wo es keinen Zusammenhang gibt, bleibt die außenvor. Gib also dem Leser Infos, die er zu einem Ganzen verarbeiten kann.

Da hast du recht, die eigentliche Geschichte ist wohl doch viel zu knapp, die Rollen viel zu klein, alsdass deren Charakter, den ich im ganzen Text davor beschrieben richtig zum Zuge kommen kann. Vielleicht schreibe ich's irgendwann auch ordentlich aus, über ein paar Seiten, damit das auch eine richtige Geschichte wird. :)

MLazar schrieb:
Vielleicht kann das alles noch etwas tiefer und eingehender beschrieben werden? Dann wäre auch klarer, dass es zunächst um die Beschreibung der Personen geht.
Ich nehme es mir mal vor. :)

 

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