Was ist neu

Ja, er mußte sterben

PHE

Mitglied
Beitritt
25.08.2001
Beiträge
36
Zuletzt bearbeitet:

Ja, er mußte sterben

Sie hielt ein Kastanienblatt in der Hand. Es war ein heißer Spätsommertag und sie fächelte sich langsam mit dem Blatt Luft zu. Es half zwar nicht viel, aber das mußte es auch gar nicht. Hier unter den Kastanienbäumen war es recht angenehm. Die langsame Bewegung beruhigte sie.

Sie legte das Blatt auf die Knie und holte ihren Kosmetikspiegel hervor.

So sieht also eine Mörderin aus, dachte sie.

Gut siehst du aus.

Sie zwinkerte sich zu.

Mord bekommt dir.

Aber er hatte es auch verdient!

Und ich habe es verdient!

Natürlich meinte das eine ‘es’ etwas anderes als das andere ‘es’. Aber im Prinzip vielleicht doch nicht.

Sie ließ den Spiegel sinken und lehnte den Kopf gegen den Baumstamm. Eine Kraft schien von dieser mächtigen Kastanie auszugehen. Es war wie eine Zustimmung.

WAS DU GETAN HAST, WAR GUT GETAN. ER DURFTE NICHT LÄNGER LEBEN. UNSER WILLE GESCHEHE.

Sie steckte den Spiegel ein und nahm das Blatt wieder zur Hand. Ein großes Blatt. Fünf Finger. Sie nahm die Hand zur Hand.

Ja, er mußte sterben.

Sie war sich immer noch genauso sicher wie vor der Tat. Kein Zweifel, kein Mitleid, keine Unsicherheit schmälerte den Triumph.

Er war tot, sie war frei. Dabei hatte sie nur wenig getan, um diesen Zustand zu erreichen. Die Trennung war im Prinzip unausweichlich gewesen. Jeder wußte das, doch keiner wollte es aussprechen. Er war wie eine Klette. Sie wollte ihn nicht mehr, aber er hatte zu viele Widerhaken.

Keiner nahm es ihr übel, daß sie glücklich über seinen Tod war. Vielleicht nannte man sie hinter vorgehaltener Hand pietätlos und kaltherzig, doch man hatte auch Verständnis.

Seine Eskapaden waren bekannt. Alle haben sich gefragt, wie lange die Beziehung noch halten würde.

Schluß machen. In gewissem Sinne hatte sie doch genau das getan. Natürlich nicht so wie die anderen das gemeint hatten; wenn sie sich getraut hätten, etwas zu sagen. Manche Sachen gehen einem eben leichter von der Hand als andere.

Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterwerk und zeichneten weiße Linien zwischen die Stämme. Ein leichter Wind kam auf und spielte mit ihrem Haar. Sie machte die Augen zu und genoß den Augenblick.

Nach der Tat hatte sich plötzlich eine Leere in ihr breit gemacht, hatte Bauch und Kopf ausgefüllt. Die Tat war vollbracht, nichts mehr zu denken, nichts mehr zu tun. Ende und Aus.

Polizei und Rettungswagen waren eigentlich recht schnell dagewesen, doch für die Sanitäter gab es nichts mehr zu tun. Natürlich hatte sie Erste-Hilfe geleistet, hatte die klaffende Kopfwunde steril verbunden. Aber er war tot und das konnte keiner mehr rückgängig machen.

Sie lächelte in sich hinein. Eigentlich war er zu schnell gestorben, aber was soll’s? Das Ergebnis zählte und das war sehr befriedigend.

Er mußte ja alles übertreiben. Ihr Quantum an Vergebung war aufgebraucht.

Aber er hatte ja nie Schuld gehabt und sie hatte es lange geglaubt. Jetzt hatte er die Rechnung bekommen.

Heirat? Sie hatte einmal davon gesprochen, hatte es in den Raum gestellt, sich angeboten, ihn zu heiraten, ihn um seine Hand gebeten, aber er wollte nichts davon wissen. Es wäre sowieso keine Lösung gewesen.

Was hatte sie damals nur an ihm gefunden? Oder hatte er sich in den Jahren ihrer Beziehung so verändert? Nein. Er hatte immer nur Spielchen gespielt. Einmal hieß das Spiel Ehrlichkeit. Da hatte er ihr seine Eskapaden gestanden. Nicht alle, bestimmt nicht! Wenn er dieses Spiel nicht gespielt hätte, wenn er nichts gestanden hätte, vielleicht wäre vieles anders gekommen, vielleicht wäre er jetzt noch am Leben.

Nach diesem Geständnis hatte sie gedacht, es wäre aus. Ich erkenne einen Rausschmiß, wenn ich einen sehe, hatte sie gedacht.

Hatte sie gedacht...

Doch es gefiel ihm zu gut bei ihr und so blieben sie zusammen. Sie trägt jetzt sein Kind unter ihrem Herzen.

Vielleicht hatte auch deshalb keiner ihrer Freunde und Bekannte zur Trennung gedrängt.

Was würde sie ihrem Kind dareinst über seinen Vater berichten, fragte sie sich. Nur Gutes! Was sonst?

Für die Polizei war es ein Unfall. Ein übereifriger Heimwerker mehr, der seiner Passion geopfert worden war. Das Protokoll war schnell geschrieben und der Fall rasch ad acta gelegt worden.

Ja, sie war glücklich! Sie hätte die ganze Welt umarmen können.

Wenige Tage waren seit der Beerdigung vergangen. Der letzte Akt war vollbracht. Natürliche Todesursache, keiner erhob Einwände, keiner hatte Bedenken, die Obduktion hatte nichts erbracht. Am liebsten hätte sie während der ganzen Zeremonie gegrinst. Aber sie konnte sich beherrschen.

Sie würde wohl umziehen. Neue Wohnung, neuer Mann, neues Leben. Das heißt, eigentlich konnte der neue Mann noch warten. Man gerät ja doch immer nur an den gleichen Typ. Bad habits are hard to break. Und man sollte nichts überstürzen.

Der kleine Kastanienhain war der Mittelpunkt des Friedhofes. Unter den mächtigen Kronen waren die Kriegsgräber versammelt. Schwarze Platten aus Metall, mit eingraviertem Namen, Geburts- und Todesjahr. Als Kind war sie oft mit ihrer Mutter hiergewesen. Ihres Großvaters Asche lag hier. Ihr Großvater väterlicherseits. Aber ihr Vater hatte sich hier nie blicken lassen. Grabpflege war Sache der Frauen. Vielleicht war ihr Vater auch nur enttäuscht, daß sie kein Junge war.

Sie war das einzige Kind.

Auch ihre Mutter liegt auf diesem Friedhof. Ihr Vater war Jahre vor dem Tod ihrer Mutter verschwunden. Niemand wußte wohin.

So hatte sie auf diesem Friedhof jetzt drei Gräber zu versorgen. Seine Eltern waren ihr sehr dankbar dafür. Er war auch kein guter Sohn gewesen.

Geplant war der Mord schon lange, zumindest seit seinem Geständnis. Geplant? Nun, zumindest der Gedanke kam ihr schon damals. Sie hatte sich auch überlegt, die ein oder andere seiner Geliebten zu töten, doch war sie davon abgekommen. Es hätte ihn wahrscheinlich gar nicht berührt. Und dann stand er auf dieser wackligen Leiter und dübelte ein Regal in die Wand. Und der Marmortisch stand genau richtig entfernt von ihm. Und nur ein leichter Stoß genügte, um ihn zu Fall zu bringen. Er schrie nur leise, sie packte ihn beim Fallen bei den Schulter, vielleicht dachte er noch, sie wolle ihn auffangen, zumindest den Fall abfedern, doch sie griff ihn nur an der Kleidung und schlug seinen Hinterkopf auf die Kante der Marmorplatte. Ein lustiges Geräusch, dachte sie, fast wie beim Nüsseknacken. Dann lag er da und blutete. Der weiße Teppich färbte sich rot. Sie fühlte den Puls: Nichts. Freude kam in ihr auf. Genugtuung auch. Sie holte einen Wundverband und legte ihn ohne Druck auf die Wunde. Dann begann Sie mit Atemspende und Herzmassage. Sie unterbrach diese Prozedur nur für den Notruf.

Er war tot. Sie wußte es. Aber es würde einen guten Eindruck machen.

Nachdem die Ambulanz den Körper mitgenommen hatte und alle wieder die Wohnung verlassen hatten und nur noch der dunkel werdende Blutfleck von ihm übrig war, kam die Leere. Doch sie war zufrieden mit sich selbst.

Eine ältere Frau kam vorbei und schaute ganz entrüstet: Auf dem Friedhof unter einem Baum sitzen, wer macht denn so etwas? Sie wollte ihr schon die Zunge rausstecken, hielt sich aber zurück. Sie konnte sich beherrschen.

Sieh mal an, ist das nicht eine seiner Bettgespielinnen?

Von ihrem Sitzplatz aus konnte sie das Grab sehen. Eine Frau in einem rosa Kostüm ging suchend die Grabsteine entlang.

Ja, wärmer, wärmer, Volltrefer. Jetzt ein Taschentuch herausnehmen und hineinschnäutzen, ja ... Schön betroffen aussehen, ja ...

Auf der Trauerfeier war keine der Damen aufgetaucht. Einfach nicht genug Schneid; sicherlich wußten die doch, daß sie von ihnen wußte. Aber heute am Sonntag waren sie unterwegs.

Da ist ja schon die nächste. Ob sie sich kennen? Hatte er mit ihnen auch einmal das Spiel Ehrlichkeit gespielt?

Die zweite trug ein Sommerkleid in hellem Grün. Die beiden Frauen waren eher für einen Frühlingsball gekleidet; die Trauer sitzt wohl nicht sehr tief. Die grüne ging weiter als sie sah, wovor die rosafarbene stand. Sie ging weiter, als sei nichts geschehen, als habe sie nicht erkannt, wer wo stand, ging weiter, unbeteiligt, schaute zum Kastanienhain und sah sie. Die Ehefrau. War es vorher nur ein Erkennen des Ortes, so war es jetzt ein Erkennen der Person. Ein Blick, gemischt mit der Bitte um Verzeihung. Verzeih, dass ich dir das angetan habe. Verzeih, dass ich dir den Mann gestohlen habe. Verzeih, dass ich mich ihm hingegeben habe. Aber sie konnte nicht verzeihen. Nicht mehr. Nicht ihm und nicht ihnen. Ja, er musste sterben. Und seine Geliebten? Nein. Vielleicht…

 

Hi PHE,

ja mußte er denn wirklich sterben? :confused:

Was hat er furchtbares getan, dass deine Prot so kaltblütig werden ließ?
Wenn alle Frauen ihre Männer umbringen die fremd gehen, dann gäbe es bald keine Männer mehr.
Und wenn die Geliebten dann auch noch dran glauben müssten ... :hmm:

Huch ... ja, bliebe nicht mehr viel übrig, gelle :shy:
Obwohl, bei den Männern könnte man ja noch mal drüber nachdenken. :Pfeif:

Im Ernst, deine KG hat mir gefallen.
Trotzdem meine ich, um das kaltblütige Handeln und Denken deines Prots zu verstehen, hättest du einige Gemeinheiten des Mannes schildern sollen.
Damit man (als Frau), so richtig mit morden kann :D

Besonders gefallen hat mir der letzte Teil. Wo die Geliebten das Grab besuchten, (köstlich)

Mir ist aufgefallen, dass du sehr oft: hatte/hätte geschrieben hast.
Liest sich nicht so gut. Kannst du bestimmt noch anders ausdrücken.

Vermute ich richtig, dass sich hinter deinem Nick, eine Frau verbirgt?
Glaube nämlich nicht, dass ein Mann so genüsslich mordet. ;)

liebe Grüße
coleratio

 

Hallo coleratio,
leider falsch vermutet, auch Männer morden genüsslich...
Liebe Grüße
PHE

 

Hi PHE,
sehr gute Geschichte, die mir echt gefallen hat.
Na, da hat ja mein Mann ein Riesenglück, dass er so ein Lieber ist..........
Keine Sorge, nehm Deine Geschichte nicht als Anleitung!!! :D
Wunderschöne Wortspiele. :thumbsup:
Liebe Grüße
Susie

 

Hallo PHE,
ich gehe mal einen ganz anderen Weg bei der Betrachtung deiner Geschichte. Ich sehe das nämlich ein wenig anders. Für mich machte es den Eindruck, als wäre dein Prot in absoluter Eifersucht fast ertrunken. Ich glaube, dass sie selbst die Schuld für die gescheiterte Beziehung trägt und das ihre Angst sich irgendwann zum Wahn entwickelt hat. Und die zwei Frauen am Schluss...nur eine hat getrauert...eine Arbeitskollegin oder so und die andere ist wirklich vorbeigegangen...oder nicht?
Liege ich falsch?

Wie dem auch sei. Im Ganzen hat mir deine Geschichte eigentlich gefallen. Einen schönen Schreibstil besitzt du!

Grüße...
morti

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom