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Jackson Grubby Tod mit Sarah

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24.09.2004
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Jackson Grubby Tod mit Sarah

Jackson badete in einer leeren Badewanne. Immer, wenn er das tat, musste er an Grubby denken, der sich in Wasser verliebt hatte. Weil Jackson Grubbys Liebe nicht entweihen wollte, nutzte er kein Wasser mehr. Wenn er weinte, sammelte er die Tropfen in einem Gefäß und schickte sie Grubby.

Grubby hingegen wartete auf Regen. Wenn schlechtes Wetter bevor stand, freute er sich, zog sich bis auf die Haut aus und wartete im Garten auf den Regen. Manchmal schickte der Himmel keinen Regen, und dann rief Grubby bei Jackson an und fragte ihn, ob er ihm Wasser leihen könne. Jackson sei wasserlos, ausgetrocknet, dem Wasser entzogen, nur noch Jackson und Luft, aber kein Wasser mehr für Jackson.

Grubby verstand das und kaufte Ziegel. Er legte sie auf die Straße und wartete so lange, bis ein Auto darüber fuhr. Es war mehr als nur ein Hobby für ihn. Einmal jedoch fuhr eine Frau namens Sarah über einen der Ziegel und schnitt sich an den Scherben einen Reifen kaputt. Sofort musste Grubby weinen, was nicht oft geschah; er ahnte Schlimmes. Sarah konnte das Auto nicht mehr halten, geriet ins Schlingern und Schlängern, ins Trudeln und Schlittern, und dann fuhr Sarah gegen einen Baum und kam ums Leben.

Grubby rief sofort Jackson an, der ihn beschimpfte, ob der leichtsinnig platzierten Ziegel, Grubby darauf, ja, er wisse ja, und ach, ja, es tue ihm leid, sehr sogar. Jackson suchte sein Lager auf und pumpte gallonenweise Wasser aus der Zisterne, das er in große Flaschen füllte, auf seinen Lastwagen lud und sofort zu Grubby fuhr.

Dieser kniete traurig bei Sarahs Unfallstelle; die tote Frau war von Glassplittern und Autoteilen bereits befreit. Jackson sagte kein Wort und trat Grubby mit Gewalt gegen das Bein und den Bauch. Eine Lehre sollte ihm das sein, doch ein Wort sagte auch er nicht. Jackson weinte gar sehr, und die Flaschen mit dem vielen Wasser waren bald vom Lastwagen geladen und neben Sarah platziert. Die Sarah war weder bekannt noch unbekannt, noch fröhlich, noch traurig, noch wütend, noch überrascht, noch sonst irgendwas, denn Sarah war tot. Grubby hatte Schuld, und deshalb wollte er die Liebe zu Wasser opfern, um der Sarah seelische Reverenz zu erweisen.

Er schraubte die Flaschen unter den strengen Blicken Jacksons auf und goss sie über Sarah leer. Ganz durchnässt waren nun ihre Kleider, der offene Mund mit Wasser gefüllt. Grubby lief verzweifelt einmal um die Unfallstelle und kletterte auf einen Baum, um sich körperlich zu entfernen, aber Jackson war wie ein Richter und duldete kein Verstecken. Er kletterte auf den selben Baum und schubste Grubby einfach hinunter. Grubby sah ein, dass er keine Wahl hatte und kniete sich neben Sarah. Er segnete und sprach freundliche Worte der Reue. Seine Hände gestikulierten wild, der Rest des Körpers zitterte vor Aufregung. Viele Versprechen wurden gegeben, das Wasser beschrieben, sowie die Liebe analysiert und umgemünzt auf Reue. Niemals wieder, so sagte Grubby, solle ihm das Wasser nun zur Freude gereichen, niemals wieder wolle er Ziegel auf die Straße legen, niemals wieder wolle er weinen oder schwitzen. Mit Leib und Seele, wollte er in Zukunft von Wasser Abstand nehmen. Im letzten Versprechen schwor er Sarah, niemals wieder an Wasser zu denken. Dann konzentrierte er sich und weinte eine letzte, Abschied nehmende Träne auf Sarah hinunter. Das Ritual war beendet, und Grubby war von Wasser entfernt.

Jackson nickte zufrieden und lud seine Flaschen wieder auf den Lastwagen. Er gab Grubby zum Dank und Abschied die Hand und prüfte sein Gelübde, indem er ihm schwierige Fragen über Wasser stellte. Keine einzige konnte oder wollte er beantworten, bei jeder kleinsten Wasserangelegenheit wich er aus und sprach von etwas anderem. Grubby und Wasser waren nun nicht mehr eins, Wasser war nicht mehr an Grubby, Grubby nahm Abstand von Wasser.

So war es gut, und Jackson fuhr zufrieden in seine Heimat. Als er zu Hause ankam und hinab in seine Zisterne schaute, bemerkte er ein emotionales Loch in seiner Seele. Dort unten war so viel Regenwasser, dass er es in einem Leben niemals ausschöpfen konnte, und über sein Grundstück floss ein Fluss, der plätscherte und kleine Gischtnebel von den Stromschnellen emporsteigen ließ. Da merkte er, dass Wasser nun alleine war, ohne Liebe und Verehrer. Sein Denken und Fühlen war auf Wasser gerichtet, und er war bereit, eine Symbiose einzugehen. Wasser war überall in seinem Garten, Blut war flüssig und pumpte in seinen Adern, seine Augen tränten, und auch der Himmel weinte aus dunklen schweren Wolken. Da wusste er, dass Grubby Wort gehalten hatte und die Sarah unbelogen beerdigt werden konnte. Er stand ruhig in seinem Garten und ließ die Liebe in seine Seele. Jackson verliebte sich in Wasser, und Wasser verliebte sich in Jackson.

Er stand noch über eine Stunde im Regen bei seiner Zisterne und dem Fluss im Garten. Dann ging er in sein Haus und legte sich in die Badewanne. Er drehte den Hahn auf und ließ das schöne flüssige Wasser zum ersten Mal über sich fließen. Nun war er der Liebende, und Wasser war geliebt.

Währenddessen lag Grubby alleine in seinem Bett und dachte über das Leben nach. Und er dachte an Sarah und den Unfall mit dem Auto. Warum war der Ziegel bloß so spitz zersplittert, dass er den Reifen von Sarahs Auto so leicht zerschneiden konnte? Warum stand der Baum, gegen den Sarah gefahren war, genau an dieser Stelle? Gäbe es kein Wasser, wäre der Baum nicht gewachsen, und gäbe es keine Bäume, dann gäbe es keine Wälder. Grubby konnte nicht anders und an Wasser denken. Ohne, dass er es wollte, kehrten seine Gedanken zurück an Wasser, und er sah Jackson am Baume den Finger zur Mahnung heben. Das traf ihn schwer im Herzen, und tief drang die Strafe der Gedanken an Wasser. Er liebte zwar Wasser nicht mehr, aber er liebte jetzt Sarah, doch Sarah war tot. Im nächsten Gedanken assoziierte er Sarah mit Wasser und musste weinen. So ging das nicht weiter, er drehte sich im Kreis. Er konnte nicht anders als seine Tränen berühren, denn sie kamen aus seinen Augen. Tränen waren an seinem Gesicht, und das Gesicht war unter den Tränen.

Jackson lag in der wassergefüllten Badewanne und planschte mit Freuden in der Liebe und Wasser. Doch er spürte, dass etwas nicht stimmte, und musste nun an Grubby und Sarah denken. Da sah er plötzlich alles so klar, so logisch, so leicht. Grubby würde niemals anders können, als an Wasser denken, denn Liebe war in ihm. Er hatte gemordet und versprochen; er hatte gesegnet und eine Träne geweint. Grubby war in Sarah verliebt, da gab es keinen Zweifel. Schnell stieg Jackson in seinen Lastwagen, ohne sich von Wasser abzutrocknen. Er fuhr sehr schnell und hoffte auf freie Straßen. Als er bei Grubby ankam, war dieser bereits tot. Neben Sarah lag er hinten im Garten in einer Pfütze aus Regenwasser und Tränen. Die Wolken waren geleert, Grubby war tot, und Jackson stand im Garten bei Grubby und Sarah.

Er liebte Wasser und füllte seine Flaschen um seine Freunde zu segnen. Er verzieh Grubby und war bereit Wasser mit ihm zu teilen. Grubby war tot und sollte eine letzte Freude bekommen dürfen. Viele Sekunden, Minuten und Stunden goss er Wasser aus der Zisterne über Grubby. Viele Tage, Wochen und Monate badete er Grubby in Wasser. Viele Jahre, Jahrzehnte und bis zu seinem eigenen Tod teilte er Wasser und Liebe mit Grubby und Sarah. Dann schließlich wurde er Dematrial, und seine Liebe zu Wasser verschwand. Sarah starb bei einem Unfall, Grubby starb aus Liebe, und Jackson starb mit Wasser und Regen.

 

Hallo Maschinenfrosch,

bei dem Wetter liest sich deine Geschichte erfrischend. ;)
Sie gefällt mir in ihrer liebevollen Wehmut, auch wenn mir einige Dinge trotz der Rubrik nicht ganz rund erscheinen. Bei einem Ziegel bedarf es zum Beispiel keines Splitters, damit der Reifen platzt. Wenn er hoch ist, kann der Reichen auch einfach brechen, aber selbst, wenn er dies nicht tut, kann er dafür sorgen, dass jemand die Kontrolle über das Fahrzeug verliert.
Die Abwesenheit von Polizei in deiner Geschichte nehme ich da viel leichter hin.

Einige Details:

Manchmal schickte der Himmel keinen Regen, und dann rief er Jackson an und fragte ihn, ob er ihm Wasser leihen könne.
der Himmel rief an?
Grubby verstand das und ging Ziegel kaufen, die er auf die Straße legte und so lange wartete, bis ein Auto darüber fuhr.
auch, wenn man "dann" etc. vermeiden sollte, hier fehlt es, da du die Perspektive wechselst.
Er drehte den Hahn auf und ließ das schöne flüssige Wasser zum ersten Mal über ihn fließen
über sich (sonst fließt das Wasser über den Hahn)
Er verzeihte Grubby und war bereit Wasser mit ihm zu teilen.
verzieh
Dann schließlich wurde er Dematrial, und seine Liebe zu Wasser verschwand.
So habe ich keine Bedeutung für das Wort Dematrial gefunden, meinst du, Jackson löste sich auf, entmaterialisierte sich?

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Sim,

es freut mich, dass dir diese Wehmut gefällt. Darauf kommt es hier wohl an, denn Handlung und Personen bieten wenig.

Ich hab deine Anmerkungen berücksichtigt und die Stellen ausgebessert. Jetzt zerbrechen die Ziegel zum Beispiel nicht zu pieksenden Splittern, sondern zu schneidenden Scherben. Ich denke, so ist dieser Punkt etwas glaubwürdiger. Das "Dematerial" habe ich stehen gelassen. Es soll ein Substantiv zu "dematerialisieren" sein, wie du dir schon gedacht hast. Das Wort scheint es echt nicht zu geben, aber ich finde es hört sich in dieser Geschichte recht passend an, und so lass ich es einfach als Wortschöpfung stehen.

Danke fürs Lesen!

Gruß, Maschinenfrosch

PS: Vor einiger Zeit habe ich einen Vorgägner zu dieser Geschichte geschrieben. Jackson Grubby Eis mit Liebe. Auch in "Seltsam".

 

Hallo Maschinenfrosch!

Ist tatsächlich mal sehr erfrischend, mal was ganz anderes zu lesen. Deine Geschichte scheint mir eine Parabel auf die Liebe zu, ich interpretier mal wild drauf los: Diese Frau Sarah kennen und lieben beide (deswegen auch zeitweise der Artikel vor ihrem Namen). Die Liebe zeigst du aber von ihr abgespalten mit Hilfe des Wassers. Naja, kein Mensch kann ohne Wasser leben usw. usf.

Grubby verstand das und kaufte Ziegel. Er legte sie auf die Straße und wartete so lange, bis ein Auto darüber fuhr. Es war mehr als nur ein Hobby für ihn. Einmal jedoch fuhr eine Frau namens Sarah über einen der Ziegel und schnitt sich an den Scherben einen Reifen kaputt. Sofort musste Grubby weinen, was nicht oft geschah; er ahnte Schlimmes. Sarah konnte das
Auto nicht mehr halten, geriet ins Schlingern und Schlängern, ins Trudeln und Schlittern, und dann fuhr Sarah gegen einen Baum und kam ums Leben.
Das find ich sehr gelungen: Dieses Gedehnte des Unfalls - zuerst erfährt man schon die Reaktion Grubbys darauf, wahrscheinlich hat er es doch absichtlich gemacht. Er weint ja schon, bevor der Unfall seinen fatalen Abschluss findet. Jackson ist natürlich auch bereit zur Liebe, vorsorglich hat er schon ne ganze Zisterne davon angelegt ...

Naja, das sind nur so Interpretationsversuche - natürlich lässt sich deine Geschichte nicht so eindeutig festlegen, und das ist auch gut so. Sie ist vergnüglich zu lesen, man glaubt beim Lesen, dass sie wahrscheinlich weiß Gott wie bedeutungsschwer ist, aber vielleicht auch nicht, vielleicht ist es auch nur Unsinn. Und gerade das lässt sie doch ziemlich verführerisch schillern. Und natürlich schwingt da auch ein klein wenig Sentimentalität und Traurigkeit mit. All das zusammen hat mir sehr gut gefallen! :)

Fehler:

Die Sarah war werder bekannt noch unbekannt,
weder
letzte, abschiednehmende Träne
Abschied nehmende

Gruß
Andrea

 

Hallo Andrea,

du hast schon recht: viel Bedeutung habe ich vorher nicht einbauen wollen. Die Interpretationen funktionieren sicher auf diese oder jene Art, welche davon richtig ist, weiß ich aber nicht. Sicher ist, dass es um Liebe und Wasser geht, und dass ich möglichst viel Gefühl mit diesen paar Zutaten schaffen wollte.
Außerdem verhalten sich die Personen wie Kinder. Sie weinen ständig, schubsen sich von Bäumen, treten sich, und man hat das Gefühl, dass sie gar nicht wissen, was mit ihnen geschieht. Da man automatisch an Erwachsene denkt, wirkt dieses drollige Verhalten wohl umso sympathischer...

Ich selbst bin von Wasser sehr begeistert und wollte einen kleinen Lobesgesang abhalten. Es ist eher schwermütig als freudig geworden, aber das passt so.

Danke fürs Lesen!

Gruß, Maschinenfrosch

 

Hallo Maschinenfrosch,

ich habe diese Geschichte mit großem Interesse gelesen. Sie ist ... anders. Läßt sich nicht so richtig einordnen und ist im positivsten Sinne seltsam. Die Prots sind nicht greifbar. Sie haben Ihre Namen, aber Personen entstehen nicht wirklich in meinem Kopf. Sie vermitteln Verhalten, Gefühle und dienen mehr als Transportmittel denn als wirkliche Charaktere. Was sie letztendlich transportieren, das bleibt der Interpretationslust des Lesers überlassen. Das ist schon ein besonderes Konzept, das auf jeden Fall Anerkennung verdient. Ich empfinde es als angenehm und sehr unterhaltsam, wenn ein Text solche Wege geht, sich abwendet von üblichen "Mechanismen" und aufzeigt, dass der Fantasie und der damit verbundenen Textgestaltung kaum Grenzen gesetzt sind. Erstaunlich, wie das geht - und funktionieren kann!

Grüße von Rick

 

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