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Jakobs vergnügter Ausflug - ein Endzeitidyll

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15.03.2010
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Jakobs vergnügter Ausflug - ein Endzeitidyll

Schwülstiger Himmel, drohend mit ballender Wolkenfaust, wälzt gravitätisch über eine Stadt.

»Welch auserlesener Tag!«, rief Jakob, ein kleiner runder Mensch, voller Pathos aus seinem schwarzen Mantel, während er aus dem Haus schritt und sich umblickte. Entschieden lief er, in strammem Stechschritt, los.

Seine Blicke zappelten aufgewühlt über die unter aufgeblähtem Himmel geduckten Häuserfassaden. Eine alte, im Vergleich noch viel kleinere Dame, flüsterte versunken an ihm vorbei. Da gab er ihr – scheinbar wie zufällig – mit dem ausgefahrenen Ellenbogen einen derben Schups. Sie schwankte, der Gehstock stocherte nervös nach Halt. »Oh, Verzeihung«, setze Jakob an, »aber heute kann ich das Schicksal anderer nicht berücksichtigen« und – als sei dies die logische Schlussfolgerung des Vorhergegangenen, »Denn wissen sie:« – seine benetzten Lippen kamen leise an ihr faltiges Ohr – »Sie sind alt, hässlich und unnütz. Aber das macht jetzt auch nichts mehr.« Schwarze, ängstliche Löcher starrten in seine glasigen Augen, dann stumm in weite Ferne. »Was glotzen sie da so? Da vorne wartet nichts auf sie. Nirgends! Niemand! – Auf nimmerwiedersehen!«

Jakob summte weiter in einen ungepflegten Park. Dort schlugen zwei verzweifelt kämpfende Bänke ihre Bretter, mit rostigen Nägeln bestückt, lärmend ineinander. Jakob wurde wild: »WIE SOLL MAN DENN HIER ZU SICH KOMMEN?« schrie er, mit sich überschlagender Stimme, worauf diese sich rasch zurückzogen.

Laubhagel. Der kleine Mann blieb eine Weile stehen, schloss die Augen, und seine Brust blähte sich auf. Wie ein zivilisierter Luftballon stand er da. Aber er flog nicht weg, sondern ließ die Luft zwischen locker zusammengelegten Lippen wieder aus. Er kicherte vergnügt über das Geräusch.

Plärrende Kinder tanzten vor ihm, mit roten Papierdrachen, übers schäumende Dunkelgrün. Er holte tief Luft - aber schwieg. Vergeudete Kraft, wie er beruhigt befand: die knisternden Drahtbüsche im Schatten der wild brausenden Bäume schnürten sich bereits um ihre hysterischen Leiber. Ein Zucken umfuhr seine Mundpartie. Tatsächlich: welch auserlesener Tag.

Eine mit Efeu bewachsene Marmorbüste stand am Wegesrand. Jakob lauschte angespannt eine Weile: ein leises Säuseln. Er hörte ganz zögerlich: Weisheiten aus zweitausend Jahren. Auch Nietzsche, immerhin Nietzsche. Das Flüstern wurde übertönt. Über ihm schrien offenbar Menschen in einem Flugzeug: sie begriffen offenbar, zu spät, dass Metall nicht fliegen kann. Er ließ die Büste kopfschüttelnd zurück. Sie war nichts mehr wert.

Der Wolkensturm wurde stärker. Irgendetwas Unzurechenbares krachte laut in der Ferne. Am Parkrand scheibenwischten und brummten Autos um die Wette, bevor sie, ausstaubend, in Schaufensterscheiben hüpften und sich erneut zum Verkauf anboten: verzweifelte Übersprungshandlungen. Zu spät.

»Kuggn’sema!«: Eine aufgedunsene Gestalt gravierte sich, auf dem Boden sitzend, kunstvoll, mit zerbrochener Flasche, lachende Gesichter auf seinen nackten Bauch. Ein Auge, welches er gerade mit äußerster Sorgfalt ritzte, begann jedoch sogleich zu weinen. Wutentbrannt warf er die Flasche in einen trüben Teich und traf einen gurgelnden Karpfen, der sich, nach einem kurzen Moment der Besinnungslosigkeit, eilig daran machte, die Scherben zu verzehren. The last supper. Die blasse Kreatur auf dem Boden entschlief nach dem Wurf, vor Erschöpfung zusammengekrümmt, den Kopf auf eine Wurzel gelegt.

Aus der Ferne hallten gespenstisch träge Kirchenglocken. Jakob senkte den Kopf: »Amen!« Ein martialisches Lachen brach aus dem kleinen runden Mann.

Die Wolken vergossen brennenden Wind.

 

Hier ein älterer, komischer Versuch, den ich - hoffentlich zu euerer Unterhaltung oder doch wenigstens zu eurer Verwirrung - einmal ausgegraben habe. Ich denke doch, dass die Kathegorie "Seltsam" passt...

Ich freue mich auch über knappe, unüberlegte Kommentare und Rückmeldung. ;-)

 
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Hallo Palle,

der Text gefiel mir durchaus. Hier und da könnte er noch etwas geschliffen werden und so sicherlich besser werden, aber ich habe ihn gerne gelesen.

Das Bild ist super:

Der kleine Mann blieb eine Weile stehen, schloss die Augen, und seine Brust blähte sich auf. Wie ein zivilisierter Luftballon stand er da.

Ich verstehe zwar nicht über welchen Scherz er diesbezüglich lachte (er hat ja Deine kuhle Formulierung nicht gelesen), aber das muss ich ja nicht.

Ein paar Kriddeleien:

Den letzten Satz finde ich daneben. Würde ich unauffällig löschen.

Auch diese Klammer würde ich rauswerfen - sie schwächt das Bild:

(Der Kreislauf der Natur! Energie geht nie verloren!)

Ein Ausrufezeichen reicht völlig:

»Welch auserlesener, verführerischer Tag!!«

Der Satz lässt die Szene auch etwas unrund wirken:

Schwarze, ängstliche Augenlöcher starrten still in weite Ferne.

Wäre, finde ich, besser, wenn sie erst ihn anstarren würde, bevor sie ihren Blick wieder in die Ferne richtet. Wenn einen Jemand anrempelt und sich dieser Fremde dann auch noch zu einem herüberbeugt, um etwas ins Ohr zu flüstern, schaut man diesen komischen Kerl garantiert an.

Ansonsten, wie gesagt: Gerne gelesen und interessant geschrieben.

Danke dafür

elisabeth

 

Hallo elisabeth, danke für den Kommentar!

ja, ich denke den letzten Satz könnte ich durchaus unauffällig löschen. Ich weiß heute selbst nicht mehr, warum ich ihn damals geschrieben habe. Ein komischer Bruch mit dem Bild zuvor ist er schon... Aber ich musste, als ich den Text 'wiederentdeckt' habe, darüber lachen wie ein kleiner Junge und habe ihn drin gelassen. Jetzt fehlt dem Ende zwar irgendwie etwas, aber vielleicht fällt mir noch etwas Besseres ein.

Ich verstehe zwar nicht über welchen Scherz er diesbezüglich lachte (er hat ja Deine kuhle Formulierung nicht gelesen), aber das muss ich ja nicht.

Der Mann lacht über das Geräusch von seinen Lippen, was ja irgendwie wie ein Luftballon klingen soll, der luft rauslässt... das könnte ich natürlich auch einfach schreiben. :-)

Grüße, Alex

 

Hallo,

erst mal Kleinigkeiten:

Seine Blicke zappelten aufgewühlt, über die unter dem aufgeblähten Himmel geduckten Häuserfassaden.

Das Komma kann weg.

Schaufensterschreiben

Schaufensterscheiben

Ellbogen

Ellenbogen

schrieen

schrien

Wutendbrand

Wutentbrannt

Ich mochte den Text. Klar, er verwirrt, aber er zaubert eindrucksvolle Bilder hervor. In Erinnerung bleiben mir der zivilisierte Luftballon, die scheibenwischenden Autos,die brennenden Wind vergießenden Wolken.
Ich denke, laut gelesen wird der Text noch stärker.

Lieber Gruß

 
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Danke für die kleinen Korrekturen. Was man nicht alles übersieht.

Habe den Text nun auch sprachlich/inhaltlich etwas modifiziert, dabei vorallem das 'endzeitige' etwas stärker herausgearbeitet.

edit: *frage erledigt*

 

Hallo Palle,

ein Feuerwerk an starken Bildern macht noch keine Kurzgeschichte.
Der Ton hat etwas, will gefallen, ist aber noch garstig, da er keinen Inhalt findet, den er formen könnte. ;)
Mit anderen Worten:*Hier riecht es nach jemanden, der schreiben kann, aber keine Geschichte hat. Ich mag ja die wahre avantgardistische genialität hier nicht mitgeschnitten zu haben, aber ich erkenne hier die Handlung nicht. Und das ist wirklich schade, denn eigentlich liest es sich ganz gut. Irgendwie. Dieses eigentlich und irgendwie solltest du bezwingen: Erzähle eine richtige Geschichte und reihe nicht einfach irgendwelche Seltsamheiten aneinander :)

grüßlichst
weltenläufer

edit: für die Titeländerung schreibe einen Moderator der Rubrik an.

 
Zuletzt bearbeitet:

Die Seltsamheiten stehen aber durchaus in einem inhaltlichen Zusammenhang, nämlich sollen sie eine bestimmte Stimmung erzeugen, ein Endzeitidyll zeichnen. Ist dann natürlich tatsächlich keine Kurzgeschichte im eigentlichen Sinn... da steht bei mir noch etwas aus ;-)

 

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