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James Dean ist tot

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15.12.2004
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James Dean ist tot

Sie sitzt auf einem Stuhl an der Bar und schaut auf die Tanzfläche. Alles in ihr sehnt sich nach Bewegung, nach diesem fantastischen Moment, in dem sie eins wird mit der Musik. Abheben, nennt sie es, manchmal auch fliegen. Aber dazu braucht sie die richtige Musik. Sie steht auf und geht zum DJ.

„Spiel meinen Song, Tom“, sagt sie.
„Und, bekomme ich dann einen Kuss?“
„Vergiss es!“
Tom wird nun ein paar grottenschlechte Scheiben auflegen, nur um sie zu ärgern, aber es ist ihr egal, denn irgendwann spielt er ihn immer, ihren Song. Ohne mit der Wimper zu zucken erträgt sie die fünf ödesten Hits der Saison, dann klingt ihr Lied an. Sie geht auf die Tanzfläche und beginnt sich zu bewegen, vergisst Zeit und Ort und versinkt in der Musik.

„Ich wette, dein Höschen ist feucht.“
Mit einem Schlag ist sie zurück in der Realität, steht auf der Tanzfläche und schaut zu Tom.
Hat er das wirklich gesagt? In sein Mikrofon gesagt, so dass es alle hören konnten? Er hat. Ein Grinsen liegt auf seinem Gesicht, Rache für all die zurückgewiesenen Küsse.
Sie tanzt den Song fertig, von dem sie weiß, dass sie nie wieder dazu tanzen wird, dann geht sie zurück zur Bar, schwingt sich auf ihren Stuhl und trinkt ihr Glas aus.

„Hey, bist du nicht Laura?“
Sie dreht sich um. Neben ihr sitzt einer, der ihr irgendwie bekannt vorkommt.
Einen Sekundenbruchteil wirbeln ihre Gedanken, dann trifft es sie wie ein heftiger Schlag. Alex. Der fleischgewordene James Dean, der Dorfrebell, der seine Aufstände im Schulzimmer inszenierte. Sie ist so heftig in ihn verliebt gewesen im letzten Schuljahr, dass sie nicht atmen konnte, wenn sie ihn ansah.
„Alex!“ Sie stellt fest, dass sie problemlos atmen kann, als sie seinen Namen ausspricht.
„Lange nicht gesehen“, sagt er.
„Ja.“ Wie leicht es ist, ihm gegenüber zu sitzen.
„Du siehst gut aus.“ Für diesen Satz von ihm hätte sie damals alles hergegeben. Manche Dinge kommen einfach zu spät, denkt sie, aber da ist kein Bedauern in dieser Erkenntnis.
„Danke“, antwortet sie, ohne ein „du auch“ anzufügen.
„Was machst du so?“ fragt er.
„Ach, bin mal hier, mal dort, nichts Festes. Und du?“
„Bin verheiratet und habe zwei Kinder. Beruflich habe ich Glück gehabt. Bin zum Vize einer kleinen Firma aufgestiegen.“
Sie schaut ihn an. James Dean ist tot.
„Waren tolle Zeiten, damals.“ Er starrt in sein Glas.
Nein, waren es nicht. Wenn sie eine Zeit in ihrem Leben für immer streichen möchte, dann diese Jahre, in denen sie ungelenk und scheu versucht hat, sich unsichtbar zu machen in einer Welt jenseits der coolen Cliquen.
„Weißt du eigentlich, dass ich damals in dich verknallt gewesen bin?“
Der Satz hängt zwischen ihnen, endlich ausgesprochen, nach all diesen Jahren und tut kein bisschen weh.
„Echt?“
„Ja.“
„Hab ich nicht gemerkt.“
Sie lacht. Es ist ein befreiendes Lachen, und plötzlich begreift sie, dass so ein Typ wie Tom sie in tausend Jahren nicht fertig machen kann. Dass die James Deans dieser Welt ihren Zauber verlieren, wenn sie länger leben und dass ihre eigene Zeit noch gar nicht gekommen ist.
„Ich muss los“, sagt sie.
„Schon?“, fragt er enttäuscht.
„Ja.“
„Könnten wir nicht noch....“
Sie schenkt ihm ein Lächeln. „Tut mir Leid, ich habe noch etwas vor.“

 
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Hi ktmallory,

diese Geschichte wirkt auf mich rund und ich habe sie gerne gelesen.

Was mir auffiel:

„Ich wette, dein Höschen ist feucht.“

Wenn Tom das durchs Mikro gesagt hat, gäbe es, wäre ich die Prot, für mich nur eines:
Ihm eine zu scheuern :cool:

Sie tanzt den Song fertig, von dem sie weiß, dass sie nie wieder dazu tanzen wird, dann geht sie zurück zur Bar, schwingt sich auf ihren Stuhl und trinkt ihr Glas aus.

Du beschreibst keine Gefühlsregung, außer den kommenden Verzicht auf ihren Lieblingssong. Das ist etwas dünn für solch' einen Machospruch.


Sie ist so heftig in ihn verliebt gewesen im letzten Schuljahr, dass sie nicht atmen konnte, wenn sie ihn ansah.

Ich dachte, es sei letztes Jahr gewesen; natürlich ist das so, wie du es geschrieben hast, nicht verkehrt, aber unmißverständlicher wäre: in der damaligen Abschlußklasse oder so ähnlich.


„Alex!“ Sie stellt fest, dass sie problemlos atmen kann, als sie seinen Namen ausspricht.
„Lange nicht gesehen“, sagt er.
„Ja.“ Wie leicht es ist, ihm gegenüber zu sitzen.
„Du siehst gut aus.“ Für diesen Satz von ihm hätte sie damals alles hergegeben. Manche Dinge kommen einfach zu spät, denkt sie, aber da ist kein Bedauern in dieser Erkenntnis.
„Danke“, antwortet sie, ohne ein „du auch“ anzufügen.

schöne Passage :)

Es ist ein befreiendes Lachen, und plötzlich begreift sie, dass so ein Typ wie Tom sie in tausend Jahren nicht fertig machen kann.Dass die James Deans dieser Welt ihren Zauber verlieren, wenn sie länger leben und dass ihre eigene Zeit noch gar nicht gekommen ist.

Hmm..die Prot hat die Erkenntnis, dass ihr ehemaliger Schwarm für sie keinen Reiz mehr hat. Was aber hat das konkret mit der Unverschämtheit und der endlosen Anmache von Tom zu tun?
Früher wollte sie was und bekam es nicht, heute will Tom was und bekommt es nicht. Aber das sind doch verschiedene Positionen.
Da will mir die Erkenntnis nicht ganz einleuchten, die die Prot dadurch hat.

Von dieser Irritation abgesehen ein schöner Schreibstil. Da freu' ich mich auf mehr von dir :).

Lieber Gruß
ber

 
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Hi Bernadette

Wenn Tom das durchs Mikro gesagt hat, gäbe es, wäre ich die Prot, für mich nur eines:Im eine zu scheuern.

Ich schreibe höchst selten autobiographisch, aber diese Geschichte ist tatsächlich so passiert.... und nein, ich habe ihm keine gescheuert, ich war zu jung und irgendwo trotz allem noch eingekappselt in dieser Scheuheit und Unsicherheit. Heute würde ich ihm eine knallen, dass er nicht mehr weiss, wo links und rechts ist oder - eher wahrscheinlich - mit einem schneidenden Spruch blossstellen und erledigen.

Du beschreibst keine Gefühlsregung, außer den kommenden Verzicht auf ihren Lieblingssong. Das ist etwas dünn für solch' einen Machospruch.

Ich hatte die Stelle viel emotionaler und habe dann versucht die Gefühle in diesen einen Satz zu packen, den dass sie zu diesem Song nie mehr tanzen wird. Da muss ich wohl noch mal drüber....

Was aber hat das konkret mit der Unverschämtheit und der endlosen Anmache von Tom zu tun?

Hab ich befürchtet. Auch zu ungenau..... Beide diese Dinge sind an einem Abend geschehen. Dabei ist nicht nur James Dean gestorben, sondern auch ganz viel Ballast von der Protagonistin abgefallen. Sie kann Typen wie den DJ einordnen, lässt sich nicht mehr von sowas verletzen (deshalb hast du Recht, ich muss die Verletzung oben noch einfügen, lasse mir was einfallen), genau so wenig, wie ihr die Geschichte mit Alex noch weh tut. Eine einzige Befreiung.

Danke für dein Feedback.

KT

 

Hallo kmallory
Ich habe deine Geschchte gerne gelesen.

Leider sind mir exakt die gleichen Punkte wie berandette aufgestossen, bzw. haben mir gefallen, so dass dies nun eine etwas weniger konstruktive Kritik wird.

Sie tanzt den Song fertig, von dem sie weiß, dass sie nie wieder dazu tanzen wird, dann geht sie zurück zur Bar, schwingt sich auf ihren Stuhl und trinkt ihr Glas aus.
Nein, das tut sie nicht. Sie steht nur da, schaut fassungslos und lässt die letzten Töne des Songs verstreichen. Angewiedert, usw..

Ach, bernadette hat das weitere gut beschrieben. :sealed:

Aber nichts destotrotz: Gerne gelesen!
LG./

 

bernadette schrieb:
...Wenn Tom das durchs Mikro gesagt hat, gäbe es, wäre ich die Prot, für mich nur eines:
Ihm eine zu scheuern...

Aber nicht, wenn Du Dich ertappt gefühlt hättest! ;-)

@ kmallory,

Deine Geschichte ist gut erzählt, allerdings finde ich sie inhaltlich nicht überzeugend. Das mag daran liegen, dass ich solche Sätze 'in denen sie ungelenk und scheu versucht hat, sich unsichtbar zu machen in einer Welt jenseits der coolen Cliquen' als zu stereotyp und leer empfinde. Und es mag daran liegen, dass das Gespräch angesichts seiner Kürze und der Tatsache, dass man sich eben erst erkannt hat, zu schnell ans Eingemachte geht - wirkt auf mich unrealistisch.

Viele Grüße vom gox

 
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Hallo ktmallory,

der Titel hat schonmal meine Neugier geweckt - *respepktbekund*

Mhm, abgesehen davon, daß ich auch finde, sie hätte ruhig etwas länger sein dürfen, habe ich kaum was an der Geschichte zu beanstanden: Auf mich wirkte bspw. die "Erlösung" nicht weiter unzusammenhängend. Dadurch, daß 'James Dean stirbt', stirbt - meiner Deutung nach ;) - auch ein (altes) Männerbild der Protagonistin. Wenn selbst die Ultraschnitte aus der Schule nicht ist, wozu sie von der Protagonistin stilisiert wurde, setzt das - endlich - auch andere Unanatastbarkeiten (wie DJs ;))außer kraft...

Was die im wahrsten Sinne des Wortes coole [sic!] Reaktion der Erzählerin betrifft: Klar hätte ich mir auch gewünscht, daß sie dem Kerl mindestens ein paar langt. :) Meine Wünsche hin oder her, daß sie es (noch) nicht tut, finde ich nachvollziehbar. Dieses Wehrlosigkeitgefühl kommt mir jedenfalls enorm bekannt vor. (Vielleicht könntest du ja an ihrem Wissen, nie wieder zu dem Lied tanzen zu werden, einfach wirklich noch was ergänzen.)

Insgesamt hab ich deine Geschichte gern gelesen und finde, du hast du ein schönes Bild für ein Phänomen gefunden, das wohl gar nicht so selten ist (oder oute ich mich jetzt? ;) ) - und das (Titel-)Bild mit James Dean ist einfach toll! *bewunder*

Alles Liebe,
Ghost

 

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