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Jenseits von Gut und Böse
Ich blinzle, vom Schlaf noch benommen, in das Morgen-grauen meines Zimmers und dann trifft er mich mit aller Kraft. Lieber Gott im Himmel hilf mir, nicht noch einmal, bitte nicht. Oh bitte ich kann das nicht. Ich muss - etwas – anderes - denken . . . mit größter Anstrengung schweifen meine Gedanken leise ab als er mich packt und wieder mit sich in die Tiefe reißt. Dieser rote, grelle, reißende Schmerz der bis nach Fantasia reicht und wieder zurück. Er schlägt mir in die Magengrube, dass ich nicht mehr atmen kann und keuchend nach Luft ringe. Mir entfährt ein Stöhnen. Oh bitte nicht. Die Wirklichkeit schneidet durch meine Gedanken, ich falle in volles Bewusstsein. In meinem Kopf breitet sich Entsetzen aus. Oh Gott das kann einfach nicht sein. Mir ist schwindlig ich falle ich schwindle ich kann das nicht bitte bitte halt mich fest lass mich nicht alleine. Erbarmungslos trifft mich die nächste Woge und ich winde mich in meinem Bett. Dieses Reißen ist berechnend. Ich kann es förmlich hören. Langsam, leise und tödlich. Ich keuche und schlage mir die Hand vor den Mund. Jetzt nur nicht schreien. Ich kann diesen Schmerz nicht auch noch hören. Mit beiden Händen packt er zu und reißt weiter. In meinem Kopf klingt sein Hohnlachen. Er umklammert meine Kehle. Ich grabe meine Finger in die Matratze. Der Schmerz ist wahnsinnig. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Meine Lippen formen schmerzverzerrte Worte, zuerst leise und schließlich gellend. “Bitte! Lieber Gott, ich – Bitte Nicht! Ich überlebe das nicht!“ Eine Sturzflut von Worten. Wieder und wieder schluchze und flehe ich, immer dieselben Worte. Lass mich nicht allein. Bitte nicht. Ich muss meinen Kopf blockieren- nur wegdenken, einfach nur wegdenken. Aber ich bin der Realität gnadenlos ausgeliefert und so winde ich mich und bäume mich gegen die nächste Schmerzwoge auf.
Von weither erreichen mich Worte, menschliche Worte. „Bitte Myriam. Versuch dich ein bisschen zu beruhigen.
Guck mal, ich hab dir Tee gemacht.“ Langsam dringen ihre Worte bis in meinen Kopf vor, ich blicke auf, sie steht genau vor meinem Bett. Ich weiß nicht wie lange sie schon dasteht. Meine beste Freundin- in diesem Moment ist sie mein Engel. Ich schlinge meine Arme um ihre Beine. „ Ich sterbe Tina. Oh mein Gott ich überleb das nicht. Oh bitte. Ich überleb das nicht“ stoße ich wieder schluchzend hervor. Sie setzt sich auf die Bettkante und streicht mir übers Gesicht. „Du überlebst das. Da bin ich mir sicher. Es ist nur jetzt so schlimm. Aber du überlebst das. Komm trink ein bisschen Tee.“ Sie hilft mir mich aufzusetzen. Ich zittere und mir ist schwindlig. „Ich - hab – Kopfschmerzen.“ sage ich langsam und bin verwirrt über diesen ungewöhnlichen Satz. „Das kommt vom vielen Weinen. Beruhig dich erstmal. Es ist alles nicht so schlimm. Du wirst sehen. Du überlebst das.“ Ich schlucke. Es schüttelt mich immer noch. Ich schlucke noch mal und ringe um Fassung.
Christina flößt mir etwas Tee ein. Er ist fast kalt. Sie nimmt mir die Tasse wieder weg und stellt sie bestimmt auf den Boden. Dann drückt sie mich sanft aufs Bett. Ich sinke ergeben in meine Kissen zurück und versuche die Tränen zurückzuhalten. Sie blickt mich bekümmert an, streicht mir sanft durchs Haar. Verzweifelt blicke ich zu ihr hoch. „Wie soll ich denn– ich kann doch nicht, ich überleb das nicht. Nicht ohne ihn. Ich kann es nicht fassen. Einfach so. Er hat einfach so Schluss gemacht. Oh Gott er sagt er kann mir nicht mehr vertrauen.“ Ich schlage die Hände vors Gesicht. Der Schmerz ergreift wieder Besitz von mir. „Das- das ist ihm einfach so eingefallen. Ganz plötzlich. Und ich weiß nicht warum. Ehrlich nicht. Ich habe ihn nicht betrogen, wirklich nicht. Ich liebe diesen Mann abgöttisch. Oh Gott Tina, er glaubt mir nicht. Du glaubst mir doch, nicht wahr Tinchen. Ich werde nicht mehr leben. Oh Gott Tina, ich ertrag den Gedanken nicht. Ich überleb das nicht. “
Sie streichelt meine Haare und mein Gesicht. „Du kannst das Myriam. Zuerst wird es schwer sein, aber du wirst sehen, in ein paar Monaten wirst du ihn vergessen haben.“ Ihre Worte durchzucken mich, der Schmerz lauert und setzt zum Sprung an, die Wogen drohen über mir zusammenzuschlagen. Wieder ringe ich um Luft. „Scht scht . . ganz ruhig. Denk jetzt nicht daran. Versuch ihn aus deinen Gedanken zu verbannen.“ Ich merke wie ihre kühle Hand auf meiner Schulter mich ein wenig beruhigt. Ich versuche ganz lange auszuatmen, den Schmerz nicht an mich heranzulassen. Es wird langsam still im Zimmer. Mit einem Mal werde ich so müde. Ich werfe Christina einen dankbaren Blick zu. Es ist gut sie da zu haben. Sie ist mir so vertraut. Wir kennen uns ein Leben lang und sie ist immer für mich da, wenn ich sie brauche. Nein, nicht nur dann. Sie ist eigentlich immer da. Ich merke, wie die Wogen langsam abebben. Ich mache die Augen zu. Einfach nur wegdenken. Christina bleibt neben mir sitzen und hält mich fest, bis ich aufhöre zu zittern. Ich merke wie mir die Augen zufallen. Sie streicht mir wieder übers Haar. Langsam schlafe ich ein. Sie drückt noch mal meine Hand und flüstert „Du überlebst das Myriam. Und in ein paar Monaten denkst du nicht mehr an ihn. Du wirst sehen.“