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John Williams: "Augustus"

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John Williams: "Augustus"

Der Roman »Stoner« von John Williams hat im Jahre 2006 eine wahrhaft biblische Wiederauferstehung erfahren, nachdem das Werk über 40 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung in den USA neu aufgelegt wurde. Zu Lebzeiten des Autors (Williams starb im Jahre 1994) erfuhr weder »Stoner« noch die drei anderen von ihm verfassten Romane die notwendige und gebührliche Aufmerksamkeit.

Seit etwa zehn Jahren jedoch geschieht das Überfällige.

Der Roman »Augustus« wurde im Jahre 1971 erstmals veröffentlicht und erhielt zwei Jahre darauf den National Book Awards. Die einzige größere Anerkennung für das Werk Williams‘.

»Augustus« verfolgt den kometenhaften Aufstieg des späteren römischen Kaisers Gaius Octavius nach der Ermordung Julius Cäsars (seines Onkels) im Jahre 44 v. Chr., die krampfhafte, teils mörderische Machterhaltung und die zunehmende Vereinsamung gegen Ende seines Lebens.
Dabei bedient Williams sich der Form des Briefromans, mit der zusätzlichen Finesse, teilweise historisches Material zu verarbeiten. Er lässt fast sonders historisch verbürgte Figuren auftreten, gibt ihnen Bühne in Form von Tagebucheinträgen, Briefen, Weisungen, Sitzungsprotokollen des Senats und persönlichen Noten. So setzt sich ein Bild zusammen, plastisch und anschaulich vom Leben der damaligen Zeit erzählt.

Es werden immer wieder profane Dinge besprochen, Klatsch und Tratsch, dann wieder, wie nebenbei eingestreut, erfährt man weltpolitische historische Tatsachen. Da jedenfalls ist die große Stärke des Romans: Je weiter man sich vorarbeitet, desto vertrauter werden einem die Protagonisten. Man begleitet sie.

Im ersten Teil des Buches begleiten wir Octavius bei seiner Machtübernahme und den Kämpfen darum, begleitet von seinen Jugendfreunden Marcus Agrippa, Gaius Maeccenas und Salvidienus Rufus.
Hauptfeind, der er aus einem Zweckverbündeten wird, ist wohl Marcus Antonius, der zusammen mit seiner Frau Cleopatra als letzter weiblicher Pharao von Osten her versucht, die Weltherrschaft oder wenigstens die Herrschaft über die östlichen römischen Provinzen zu erringen.
Octavius siegt mithilfe Marcus Agrippas. Die Szene, in Antonius einsam auf seinem Schiff steht, dem Boot seiner Frau nachschaut, welche die Flucht ergriffen und ihn im Stich gelassen hat, bleibt unvergessen und brennt sich ein.
Ebenso der Federstrich, mit dem Octavius den Tod Ciceros befiehlt (»Dann soll es so sein!«), ist große Kunst. Ganz kleine Gesten, sehr zart angedeutet, zeigen Wesenszüge auf und ermöglichen Zugang zu dem Charakter.

Der zweite Teil widmet sich dem Machterhalt. Octavius hat den Beinamen Augustus (der Erhabene) verliehen bekommen. Es gilt Intrigen zu spinnen, Netzwerke zu pflegen und immer wieder Kriege zu führen.
Hauptaugenmerk liegt diesmal auf Julia, einzige Tochter Octavius‘, die mehrere ungeliebte Ehen eingehen musste, um die Macht ihres Vaters zu sichern.
Mit welcher Gefühllosigkeit der Kaiser dabei vorgeht (laut Williams liebt Octavius seine Tochter abgöttisch), macht einen frösteln und man beginnt zu ahnen, dass das damalige Zeitalter nicht nur in Punkto Lebensstandard nicht mit unserem zu vergleichen ist.

Julia als Protagonistin wird immer mehr zur tragischen Figur, zum Spielball großer Politik. Und wenn man in ihrem Tagebuch liest, kann man nicht umhin, sie als die eigentliche Heldin (tragische) dieses Buches zu sehen.

Octavius selbst kommt ganz am Schluss, wenige Tage vor seinem Tod in einem langen, melancholischen Brief zu Wort. Es ist das einzige Mal, dass wir ihn sprechen hören, doch scheint er lebendig zu sein, in der Epoche verhaftet mit allen Mitstreitern und Gegnern.

Famos! Und spannend wie ein Thriller.
Unbedingt lesen!

 

Zeit, auch da mal reinzuschau'n,

lieber Hanniball,

und soll so sein, wenn Habermas und Hegel (Biografie, der gute wird dieses Jahr 250 und ist immer noch wirkmächtig) durchgekaut sind.

Gleichzeitig möchte ich an Brechts "Geschäfte des Herrn Julius Caesar" erinnern, in dem überwiegend das Geschäfts- und sonstiges -gebaren der römischen Elite, insbesondere des Diktators dargestellt werden in Tagebuchaufzeichnungen des Sklaven Rarus wieder. Als seinerzeit die 20-bändigen Gesammelten Werke Brechts bei Suhrkamp herauskamen, also als Student, geradezu verschlungen, selbst wenn es zum Teil Geschichtsklitterung ist.

Aber kapitalistische Tendenzen wird es auch im alten Rom gegeben haben, aus dem ja "fasces" herkommen - ein Bündel Ruten, oft ein Beil umgebend, dass die Liktoren vor den hohen römischen Beamten hertrugen (also auch noch zu Zeiten nach der Zeitenwende).

Faschisten (incl. seiner teutschen Variante) missbrauchen ein Zeichen des alten römischen Rechtssystems.

FRiedel

 

Hallö!
Hab mal anrissweise über "Die Geschäfte" nachgelesen (noch nix von gehört vorher) und sage: definitiv interessant. Werde das mal auf die Liste setzen.
Danke für den Tip!

Schöne Grüße von meiner Seite!

 

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