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Jonathan

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21.06.2001
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Jonathan

Jonathan stand schweigend am Grab seiner Freundin. Das Leben war hart, das wusste er. Aber dass das Leben auch ungerecht war, hatte er nicht gewusst. Aber das war es. Es hatte ihm alles genommen und nur Trümmer hinterlassen, die sich einfach nicht entfernen ließen. Kein Gedanke, der nicht abrupt von Tara-Janes Bildnis vor seinen Augen unterbrochen wurde. Keine Sekunde, in der er sich nicht umdrehte, um zu schauen, ob sie ihm nicht vielleicht doch hinterherliefe. Doch er wusste, das dies nicht möglich war. Er selbst war dabei gewesen, als sie ihre Augen ein letztes Mal geschlossen hatte. Als der Krebs ihr sämtliches Leben genommen hatte.
"Wir sehen uns im Himmel. Ich werde immer auf Dich warten...", hatte sie gesagt bevor ihr schwacher Körper langsam der Realität entschwunden war.
Jonathan hatte sie ganz fest gehalten und doch gespürt wie Er sie ihm langsam entriss. In eine Ebene wo es keinen Schmerz und keine Probleme mehr gab. Sie würde als Engel wieder aufwachen und ihn beobachten. Bis sie wieder zueinander finden würden.
Jonathan legte eine einzelne rote Rose auf ihr Grab.
"Wenn Du doch nur den Duft dieser einzelnen Rose spüren könntest...", flüsterte er, während ihm eine Träne bitteren Schmerzes über die Wange lief. Sein Herz war zerrissen. Ein Teil schlug weiter vor sich hin und hielt ihn am Leben, der andere, wichtigere Teil, lag weit entfernt in den Händen einer wunderschönen unschuldigen Frau. Er hatte es ihr geschenkt, in hoffnungsloser Hingabe. Es hatte ohne sie eh nicht geschlagen, nur funktioniert. So wie es jetzt funktionierte. Leider.
"Du bist wie diese Rose...", Jonathan kniete nieder, "Denn selbst wenn sie verwelkt, ihre Schönheit ist unvergesslich, sie bleibt eine Rose..."
Langsam ging Jonathan den schmalen Friedhofsweg entlang. Kühler Herbstwind ließ die welken Blätter um seine Füße wehen. Sein Leben war nichts mehr wert ohne sie. Sie war sein Leben gewesen.
Jonathans Blick suchte seinen Weg nach oben, in den grauen wolkenbedeckten Himmel. Glaubte er wirklich sie dort zu sehen? Nein! Aber er spürte, dass sie dort irgendwo war. Im Himmel... Himmel? Was war der Himmel? Tara-Jane saß bestimmt nicht auf irgendeiner Wolke dort oben.
Gab es noch etwas anderes? Ein Paradies?

Fast wie in Trance fuhr Jonathan durch die Stadt. Die vorbeifahrenden Autos nahm er nur als wage Lichter war. Seine Gedanken waren bei Tara-Jane. Wie oft hatte sie schon neben ihm auf dem Beifahrersitz gesessen? Ihr Lachen, ihre Stimme. Er würde sie nie vergessen. Wie lange sollte er noch warten sie wiederzusehen? Würde sie überhaupt so lange warten?
Warum sollte er warten?

Warum sollte er warten? Diese Frage holte Jonathan zurück in die Realität. Wer sollte ihn schon zwingen zu warten? Warum sollte er nicht eine List anwenden, um seinen Weg zurück zu Tara-Jane zu finden. Sie hatte ihm versprochen, dass sie im Himmel auf ihn warten würde! Sie hatte ihre Versprechen immer gehalten!
Das Leben hatte ihm nichts mehr zu bieten, also würde er es verlassen und sich zu den anderen gesellen. Und zu Tara-Jane...
Er konnte sie spüren, er fühlte wie sie über ihm wachte...

Niemals hatte er geglaubt diese Waffe einmal benutzen zu müssen, oder zu wollen. Zu groß war seine eigene Angst vor dem Tod gewesen, zu groß die Angst ein Leben zu zerstören. Doch jetzt schien sie nicht die Aufgabe zu haben, Leben zu zerstören, sondern Leben zurückzugeben. Ganz ruhig hielt er sich das kühle Eisen an die Schläfe und legte den Finger an den Abzug. Er hatte keine Angst vor dem Tod, und als er langsam den Abzug niederdrückte, hatte er mit keine Sekunde gezögert.
Ein lauter Schuss entfernte Jonathan aus der einen und brachte ihn in die andere Welt, während feines Blut auf die Tapete niederrieselte.


Den Farben folgt die Dunkelheit,
Dem Lärm die Stille,
Die Gefühle verlieren sich mit der Zeit,
Es stirbt der Wille,
Erinnerungen kämpfen mit sich,
Ringen um ihr Leben,
Die Welt hat ihr Gesicht verloren,
Auch Du wirst Deines geben...

Eine stille Melodie lag in der Luft. Ein angenehmes Gefühl unendlicher Leichtigkeit ummantelte seinen Körper. Ein leichter Wind strich über seine Haut ohne von ihm gespürt zu werden. Es war ein so angenehmes Gefühl, dass er am liebsten die Augen verschlossen gelassen hätte. Doch der Gedanke an Tara-Jane zog ihn aus seinem schwebenden, halbwachen Zustand.
Tara-Jane? Wo in dieser Ewigkeit kann ich Deine Schmerzen stillen? Wo kann unsere Liebe ihren weiteren Weg bestehen?
Langsam öffnete Jonathan seine Augen. Er hatte es wirklich geschafft, er war der Endlichkeit entflohen und in die Unendlichkeit geflüchtet. Grenzenloses Glück kroch seinem Körper empor, schoss durch die Adern seiner befreiten Seele und erfüllten sein aus Liebe schlagendes Herz. Langsam richtete er seinen wie schwebend erscheinenden Körper auf und schaute sich um. So sah also die Unendlichkeit aus! Fasziniert von der vor seinen Augen erscheinenden Schönheit blickte er sich um. Sie schien ihm wandelbar, sie schien ihm fremd, doch dennoch spürte er eine Wärme und Geborgenheit in sich aufkommen. Doch die Art wie die Gefühle in ihm emporstiegen, kam ihm seltsam vor. Mit ihnen kam gleichzeitig eine seltsame Art von Taubheit auf, die sich durch seinen Körper zog. Doch dann spürte er wieder die Macht der Unendlichkeit. Er schien sie berühren zu können, doch gleichzeitig schien sie Ewigkeiten entfernt.
Jonathan versuchte sich zu bewegen und bemerkte, dass es hier keiner Anstrengung bedarf von einem Ort zum anderen zu kommen. Er konnte sich fortbewegen ohne zu gehen, jede Ebene der Unendlichkeit schien erreichbar.
Doch wie sollte er Tara-Jane in der Unendlichkeit finden? Wollte diese ihm etwa den Weg versperren, und seinen Tod zu einer endlosen Suche machen? Nein! Seine Liebe würde stärker sein, als jede Macht der Welt!

Eine Zeitlang bewegte sich Jonathan planlos durch die Unendlichkeit. Er sah viele Engel, wie sie alleine da standen, saßen oder lagen. Ihren leeren Blick ins Nichts gerichtet, ihr blasses Gesicht traurig und gefühllos. Sie taten Jonathan leid! Sie schienen niemanden zu haben. Die Menschen, die sie bräuchten, waren bestimmt in der Endlichkeit. Doch das alles ermutigte ihn nur noch weiter Tara-Jane zu suchen. Er wollte sie vor dieser ewigen Trauer bewahren. Verzweifelt schaute er sich wieder um, er konnte sie nicht erkennen!
Doch dann spürte er es. Der Duft von roten Rosen lag in der Luft, ganz deutlich konnte er ihn riechen. Es waren Tara-Janes Lieblingsblumen. Langsam folgte er dem Duft.
Tara-Jane saß alleine, als Jonathan sie erreichte. Ihr Blick war traurig, wie bei den anderen, auf ihre Knie gerichtet. Sie bemerkte Jonathan nicht, der langsam, mit klopfenden Herzen voller Sehnsucht und Liebe auf sie zukam. Erst als der Klang ihres eigenen Namens die Melodie der Stille zerriss, blickte sie auf. Ihr Blick war kalt und hart, untermalt von einer seltsamen Traurigkeit. Sie wirkte nicht überrascht, und erst recht nicht erfreut, als sie leise sprach:
"Jonathan! Warum hast Du das gemacht?"
Jonathan bemerkte den kalten Ausdruck Tara-Janes nicht. Er spürte nur dieses seltsame Gefühl der Liebe, das ihn fast zerriss.
"Ich bin Dir gefolgt, Tara! Mein Leben hatte keinen Sinn mehr ohne Dich! Die Liebe war einfach stärker, und sie ist immer noch stark. Sie hat mich durch die Unendlichkeit zu Dir geführt, nur um uns beide glücklich zu machen!"
Jonathan kniete sich zu ihr nieder und versuchte sie zärtlich zu küssen. Doch sie drehte ihren Kopf plötzlich zur Seite.
"Was ist los?", wollte Jonathan wissen. Er nahm ihre Hand und blickte ihr in die Augen, doch sie zog die Hand wieder weg. Ihr Blick war kalt, und so sehr sich Jonathan auch bemühte, er konnte nichts von der glücklichen, fröhlichen Tara-Jane erkennen, wie er sie damals kannte.
"Jonathan! Ich liebe Dich nicht!", sagte sie.
Das war ein Schlag in den Magen für Jonathan. Ein unangenehmes Gefühl der Taubheit überkam ihn.
"Warum? Wie können sich Deine Gefühle aufeinmal ändern? Ich glaube Dir nicht!", fragte er schockiert.
"Jonathan!", antwortete sie leise, "Ich weiß nicht mehr was Liebe ist! Ich kann nicht mehr lieben! Die Erinnerungen sind verblasst, die Gefühle geraubt. Wir können hier nicht mehr fühlen! Wir haben sämtliche Gefühle verloren, die guten und die schlechten.
Für mich sind Schmerz und Leid nur noch Wörter, genauso wie Liebe und Sehnsucht! Wir sind nur noch einsame Seelen, erfüllt von einer ungespürten Traurigkeit, gefangen für die Ewigkeit!"
Jonathan spürte wie sich alles in ihm zusammenkrampfte. Er spürte es! Und er spürte doch auch seine Liebe zu ihr! Warum sagte sie, dass hier niemand mehr fühlen könnte. Er konnte doch auch! Verzweifelt sah er in ihre schwarzen Augen.
"Aber...", fing er an, "Ich kann doch etwas fühlen! Ich fühle die Liebe zu Dir. Ich fühle den Schmerz, den mir Deine Worte bereiten. Warum habe ich Gefühle, und Du nicht?"
"Es sind Lügen, die Du Dir selber erzählst!", antwortete Tara-Jane, "Die Gefühle, die Du meinst zu spüren, sind nur die Erinnerungen an dein früheres Leben. Es sind keine wirklichen Gefühle. Auch ich kann mich erinnern gefühlt zu haben, doch diese Erinnerung verblasst schnell. Auch bei Dir wird sie verblassen."
Sie stockte einen Moment und fuhr dann fort: "Du hast keine Gefühle!"
Jonathan sah sie an. War er auf eine riesige Lüge hereingefallen. Hatte er sein Leben und seine Gefühle für eine ewige Gefangenschaft aufgegeben? Er konnte es nicht glauben, doch gleichzeitig merkte er, wie die seltsame Taubheit wieder Besitz von ihm ergriff, und seine Schmerzen und seine Liebe ein wenig linderte. Er vergaß bereits.
"Bitte geh jetzt wieder!", sagte Tara-Jane und drehte sich weg. Doch Jonathan wollte nicht gehen. Er konnte es immer noch nicht fassen. Er hatte immer gedacht, Liebe wäre die stärkste Macht der Welt, doch nun musste er feststellen, dass Liebe mit dem Körper stirbt.
"Tara-Jane?", versuchte er nocheinmal, doch sie war bereits aufgestanden und verschwand langsam in der Unendlichkeit. Er merkte, dass er verloren hatte.
Jonathan wartete noch einen Moment und ging dann zurück in die Einsamkeit der Ewigkeit. Er hatte keine andere Wahl.

Mit blassem Gesicht, dunklen Augen und traurigem Gesicht beobachtete Jonathan die Menschen auf der Erde. Er sah wie sie miteinander Spaß hatten, wie sie an Schmerzen litten. Sah wie sie sich küssten, wie sie sich liebten.
Doch er verstand es nicht. Seine Erinnerungen waren verblasst. Er war alleine und gefangen, ohne es zu wirklich zu spüren. Doch ganz tief in seinem Inneren befand sich eine Traurigkeit, die ihn immer mehr zerfraß. Er konnte sie bereits ein wenig spüren, denn sie war ein Gefühl, das hier neu entstanden war, und das viele spüren konnten. Und die Ewigkeit ist lang.

Während der kalte Wind ungespürt das schwarze Haar des Engels zerzauste, folgte ein weiterer Mensch seiner Liebe in den Tod...


Trennung von der Endlichkeit,
Trennung von dem Sein,
Sterben als Erlösung sehen,
Stille folgt den Schreien.

Die Liebe, die uns stets zerfraß,
Wird von dem Wind getragen,
In die Welt, wo niemand weiß,
Was Gefühle sagen.

Doch Einsamkeit für Ewigkeit,
Die Unendlichkeit des Seins,
Wird von uns nehmen, niemals geben,
Es stirbt der Wille, mit der Zeit!

Das Paradies, was wir gesehen,
Ist eine dunkle, kalte Welt,
Gefangen für die Ewigkeit,
Sind wir dort auf uns gestellt.

Die Kälte dieser Einsamkeit,
Das Flehen nach der Endlichkeit,
Gequälte Schreie betäubter Seelen,
Das bringt der Tod, das schreibt die Zeit.

Bist Du soweit...?

 

Hallo Timo,

das Paradies kann es nciht sein, indem Jonathan und seine Freundin landen. Ein Paradies ohne Liebe kann ich mir nicht vorstellen, auch wenn sich die Liebe sicher von der unterscheiden kann, die sich die beiden noch zu irdischen Zeiten vorgestellt haben.

Deine Geschichte ist mir insgesamt viel zu schwülstig geraten. Da trieft der Schmalz und überzieht die mögliche Trauer mit einer fettigen Zuckerschicht, die deine Bemühungen, Gefühle zu vermitteln zunichte macht. Das ist zu viel des Guten. Vor allem die integrierten Gedichte stören mich diesbezüglich. Ab und zu fällst du dann zwischen diesem Pathos in Alltagsdeutsch, was diese Sätze dan unfreiwillig komisch macht. Dazu habe ich dir unten ein paar Beispiele rausgesucht.
Vom Plot her finde ich die Idee nicht uninteressant, auch wenn ich auf die Liebe im Paradies nicht verzichten würde und möchte.
Allerdings machst du es dem Leser da auch unnötig schwer, das die meisten wohl schon bei der Befürchtung einiger typischer Klischees vorher aufgehört haben zu lesen.
Die erste Möglichkeit wäre, wenn man befürchtet, nur eine weitere pathetische Geschichte darüber zu lesen, dass der Prot seiner Geliebten Frau in den Tod folgt. Die zweite, wenn man befürchten muss, dass deine Geschichte nur ein Ideenreceycling von "Hinter dem Horizont ist"
Es bleibt außer dem interessanten Ausgangspunkt, ob es die Liebe nach dem Tod, die himmlische paradiesische Liebe zu zweit im Himmel wohl gibt, also leider nicht viel an deiner Story. Für mein Gefühl hast du da leider die Idee verschenkt und im Pathos ertränkt.

Trotzdem liebe Grüße, sim

Doch er wusste, das dies nicht möglich war
wusste, dass
In eine Ebene wo es keinen Schmerz und keine Probleme mehr gab.
auf eine Ebene oder in eine Welt
auch das "wo" klingt für die Trauer, die du beschreibst zu umgangssprachlich. Da würde ich ensprechend zu Ebene oder Welt "auf der" oder "in der" vorziehen. Sonst verwirkst du etwas von Jonathans Gefühlen.
Die vorbeifahrenden Autos nahm er nur als wage Lichter war
vielleicht bin ich da nciht fir in der neuen Rechtschreibung, aber ich kenne "vage" nur mit V.
Wie oft hatte sie schon neben ihm auf dem Beifahrersitz gesessen?
Durch das "schon" erweckst du hier den Eindruck, sie würde auch jetzt gerade auf dem Beifahrersitz sitzen.
Er sah viele Engel, wie sie alleine da standen, saßen oder lagen. Ihren leeren Blick ins Nichts gerichtet, ihr blasses Gesicht traurig und gefühllos
..., wie sie alleine ... ist wieder so ein Satz, der aus deiner sonstigen Schwülstigkeit herausrennt. Die ist mir zwar wie weiter oben beschrieben zu viel, aber solche Formulierungen wirken dann leicht als unfreiwilliger Stilbruch.

 

Sehr traurige Geschichte. Stimmt mich mehr als nur nachdenklich? Würde man der wahren, großen Liebe bis in den Tod nachfolgen? Wäre die Liebe im Jenseits noch genauso stark?

Fazit: Idee ist wirklich gut, jedoch hättest du ein bisschen mehr von Jonathan und Taras Leben erzählen können, bevor sie starb. Wie war sie? Was haben sie gemacht? Wie entstand diese innige Liebe, die anfangs ja bei beiden herrschte?

 

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