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Jonny
Ich konnte Schweiß auf seiner französischen Haut erkennen. Sein frankophoner Gesang strich über meine wabernden Zigarettenrauchwellen. Jonny klammerte sich an die Stange aus Metall. Dieses glatte, metallene Ungetüm, dachte ich, wird ihm gut tun.
„Fang doch endlich an zu tanzen Jonny. Du musst das linke Bein höher nehmen, verstehst du?", rief ich.
„Ja, aber ich hab doch die Verletzung am ... Sie wissen doch Boss!“
„Aber was soll ich denn dann mit dir machen?“, antwortete ich genervt.
„Komm her. Aber ich kann dich diesmal nicht streicheln.“
Der gazellengleiche Jonny kam zu mir herüber.
„Dreh dich mal um.“, sagte ich. „Will mal deinen Verband prüfen.“
„Iiieeks.“
„Nun hab dich nicht so. Is ja nur ein kleines Ding.“
„Non mein Chef. Auf den Ofen hab ich mich gesetzt und der war kochendheiß, jawohl.“
"So was tut man ja auch nicht. Niemand setzt sich auf einen Ofen, wenn noch ein freier Stuhl im Raum steht. Du bist dumm Jonny.“
„Ach mon lieber Chef, wenn sie wüssten... Meine Mutter hat das auch immer zu mir gesagt. Aber ich weiß, in meiner Seele ganz tief unten, existiert ein anderer Jonny von dem viele nichts wissen. Eines Tages werde ich ihn befreien und der ganzen Welt beweisen was in mir steckt. Ich werde viel Geld verdienen.“
„Ich unterbreche dich nur ungern Jonny, aber deine Wunde nässt und ein bisschen eitert sie auch.“
Jonny drehte sich um und fiel mir um den Hals.
„Muß ich nun sterben lieber Boss?", schluchzte er.
„Nein.“, sagte ich und schaute ihm in die Augen.
Er weinte, aber es war mir egal.
„Da müssen wir nun aber zum Arzt fahren.“, sagte ich und stand auf. Ich schob Jonny zur Seite und griff nach der Packung Zigaretten und dem Handy, welche auf dem niedrigen Couchtisch lagen.
„Soll ich den Wagen holen?“, fragte Würmchen, der uns die ganze Zeit aus seiner Ecke heraus beobachtet hatte.
„Ja klar. Für was bezahle ich dich denn?"
Die Aufregung um Jonnys Hintern und die zunehmend schlechte Wetterlage beschäftigten unsere Gedanken, als wir im Wartesaal der Notaufnahme saßen. Würmchen und ich warteten. Ich las irgendeine Illustrierte, die ich auf einem Haufen unsortierter Zeitungen und Schokoladeschachteln fand.
Würmchen spielte mit seinem Handy.
„Mach den Ton leiser, du Hornochse!“
„Aber es ist nur ein kleines Spiel, Boss.“
„Ich werd´s dir gleich wegnehmen, wenn du mir widersprichst.“
„Ja Boss. Aber nachher kann ich wieder?“
„Ja.“, sagte ich.
Die Illustrierte roch so, wie neue Zeitschriften immer riechen. Nach verbrannten Öl und Druckerschwärze. Der Inhalt dieser Zeitschrift war zu vernachlässigen, es ging mir um Ablenkung und Zeitvertreib.