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Julia lost Romeo
Eine sternenklare Frühlingsnacht, man hört aus dem nahen Wald das Lied der Nachtigall leise herüberwehen. Der Friedhof liegt ruhig und verlassen, plötzlich öffnet sich quietschend das alte Eingangstor. Ein junges Paar betritt den ruhigen Ort. Er, ein breitschultriger blonder Hühne, hält sie, ein zartes schwarzhaariges Mädchen, in seinem muskulösen Arm. Langsam gehen sie durch die Reihen der Gräber auf eine Bank zu. Sie sitzen umgeben von einem Meer aus „ewigen Lichtern“. Zärtlich streichelt er ihr Haar, wärend sie seinen Hals küsst. Nach einer Weile der Zärtlichkeit und des Schweigens erheben sich die Beiden und verlassen den Friedhof, wobei sie ihm leise zuflüstert:
Ich liebe die Nacht
Und ich liebe Dich
Ich bin die Nacht
Und du bist ich
Eine sterile Arztpraxis, das einheitliche Weiß der Wände und des Bodens wird noch durch den weißen Schreibtisch verstärkt. Sie sitzen nebeneinander, seine schwarze Lederjacke und seine schwarze Jeans wirken, zusammen mit ihrem langen schwarzen Kleid, fast schon wie ein Sacrileg. Schweigend betritt der Arzt das Zimmer und setzt sich in seinen Stuhl. Er grinst den Arzt an: „Sehen sie, es ist alles in bester Ordnung.“ Der Arzt sieht ihn über den Rand seiner Brille hinweg an, man sieht, wie er nach Worten sucht. Das Junge Paar sieht in verunsichert an. „Der Test war positiv, aber....“ der Rest des Satzes geht in einem lauten Knallen unter. Der Stuhl des jungen Mannes ist umgefallen, kreidebleich steht er da und sieht den Arzt an, dann verläßt er fluchtartig den Raum. Sie sitzt weiter auf ihrem Stuhl, ihre Augen schimmern feucht. Der Arzt erzählt ihr, daß der Krankheitsverlauf sehr lange dauern kann, und daß die Medizin sich immer weiter entwickelt, doch sie hört nicht zu. In ihrem Kopf kreist nur ein winziger Gedichtsvers:
Ich sehe die Zukunft
Und ich sehe nichts
Du warst die Zukunft
Und wir waren eins
Er liegt im Krankenhaus, seine ehemals braune Haut ist grau und von Geschwühren übersäht. Seine Wangen sind eingefallen und an seinen ehemals so kraftvollen Armen hängen duzende Geräte und Infusionen. Sie sitzt auf einem Hocker und hält seine Hand, vor ihren Augen sieht sie was ihr bevorsteht, doch das kümmert sie nicht. All ihre Gedanken drehen sich um ihn, daß er noch solange kämpfen soll bis es ein Heilmittel gibt. Er hebt seine Hand, grau und abgemagert, und streichelt über ihr Haar. Eine Träne rollt über ihre Wange, wärend ihn ein Hustenanfall schüttelt. „Ich liebe dich“, sagt er, doch seine Stimme ist kaum noch zu vernehmen, nur noch ein heiseres Krächzen, das beinahe von dem Piepen der Krankenhausgeräte verschluckt wird. Sie sieht ihn in die Augen und mit fester Stimme sagt sie:
Ich sehe deinen Kampf
Und ich sehe mich
Du wirst leben
Genau wie ich
Ein stürmischer Herbsttag, nasse Blätter segeln im Wind umher, man hört ausser dem Kreischen des Windes keinen Laut. Sie steht auf einem Friedhof und schaut auf sein Grab. Ihre langen schwarzen Haare wehen im Wind. Der Regen vermengt sich mit den Tränen in ihrem Gesicht. Ihre einst so zarte Haut ist von Krankheit gezeichnet. Dunkle Ringe sind unter ihren Augen und ihre einst so weichen Lippen sind rissig und vertrocknet. Wärend sie einen großen Strauss rote Rosen auf sein Grab legt sagt sie:
Ich sehe dein Grab
Und ich sehe mich
Du bist tot
Und bald auch ich