June
June
Eigentlich gehe ich nicht in Bars. Ich bin kein geselliger Typ, der stundenlang um die Häuser zieht. Doch mit June habe ich stundenlang hier gesessen. So oft, dass ich es nicht mehr zählen kann.
Ihr Name war genau wie sie. Ein sanfter Juniregen, der sich auf die Seele, Haut und Gedanken legte, wie ein Tuch, das einem die Sicht auf alle anderen Dinge versperrt.
Ich bin 43 Jahre alt, habe eine Frau und eine kleine Tochter. Außerdem bin ich Besitzer eines Weinladens, ein kleines, gemütliches Geschäft. Eigentlich bin ich glücklich.
Doch dann kam June. Sie hatte keine Ahnung von Weinen und ich suchte für sie einen halbtrockenen, südkalifornischen Merlot aus.
In der nächsten Woche kaufte sie den selben Wein und fragte mich aus, wie man Weingläser hält, woran man einen guten Wein erkennt, wonach er riechen muss.
Irgendwann ging ich mit ihr in diese Bar und erklärte ihr alles, was sie wissen wollte.
Wir blieben fünf Stunden lang, wir spürten einen Faden zwischen uns, der sich, je öfter wir ausgingen, zu einem Netz zwischen uns spann.
Beim einer Verabschiedung nahm ich sie so plötzlich in den Arm, dass ich es selbst erst realisierte, als es geschah. Wir beide waren verwirrt und realisierten die Gefährlichkeit dieser tiefen Geste.
Oft haben wir über diesen Moment gesprochen, mit dem Wissen, dass wir nicht mehr zurück konnten aber auch nicht vor durften. Wir hatten einfach eine besondere Beziehung zueinander.
Meine Stimme werfe sie aus der Bahn, hatte sie vorgestern noch gesagt, und, dass wir uns wiedersehen.
Ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch, nicht nur das übliche Kribbeln, sondern Sorge um sie. Ich wollte nicht, dass sie unglücklich ist.
Gestern beendete June alles zwischen uns, indem sie sich vor einen Zug schmiss.
Nur mit mir zusammen war sie glücklich.
Sie hat uns aus unser misslichen Lage befreit und nun sitze ich unglücklich in unserer Bar und trinke einen halbtrockenen südamerikanischen Merlot um mich an sie, ihren Geruch und ihre Seele zu erinnern, die mich immer noch erfüllt.
Und gleich trinke ich noch ein Glas um ihre Schönheit und ihren Zauber zu vergessen, mit dem sie mich belegt hat. Um ihr Tuch abzulegen und nicht mehr an diese 19-jährige Frau zurückzudenken, für die das Alter nur aus beliebigen Zahlen bestand, deren Seele reifer war als ein Mann je sein kann.
Es ist Juni...aber ich weiß nicht mehr, in welchem Monat sie zu einem Teil von mir und meinen Träumen wurde.