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June

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03.04.2003
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June

June

Eigentlich gehe ich nicht in Bars. Ich bin kein geselliger Typ, der stundenlang um die Häuser zieht. Doch mit June habe ich stundenlang hier gesessen. So oft, dass ich es nicht mehr zählen kann.

Ihr Name war genau wie sie. Ein sanfter Juniregen, der sich auf die Seele, Haut und Gedanken legte, wie ein Tuch, das einem die Sicht auf alle anderen Dinge versperrt.

Ich bin 43 Jahre alt, habe eine Frau und eine kleine Tochter. Außerdem bin ich Besitzer eines Weinladens, ein kleines, gemütliches Geschäft. Eigentlich bin ich glücklich.

Doch dann kam June. Sie hatte keine Ahnung von Weinen und ich suchte für sie einen halbtrockenen, südkalifornischen Merlot aus.
In der nächsten Woche kaufte sie den selben Wein und fragte mich aus, wie man Weingläser hält, woran man einen guten Wein erkennt, wonach er riechen muss.
Irgendwann ging ich mit ihr in diese Bar und erklärte ihr alles, was sie wissen wollte.
Wir blieben fünf Stunden lang, wir spürten einen Faden zwischen uns, der sich, je öfter wir ausgingen, zu einem Netz zwischen uns spann.
Beim einer Verabschiedung nahm ich sie so plötzlich in den Arm, dass ich es selbst erst realisierte, als es geschah. Wir beide waren verwirrt und realisierten die Gefährlichkeit dieser tiefen Geste.

Oft haben wir über diesen Moment gesprochen, mit dem Wissen, dass wir nicht mehr zurück konnten aber auch nicht vor durften. Wir hatten einfach eine besondere Beziehung zueinander.
Meine Stimme werfe sie aus der Bahn, hatte sie vorgestern noch gesagt, und, dass wir uns wiedersehen.
Ich hatte ein komisches Gefühl im Bauch, nicht nur das übliche Kribbeln, sondern Sorge um sie. Ich wollte nicht, dass sie unglücklich ist.

Gestern beendete June alles zwischen uns, indem sie sich vor einen Zug schmiss.

Nur mit mir zusammen war sie glücklich.
Sie hat uns aus unser misslichen Lage befreit und nun sitze ich unglücklich in unserer Bar und trinke einen halbtrockenen südamerikanischen Merlot um mich an sie, ihren Geruch und ihre Seele zu erinnern, die mich immer noch erfüllt.
Und gleich trinke ich noch ein Glas um ihre Schönheit und ihren Zauber zu vergessen, mit dem sie mich belegt hat. Um ihr Tuch abzulegen und nicht mehr an diese 19-jährige Frau zurückzudenken, für die das Alter nur aus beliebigen Zahlen bestand, deren Seele reifer war als ein Mann je sein kann.

Es ist Juni...aber ich weiß nicht mehr, in welchem Monat sie zu einem Teil von mir und meinen Träumen wurde.

 

Hallo WibiB,
es gibt Menschen wie das Mädchen in deiner Geschichte. Die erwachsener sind als ihre Jahre und die hinterherhängen, die zu spät geboren worden sind, weil alle, die ihnen wichtig sind, viel länger gelebt haben als sie. Die wütend sind auf die Welt, weil sie ihnen unmöglich macht, mit ihren Freunden zusammenzusein und ihr Leben so zu leben, wie sie es wollen. Die sehr früh bereit sind für Dinge, die andere, ältere Menschen, vielleicht niemals wollen. Für sehr viele solcher Menschen ist Selbstmord der einzige Ausweg, weil sie nicht damit leben wollen oder können, nicht die Kraft haben, jedes Mal wieder aufzustehen. Solche Menschen haben es trotz oder gerade wegen ihrer Reife viel schwerer als andere.
Aber all das kommt in deiner Geschichte kaum zum Ausdruck. Der Leser fühlt nicht, dass June besonders ist, er muss es deinem Prot glauben...

gruß
vita
:bounce:

 

Liebe Wiebke!
Ja, ich weiss, ich lasse nach :) - aber jetzt bin ich hier...

Deine Geschichte... sie ist eine Wiebke-Geschichte, und du weisst, wie sehr ich deinen Stil mag. Immer entlang einer schmalen Grenzlinie zwischen schön und traurig. Vita hat Recht, June selbst lernt man nicht kennen, was bleibt, sind die Worte des Protagonisten.

indem sie sich vor einen Zug schmiss.
Wie wäre es mit "warf"? "Schmiss" klingt nicht nach einem 43-jährigen Protagonisten...

LG!
Manuela

 

Hi WibiB!

Ich gebe zu, Monologgeschichten sind nicht unbedingt mein Fall. Mir fehlt da so ein bisschen die Spannung, weil man die nur durch Außenhandlung erzeugen kann.
Ich meine aber ebenso wie meine Kritikerkollegen, dass dieser Geschichte etwas fehlt.

Gestern beendete June alles zwischen uns, indem sie sich vor einen Zug schmiss.

Du musst mir schon verzeihen, aber an dieser Stelle musste ich fast grinsen. Nee, nicht aus Schadenfreude. :D
Sondern weil ich dachte: "Ja nee, ist klar, dass da mal wieder so 'ne klischeehafte Selbstmordgeschichte rauskommen musste."
Ich hab' vor ein paar Tagen in einem Beitrag gelesen, dass angeblich jeder Autor mal eine "Selbstmordphase" durchmache. Da scheint was dran zu sein. Die "Sonstige"-Rubrik ist für solche Geschichten ein richtiger Abladeplatz.
Sie können natürlich trotzdem gut sein. Aber wenn du die Entwicklung dieser Frau hin zum Selbstmord nicht zeigst, klicken die meisten Leser aus purer Langeweile weiter.

Es gibt einige Stellen, die mir stilistisch nicht so recht gefallen:

Ich bin 43 Jahre alt, habe eine Frau und eine kleine Tochter. Außerdem bin ich Besitzer eines Weinladens, ein kleines, gemütliches Geschäft. Eigentlich bin ich glücklich.

Passt die Gegenwartsform hier? Zumindest beim letzten Satz eindeutig nicht. Denn nach Junes Selbstmord ist er bestimmt nicht mehr "eigentlich glücklich". Außerdem kommt im nächsten Satz ein "dann". Mitten in der chronologischen Abfolge ein Wechsel der Zeitform? Das ist grammatisch nicht ganz korrekt, nach meinem Wissen. :bib:

In der nächsten Woche kaufte sie den selben Wein

Also, ich bin mir zu 99 Prozent sicher, dass das zusammen geschrieben wird. :hmm:

Beim einer Verabschiedung nahm ich sie so plötzlich in den Arm, dass ich es selbst erst realisierte, als es geschah. Wir beide waren verwirrt und realisierten die Gefährlichkeit dieser tiefen Geste.

Auf die Wortwiederholung brauche ich ja nicht einzugehen.
Beim einer Verabschiedung? Falls das "bei meiner Verabschiedung" heißen soll, so fühle ich mich an die Pensionierung eines Generals erinnert. "Bei einer Verabschiedung" passt auch nicht, hat ähnliche Konnotationen. Warum schreibst du nicht "Abschied"?
"Gefährlichkeit" ist nicht direkt ein Fehler, aber man sollte nicht zu viele Substantive in einen Satz packen. Das riecht muffig nach Kanzleistil. :(

Oft haben wir über diesen Moment gesprochen, mit dem Wissen, dass wir nicht mehr zurück konnten, aber auch nicht vor durften. Wir hatten einfach eine besondere Beziehung zueinander.

Komma einfügen. Und ich glaube, das heißt, "nach vorne durften." "Kann ich vor?" ist ein Satz, den ich in der Grundschule am Kakaostand oft genug gehört und selbst gesagt habe. In der Erwachsenenwelt ist er fehl am Platz.
Vor allem der letzte Satz stört mich, weil du mir nur ein Faktum vor die Füße schmeißt. Klar weiß ich, dass die eine besondere Beziehung haben, was denn sonst? Entweder streichen oder so neu formulieren, dass die Aussage etwas für die Geschichte leistet.

Meine Stimme werfe sie aus der Bahn, hatte sie vorgestern noch gesagt, und, dass wir uns wiedersehen.

Er betrachtet doch diesen Zeitpunkt von der erzählerischen Gegenwart aus, oder? Dann heißt es hat. Das Komma kann weg.

Sie hat uns aus unser misslichen Lage befreit und nun sitze ich unglücklich in unserer Bar

:sleep: Meine Güte, da habe ich aber schon lebendigere Gefühlsbeschreibungen gelesen.

Es ist Juni...aber ich weiß nicht mehr, in welchem Monat sie zu einem Teil von mir und meinen Träumen wurde.

Steht der Monat Juni wirklich in Verbindung mit ihrem Namen?

So. Da hast du erst mal ordentlich was zu tun. ;)

Ciao, Megabjörnie

 

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