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Jungs von der Straße

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02.11.2001
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Jungs von der Straße

Es war durch den vollen Mond taghell auf dieser Straßenböschung und wir hatten noch drei oder vier von den Flaschen. Damals.
Besoffen waren wir ohne Ausnahme. Jack am allermeisten von uns. Und sogar Jimmy, der den Wagen fuhr. Als Joe der nächsten Flasche den Hals brach, begann das Spiel von neuem.
Wie schreit es sich mit zersäbelten Lippen? Gar nicht, sag ich ihnen.
Es sollte die Sauftour werden, die wir wöchentlich veranstalteten. Nicht mehr, nicht weniger. Bier und reichlich Schnaps von der Tankstelle und Geschichten von Autos und Frauen und wann sich welche von wem auf die Matte hatte legen lassen. Eben wie immer. Wie gesagt, Jimmy fuhr den Wagen. Ein alter Volvo. Jimmy hatte weniger getankt, doch wir drei anderen waren stinkbesoffen. Wir hatten die Six Packs leer gemacht und griffen uns die erste Flasche Whisky. Musik von den Molly Hatchet oder Little Feet, irgend so ein Südstaatenscheiß, auf den wir in solchen Nächten abfuhren, dröhnte aus dem Radio.

Naja.
Als Jimmy den Volvo wieder um so ne gottverdammte Kurve schleuderte, sahen wir die beiden. Ich hab schon gesagt, die Nacht war hell und wir sahen alles. Verdammt, und das, was wir sahen, sah gut aus. Jimmy bremste die Karre ohne Vorwarnung scharf ab und Jack, der auch vorne saß, schlug sich den Schädel an der Frontscheibe blutig. Keiner von uns vieren sagte was, so weg waren wir. Und ich glaube heute, dass es das damals war. Die Mollys tobten aus dem Radio und draußen an der Böschung zu dieser Kurve lagen diese beiden Jungs übereinander und vögelten drauflos.

Völlig nackt waren die und im Mondschein sah das wirklich gut aus. Jack wischte sich das Blut von der Stirn und lallte irgendwas von ,werd's den Schweinen besorgen' oder so. Während Jimmy den Motor abstellte und glucksend einen Lachkrampf unterdrückte, war Jack schon bei den beiden an der Böschung. Wissen Sie, Jack hatte die Kontrolle verloren und das Blut, das in seine Augen rann, machte ihn wahnsinnig. Wir saßen völlig reglos im Wagen und erst nach Minuten bewegten wir unsere Ärsche hin zu Jack und dem Blutbad, das er bereits angerichtet hatte. Gott, was konnte man mit einer angebrochenen Whiskyflasche veranstalten!
Den, der obenauf lag, den hatte Jack richtig erwischt. ,Diese Schweine' schrie Jack immer wieder und bohrte wie rasend den zerbrochenen Flaschenhals in die ungläubige Visage des einen. Das linke Auge hing nur noch an so nem grauen Strang und der andere schrie jetzt auch und bettelte was von ,Nicht, nein, nicht'.
Wir ertrugen die ganze Scheiße kaum und haben kräftig mitgemischt. Wir konnten das Jack nicht alleine machen lassen. Wir kannten Jack schon eine Ewigkeit und diese Ewigkeit war es jetzt.

Was soll's. So war das.
Dann lagen die zwei vor uns, völlig zersäbelt, und atmeten noch. Schreien, wie gesagt, das ging nicht mehr. Wie auch? Mit diesen Lippen und ihren Zungen, die wir den beiden in ihre Ärsche gesteckt hatten? Der Mond lachte auf uns, dass es eine Freude war und wir machten Stunden an ihnen rum. Das war wie ne Party und wir hatten jede Menge Spaß. Wie gesagt, wir hatten noch Whisky und wieder ein gemeinsames Erlebnis und draußen in der Prärie heulten die Kojoten.
Dann hatten wir nichts mehr zu saufen und nen Haufen leere Flaschen rundum. Und Glassplitter, ja.
Also brachten wir das hier zu Ende.
Die nächste Zeit schliefen wir alle schlecht. Doch Jack machte schon bald darauf wieder seine Späßchen und Joe meinte ein paar Tage danach zu Jimmy
,Hey, lass uns doch rausfahren ins County, n'bisschen die Prärie ausmisten'.
Wir waren immer auf der Straße, müssen Sie wissen.
Mann, waren das Zeiten damals.

 

Hallo Aqualung !

Na servas, was hat denn da deine idyllische Herbststimmung durcheinandergewirbelt? Die harten Burschen der Jugend on the road again ?
Geschrieben ist es eh sehr gut, flott und flippig. Was ihr wo hingesteckt habt war für 10 Uhr morgens a bisserl exzessiv - aber ok - du brauchtest das heute halt.

Nach dem Lesen suchte ich in der Tasche nach einem Kaugummi und hätte gerne die Autofenster runtergekurbelt, was mangels Auto aber nicht möglich war.

So long Cowboy - next time - same station, schnee.eule

 

Hi Aqualung,

die Banalität des Bösen hast du schonungslos und knallhart dargestellt. Keine Frage. Trotzdem war ich irgendwie angewidert und wahrscheinlich kann man das als Kompliment nehmen. Vielleicht war ich auch nur ein wenig enttäuscht, weil ich aufgrund des Titels auf so etwas wie Kerouacs "On the Road" gehofft hatte.
Also ist mein Fazit, dass das Schreckliche vom Protagonisten erschreckend locker erzählt wird und das ist gut gemacht. Doch die Schilderungen fand ich widerlich. Ich würde auch so was nicht noch mal lesen wollen.

Eine unschöne Formulierung ist mir aufgefallen

Der Mond lachte auf uns
Einmal sprichst du auch den Leser direkt an ("Sie" schreibt man dann glaube ich groß) und ansonsten überhaupt nicht. Deshalb würde ich es weglassen.


Liebe Grüße

PeterPan

 

Hallo schnee.eule, nikto, PeterPan

danke euch dreien fürs lesen. Wieder ein aqualung- Versuch. Es ist manchmal einfach, Stories zu schreiben. Die eben kam wie ein flash und in Wirklichkeit hör ich lieber Jethro Tull. Aber das wäre eine andere Geschichte. Alle drei Reaktionen sind super, in jeder steckt eine Aussage. Danke.
Eine ,road-story' musste in diesem beginnenden Herbst einfach sein.
Deine Verbesserungsvorschläge, PeterPan, hab ich ernst genommen.
Ich muß euch was gestehen: Ich finde meine Geschichte geil, obwohl sie tiefschwarz ist.

Bleibt mir gewogen

Liebe Grüße an euch - Aqualung

 

Hallo Aqualung,

der Erzähler weiss ja, dass er schuld auf sich geladen hat, nun die Schuld und Reue die man empfindet, als wenn man mit seinen Freunden vor Jahren einen Zigarettenautomat geknackt hat.
Interpretiert werden brauch nichts. Is doch alles klar!

Im Kopf habe ich einen Film der folgendermaßen beginnt:
4 junge Leute sind auf dem Rückweg, das Verbrechen ist geschehen. Der Erzähler erzählt, was sich damals zugetragen hat. Der zuschauer weiss, dann aufgrunde der erzählweise und der Bilder , die eingespielt werden, die vom Verbrechen nämlich, dass die jungs pervers sind, und hat die ahnung, dass es mit ihnen kein gutes ende nehmen wird.


Wat erzählich denn hier wieder?...haha

Auf jeden Fall "sehr gut gemacht", Aqualung.

liebe grüsse archetyp

 

Hm - explizite und exessive (und geschmackslose) Gewaltdarstellung (heraushängendes Auge ... also wirklich). So etwas nennt man Splatter. Zählt als Sub-Kategorie zu Horror. Ich schlage deshalb vor, den Text eben dorthin zu verschieben.

Genau genommen zählt Splatter zu Trash (selbst die meisten Splatter-Fans streiten das nicht ab). Leider gibt's den Trash-Bereich ja nicht mehr. Schade.

Klaus

 

Die story bleibt hier, denke ich.

Gewaltdarstellung ist nur Nebenerscheinung, es geht um etwas anderes.

Klaro!

Archetyp

 

Mir fällt im Moment nur ein künstlerisches Werk ein, bei dem der Splatter-Faktor ein wesentlicher Bestandteil ist: Der Film "Starship Troopers". (Die ungekürte Fassung.)

Bei dem obigen Text dürfte die Begründung für Stellen wie

bohrte wie rasend den zerbrochenen Flaschenhals in die ungläubige Visage des einen. Das linke Auge hing nur noch an so nem grauen Strang

und

Dann lagen die zwei vor uns, völlig zersäbelt, und atmeten noch. Schreien, wie gesagt, das ging nicht mehr. Wie auch? Mit diesen Lippen und ihren Zungen, die wir den beiden in ihre Ärsche gesteckt hatten?

eher in

Ich finde meine Geschichte geil

zu finden sein. Ein anderer Kritiker hier auf KG.de hat diese Art zu schreiben einmal "sprachliche Onanie" genannt. Es ist unreflektiertes Schreiben. Die Wortwahl erfolgt einfach nur, weil es - eben - geil klingt.

Klaus

 

Sternenkratzer mit Verlaub,

du kannst nicht wissen warum der Schreiber diese Wortwahl nahm. Ich nehme an, um den erzählenden Protagonisten, in seiner Emotionsarmut zu charakterisieren. Ich denke es ist ein logisches Argument.

Natürlich kann man auch schreiben
"Wir gaben ihnen ein paar saftige Ohrfeigen." Dann allerdings wird die Fehlentwicklung der Protagonisten nicht deutlich.

"Uhrwerk Orange" fällt mir hier ein.

Liebe Grüsse Archetyp

 

guten morgen aqualung, beim lesen dieser kg ist es mir ähnlich ergangen, wiebei einer früheren von dir (dort hatte ich auch was ähnliches geschrieben!): ich finde es toll, dass du die verschiedensten stilrichtungen versuchst und das geschehen aus den unterschiedlichsten blickwinkeln und durch unterschiedlich starke brillen betrachtest. aber wenn mann die tiefgründigen, weich und sorgfältig modulierten aqualung-geschichten kennt, kommen die jungs von der strasse einfach zu heftig daher. ich habe das gefühl, du schreibst hier in einer sprache, die dir fremd ist und in der du die feinen unterschiede, das lesen zwischen den zeilen, noch nicht ganz beherrscht. es gehr mir nicht um einzelne text-passagen, die ich kritisieren möchte, es geht mir um den gesamteindruck der story. irgendwie ist die sache für mich nicht schlüssig. natürlich ist das nur mein ganz subjektiver eindruck, den ich hier vermitteln kann! lass dich trotzdem nicht entmutigen und versuche es weiter, bitte. herzliche grüße. ernst

 

Soll Aqualung eine Story schreiben, die zu ihm passt?
Oder Soll er eine Story schreiben, die er schreiben möchte, wie er es für richtig hält?

Gibt viel zu wenig allround-talente hier!
Ich mag es, wenn man gerade, dann gefahr läuft, in eine schublade gepresst zu werden, wieder hinaus springt und sich denkt: "Am Arsch, leute jetzt schreib ich mal wieder anders"
Warum? Weil ich es will, weil es mir gefällt, weil ich da heute bock zu habe, weil mir danach ist, weil in australien die sonne scheint!

Aqua, du kannst auch meinetwegen auch "Peter und Hans bauen eine Sandburg" schreiben, hauptsache es ist gut.

liebe grüsse arche

 

Danke, Arche,

genauso sehe ich es auch. Ich dachte mir, schreib mal eine Road-Story mit Hintergrund. Und hintergründiges gibt es einiges. Warum die Südstaatenmusik, warum genau die eher banale Sprache, warum zwei Jungs, die vögeln, warum erzählt einer von den vieren, die dabei waren, warum in dieser herzlosen Sprache? Und wie weit geht Freundschaft? Fragen über Fragen.
Du, Arche, hast dich damit wirklich auseinander gesetzt.
Und auch ein Danke an Ernst Clemens. Doch es soll keine typischen Aqualung - Geschichten geben. Die deutsche Sprache gibt uns doch so ein weites Feld. Auf dem will ich mich austoben. Wem mein ,Schrott' nicht passt, he Sternenkratzer oder wer immer du bist, der sollte diesen nicht lesen.

Arche und Ernst - liebe Grüße an euch, Aqua

 

Hi!
Die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, weil es dir gelingt, sehr brutales mit schlichten und alltäglichen Worten zu beschreiben. Gerade dadurch kommt es sehr gut rüber und man möchte die Geschichte mehrmals lesen. Hat mir wirklich gut gefallen.

 

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