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Körpersprache
Körpersprache
Kannst du dich noch an damals erinnern?
Als wir uns das erste Mal gesehen haben?
Uns kennen lernten. Es war die schönste Zeit unseres Lebens. Es war die schönste Zeit meines Lebens.
Wir haben uns beigestanden, uns geliebt und waren füreinander da.
Weißt du noch, wie es damals war?
So wie es einmal war, sollte es immer sein. So wie jetzt.
Genau wie in diesem Moment.
Wir können ausharren, ausruhen und sind für immer zusammen. Wirklich für immer.
Wir wohnen weit draußen, fernab der Stadt, so wie du es dir immer gewünscht hast. Jetzt können wir in Ruhe unser Leben genießen, glücklich sein.
Weißt du noch, wie ich dir früher beim Tanzen zugesehen habe? Du hast mich angelächelt.
Immer wieder. Dessen bin ich mir ganz sicher.
Ich habe dir schon länger zu gesehen, bis auch du irgendwann auf mich aufmerksam wurdest.
Du hast das Licht zurück in mein Leben gebracht.
Du hast mir so gut getan. Als ich dich zum ersten Mal angesprochen habe, warst du sehr überrascht. Du hast so getan als wolltest du nichts von mir wissen. Habe ich deine Körpersprache möglicherweise missgedeutet? Nein, sicher nicht. In meinem Herzen wusste ich, dass du genauso fühlst wie ich. Ich konnte es in deinen Augen sehen. Auch wenn die erste Zeit nicht die einfachste war, habe ich dennoch wie ein Löwe um dich gekämpft. Ich habe gekämpft und dich schließlich für mich gewonnen. Wir hatten eine so schöne Zeit.
Nur ein Ereignis in unserem Leben trübt dieses Glück.
Warum konntest du nicht widerstehen?
Dieser Widerling hat sich genommen, was mir gehört.
Hat sich in mein Leben geschlichen, mich beraubt.
Einen schwarzen Fleck auf meiner reinen Seele hinterlassen. Ebenso auf deiner.
Denn du hast dich mitreißen lassen. Alkohol ist keine Entschuldigung. Der Wille ist es, das Fleisch ist schwach.
Wie immer dieselbe Ausrede.
Weißt du noch, wie ich dich und ihn beobachtet habe?
Jeden Tag und jede Nacht.
Immer wieder hat er versucht, dich mir zu stehlen. Aber ich habe es nicht zugelassen. Ich habe verteidigt, was mir gehört. Ich habe ihn wissen lassen, was ich davon halte.
Weißt du noch, als du bei mir aufgetaucht bist, weil du ihn vermisst hast? Weil er seit Tagen verschwunden war. Ich bin mir fast sicher, dass sie ihn immer noch suchen.
Doch das Hier und Jetzt zählt.
Ich bin auch nicht frei von Fehlern. Das ist schließlich nur menschlich. Warum sollte ich dir diesen einen Ausrutscher nicht vergeben. Jetzt wo alles wieder in Ordnung ist.
Weißt du noch, als wir das erste mal hierher gekommen sind? In dieses Haus, das du so liebst.
Wir werden hier bleiben. Auf ewig.
Ich habe dir verziehen, auch wenn du wie jetzt vor mir sitzt und ich deinen jämmerlichen, traurigen Anblick ertragen muss.
Weißt du noch als ich euch erwischt habe?
Den Widerling und dich?
Doch warum starrst du mich so an? Mit deinen leeren Augen. Mit deinem kalten Blick. Verrate mir was das soll? Nach all dem was ich für uns getan habe.
Tu mir den Gefallen, ja?
Schon gut, sag einfach nichts. So wie du es immer tust.
Ich habe meinen Teil für unsere Beziehung beigetragen.
Jetzt erfülle du deinen, indem du aufhörst mich so anzustarren.
Ich habe soviel für uns getan.
Warum hast du dem Widerling Einzug in unser Leben gewährt? Schon gut, sag einfach nichts. Auf diese Frage hattest du sowieso nie eine Antwort.
Jetzt sitzt du in deinem Lieblingsstuhl im Wohnzimmer und dein strafender Blick ist auf mich gerichtet. Als wäre ich Schuld an dieser ganzen Misere. Nun gut, ich muss zugeben, du hast da nicht ganz unrecht. Aber strafe mich nicht mit diesem Blick. Ich weiß nicht mehr, ob es richtig war, dich bei mir zu halten. Vielleicht wolltest du gar nicht mehr mit mir zusammen sein. Vielleicht wärst du in den Armen des Widerlings glücklicher gewesen, als mit mir.
Doch wer weiß. Jedenfalls sieht es so aus, als hättest du dich doch für mich entschieden. Aber sag mir warum trägst du dieses scheußliche, schmutzige Kleid?
Am Abend als du dich mit ihm getroffen hast, war es noch weiß.
Weißt du noch, wie ich euch überraschte?
War es für dich genauso schockierend, wie für mich?
Der Widerling war auf jeden Fall sehr schockiert, doch die Einzelheiten was ich mit ihm anstellte, möchte ich dir ersparen.
Weißt du auch noch, wie die kalte Klinge meines Messers in deinen Körper drang? Ich weiß nicht mehr wie oft es war. Dein Blut schmeckte so bitter.
Voll von Sünde, voll von Schuld.
Jetzt sitzt du vor mir, in deinem Lieblingsstuhl und dein Blick ist weiterhin auf mich gerichtet.
Bitte sieh mich nicht so an. Ich kann es nicht wieder gut machen, das ist mir klar.
Was ist nur mit deiner zarten Haut passiert?
Sie wird von Tag zu Tag schwärzer, und deine wunderschönen Augen kann ich kaum noch sehen.
Dein hübsches Haar wächst noch. Die Haut an deinen Händen hat sich verändert. Grau und brüchig wie Pergament ist sie geworden. Wie die Haut einer alten Frau. Fast ist nichts mehr übrig von ihr. Sie hängt nur noch in Fetzen über dein knochiges Gesicht. Dein hübscher, vor Schreck erstarrter Mund, belagert von ekligem Getier.
Aber sei nicht traurig, mein Schatz. Ich bin ja bei dir.
Ich hätte dich niemals alleine gehen lassen.
Der Stuhl unter mir ist längst umgekippt und der Strick um meinen Hals hat seinen Dienst getan. So wie es jetzt ist, soll es anscheinend sein. Meine Strafe. Kein Jenseits, keine Wiedergeburt. Mein Körper, die ewige Zelle meiner Seele, mein Blick, ebenso auf dich gerichtet. Jeden Tag kann ich die fressenden Maden hinter meinen Augen spüren.
Finden wird uns so schnell niemand. Wir wohnen zu weit weg.
Fernab der Stadt. In unserem Haus im Wald
Freunde haben wir keine.
Doch jetzt ist wieder alles gut. Fast sowie früher. Jetzt sind wir für immer zusammen. Schlaf jetzt, mein Schatz, schlaf ein und nimm deinen strafenden Blick von mir.
10.11.2007
by The Crow