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Kalter Rauch
Er saß am Fenster und starrte hinaus. Sein Frühstücksgeschirr stand vergessen auf dem Tisch, daneben die Zeitung; die Szenerie erinnerte etwas an ein Puppenhaus mit am Boden angeklebtem Mobiliar und unbeweglichen Bewohnern aus Holz und Stoff.
Der Tag ist leer, dachte er. Es war ein endgültiger Gedanke, einer der nichts Besonderes an sich hatte. Einer mit schalem Geschmack; eine reine Feststellung von Tatsachen. So wie ‚Morgen gehe ich arbeiten’ oder ‚Der Tisch ist dreckig’.
Es war nicht der erste Morgen, der mit diesem Gedanken begann – genau genommen hatten alle Tage so begonnen, seit sie weg war. Seit er eines Morgens in einem kalten Bett aufgewacht war und auf ihrem Kopfkissen den Brief gefunden hatte. Drei Sätze waren es nur gewesen, drei Sätze, geschrieben mit grüner Tinte und mit einer Sicherheitsnadel am Kopfkissen befestigt. Drei Sätze, die ihn mit voller Wucht und unvermittelt in den Magen getroffen hatten, wie die Faust von Mike Tyson einen hoffnungsvollen Amateurboxer.
Er hatte den Zettel und die Sicherheitsnadel aufbewahrt, in einer kleinen Kiste, genau wie all den anderen Kleinkram, den sie vergessen hatte. Beim Aufräumen stolperte er manchmal immer noch –nach so langer Zeit- über kleine Dinge.
In letzter Zeit war es wieder mehr geworden. Fast, als wolle sie ihm Zeichen geben. Vorgestern hatte er im Gefrierfach, unter dem Spinat, eine ihrer CDs gefunden. Samsas Traum – Utopia ... Sie hatte diese Musik geliebt. Er wusste nicht, warum; konnte selbst nichts daran finden. Aber die Musik hatte zu ihr gehört, wie ihr Silberschmuck und der eigenartige Geruch. Scharf und bitter ...
Im Salzfass auf dem Tisch lag einer ihrer kleinen Ohrringe, was er bemerkte, als er –völlig in Gedanken- eine Handvoll Salz herausnahm und versuchte, sie in sein Glas zu streuen. Der war doch gestern noch nicht da gewesen, dieser Ohrring ... Egal, jetzt lag er auf jeden Fall im Orangensaft.
Überhaupt schien die Wohnung wieder voll von ihr zu sein, und mit jedem Tag wurde es mehr. Unter dem Teppich hatte er in den letzten Tagen viele ihrer kleinen Zeichnungen gefunden: winzige Mädchen, zerbrochene Spiegel, klares Wasser über dem Zifferblatt einer versunkenen Armbanduhr ... und das war nur ein Teil des ganzen Sammelsuriums. In der Sofaritze war ihr silbernes Armband versteckt gewesen, in seinem Fantasyroman eines ihrer kleinen Reclamheftchen, und heute Morgen war er neben einer Schachtel abgebrannter Streichhölzer aufgewacht; dieselbe Marke, die sie immer bei sich gehabt hatte. Und langsam begann die Wohnung wieder nach ihr zu riechen...
Es war Sommer gewesen, Nacht, und es war heiß. Er hatte sich früh von einer langweiligen Grillparty verabschiedet und streifte nun ziellos durch die Stadt. Dreimal hatte er denselben Häuserblock umrundet, ohne zu wissen, warum; dann hatte er sich entschieden, in den Park zu gehen.
Er wanderte herum, mal auf den Wegen, mal mitten durchs Gestrüpp, und versuchte gerade, auf der Lehne einer Bank zu balancieren, als er plötzlich etwas roch.
Nicht das, was man von einer Sommernacht im Park erwartet hätte. Keine Blumen, kein Parfum, kein Wein. Auch kein Hundekot.
Flammen und Rauch, Schießpulver, Dynamit und über all dem ein seltsamer Duft nach Kräutern. Der eigenartige, scharfe Geruch traf ihn völlig unvorbereitet und so heftig, dass er von der Banklehne stürzte.
Er wurde neugierig; was war das? Was konnte das sein, das ihn so sehr anzog und gleichzeitig anflehte, ihm nicht zu nahe zu kommen?
Dem Geruch zu folgen, war einfach. Er fühlte sich wie ein Tier, das einer Fährte folgte; doch nicht, um zu töten, sondern ... warum eigentlich? Er wusste es selbst nicht, aber einfach weggehen, das konnte er nicht.
Auf seiner Suche war er in einen Teil des Parks gekommen, den er nicht kannte. Vielleicht lag es auch an dem Nebel, der plötzlich aufgekommen war –Nebel in einer Sommernacht? Oder war es Rauch? Und dort vorne, zwischen den Bäumen- loderten dort Flammen? Und warum hatte er diese Musik nicht vorher bemerkt?
Vorsichtig schlich er sich an das Licht an, darauf bedacht, auf nichts zu treten, das ein Geräusch machen könnte; quetschte sich zwischen Bäumen durch, immer der Musik und dem Licht hinterher.
Auf einmal stand er am Rand eines kleinen, sandbestreuten Platzes. Vor ihm saßen ein paar halb eingeschlafene Kinder mit ihren Eltern, und dort, wo sie hinblickten ...
Ein Mädchen stand dort, in einem Kreis aus Fackeln. Schwarzes Haar, lang, schwer und glatt, mit einigen dünnen geflochtenen Zöpfchen. Schwarz auch ihre Kleidung, das Oberteil und der zerrissene Rock. Blasse Haut, fast weiß -und ihre Augen ... ihre Augen ...
Sie hielt Fackeln in den Händen, sechs Stück. Eine warf sie in die Luft, dann die nächste, eine dritte, eine vierte, fünfte, die letzte, und begann zu jonglieren. Ihre schmalen weißen Hände stachen aus der Dunkelheit hervor, packten die schwarzen Schäfte der Fackeln, schleuderten sie weiter, fingen andere auf, mit einer Leichtigkeit, als würden sie nicht spüren, dass die Flammen hungrig nach ihnen leckten. Es wirkte so einfach, als sei es ein Spiel – wäre da nicht das Gesicht des Mädchens gewesen. Ernst und konzentriert blickte sie geradeaus, sah ihm durch einen Kranz aus wirbelndem Feuer direkt in die Augen. Er fühlte sich nackt, schutzlos und konnte nur mit Mühe dem Impuls widerstehen, sich in ein Loch zu verkriechen und dort für immer zu verschwinden. Ihr Blick legte ihn bloß, durchbohrte ihn –und doch waren ihre Augen so traurig.
Sie hatte ihr Kunststück beendet, fing geschickt die Fackeln auf und steckte sie vor sich in den Boden. Aus einer am Boden liegenden Umhängetasche holte sie einen Beutel, griff hinein und nahm eine Handvoll schwarzes, körniges Pulver heraus. Sie füllte es vorsichtig in eine Flasche, in der eine wasserklare Flüssigkeit hin und her schwappte, schüttelte das Ganze heftig durch und löschte alle Fackeln bis auf eine; schüttete einen Teil der Flüssigkeit um sich herum. Den nassen Kreis berührte sie mit der letzten Fackel und setzte ihn in Brand.
Die Musik schwieg, als sie die Flasche an den Mund setzte und einen tiefen Schluck nahm. Langsam hob sie die letzte Fackel an, hielt sie sich vors Gesicht, streckte den Arm mit der Fackel aus, legte den Kopf zurück und sah die Flamme einen unendlichen Augenblick lang an. Dann-
Eine Flammenzunge schoss aus ihrem Mund in den Himmel, meterlang, und für einen Augenblick stand die ganze Welt in Flammen. Und durch das Feuer hindurch blickte sie ihn an, blickte durch seinen Körper und hinter seine Seele, mit diesen schwarzen Augen, so schwarz, dass man die Pupillen nicht erkannte, mitten in einer flammenden Einsamkeit-
Die Flamme erlosch. Das Mädchen spülte sich den Mund mit Wasser aus und steckte sich die Fackel in den Mund, verschluckte das Feuer. In der Dunkelheit, die nun nur noch von einem riesigen roten Junimond am Himmel erleuchtet wurde, packte sie ihre Sachen zusammen, holte einen CD-Player aus dem Gebüsch und ließ sich von den Kindern Kleingeld zustecken. Sie warf sich die Tasche über die Schulter, nahm die Fackeln in die Hand und ging. Direkt in seine Richtung, sie schien ihn gar nicht bemerkt zu haben. Er packte sie am Arm.
‚Lass mich los! Was willst du?’
‚Ich muss dich wiedersehen.’ Er wusste nicht, warum er so etwas Kitschiges sagte.
Sie machte sich los.
‚Warum?’
Weil du mich verzaubert hast mit deinen Feuerzungen, weil ich umkommen werde, ohne dich noch einmal getroffen zu haben, weil du hinter mich gesehen hast ...
‚Ich weiß es nicht, ich weiß nicht einmal, warum ich hier bin. Wer bist du?’
‚Moon.’
Sie ging an ihm vorbei und verschwand in der Nacht.
Er wusste nicht, wie er nach Hause gekommen war, wusste am anderen Morgen nicht, warum er nach Rauch und Schießpulver roch, wusste nicht, wieso er die ganze Nacht über von vollkommen schwarzen Augen geträumt hatte, die ihn auseinander nahmen, mit ihrem Blick festnagelten. Völlig durcheinander zog er sich an, fuhr zur Arbeit, tippte sinnlose Zeichen in den Computer, die irgendwann mal im Inneren eines Satelliten Daten auswerten sollten.
Nach den fünften Fehler, den er in ein und derselben Zeile gemacht hatte, gab er auf und beschloss, sich den Rest des Tages frei zu nehmen. Er packte seine Sachen zusammen und ging, setzte sich in die S-Bahn und sah aus dem Fenster.
War das eine Halluzination? Ein Kopf mit schwarzem Haar, lang und schwer, eingeflochtene Zöpfchen –war das Moon? Konnte es sein? ‚Mach dich nicht verrückt’, dachte er, ‚solche Frisuren gibt es oft’. Der Kopf drehte sich um. Weiße Haut, schwarze Augen-
Er sprang aus der anfahrenden S-Bahn. ‚Moon!’ Sie fuhr herum. ‘Du … Was willst du von mir?’
‘Hast du einen Schlafplatz für heute Nacht?’ Warum sagte er das?
‚Was soll der Quatsch?’ fauchte sie. ‚Sag mir endlich, was du von mir willst. Warum du auf offener Straße herumbrüllst. Warum du mich nach meiner Vorstellung aufhältst und mich mit einem Satz aus einer drittklassigen Schnulze anquatschst. Sag mir ...’ –ihre Stimme wurde plötzlich sanft- ‚sag mir, wer du bist. Warum du mir nicht mehr aus dem Kopf gehst. Sag mir, wo du wohnst, warum du mich so ansiehst, dass mir warm wird. Sag mir ... sag mir, ob ich heute Abend bei dir vorbeikommen kann.’
Die Erinnerung hatte ihn traurig gemacht, und zum ersten Mal gestand er sich ein, dass er sie vermisste. Es war ein scheußliches Gefühl.
Er beschloss, sich etwas zu trinken zu holen. Im Mineralwasserkasten stand eine Flasche Schnaps, die ihn auf eine Idee brachte. Er würde sich betrinken. Vielleicht würde die Traurigkeit dann verschwinden, und mit ihr die Erinnerung.
Er hatte sich den ganzen Tag gefreut, hatte sich gefragt, ob sie wirklich kommen würde. Er hatte Lampenfieber, rannte andauernd vor den Spiegel, hatte extra aufgeräumt, ein Zimmer geleert, falls sie wirklich noch einen Schlafplatz brauchte.
Die Uhr tickte weiter –jetzt war es schon halb sieben- und sie war immer noch nicht da. Ihm kam ein schrecklicher Gedanke: Konnte es sein, dass sie das gar nicht ernst gemeint hatte? Vielleicht saß sie jetzt am Bahnhof, unterhielt sich mit ein paar Freunden –mit ihrem Freund?- und hatte ihn schon längst vergessen? Aber dann hätte sie ihn nicht so angesehen, nicht gefragt. Vielleicht hatte sie die Visitenkarte verloren, die er ihr gegeben hatte, und jetzt fand sie die Wohnung nicht.
Sieben Uhr. Es war sinnlos, noch länger zu warten. Er beschloss, sich vor den Fernseher zu setzen; von schlechten Krimis schlief er immer ein, und dann würde er wenigstens nicht mehr nachdenken müssen.
Er erwachte, ohne zu wissen, warum. Auf dem Bildschirm flimmerten die Spätnachrichten. Hatte es nicht an der Tür geklingelt? Nein, das konnte nicht sein, dachte er noch, aber da war er schon aufgesprungen und in den Flur gerannt. Er riss die Tür auf.
‚Hi ...’
Vor ihm stand eine verzerrt lächelnde Moon. Sie hatte wohl geweint; jedenfalls hatte sie ganz rote Augen. ‚Ich hab was zu trinken mitgebracht. Ist der in Ordnung?’ Sie hielt eine Flasche billigen Rotwein hoch.
‚Moon, was ist passiert? Komm rein!’
Sie stand im Flur wie bestellt und nicht abgeholt. ‚Jetzt zieh dir doch erst einmal die Jacke aus’ –er sprach mit ihr wie mit einem Kind, aber es schien ihr nichts auszumachen. Folgsam streifte sie Jacke und Stiefel ab, hängte die Jacke an die Türklinke und stellte die Stiefel daneben. Sie hatte ganz kleine Füße, wie ein Schulmädchen.
Auf Strümpfen stand sie im Flur und sah sich verschüchtert um. ‚Was ist passiert?’, fragte er noch einmal.
‚Nichts.’ Sie versuchte, fröhlich und stark auszusehen, was grauenhaft danebenging.
‚Das glaub ich nicht, Moon. Irgendwas muss sein, sonst hättest du doch nicht geweint.’
Sie schwieg, sah ihn nur an. Ihm wurde kalt.
‚Nichts ist, das habe ich doch schon gesagt!’
‚Ja, in Ordnung. Dann ist eben nichts los. Magst du mit mir zu Abend essen?’
‚Gern.’ Jetzt lächelte sie wirklich.
Er führte sie in seine winzige Küche, schnitt Putenfleisch klein und warf es in eine Pfanne; setzte Reis auf; zerhackte Gemüse und legte es über das Fleisch. Moon saß auf einem Stuhl und sah ihm zu.
‚Es wird noch etwas dauern, und es ist nichts Besonderes. Ich hoffe, du bist nicht enttäuscht.’
‚Schwachsinn!’, sagte sie, ‚warum sollte ich?’
‚Vielleicht hast du mehr von mir erwartet, oder anderes. Nicht nur wegen dem Essen- überhaupt.’
‚Ich habe überhaupt nichts erwartet.’ Ihre Stimme war klar und fest.
Er goss den Reis ab und streute Curry darüber, rührte das Gemüse und das Fleisch unter. Topf und zwei Teller auf den Tisch, Löffel und Gabeln, zwei Gläser und eine Flasche Wasser. Moon zog eine Kerze aus der Tasche und stellte sie auf den Tisch. Sie riss ein Streichholz an...
Sie hatten gegessen, die Kerze war heruntergebrannt, die Teller leer. Über den schwarzen Docht und einen Klecks aus Wachs sah er sie an. Sie schien es nicht zu bemerken; konzentrierte sich vollkommen auf ein Streichholz, das sie zwischen den Fingern drehte. Sie zog die Streichholzschachtel hervor, riss es an. Über die kleine Flamme hinweg erwiderte sie seinen Blick, eine unendliche Sekunde lang... dann steckte sie das brennende Streichholz in den Mund, einfach so. Sie blies ihm eine kleine Rauchwolke ins Gesicht. Er hustete und schwieg weiter.
‚Mein Freund hat mich rausgeschmissen.’
Die Worte kamen so unvermittelt, dass er sie eine Sekunde lang nicht zuordnen konnte.
‚Er sagte- er sagte, es sei ihm alles zuviel. Meine Feuerspuckerei, meine Kunststücke, meine Art... Er sagte, er habe die Nase voll davon, sich ständig um mich kümmern zu müssen und nichts zurückzubekommen. Aber das stimmt nicht. Ich habe ihm gegeben, was ich konnte...’
Sie weinte lautlos; Tränen liefen über ihr Gesicht und blitzten wie Diamanten. Sie stand auf.
‚Ich geh jetzt besser mal. Will dich nicht nerven.’
‚Nein, bitte bleib!’
‚Ich muss gehen.’
‚Wenn dein Freund dich rausgeworfen hat, wo lebst du dann? Wo willst du dann hin?’
‚Weiß noch nicht. Heute Nacht such ich mir irgendwas draußen, es ist ja warm. Und für die nächsten Tage... Im schlimmsten Fall such ich mir jemanden, bei dem ich bleiben kann. Werde zwar zahlen müssen, wenn du verstehst, was ich meine, aber besser so als im Winter draußen, wo dich nachts Tiere anknabbern und du beklaut und ähnliches wirst. Und nicht mal was dafür bekommst.’
‚Bleib doch hier. Ich hab ein leeres Zimmer, da kannst du fürs erste wohnen, und dann sehen wir weiter.’
‚Nein, ich will dir nicht auf der Tasche liegen. Ich habe meinen Stolz...’
Sie zündete ein weiteres Streichholz an und hielt sich die Flamme vors Gesicht. Er ging auf sie zu.
Sie umschloss die Flamme mit den Lippen, und für den Augenblick, in dem sie den Rauch im Mund hielt, sah sie so verletzlich aus, dass er hätte schreien mögen. Er kam näher...
Er wusste nicht, wieso er sie umarmte. Sie wehrte sich nicht, blieb ruhig, als er sie küsste.
Ihr Atem schmeckte scharf und bitter. Rauch und Feuer, Schwefel und Eisen, Chilischoten. Schießpulver. Wie der Totenwind, der über ein Schlachtfeld weht, am Morgen nach dem Kampf.
Plötzlich knickten ihre Beine ein; gerade konnte er sie noch auffangen. Ihre Augen waren glasig und starr.
Kein Atem. Einen unendlichen Augenblick lang biss sich die Zeit in den Schwanz und fraß sich auf, während ihm vor Angst schlecht wurde – war sie tot?
Ein tiefer, keuchender Atemzug. Ein zweiter.
Der harte Knoten aus Übelkeit in seinem Magen löste sich langsam auf.
‚Was ist passiert?’
‚Nichts.’ Sie befreite sich aus seinen Armen, versuchte vergeblich, nicht zu zittern. ‚Das kommt bei mir manchmal vor. Nichts Schlimmes.’
Der Schnaps hatte nach dem dritten Glas seine Schärfe verloren. Es brannte nicht mehr in der Kehle; ihm war nur noch schwindlig. Er griff nach der Zeitung und versuchte, sich auf die Schlagzeile zu konzentrieren.
‚Leg dich hin, Moon. Du bist krank und müde.’
‚Nein. Ich bin nicht krank. N-nichts Besonderes. Nichts Schlimmes. Ich muss jetzt gehen...’
‚Nein. Ich lass dich doch so nicht verschwinden. Es ist Nacht, Moon. Nacht. Du weißt nicht, wer da draußen ist und wo du unterkommen sollst. Du schläfst heute hier.’
‚Nein!’
‚Ich tu dir nichts. Ich schlafe in meinem Arbeitszimmer, und der Raum, wo du schlafen kannst, hat einen Schlüssel. Dir passiert nichts...’
Sie sah ihn nur an. Ihr Blick ging direkt durch ihn hindurch. Er war versucht, sich ins Gesicht zu fassen und zu prüfen, ob da ein Brandloch war, aber die starren Augen erlaubten ihm nicht die kleinste Bewegung.
‚Wenn es wirklich geht ... ?’ Verschüchtert. Wie ein kleines Kind.
Er ging mit ihr in das Zimmer, das er hergerichtet hatte. Sie legte sich angezogen auf die Matratze und rollte sich zusammen. Er zog eine Decke über ihren Körper und verließ leise das Zimmer.
Er erwachte vom Geräusch einer zuschlagenden Tür. Verwirrt stand er auf, tastete sich hinaus.
Moon war weg. In der ganzen Wohnung roch es nach kaltem Rauch.
Würde sie wiederkommen?
Er griff zum Telefon und meldete sich krank – er wusste schließlich nicht, wann sie wiederkommen würde.
Ob sie wiederkommen würde, muss es heißen. Halt den Mund, dachte er, sonst wickel ich dich in ein nasses Tuch. Du und deine dämlichen Kommentare.
Die Stimme in seinem Hinterkopf ging ihm wirklich auf die Nerven – vor allem, weil sie sich immer dann meldete, wenn er sie absolut nicht nötig hatte.
Er verbrachte den Tag damit, nicht wirklich notwendige Dinge zu erledigen und die wichtigen aufzuschieben. Mit dem letzten Rest Vernunft, der ihm noch zur Verfügung stand, versuchte er, über Moon nachzudenken. Wer sie war, woher sie kam, und vor allem, was sie mit ihm gemacht hatte. Natürlich, er hatte Frauen gekannt. Viele verschiedene... Manche hatten seltsame Eigenarten gehabt, andere hatten sich ihm an den Hals geworfen. Wieder anderen hatte er lange gut zureden müssen, bis sie sich auch nur auf ein Treffen einließen.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Immer wieder kam er auf dasselbe Resultat: Moon war anders. So absolut anders als andere Frauen, dass er sich kurz fragte, ob sie überhaupt eine war.
Natürlich war sie eine Frau. Was sollte sie sonst sein? Aber das änderte nichts daran, dass sie das vollkommene Gegenstück zu allen seinen Bekanntschaften war.
Warum dachte er die ganze Zeit an sie? Er hatte sich doch geschworen, sie zu vergessen. Aber so war das eben. Bis jetzt hatte er noch fast keinen Schwur gehalten, den er sich selbst geleistet hatte.
Auf der anderen Seite des Zimmers, unter dem Regal, blinkte etwas auf.
Am Abend kam sie wieder. Er hatte sie nicht klingeln gehört – hatte er ihr den Schlüssel gegeben? Nein, der war noch da. Aber als er ins Bad ging, saß sie auf dem Badewannenrand und starrte auf ihre Füße. Ihre Füße in den schweren Stiefeln, die sie leise hin und her baumeln ließ. In der Hand hielt sie eine Schachtel Streichhölzer, zündete gedankenverloren eines nach dem anderen an und steckte sie in den Mund. Schluckte die Flämmchen.
Er erschrak, zog scharf die Luft ein. Moon hörte es und sah verwirrt hoch. Für einen Augenblick spiegelte ihr Gesicht reine Angst wider, dann erkannte sie ihn und lächelte.
‚Ich habe gehofft, dass du wiederkommst.’
‚Wieso?’ Moon schien ehrlich verwundert zu sein.
‚Wieso, wieso... Wieso nicht?’
‚Sag es mir.’
Seitdem ich dich kenne, dreht sich mein Universum nur um dich. Ich weiß nicht, was mit mir passiert ist, und wie du in so kurzer Zeit alles auf den Kopf stellen kannst. Du hast mir den Boden unter den Füßen weggezogen und jetzt schwebe ich im Nichts, mit dir als einzigem Fixpunkt.
Ich weiß nur, dass ich dich brauche. Wie Vögel den Himmel brauchen.
Kannst du das verstehen, Moon? Geht es dir vielleicht genauso? Ich weiß es nicht. Aber geh nicht fort, bitte. Niemals.
‚Du bist mir wichtig.’ Dürre Worte, leere Hülsen ohne Sinn. Er war kein Dichter, aber selbst wenn er einer wäre, würden Sonette und Villanellen nicht ausreichen. Sie wären nur etwas reicher verzierte Hülsen - die Ziselierung würde nichts an der Tatsache ändern, dass sie hohl waren.
Moon lächelte. Sie machte den Eindruck, sich wirklich zu freuen.
‚Ist dieses Zimmer noch frei? Dein anderes?’
‚Was, wie? Warum fragst du jetzt danach, Moon?’
‚Ich... ich brauche einen Platz zum Schlafen. Denk nicht, ich würde dich ausnutzen wollen’ - sie sprach jetzt sehr schnell- ‚es ist nur so, dass mich niemand bei sich schlafen lassen will. Ich weiß nicht, warum. Keiner von meinen Bekannten will noch etwas von mir wissen. Es wäre nicht für lange. Ein paar Nächte vielleicht- ’
‚Ich hoffe, du bleibst für immer.’
Er hatte diesen Satz nicht laut sagen wollen, blickte erschrocken zu Boden. Angst vor ihrer Reaktion. Würde sie gehen? Hatte er sie erschreckt?
Irgendetwas prallte mit voller Wucht gegen ihn und warf ihn fast um. Moon hatte die Arme um seinen Hals geworfen und strahlte über das ganze Gesicht.
Was war es eigentlich gewesen, das zwischen ihnen beiden? Es war völlig verrückt gewesen, und keiner von ihnen hatte es sich erklären können. Eine Anziehungskraft wie zwischen Magneten, die blindlings aufeinander zu schlitterten. Zwei silbergraue Murmeln, die sich entgegenrasten und durch die Wucht des Aufpralls eine Spirale herunterrollten, immer schneller und schneller nach unten...
Er näherte sich dem blinkenden Gegenstand unten im Regal. Es war die kleine gläserne Petroleumlampe, die Moon überall dabeigehabt hatte und ohne die sie niemals aus dem Haus gegangen war. Es war kein Brennstoff mehr darin, doch der Docht war warm und verkohlt. Als hätte man ihn eben erst ausgeblasen... Wie konnte das sein?
Egal. Er wunderte sich über überhaupt nichts mehr.
Vielleicht würde ihm die Nähe dieser Lampe ein wenig helfen. Schließlich war sie ja fast ein Teil von ihr gewesen. Er setzte sich wieder an den Tisch, stellte die Lampe neben sich und widmete sich seiner Zeitung. Wenigstens die Schlagzeilen sollte er jetzt lesen können.
Tage vergingen, er hatte keine klare Erinnerungen an sie. Es drehte sich alles um Moon, mehr wusste er nicht.
Manchmal blieb sie tagelang weg und er schlief und aß nicht, bis sie wieder da war. Sie war sein Fixstern, sie hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Mit einem Blick zwischen Flammen hindurch.
Manchmal war sie schüchtern, wirkte so klein und zerbrechlich wie ein frischgeschlüpfter Schmetterling; wie damals, als sie auf Strümpfen in seinem Flur gestanden hatte. Klein und verloren.
Dann wieder lachte sie wie ein kleines Mädchen an Weihnachten.
In solchen Augenblicken kam er sich vor, als sei er ihr Vater und sie die Tochter, die er nie hatte. Als müsste er sie schützen, als sei sie abhängig von ihm. Aber diese Illusionen währten nie lange. Ein paar Sekunden vielleicht – dann merkte er wieder, wie sehr sie doch in Wahrheit diejenige war, die ihn nicht zu brauchen schien.
Aber die meiste Zeit schien sie reif und zeitlos, schwermütig und voller Geheimnisse. Unreal. Ihr scharfer, bitterer Duft, der ihr anhaftete wie eine Aura, verstärkte das noch.
Noch etwas war seltsam: Er konnte ihr nie in die Augen sehen. Sie waren von einer Schwärze, einer bodenlosen Tiefe, in der er sich verlor. Wenn er es versuchte, fühlte er zuerst nichts. Dann glaubte er zu sinken, tief hinab in ein lichtloses Meer, und gleichzeitig schien ihn ihr Blick zu durchbohren. Aufzuspießen wie ein zu untersuchendes Insekt. Er fühlte sich unbeschreiblich nackt unter ihrem Blick. Als könnte sie durch seine Seele blicken.
Hielt er dem stand, so sank er schneller und der Druck des schwarzen Wassers um ihn verstärkte sich. Die Blicke bohrten tiefer und tiefer.
Nur ein einziges Mal hatte er auch dem widerstanden und geglaubt, tief innen in ihren Augen Funken glühen zu sehen. Funken, die langsam größer wurden...
Irgendwann hatten sie begonnen, im selben Zimmer zu schlafen. Von da an lag eine Spannung zwischen ihnen, die vorher nicht da gewesen war. Eine Art Elektrizität. Wenn es Abend wurde, schien die Luft geladen zu sein. Jedes Wort, jede Geste hatte andere, unterschwellige Bedeutungen, wurde zum Symbol. Moon schien eine der Flammen zu sein, die sie bei ihren Vorstellungen beschwor.
Sie war es, die diese eigenartige Stimmung als Erste ansprach.
‚Ich weiß nicht genau, was los ist. Irgendetwas ist zwischen uns, das vorher nicht war. Es ist, als ob mein Haar vor Spannung knistert, wenn wir uns nur ansehen.’
‚Es kann sein.’ log er. ‚Ich habe noch nichts bemerkt.’
‚Das kann nicht sein, dass du nichts bemerkt hast. Man könnte mit dieser Spannung glatt einen Elektromagneten betreiben. Aber ich kann mir denken, warum sie im Raum steht.’
‚So? Warum denn?’ Er gab sich neugierig; zitterte innerlich bei dem Gedanken, sie würde verschwinden wollen, wenn sie herausbekam, was vorging. Wenn sie es nicht schon längst wusste.
Er gab sich neugierig; zitterte innerlich bei dem Gedanken, sie würde verschwinden wollen, wenn sie herausbekam, was vorging. Wenn sie es nicht schon längst wusste.
Er nahm die Zeitung zur Hand und erstarrte. Das Titelbild zeigte das verbrannte Innere eines kleinen Eiscafés. Doch das war es nicht, was ihn eiskalt und starr werden ließ.
„Junge Frau zündete sich an!“ lautete die Schlagzeile. Es war von einem Mädchen die Rede, etwa zwanzig Jahre alt, das, erst unauffällig an ihrem Kaffee nippend, ihre Tasse auf einmal abgesetzt und sich in die Mitte des Eiscafés „Ponte Rialto“ gestellt hatte. Dort hatte es eine Schachtel Streichhölzer aus der Tasche gezogen, und, ehe irgendjemand etwas unternehmen konnte, eines angezündet und an ihren Rock gehalten. Ihre Kleidung hatte sofort Feuer gefangen. Vermutlich hatte sie sich vorher mit einem Gemisch aus hoch feuergefährlichen Flüssigkeiten übergossen.
Als ihre Tasche zu brennen anfing, explodierte sie in einem Feuerball, der fast das gesamte, recht kleine Eiscafé ausfüllte. Das Mädchen war sofort tot. Terroristische Motive konnten weitgehend ausgeschlossen werden. Fotos auf Seite zwei.
Wie gehetzt blätterte er zu Seite zwei; die Zeitung raschelte in seinen Händen wie Herbstlaub. Das Gesicht des Mädchens war unversehrt. Ihre Augen standen weit offen.
Hatte es vorher auch nur einen winzigen Rest Zweifel gegeben, so war er jetzt beseitigt.
‚Ich weiß, was los ist. Ich weiß, was du von mir willst. Vielleicht willst du es dir nicht eingestehen, aber ich weiß es. Und du weißt es auch.’
‚Moon, hör zu, ich- ’
‚Schon gut.’ Ihr Tonfall änderte sich auf einmal. Hatte sie vorhin noch unbeteiligt geklungen, so wurde ihre Stimme jetzt weich, sanft, beinahe verzweifelt.
‚Ich weiß, was du willst. Ich kann es dir geben, wenn du das möchtest. Aber, bitte, versteh das. Es ist nicht gut, wenn du es bekommst.’
‚Warum?’
‚Hast du es noch nicht gemerkt? Ich zerstöre Menschen. Je wichtiger sie mir sind, desto schneller geht es. Je näher wir uns kommen, je näher wir uns sind... Es ist so schwer. Ich möchte dir nahe sein, auf jede nur mögliche Weise. Aber du bist mir zu wichtig. Ich will dich nicht zerstören, versteh doch. Du bist zu wichtig für mich. Die Schuld an deinem Leiden zu haben... das würde mich umbringen.’
‚Das ist doch Unsinn. Du wirst mich nicht zerstören.’
‚Doch, ich weiß es. Vielleicht nicht jetzt, nicht gleich... Aber langsam, schleichend. Du wirst an mir zugrunde gehen. Ich habe das schon so oft erlebt.’
‚Moon, ich bin stärker, als du denkst.’
‚Glaub mir. Ich bin tödlich...’
‚Nein. Moon, red keinen Unsinn. Das stimmt nicht, du glaubst es nur. Grundlos.’
‚Also... willst du trotzdem, dass ich es dir gebe?’
‚Wenn du meinst, dass du es kannst, dann ... dann ... Ja.’
‚Gut...’
Moon war tot. Sie würde nie wieder zurückkommen, nie wieder. Jeder Funke Hoffnung war durch dieses Feuer ausgelöscht worden.
Er fühlte nichts. Nur Kälte und Taubheit.
Er würde weitertrinken; nun gab es keinen Grund mehr, sich zurückzuhalten. Weitertrinken, und dann vielleicht vergessen. Die Zeitung wegwerfen, und Moons ganzen Krempel gleich mit. Amnesie musste schön sein – durch weiche graue Nebel dahinfließen und endlich, endlich nichts mehr spüren. Nichts mehr denken. Nie mehr...
Er bemerkte, dass die Petroleumlampe noch immer neben ihm stand. Vielleicht könnte er sie noch anzünden. Als kleine Gedenkfeier für Moon, bevor er vergessen würde. Petroleum hatte er zwar nicht, aber irgendetwas, das flüssig war und brannte, bestimmt.
Hinterher lagen sie nebeneinander, Moon mit traurigen Augen, er erschöpft.
‚Wie heißt du eigentlich wirklich?’
‚Moon ist mein Name. Mein Name auf der Straße.’
‚Aber wie haben dich deine Eltern genannt?’
‚Meine Eltern ... Eleonore.’
Flüssiggas oder so etwas konnte man nicht hineinfüllen, Alkohol brannte nicht gut genug – jedenfalls solcher zum Trinken, und anderen hatte er nicht. Was gab es noch? Denk nach...
Sie lebten weiter zusammen. Moon-Eleonore war immer seltener weg, er hielt es für immer selbstverständlicher, dass sie da war. Sie wurde immer blasser und stiller, nahm ab. Es gab Tage, da lag sie nur stumm im Bett und bewegte sich nicht, mit geschlossenen Augen und verbissenem Gesichtsausdruck – als würde sie gegen sich selbst kämpfen; einen Kampf auf Leben und Tod. Ihre Augen wurden größer, der durchbohrende Blick immer schärfer, härter, erbarmungsloser. Und dann gab es manchmal Zeiten, da waren ihre Augen schwarze Teiche. Schwarze, bodenlose Teiche, in deren Mitte ein Funke glühte, wenn man lange genug hineinsah, ein Funke, der wuchs und irgendwann zu einem Feuer werden würde...
Waschbenzin müsste funktionieren. Ja, Benzin brannte schließlich gut. Und im Bad müsste noch eine Dose stehen. Aber erst noch ein bisschen trinken... Er packte die Schnapsflasche, als sei sie ein Rettungsseil, und nahm einen tiefen Schluck.
Und dann, eines Tages, wurde er wach und spürte, dass etwas anders war als sonst. Irgendetwas fehlte. Er drehte sich um, wollte Moon schlaftrunken auf die Schulter tippen und sie fragen, ob sie das auch merkte – und griff ins Leere.
Mit einem Schlag war er hellwach. Er schoss hoch.
Ihre Seite des Bettes war kalt, die Decke zurückgeschlagen. Auf dem Kissen konnte man noch den Abdruck ihres Kopfes erkennen. In seiner Mitte war ein Zettel festgemacht.
Grüne Tinte. Ihre Schrift.
‚Eleonore möchte bleiben. Moon zwingt mich, zu gehen. Es tut mir leid...’
Zwei Flecken waren darauf; das Papier wellte sich an den Stellen. Tränenflecken.
Seitdem hatte er vor sich hinvegetiert – leben konnte man das nicht mehr nennen.
Er tappte unsicher ins Bad, kramte in dem Schränkchen unter dem Waschbecken. Ganz hinten fand er eine blaue Dose Waschbenzin und versuchte, sie zu öffnen. Um sicher zu gehen.
Beim Aufschrauben schüttete er sich eine ziemliche Menge über sein Hemd. Naja, machte nichts...
Es war wirklich Waschbenzin. Mit der offenen Dose kleckernd stapfte er zurück ins Wohnzimmer, an den Tisch. Ungeschickt schraubte er die Petroleumlampe auf und füllte das Reservoir, wobei er großzügig danebengoss. Egal... Er schloss sie wieder, suchte in seiner Tasche nach einem Feuerzeug, wurde fündig und zündete den Docht an.
Die Flamme wurde erstaunlich groß. Er zog sie näher zu sich, verschränkte die Arme um sie herum. Es war schön, mit ihr zu sitzen. Wirklich ein Stückchen Moon...
Er griff nach der Flasche, die ein Stück weiter weg stand, zog sie zu sich und stieß dabei die Lampe um. Das benzingetränkte Tischtuch begann zu brennen.
Er erschrak, versuchte, die Lampe wieder aufzustellen, aber schaffte es nicht. Seine Ärmel begannen zu rauchen, dann zu kokeln und schließlich ebenfalls zu brennen. Panisch versuchte er, nach hinten zurückzuweichen, stieß dabei seinen Stuhl um und landete auf dem Fußboden; lag rücklings da und konnte sich nicht mehr bewegen.
Seine Arme schmerzten höllisch; es war, als würden sie in weißglühende Kohlen gestoßen.
An der Decke wurde ein Augenpaar sichtbar, das ihn direkt anstarrte. Erst verschwommen, dann immer stärker und realer.
Schwarze Augen. Tief wie ein lichtloses Meer. Speere aus dunklem Metall, die ihn durchbohrten, sein Innerstes bloßlegten. Er versuchte, den Kopf zu drehen, die Augen abzuwenden, doch es ging nicht. Er konnte den Augen nicht entkommen.
Willenlos starrte er nach oben, wurde verschlungen und ausgeweidet von diesen Blicken. Und jetzt war in den Augen, tief innen, ein Funke zu erkennen. Ein Funke, der langsam wuchs und zu einer Flamme wurde.
Nie zuvor hatte er so tief in ihre Augen geblickt.
Als die Vorhänge Feuer fingen, starrte er nur noch in diese flammenden Augen. Schwarz und unendlich tief. Von erbarmungsloser Härte.
Die Flamme im Zentrum wurde langsam größer.
Eleonores Augen...