Katzentraeume
"Aber natürlich kann man das noch als artgerechte Haltung bezeichnen", sagte Tony und obwohl er wusste, dass man Hühner ohne Beine in einem winzigen Pferch zu halten nicht mehr als artgerechte Haltung bezeichnen konnte, sprach er diesen Satz mit einer Inbrunst und inneren Überzeugung aus, dass der alte, schmierige Hersteller für diese Tiefkühl-Hühnchenburger gar nicht anders konnte als zu sagen:
"Gut, dann sind wir uns also einig. Sie liefern mir jeden Monat diese Hühnchen, ich verarbeite sie zu Burgern und wir beide machen viel Geld mit verkrüppelten Tieren."
Er grinste, wie nur ein alter, schmieriger Hühnchenburgerfabrikant grinsen kann, wenn er an tote Hühnchen denkt und verschwand , nachdem er seine dicke, schwielige Hand von Tony´s gelöst hatte, in seinem Auto, einem uralten Diesel-Mercedes, der laut zu schreien schien als er sich hineinsetzte.
Zumindest kippte er nun merklich nach links, denn der Hühnchenburgerfabrikant war nicht gerade ein Leichtgewicht, man könnte sogar sagen er war richtig fett und der Mercedes würde bei dieser Formulierung wahrscheinlich glucksend zustimmen, aber eigentlich war er nur ein bisschen übergewichtig.
So wie auch die Hühnchen eigentlich artgerecht gehalten wurden.
Tony schlackste zurück in sein Haus, welches nach Hühnerkot und verwesenden Katzen stank.
Verwesende Katzen?
Seitdem Tony diese glorreiche Idee mit der Hühnerfarm gehabt hatte, war sein Gelände zum Eldorado für alle Katzen aus dem Ort und mittlerweile Auch aller Nachbarortschaften geworden.
"Da gibt es einen Ort", kursierte das Gerücht bei ihnen, "an dem gibt es ganz viele Hühnchen, die nur darauf warten, gefressen zu werden."
"Toll", hieß es dann immer von irgendeiner neunmalklugen, alten Katze, "hast du dich schon mal mit einem Durchschnittshuhn angelegt? Das ist, wie eine Maus mit Raketenwerfer fangen zu wollen."
"Ich weiß", kam dann immer von der Katze, die gerade mit einem äußerst faszinierend klingenden Gerücht alle anderen Katzen um sich versammelt hatte, "Aber das beste weißt du noch nicht", an dieser Stelle gehörte es sich, eine künstlerische Pause zu machen, gerade so lange, bis der erste sagen will "Nu erzähl schon", aber eben genau lange genug.
...
"Diese Hühner dort", wieder kleine Pause, "haben", Pause, "keine", Pause und dann wie aus der Pistole geschossen, "Beine mehr".
Ob die Gerüchtekatze die Pausen richtig gesetzt hatte, oder nicht, erfuhr sie spätestens jetzt, denn entweder der ganze Katzenhaufen brach in schallendes Gelächter aus, oder raunende Bewunderung und ein stotterndes "Wo- wo ist das?" kam aus dem Pulk.
Nur sehr selten trat letzteres ein, denn Katzen sind bekanntermaßen sehr schlechte Geschichtenerzähler, aber wenn doch, dann machte sich ein ganzes Rudel Katzen auf den Weg nach Tonys kleiner Hühnchenfarm, wo dieser einen Großteil seiner Zeit damit verbrachte, neugierige Katzen mit seiner Pump-Action ins Katzennirwana zu befördern.
Es wäre eine Lüge gewesen zu behaupten, dass ihm das keinen Spaß bereitete, aber die Sauerei war schon beträchtlich, gerade wenn man berücksichtigt, dass so eine Katze nach dem Kontakt mit einer Kugeln spuckenden Pump-Action, nicht mehr sehr appetitlich aussah.
Schon oft hatte Tony überlegt, wie er dieses Problem auch anders beseitigen könnte, denn fest stand: Diese Mistbiester dürften sich dem Hühnchenpferch nicht nähern, denn dann hätte es eine noch viel größere Sauerei und beträchtliche Geschäftseinbussen bedeutet.
Ein Zaun um das gesamte Grundstück zu ziehen wäre eine Möglichkeit gewesen, die ihn jedoch nicht sonderlich begeistern konnte. Nicht nur, das damit sehr viel Arbeit verbunden war, nein, es bedeutete auch, dass er fortan keine Katzen mehr erschießen könnte und das machte, wie bereits erwähnt, tierisch Spaß, vor allem, weil es auch noch legal war, schließlich befanden sich diese Mistbiester auf seinem Grund und Boden und seiner irgendwie angeborenen Abneigung gegenüber Katzen konnte er so ebenfalls ganz gut Luft verschaffen.
Rummms! Wie eine platzende Melone explodierten ihre kleinen Körper und ergossen eine Flut von felligen Fleischstückchen und Därmen auf seinem Grundstück.
Einmal war der Kopf so eines Mistbiests sogar in seiner Regenrinne gelandet und er hatte verflucht lange gebraucht, um ihn da wieder rauszupulen...
Deswegen und halt wegen dieses schrecklichen Verwesungsgeruchs nahm er sich doch vor, einen Zaun zu ziehen oder zumindest eine kleinkalibrigere Waffe zu kaufen...