Keine Chance
Franz dachte an all den Unfug, den er schon des öfteren in diversen Comics gelesen oder in Cartoons - die dummerweise immer zur Mittagszeit im Fernsehen liefen - gesehen hatte.
Sollte er sich übergeben?
War das vielleicht die Art von Humor, an der man sich zu orientieren hatte?
Fäkalsprache hilft, Fäkalhumor rettet?
Er schüttelte verärgert den Kopf. Als er damals die Clowschule besucht hatte, wurden ihm Werte antrainiert, die nicht einmal im Entferntesten an das erinnerten was man heute als Humor bezeichnete.
Langsam stand er auf und strebte zielsicher die hinterste Ecke seines Wohnzimmers an, in der eine kleine hölzerne Kiste stand. Gut, Kiste war übertrieben, es handelte sich vielmehr um ein Kistchen, etwa schuhkartongroß und bis zum Rand gefüllt mit Kritiken über Franz liebste Beschäftigung: Die des Comedians.
"Ein Meister des Humors", hatte die FAZ 1989 geschrieben, oder "Wer sich auf Franz einlässt wird stundenlang damit beschäftigt sein sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln zu wischen!", schrieb die BAMS im Frühjahr 1997.
Doch das war lange her.
Mit dem Humor eines Olliver Pocker oder eines Stephan Rapp konnte Franz einfach nicht mithalten... zumindest dachte er das bis eine leise Stimme in sein Ohr drang: "Ich helfe dir!"
Verwirrt sah sich Franz in seinem Wohnzimmer um, nur um zu der Erkenntnis zu kommen, dass er ganz alleine war.
Erneut schüttelte er den Kopf - wenn auch diesmal aus einem anderen Grund - und schloss sein kleines Schatzkästchen wieder, obwohl er sich nicht einmal mehr daran erinnerte es überhaupt geöffnet zu haben.
"Ehrlich, ich kann dir helfen...", hörte er erneut jene Stimme einer Person, die sich definitiv nicht in seinem Wohnzimmer befand.
"Hallo, ist da wer?", rief er durch die Wohnung.
"Ja, ich...schön, dass du mich auch mal wahrnimmst!"
"Wer...wo bist du?"
Stille.
"Hallo?", versuchte Franz seinen unsichtbaren Gesprächspartner zum weiterreden zu animieren.
"Ja?", ertönte die Stimme.
"Ähm...ich hatte dich etwas gefragt."
"Oh! Ich wusste nicht, dass du mit mir redest.", antwortete die Stimme ehrlich übberrascht.
"Ja, außer dir ist ja wohl niemand da!"
Stille.
"Hallo?", versuchte es Franz erneut.
"Stimmt..."
"Was stimmt?"
"Hast Recht, außer mir ist niemand da... Hab nur mal gelauscht und ja, wir zwei sind wohl alleine zu Hause.Nett hast du`s hier...", antwortete die Stimme.
Franz sah sich noch einmal genau in seinem Wohnzimmer um, betrat den Flur, das Badezimmer, stieg die Treppe in das obere Geschoss, betrat den Flur, das Badezimmer, das Schlafzimmer, stieg die Treppe nach unten hinab, betrat den Flur, das Badezimmer, die Küche und endete wieder im Wohnzimmer.
Er war alleine in der Wohnung, alleine mit einer Stimme.
Wurde er wahnsinnig?
"Ach Quatsch!", sagte die Stimme ernsthaft.
"Was?"
"Du wirst doch nicht wahnsinnig..."
"Woher willst du das wissen?"
"Na ja, ich weiß alles über dich.", sagte die Stimme und Stolz erfüllte seltsamerweise Franz Brust.
"Das führt mich zu der Frage zurück wer du eigentlich bist und wo zur Hölle du bist?"
Stille.
"Wo?Wer? Komm, so schwer ist es nicht."
Die Stimme antwortete: "Nein, aber ich weiß nicht ob du mir glaubst, wenn ich`s dir erzähle..."
"Das kommt wohl auf einen Versuch an."
"Richtig! Also...ähm...wie soll ich sagen...Ich bin ein Teil von dir!"
Stille.
"Ein Teil von mir...aha...und welcher?"
"Keine Ahnung...", gab die Stimme zu.
"Äh...Du willst also ein Teil von mir sein, aber weiß nicht welcher? Versteh mich nicht falsch, aber ... wie geht das?"
"Na ja...Ich glaub das liegt daran, dass dein - also unser - Körper mich nicht wirklich oft benutzt und ich einfach vergessen hab was ich bin. um ehrlich zu sein hab ich manchmal das Gefühl, dass ich keine Freunde hab. Noch nicht mal die Milz spricht mit mir, weißt du wie deprimierend das ist?"
"Ich kann`s mir nicht wirklich vorstellen...Sag mal, du bist also ein Teil von mir, der nicht benutzt wird? Bist du vielleicht mein Blinddarm?", hakte Franz nach.
"Das könnte sein,",antwortete die Stimme nach einer kurzen Pause, "aber sehen kann ich eigentlich ganz gut, auch wenn der Ausblick von meiner Position aus nicht besonders toll ist."
"Na ja, der Blinddarm heißt auch nicht Blinddarm weil er blind ist, sondern...Du kannst sehen? Meine Organe haben Augen?!"
"Natürlich, außer den Augen, aber das ist verständlich, das sähe ja auch zu bescheuert aus, oder?"
"Du hast Augen?"
"Ja, sag mal hörst du mir nicht richtig zu, oder bist du einfach nur blöd, Franz?"
"Frag doch mein Gehirn!", erwiderte Franz genervt.
Sich mit dem eigenen Blinddarm unterhalten zu können mag sich für Außenstehende zwar interessant anhören, macht aber nicht wirklich Spaß.
"Autsch! Du weißt doch, dass deine anderen Organe nicht mit mir reden...Du bist echt gemein!"
"Hey, tut mir leid, war nicht böse gemeint."
"Schon okay, ich weiß wie du`s gemeint hast...Wart mal kurz! Bin gleich zurück, also lauf nicht weg!"
Wie sollte er auch?
Stille.
Lange Zeit tat sich nichts, doch die Stimme meldete sich irgendwann zurück: "Tut mir leid, ich musste das Essen vom Herd holen..."
"Das Essen?Vom Herd?", Franz war beinahe sprachlos - auf jeden Fall aber verwirrt.
"Ja...wie kochst du denn?Über offener Flamme?"
Franz resignierte. Anscheinend gab es gewisse Vorgänge in seinem Körper, die
er einfach nicht verstand.
"Was gibt`s denn leckeres?"
"Putenbrustfilet, Kartoffeln und eine dunkle Sauce, wieso?"
"Ich hätte nicht fragen sollen..."
Vielleicht wurde er doch wahnsinnig. Natürlich, das musste es sein!
"Hör doch mal auf damit! nur weil dein ... Blinddarm mit dir redet, heißt das noch lange nicht, dass du wahnsinnig bist!"
"Doch, das heißt es!", mischte sich eine zweite Stimme ein.
"Och nein!", seufzte der Blinddarm.
"Okay, wer bist du jetzt: Mein Herz?", fragte Franz. Die ganze Situation nahm Ausmaße an, die über den normalen Menschenverstand hinausgingen.
"Sehr lustig, wo doch jedes Kind weiß, dass das Herz nicht sprechen kann..."
"Wie dumm von mir...", gab Franz sarkastisch zurück.
"Ja...ich bin dein Kehlkopf!", sagte der Kehlkopf - wer denn auch sonst?
"Ähm...Kehlkopf...hast du irgendeinen Wunsch, oder warum unterbrichst du mein Gespräch mit Franz?", fragte der Blinddarm übel gelaunt.
"Oh, stör ich etwa? Franz, willst du, dass ich geh?"
"Um ehrlich zu sein..."
"Siehst du, Kehlkopf, Franz mag mich lieber als dich!"
"...möchte ich...", redete Franz weiter.
"Niemand mag dich, Blinddarm!"
"...dass ihr beide geht!"
Stille.
Gefolgt von Stille.
"Seid ihr noch da?", fragte Franz, nur um sicher zu gehen, dass auch wirklich wieder alles in Ordnung war.
"Also ... ich bin noch da.", antwortete der Blinddarm, "Aber der Kehlkopf ist wohl eingeschnappt. Er ist sofort nach Hause gerannt und ich glaube...also...er hat geweint."
"Sag mal, du wolltest mir doch helfen, oder?", fragte Franz.
"Helfen?"
"Na ja, das waren deine ersten Worte an mich."
"Hm...Tut mir Leid. Hilf mir auf die Sprünge!"
"Ich war verzweifelt, weil ich kein guter Comedian mehr bin und da kamst du und sagtest, dass du mir helfen kannst..."
"Oh, ich dachte, dass hättest du vergessen...Verdammt!"
"Wieso?", fragte Franz.
"Na ja, weil das nichts weiter als ein fadenscheiniger Grund war um eine Konversation mit dir zu beginnen."
"Du kannst mir nicht helfen?"
"Nie gekonnt."
"Weißt du was? Ist nicht schlimm, ich geh morgen ins Krankenhaus und lass dich einfach rausschneiden!"
Stille.