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Kerry McClintock – Kopfgeldjäger!
Steve „Die Wanze“ Maddox ging nervös in der Zumatra-Bank auf und ab wobei er auf wulstigen, vernarbten Lippen herumknabberte. Eine Unart, die problematisch geworden war, nachdem er sich aus Imagegründen spitze Metallzähne hatte implantieren lassen. Regelmäßig wenn er aufgeregt war oder lange auf Klo saß, biss er sich eine der beiden Lippen ab. Meist die untere. Nachdenklich ließ er seine unterarmgroße 8-Shooter in der Hand wirbeln.
„Wie viele sind es?“ fragte er Cal, der am Fenster stand und nach draußen in die Einkaufsstraße der Jupiter-Raumstation Zumatra-Epsilon lugte. Dort waren sämtliche Lebewesen mit weniger als sechs Beinen und/oder acht Armen evakuiert worden, lediglich ein paar Kakerlaken und Hindu-Schleimer rannten noch herum. Letztere waren achtarmige Schneckenmenschen von Tau Ceti, die erwiesenermaßen wiedergeboren wurden, und bei denen sich deshalb niemand einen Kopf darum machte, ob sie im anstehenden Feuergefecht zersiebt wurden, die Hindu-Schleimer selbst am allerwenigsten. Sie schneckten weiterhin fröhlich herum, beäugten die Objekte in den Auslagen, nahmen gelegentlich eines mit (wofür sie natürlich Geld auf den Tresen legten - das Karma) und zogen ansonsten lustige Muster aus Schneckenschleim über das rissige Linoleum, von denen manche Wahrsager meinten, sie könnten darin die Zukunft lesen.
Cal fand, ihre Zukunft sah düster aus. Er entdeckte dreihundert Polizisten, die sich hinter Verkaufsständen duckten, in Hauseingängen hockten, oder sich lustige Lampenschirme mit Fransen auf den Kopf gesetzt hatten, um im Zero-G Lampenladen direkt nebenan nicht aufzufallen.
Noch immer auf eine Antwort wartend, räusperte sich Maddox laut. „Ne Menge“, gab Cal zurück. „Auf jeden Fall mehr, als wir Munition haben.“
Maddox kaute weiter und biss sich dabei die Unterlippe ab. Er fluchte, sammelte das gute Stück, das wie ein Wurm auf dem Boden lag, auf und packte es in die Tasche zu seinem Nähzeug.
„Hat jemand eine Idee, wie wir hier herauskommen, ohne uns den Weg freiballern zu müssen?“ fragte er in die Runde. Der Banküberfall hatte prima hingehauen, bis jemand den Alarm ausgelöst hatte. Danach war es unnötig kompliziert geworden. Und es wurde nicht besser.
„Wir könnten die Geiseln als Schild nutzen“, gab Jacky, Maddox’ Freundin, mit sarkastischem Ton zurück. Sie hockte in ihrem beinfreien Lederkostüm auf dem Kassierertresen und feilte mit einem Samuraischwert ihre Metallenen Fingernägel, wobei immer wieder einmal ein paar Funken aufstoben.
Maddox sah hinüber zu dem Berg von 38 ehemaligen Bankkunden, die zusammen einen ziemlich blutigen Klumpen bildeten. Obendrauf lag ‚Histerical’, Einer von Maddox’ Männern, leise wimmernd, nachdem Maddox ihm mit seiner 8-Shooter die Eier weggepustet hatte, und mit einem spitzen Papierhut auf dem Kopf, auf dem ‚Esel’ stand. Nachdem der Alarm ausgelöst worden war, hatte Histerical angefangen, seine gesamte Munition in die Mitarbeiter und Kunden der Bank zu pusten. Eine Reaktion im Affekt, wie er gemeint hatte. Maddox hatte angeführt, dass Histerical viermal nachgeladen hatte. Worauf Histerical erklärt hatte, er habe im Affekt nachgeladen. Worauf Maddox ihn bestraft hatte, und die Hoffnung hegte, Histericals Affekt befände sich irgendwo in seinen Eiern. Immerhin war es nur Histericals Durchdrehen zu verdanken, dass sie jetzt nicht mehr genug Munition hatten, um sich den Weg frei zu schießen.
Maddox warf Jacky einen Blick zu, mit dem er normalerweise Hähnchen briet, und drehte sich dann um.
„Ich trag bestimmt keine Leiche vor mir her, nur um nicht getroffen zu werden“, sagte er. „Das schränkt mich in meiner Bewegungsfreiheit ein.“
Ihr einziger Pluspunkt war, dass keiner der Polizisten sich zu ihnen in die Bank traute. Wenigstens, dachte Maddox, haben wir eine Pattsituation. Es geht nur darum, wer länger anhalten kann.
„Wieviel haben wir zu essen?“ fragte er erneut in die Runde.
Jacky seufzte und holte ihr stählernes Handtäschchen hervor. „Eine halbe Packung Pfefferminzdragees und 38 mal ein knapper Zentner Frischfleisch.“
„Genug für eine Woche“, sagte Maddox mit stolzgeschwellter Brust.
„Achtung!“ ertönte von draußen ein Megaphon mit der Stimme von Stationssheriff Strickland. „Dies ist eure letzte Chance, aufzugeben. Soeben ist das Shuttle von Kerry McClintock gelandet. Er wird den Fall von hieran übernehmen.“
Maddox’ stolzgeschwellte Brust fiel wieder zusammen in den üblichen Muskelberg von der Größe eines Ölfasses, Jacky hielt in ihrer Nägelfeilerei inne, und sogar Histerical erlaubte sich eine kurze Pause des Wimmerns.
Cal sog tief die Luft ein, und drehte sich um. „Sie ziehen sich zurück“, sagte er leise. „Sogar die Schnecken.“
Maddox schluckte. „Leute! Wer noch mal auf die Toilette muss, sollte sich beeilen.“ Bevor jemand etwas sagen konnte, machte er sich selbst auf den Weg.
Kerry McClintock stieß die Tür seines Shuttles mit einem lustlosen Tritt direkt aus den Angeln. Sie prallte vom Boden des Landehangars ab, überschlug sich, und begrub zwei oben-ohne-hula-Mädchen unter sich, die mit Blumenkränzen neben der Rampe gestanden und „Aloha eh“ gesummt hatten.
Er sprang auf das Deck herab, zog seine langläufige Barrel-Gun aus dem Halfter und schoss einem der Spalier stehenden Jungpolizisten ins Gesicht, der die Dreistigkeit besaß, ihn an seinen Diplomatielehrer aus der Grundschule zu erinnern.
Kerry McClintock galt als gemeinster Kopfgeldjäger, Söldner und Rechtsüberholer des Sonnensystems. Er war berühmt, seit er einmal eine von Außerirdischen Terror-Mutanten befallene Forschungsstation befreit hatte, mit nichts anderem ausgerüstet als einem Hackebeil und verdammt dichtem Brusthaar.
Sheriff Strickland schluckte und begrüßte McClintock. Der ließ seine Waffe an einem Finger wirbeln und wieder im Holster verschwinden. Seine dicke, fleischige Hand verschwand unter seiner schwarzen Lederjacke, auf deren Rücken mit Hirnwasser geschrieben stand: ‚Super Death Overkill’, zog eine astdicke Zigarre hervor, die er mit lässig graziler Geste anzündete, bevor er die Polizisten breit angrinste.
„Probleme, hmm?“ fragte er tiefschürfend.
Sheriff Strickland nickte eifrig. „Die Wanze hat die Bank unter ihrer Kontrolle, und weigert sich, aufzugeben.“
„Wanze, hmm?“ erläuterte McClintock. Er legte die Stirn in klobige Falten und erinnerte sich daran, der Wanze vor einigen Jahren auf dem Pluto schon mal die Hölle heiß gemacht zu haben.
„Okay“, sagte er, schob den Sheriff zur Seite und stiefelte langsam das Flugdeck entlang, blieb stehen, blickte nach links und rechts, kratzte sich herzhaft am Hintern, und verschwand dann Zigarre paffend durch die Tür aufs Einkaufsdeck.
Cal sah den breitschultrigen Mann mit der dunklen Lederjacke und der Zigarre herannahen, die Finger lässig um seine Barrel-Gun spielend und stieß einen kurzen Pfiff aus.
Maddox beendete sein Stoßgebet und begann zu wimmern. Gemeinsam mit Histericals Wimmern auf dem Leichenberg erinnerte es Jacky an die Melodie des Klassikers ‚I will Survive’, was sie der Situation gänzlich unangemessen fand. Trotzdem beschloss sie, das Heft endlich in die Hand zu nehmen.
McClintock stiefelte auf die Bank zu, es gab einen kurzen Fiepton, als er ein Megaphon vor die Lippen setzte, und dann ertönte seine brummige Stimme.
„Ihr habt Zeit, bis ich bis drei gezählt habe, euch die Arme abzuhacken und sie samt eurer Waffen hier rauszuwerfen, sonst komm ich rein und erledige das für euch.“
Ohne den Schritt zu verlangsamen, warf er das Megaphon zur Seite. Mit einem scheppernden Geräusch knallte es auf den Auslagentisch eines Fischhändlers und stürzte mit einem letzten Fiepen zu Boden. McClintock, zog seine Barrel-Gun, und zerschoss die Tür zur Bank.
„Eins!“ brüllte er.
Er steckte die Waffe zurück, grabschte sich im Vorbeigehen einen der Fische, zog sein berühmt berüchtigtes Hackebeil aus einer Scheide am Gürtel und entgrätete das Stück mit einem Schnitt.
„Zwei!“ brüllte er, und begann, fröhlich zu pfeifen, während er der Bank immer näher kam.
Cal zitterte am ganzen Leib und legte seine doppelläufige Signus-Magnus an, um McClintock den Kopf von den Schultern zu blasen. Just in dem Moment als er abdrücken wollte, flog von irgendwoher ein Stück Fisch heran und landete in der faustgroßen Öffnung seiner Waffe. Doch sein Finger weigerte sich, den Befehl zum Abdrücken jetzt noch abzubrechen. Ein kurzer Geruch von nicht mehr ganz so frischem Hering stieg ihm in die Nase, dann jagten 80.000 MegaJoule reine Energie durch seinen Lauf, wurden gestoppt von 100 Gramm entgrätetem Salzwasserfisch, und explodierten in einer lauten, heißen, grünlichblauen Wolke, die Cal vollständig verschlang und in siedendes Plasma verwandelte.
McClintock leckte sich den Finger, während er auf den Gräten und Därmen des Fisches herumkaute. Mit vollem Mund rief er „Drei!“ und trat durch die Reste der Tür in die Bank.
Ein Histerisch wimmernder Lulatsch mit blutigem Schritt und einer Papiermütze, auf der ‚Esel’ stand, sprang ihn an. McClintock spürte, wie sein Angreifer ihm stahlharte Finger in den Stiernacken zu graben versuchte. Er hustete vor Schreck und verschluckte sein Festmahl, während er der davonsegelnden Papiermütze nachsah. Als der tödliche Nackengriff keinerlei Hoffnung auf Erfolg brachte, gab Histerical dem Kopfgeldjäger eine Kopfnuss. Und noch eine. Und eine weitere. Die vierte Kopfnuss wurde von einem hässlichen Knacken begleitet, die fünfte von einem reißenden Geräusch und die sechste schließlich von einem Knirschen und damit, dass Histerical kraftlos von McClintocks Schultern rutschte. Er blieb liegen, mit deutlich deformiertem Schädel, der ein oder zwei offene Brüche aufwies. Histerical wimmerte noch eine kurze Weile, dann gab er es auf und entschied, dass es praktischer war, zu sterben. Lange Kämpfe waren nie seine Baustelle gewesen.
McClintock wischte sich den Dickschädel ab, sah sich um und fand Maddox in der Ecke, ziemlich genau so, wie er sich vom Pluto an ihn erinnerte: Mit eingenässten Hosen, abgekauter Unterlippe und dem nach Gnade heischenden Blick eines geprügelten Hundebabys.
Er seufzte und zog seine Waffe. Ein kurzes, metallenes Zischen war zu hören, und als nächstes sah McClintock seine Waffe zu Boden stürzen. Interessant fand er den Anblick, da seine Hand den Griff noch immer umschlungen hielt, und der Großteil seines Armes sich noch immer krampfhaft an seine Hand klammerte. Nur der McClintock, der normalerweise am Arm hing, den konnte er nicht finden.
Er wirbelte herum, stets darauf bedacht, sich seine teure Lederjacke so wenig wie möglich mit dem eigenen Blut zu besudeln. Dort stand eine Frau im hautengen Lederkostüm, schwang ein grünlich glimmendes Samuraischwert und ließ auch noch seinen zweiten Arm mit einem satten Geräusch auf den Boden fallen.
Genervt rollte McClintock mit den Augen und wollte die Frau anspringen, ihr seine Stiefel in die Nasennebenhöhlen zu stopfen, als sich eine Hand auf seinen Armstumpf legte.
„Hack, Mack, ab ist der Sack. Wer hackt hier wem die Arme ab?“, sagte Maddox und grinste ihn dabei diabolisch an.
McClintock stieß den Kopf vor und Maddox sämtliche metallenen Zähne aus, was dessen diabolisches Lächeln etwas verblassen ließ. Dann stopfte er Maddox seinen Armstumpf ins Gesicht, dass dieser angeekelt davontaumelte, und sprang die Frau an. Sie wirbelte ihr Schwert, und ließ McClintocks rechtes Bein durch die Luft segeln, konnte aber auch nicht verhindern, dass er sie mit seinem Gewicht zu Boden drückte und mit dem linken Knie ihren Schwertarm auf den Boden gepresst hielt.
Etwas ratlos suchte McClintock nach einer freien Extremität, der Frau die Kehle aufzureißen. Schließlich robbte er solange nach vorn, bis er der Tussi auf dem Gesicht hockte. Geduldig, mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen, wartete er, dass sie erstickte.
Das ging erstaunlich schnell, und wieder einmal war McClintock froh, dass seine Reisen durchs Weltall ein regelmäßiges Wäschewaschen unmöglich machten.
Erleichtert sprang er auf sein letztes Bein, taumelte leicht, stand dann aber doch stolz wie ein Denkmal in den Trümmern der Bank.
Das würde die Leute einige Credits extra kosten, da war er sich sicher.
Er hüpfte in Richtung Shuttledeck zurück, als ein sirrendes Geräusch ihn darauf aufmerksam machte, dass gerade mit einer Plasmakanone auf ihn geschossen wurde.
Sein letztes Bein verwandelte sich in staubtrockenen Staub, er wirbelte herum, bevor er mit den Nüssen hart auf den Boden schlug und sah dort Maddox stehen.
Er hielt seinen 8-Shooter in der Hand und kam langsam näher, das Gesicht eine blutige Fratze, die es dennoch schaffte, irgendwie niedlich zu wirken. So ganz ohne Zähne.
„Iff würde dir sämtliffe Glieder einffeln wegblafen, wenn du noff welffe hättefft“, zischte Maddox. Um seinen Punkt zu unterstreichen, pulverisierte er mit einem gezielten Schuss McClintocks nutzlos unter einem Birnenstand herumliegendes rechtes Bein.
„Du gehfft mir fon fo endlof lange auf den Feiger, daff iff gar nifft weiff, wie iff diff langfam fu Tode quälen foll, ohne daff ef fu fnell geht.“
„Dein unartikuliertes Geseiere ist schon mal ein guter Anfang“, gab McClintock zurück, wobei ihm seine Zigarre aus dem Mund fiel. Traurig blickt er zu ihr hinunter, und versuchte, sie nur mit den Pobacken zu greifen und sich wieder in den Mund zu werfen, was aber hoffnungslos war, irgendwie lächerlich wirkte und somit an seinem Stolz rührte. Also ließ er es bleiben.
Dann legte ihm Maddox den Lauf seiner Waffe an den Kopf. Es gab ein leises Zischen und den Geruch nach verbranntem Fleisch, als der 1200 Grad heiße Plasmawerfer ein Stück Haut von der Größe einer Getränkedose aus McClintocks Stirn brannte.
„Fag mir, groffer McClintock“, fauchte Maddox und spie dabei üblen Atem, „wie willft du auf diefer Fituation wieder herauskommen?“
„Ich pfeif auf dich“, sagte McClintock, und gab einen kurzen, lauten Pfiff von sich.
Maddox sah sich um, kurz wieder voller Furcht, ob McClintock vielleicht nicht alleine gekommen war. Doch er konnte nichts entdecken.
Er grinste schelmisch, und legte den Finger an den Abzug.
„Du redeft wirr“, sagte er, und wollte gerade abdrücken, als McClintocks treues Shuttle durch die Wand zum Landedeck brach, mit voll Karacho auf Maddox zustürmte und ihn so heftig davonstieß, dass Maddox durch ein Bullauge nach draußen ins schwarze Nichts trudelte.
Während die Atmosphäre durch das Loch geblasen wurde, hopste McClintock eilig durch die Öffnung, in der früher seine Shuttletür gehangen hatte, und verschanzte sich im Cockpit.
Das Shuttle preschte durch die Wand hinaus ins All.
Innerhalb der Station vervielfachte sich das Chaos. Während sie davonflogen, zerfiel hinter ihnen die halbe Jupiterstation in einen Trümmerhaufen, der langsam ins Nichts davontrudelte.
„Verdammt“, fluchte McClintock, „sieht aus, als gäbs wieder kein Bargeld. Muss ich den Jungs wohl eine Rechnung schicken.“ Er programmierte einen bummeligen Kurs zur nächsten Krankenstation und schloss dann die Lippen um einen Kugelschreiber.
Treue Barrell-Gun – 6000 Credits
Linker Arm – 3000 Credits
Rechter Arm – 12000 Credits
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Und so flogen der Kopfgeldjäger Kerry McClintock und sein ergebenes Shuttle hinfort in die sternenübersäte Ewigkeit, auf der Suche nach neuen Abenteuern.
Das Ende.
[überarbeitet: 10.12.05]