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Kerzenorakel

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22.12.2004
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Kerzenorakel

In der Wohnung hatte sie alle Lichter ausgemacht. Nur am anderen Ende, in ihrem Schlafzimmer, hatte sie eine Kerze brennen lassen. Sie hatte es mit Absicht getan. Sie liebte diesen kleinen Reiz, doch heute sah sie es als Orakel. Ja oder nein, zu diesem Leben, zu der Gegenwart, zu ihr. Sie sagte zu sich, als sie sich im Schlafzimmer auszog: „Ein Leben bei dem nicht von Zeit zu Zeit alles auf dem Spiel steht, ist nichts wert.“ Dann brauchte sie sich auch nicht die Schuld zu geben, wenn alles lichterloh brannte, alles abfackelte und dann zu Asche und Staub wurde. Sie fragte sich was aus ihr, in der Badewanne liegend, werden würde, ob das Wasser sie vor dem Feuer, vor der Welt beschützen würde? Oder verdampfte es? Das hätte sie an allen andern Tagen geglaubt, weil es doch physikalisch am einleuchtendsten war, aber heute war alles anders, tief im Innern wusste sie es, aber heute wollte sie glauben, dass es sie beschützte.
Auf dem Weg ins Badezimmer, dachte sie darüber nach was sie mitnehmen würde, falls ihr Orakel nein sagte. Wenn sie richtig Mut hätte, liesse sie alles zurück, dachte sie, leider hatte sie aber keinen. Sie dachte an ihr Fotoalbum, ihren Reisepass, ihre ganzen Unterlagen für das Auto, die Wohnung, lauter Papierkram. „Wie Scheisse mein Leben doch ist, ich klammer mich an dumme, unnütze Dinge, alles sinnlos, wie ich“, schrie sie in sich selbst hinein. Es hallte ihr durch den Kopf, der ihr in diesem Moment unglaublich hohl vorkam.
Ich muss ihn füllen, ich sterbe sonst, ich muss ihn füllen, schnell. Eine Todesangst überfiel sie, ganz plötzlich, sie wusste sie musste ihren Kopf füllen, nicht mit Gedanken, sondern mit Masse. Auf halben Weg machte sie ruckartig kehrt, rannte in die Küche und riss den Kühlschrank auf. Unüberlegt packte sie die Spagettischüssel, die noch halb gefüllt war. Sie liess sie in ihrer Hektik fallen, Spagettis mischten sich mit Scherben, sie sah es gar nicht und stopfte ihren Mund, kaute, schluckte. Sie dachte, wenn nur erst ihr Magen bis oben hin gefüllt war, dann füllte sich doch der Hals, und danach, logischerweise, der Kopf. Und sie ass und ass. Und als alle Spagettis weg waren, kam der Rest des Kühlschranks dran, ob essbar oder nicht, sie schluckte es. Sie spürte keine Fülle, keinen Ekel, keine Übelkeit.
Nach einer Zeit, sie war nicht in Minuten und Stunden auszudrücken, doch soviel war sicher, das Teelicht in ihrem Schlafzimmer war längst ausgebrannt, nach dieser Zeit, stand sie auf, leer, viel leerer als vorher, und ging ins Badezimmer, legte sich in die Badewanne, wartete und dachte an die Kerze. Sie war nicht umgekippt, das Haus, ihre Unterlagen, der Pass, das Fotoalbum, alles noch da. Das Orakel sagte ja, meinte aber wohl doch nein.

 
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Hallo Penny Lane,

als ein Absatz oder Kapitel in einer Geschichte hätte mir dein Text schon wesentlich besser gefallen. So spielst du nur mit dem Schockeffekt der gesellschaftlichen Realität, indem deine Protagonistin nicht abgefahren genug sein kann. Es reicht nicht das merkwürdige Orakel, von welchem sie sich eine Antwort über Leben und Tod erhofft, es muss auch noch das "Fress-Symptom" einer Bulimie dazukommen.
Aber anstatt uns die Frau nahe zu bringen, führst du sie vor, beschreibst die Krankheit nur an ihrem Symptom, nicht an der Ursache. Dazu hättest du ja auch recherchieren müssen, anstatt mal in dreißig Minuten etwas effektüberladen runterzuschreiben.
An den Scherben übrigens wäre deine Protagonistin innerlich verblutet.

Sorry für den angepissten Ton, aber solche Geschichten ärgern mich, weil sie sich nur an den Opfern bedienen, sie ein weiteres Mal ausbeuten und missbrauchen. Sie schaden mehr, als sie nutzen.

Lieben Gruß, sim

 

hi sim
nein, du hast das absolut falsch verstanden, es hat nichts mit bulimie zu tun (über die habe ich im übrigen schon eine gewisse ahnung). Und da habe ich nicht daran gedacht, dass man das hier damit in verbindung bringen könnte, desshalb bin ich gerade einbisschen vor den kopf gestossen.

Sie spürte keine Fülle, keinen Ekel, keine Übelkeit.
vielleicht bist du durch diesen satz auf deine idee gekommen.
Ich hab lange darüber nach gedacht, ob ich ihn drin lasssen soll, hab mich dann, wie du siehst dafür entschieden, weil er dazu gehört. ihr ziel war es ihren kopf zu füllen, komme was wolle, alles andere war ihr in diesem augenblick egal, es musste ihr egal sein, sie konzentrierte sich so sehr darauf.
Und hätte sie bulimie würde sie sich danach auch leer fühlen, hätte aber enorme schuld gefühle, würde nicht ruhig in die badewanne liegen, wäre nervös, sie würde nicht an die kerze denken, nicht über das leben nachdenken, in diesem moment wäre sie egoistisch.

trotzdem danke für deine kritik, sim
lg penny lane

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Penny Lane,

Ja, es war tatsächlich dieses Übermaß an Fressen, ohne Rücksicht auf die Scherben, welches mich zur Bulimie geführt hat.
Was mich aber einfach interessiert ist, aus welchem Grund du es, ob nun Bulimie oder nicht, bei der Symptombeschreibung belässt? Wenn ich bspw. über einen Mord lese, dann möchte ich als Leser doch auch wissen, warum dieser Mord geschieht, welches Motiv der Täter hat. Und wenn er kein Motiv hat, möchte ich wissen, woher diese Gewalttätigkeit kommt.

Deine Prot ist mir ihrem Leben unzufrieden, sie ist krank an sich selbst. Das Syptom dieser Krankheit beschreibst du an einer Handlung. Aber die Krankheit hat sich entwickelt, sie war nicht von einer auf die andere Minute da.
Warum fühlt sie sich in ihrem Kopf so hohl, dass sie ihn unbedingt stopfen möchte?

Ich persönlich finde deinen Ausschnitt aus dem Leben zu wenig. So kann er mir die Protagonistin nicht näher bringen. Ihr Verhalten bleibt mir verschlossen, da mir die Plausibilität aus ihr heraus fehlt. Das meine ich, wenn ich schreibe, du führst sie, um eines Effektes willen, vor.

Lieben Gruß, sim

 

ich dachte eigentlich gar nicht an eine krankheit. darurch das sie eich über ihr leben gedanken macht, fängt sie an zu zweifeln, immer mehr und mehr, und auf einmal macht es "puff" und sie weiss was sie machen muss, vorher wusste sie es nie. fühlte sich als verliererin, die alles falsch machte. doch zum erstenmal in ihrem leben wusste sie was sie machen musste: ihren kopf füllen. dann nächster gedanke: durch essen. "dong" falsche antwort. und alles nimmt wieder seinen lauf, falscher gedanke, falscher schluss daraus, falsche handlung.
ich sehe das eigentlich nicht als krankheit, sondern eher als momentaufnahme aus ihrem leben.

hm, so habe ich das eben noch nie gesehen, dass es nur eine symptom- beschreibung ist. und desshalb: ich weiss es nicht. eigentlich ich weiss nicht warum sie das macht. noch nicht.
jetzt fühle ich mich gerade ziemlich hilflos meinem eigenen prot. gegenüber.
aber ich werde es herausfinden. ich werde versuchen ihr leben zu geben, sie weiter und tiefer zu spinnen.

doch das wollte ich ganz bestimmt nicht:

du führst sie, um eines Effektes willen, vor.

lg
penny lane

 

Hallo penny lane,

und erstmal herzlich Willkommen hier.
Ich muss sim in zwei Dingen Recht geben: auch mir ist diese Momentaufnahme zu wenig. Versuch doch mal, wie du ja auch schon angedeutet hast, einen Rahmen um das Gefühl deiner Prot zu stricken. Warum diese Stimmung? Dafür gibt es ja unterschiedliche Möglichkeiten, und dann wäre ihr Verhalten auch nachvollziehbarer. Außerdem habe auch ich bei der "Kühlschrank-Szene" gestockt und an eine Essstörung gedacht - ohne eure Kommentare vorher gelesen zu haben. Vielleicht findest du da ein anderes Motiv um der Geschichte das Irritierende zu nehmen?

Ein paar Fehler hat deine Geschichte noch:

tief im Innern wusste sie es
Wenn sie richtig Mut hätte, ließe sie alles zurück
Wie Scheiße mein Leben doch ist, ich klammer mich an dumme, unnütze dinge, alles sinnlos, wie ich
Und sie ass und ass.

Liebe Grüße
Juschi

 

hallo juschi

ich bin dran am schreiben. läuft nicht ganz so toll, aber es geht, sie kriegt langsam ein gesicht!

Vielleicht findest du da ein anderes Motiv
wie meinst du das mit dem motiv?
keinen kühlschrank? aber wie soll sie sonst ihren kopf füllen?

und ich hab es schon bei "advent" geschrieben... ich kann keine dieser B's machen. ich hab eine schweizer tastatur, und hier schreibt niemand die ss's wie ein B... geht halt nicht, sorry.

lg
penny lane

 

Hallo nochmal,

okay, dass mit dem ss ist dann natürlich entschuldigt.
Zur Essens-Szene: mich hat nicht der Kühlschrank gestört, sondern das Vollstopfen an sich. Und du hast Recht - wenn du das weglässt, kannst du sie das Kopf füllen auch nicht durch essen vollziehen lassen (vielleicht ginge dies durch das Anhäufen von Wissen). Bzw. noch einen Schritt weiter: vielleicht fällt dir sogar für das "den Kopf füllen" etwas anderes ein, wofür du das Essen nicht brauchst. Denn es ist ja nur ein Synonym für ein gefülltes Leben, oder? so hab ich es zumindest verstanden.

Liebe Grüße
Juschi

 

ganz plötzlich, sie wusste sie musste ihren Kopf füllen, nicht mit Gedanken, sondern mit Masse.
ich weiss auch nicht, vielleicht will sie ihr leben füllen? vielleicht. aber dann flieht sie so ziemlich aus meinen möglichkeiten. ich merk richtig wie sie mir wie sand zwischen den fingern durchrieselt. Sie führt immer mehr ein eigenleben, ich glaub nicht das ich sie wider auf den boden zurück holen kann.
ich muss das mit dem "leben füllen" erst mal verdauen.
oder hast du vielleicht eine idee?
danke für deine vielen anregungen
penny lane

 

hallo penny lane!
ich fände es vielleicht passend, wenn sie versucht, ihren Kopf auf verschiedene Arten und Weisen zu füllen, aber immer merkt, dass es nicht funktioniert. dann könnte das mit dem Essen drinbleiben, weil es nur ein Versuch ist. Ansonsten könnte sie sich wirklich mit Wissen zu füllen versuchen, indem sie sich in irgendwelche Bücher versenkt, oder mit Musik, Geräuschen, mit Bildern aus dem Fernsehen, aus ihrem Fotoalbum, Gerüchen .... dir fällt sicher was ein!
aber das ist nur so eine Idee. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was aus der Geschichte wird.
liebe Grüße
ciao
Malinche

 

Ich bin auf jeden Fall gespannt, was aus der Geschichte wird.
malinche, ich auch. ;)

hm die idee mit dem füllen, durch was anderes als essen, hatte ich auch... aber irgendwie wurde es schnell lächerlich.
das mit den gerüchen, findeich extrem spannend, ich werde sehen was sich machen lässt.
also ich sehe ich habe viel arbeit vor mir, denn das was ich bis jetzt zusätzlich noch geschrieben habe, macht meine prot. noch unrealistischer, glaub ich.
*jetzt wird wieder in die hände gespuckt, wir steigern das bruttosozialprodukt..*

danke
penny lane

 

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