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Kick

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23.09.2004
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Kick

Kick (überarbeitet)

"Weißt du, wie es sich anfühlt tot zu sein?"
Die Pille hatte eben erst sein Gehirn erreicht und entfaltete dort nun die glitzernd und bunt ihre Wirkung.
Ihre Stimme hallte in seinem Kopf wie in einer riesigen Kathedrale mit hohen Steinmauern und dunklen Ecken. Er sah die Worte vor sich, wie sie tanzend durcheinander wirbelten und gegen Wände stießen, bevor sie sich wieder zusammen fügten und er ihren Sinn verstand.
"Hm?"
"Ich habe dich gefragt, ob du weißt wie es ist, tot zu sein."
Oh Scheiße ... Immer das Gleiche mit diesen blöden Weibern. Warum konnten sie denn nicht endlich mal begreifen, dass man nach dem Sex am besten einfach die Klappe halten und eine Zigarette rauchen sollte? Aber in Ordnung, wenn das Mädchen neben ihm so scharf auf eine postkoitale philosophische Diskussion war, dann ließ sich das jetzt nicht ändern.
Auch wenn sich die Droge gerade schwer auf seinen Lippen und dem Rest seines Verstandes niederließ, wollte er sich Mühe geben.
"Wie kommst du denn auf so was? Jemand gestorben, den du kennst?"
Er wartete auf ihre Antwort. Auf eine mit Tränen belegte Stimme, die Trost für eine kürzlich verschiedene Großmutter oder wahlweise ihrer vom Auto überrollten Katze forderte.
Sie schien eigentlich nicht der Typ für so einen sentimentalen Schwachsinn zu sein - aber bei Mädchen konnte man das wohl nie so genau voraus sagen.
"So meine ich das nicht, du Idiot."
Sie stand auf, um aus ihrer zuvor achtlos neben das Bett geschleuderten Tasche eine Schachtel Zigaretten zu kramen und sich eine davon in den Mund zu stecken.
"Kennst du das Gefühl, völlig leer zu sein? Wenn nichts, gar nichts, für dich auch nur noch die geringste Bedeutung hat?"
Natürlich kannte er dieses Gefühl. Bei ihm stellte es sich vorzugsweise an verkaterten Tagen nach einer zu langen Nacht mit viel zu vielen Pillen ein - und das hätte er ihr auch deutlich gesagt, wenn ihm nicht in diesem Moment das flackernde Licht des Feuerzeugs einen kurzen Blick auf ihre nackten Brüste geschenkt hätte.
Auf Pille zu Ficken war einfach das Beste. Keine Spur von "Tot sein" und "Nichts fühlen" und solchem depressiven Blödsinn...

Er hatte sie auf der Tanzfläche gesehen, mitten in der Masse aus zuckenden schwitzenden Körpern.
Zu diesem Zeitpunkt war sein Kopf noch ziemlich klar. Trotzdem kam es ihm so vor, als würde sie nicht einfach tanzen, sondern vielmehr mit der Musik verschmelzen.
Anders als die meisten Mädchen sah sie sich nicht um, um die Wirkung ihrer Bewegungen zu kontrollieren oder die bewundernden Blicke der Jungs und die neidischen der Frauen zu zählen. Sie schien nur für sich selbst zu tanzen und gerade das machte sie so einzigartig wie einen Schmetterling in einem Schwarm von Nachtfaltern.
Er war nicht der Einzige, dem sie auffiel: Einer der typischen muskelbepackten Kerle von der Security hatte sie schwungvoll auf eine der Boxen gehoben, und dort stand sie dann mit geschlossenen Augen und ließ sich von der Musik bewegen.
Ihr Gesicht sah er zum ersten Mal in dem schmalen dunklen Gang, der zu den Toiletten führte. Er war noch damit beschäftigt, seinen Gürtel wieder zu schließen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Brust legte. Sie stand vor ihm und sah ihn an. Er war überrascht, wie klar ihre Augen waren, denn er hätte seinen BMW auf ihren Drogenkonsum verwettet. Niemand konnte nüchtern so cool sein.
Sie musterten sich gegenseitig, und mit geübtem Kennerblick erkannte er sofort, dass es sich lohnen würde sie zu ficken. Sogar, wenn sie darauf bestehen würde, dafür zu ihr nach Hause zu gehen und er sich irgendwann ein Taxi leisten müsste.
Er hasste es, nach einer wirklich netten Nacht neben irgendeinem Mädchen aufzuwachen und im Sumpf der vernebelten Erinnerungen nach ihrem Namen zu wühlen.
Ganz zu Schweigen von einem verkaterten Frühstück, bei dem das Wesen ihm gegenüber ungeschminkt und mit bläulichen Augenringen meist nur noch flüchtige Ähnlichkeiten mit dem begehrenswerten Aufriss aus der Disco aufwies und tatsächlich so etwas wie eine romantische Konversation erwartete ... Nein, er hatte seine Lektion gelernt und außerdem für besonders hartnäckige Fälle stets eine nichtexistente Telefonnummer im Kopf.
Sie drückte ihn gegen die Wand und lächelte ihn an. Dabei öffnete sie leicht ihren Mund und zeigte ihm so die beiden Pillen auf ihrer Zunge. Das zuckende Laserlicht ließ ihre dunklen Haare bläulich schimmern und brachte die winzigen Schweißtropfen auf ihrem Dekollete zum Leuchten.
Er küsste sie und nahm sich so eine der Pillen.
Die Nächsten servierte ihnen der Barkeeper auf ein Zeichen von ihr praktisch und diskret in zwei Cocktails. Sie schien über beneidenswerte Verbindungen zu verfügen. Aber trotz der kleinen Glücksbringer waren die dunklen Augen, die er manchmal im Blitzlicht ausmachen konnte immer noch nicht glasig und verschleiert.
Er hätte von sich gern das Gleiche behaupten können, aber was ihn dann schnell wieder klar werden ließ, war ihre Hand. Sie glitt plötzlich so selbstverständlich und ruhig zwischen seine Beine, als würde sie nach ihrem Cocktailglas greifen.
"Lass uns gehen."

Die Glut ihrer Zigarette flammte in regelmäßigen Abständen in der Dunkelheit auf.
"Was fühlst du?"
Hatte er es nicht gesagt? Warum mussten Mädchen immer reden? Was sollten diese dämlichen Fragen? War sie denn nicht langsam auch mal drauf?
Er hatte sie mindestens vier Pillen schlucken sehen ... oder doch mehr? Und trotzdem bewegte sie sich immer noch mit der gleichen fließenden Ruhe, die er vor Stunden auf der Tanzfläche bewundert hatte.
Sie kam zu ihm zurück und ließ sich neben ihm auf das Bett fallen. Bisher hatte er sich nicht die Mühe gemacht, sie genauer anzusehen. Aber jetzt erkannte er, dass sie wirklich schön war. Auf jeden Fall attraktiver als jedes Mädchen, das er in den letzten Monaten nackt gesehen hatte.
"Ich fühle, dass ich dich noch mal ficken will, wenn du es so genau wissen willst."
Ihr Lachen streifte seine Haut wie ein sanfter Windhauch an einem glühendheißen Tag im Sommer.
"Meinst du wirklich, dass dir das weiterhelfen wird? Nein, ich glaube, ich habe da eine bessere Idee."
Besser als Sex? Vielleicht hatte sie Koks da. Das wäre jetzt allerdings auch nicht zu verachten. Ein weiterer Kick für diese Nacht, der den Regler seines Selbstwertgefühls bis zum Anschlag aufdrehen würde.
"Willst du dich mal richtig lebendig fühlen? Ich denke, ich kann dir etwas geben, dass du nicht ganz so schnell vergessen wirst wie den Rest deines Lebens."
Wahrscheinlich war sie doch ganz schön zu. Natürlich war sie sehr hübsch und auch im Bett alles andere als mittelmäßig. Aber das klang jetzt trotzdem ein bisschen arrogant.
„Na, da bin ich ja mal gespannt.“
Er lächelte sie an und fuhr mit seinem Finger über die Innenseite ihres Oberschenkels.
„Ich verspreche es dir. Es wird besser als nur Sex sein. Unvergesslich und ein echter Kick.“
Er schloss die Augen und spürte, wie sie wieder aufstand.
Musik. Lauter, sehr lauter Techno, dessen Beats sein Herz ihrem Rhythmus anzupassen zwangen.
„Schau mich an!“
Sie stand in der Mitte des Raumes und tanzte. Und diesmal nur für ihn. Die riesigen Fenster hatten keine Vorhänge und die Sterne drehten sich draußen in der Nacht wie eine endlose Zahl von Discokugeln. Und auch sie war ein weiß leuchtender Stern.
Bisher zu diesem Moment war Liebe für ihn nichts als ein abstrakter Begriff gewesen.
Aber jetzt sehnte er sich danach aufzustehen und sie in seine Arme zu nehmen. Nicht, um sie zu ficken und danach zu vergessen wie alle anderen vor ihr. Vielleicht lag es auch nur an den Pillen, aber er wollte sie festhalten, sein Gesicht zwischen ihre perfekten Brüste legen und den Duft ihrer Haut atmen. Er wollte sie schmecken, mit ihr schlafen, ihren Atem an seinem Hals spüren und danach neben ihr liegen und in ihre Augen sehen. Sie war seine perfekte Drogenprinzessin, der ultimative Kick, nachdem er gesucht hatte. Wenigstens bis morgen früh.
Aber er konnte sich nicht bewegen, sondern nur auf ihrem großen Bett liegen und warten, bis sie zu ihm kam.
Sie setzte sich auf ihn und er griff mit beiden Händen nach ihren schmalen Hüften. Aber sie entzog sich ihm und holte etwas unter dem Bett hervor. Er spürte kühles Metall an seinem Handgelenk. Sie zog seinen Arm nach hinten und er hörte ein leises Klicken.
Ihr nächster Kuss war zärtlicher und weniger fordernd als bisher. Ihr Atem schmeckte nach rosafarbenen Kaugummi und süßem Lipgloss. Sie strich ihm sanft das Haar aus der Stirn und legte ihm ein Tuch über die Augen.
Dann löste sie sich von ihm und ließ ihn blind und gefesselt auf dem Bett zurück. Für einen Moment fühlte er sich hilflos und ausgeliefert - und zwar über das Maß hinaus, das er erotisch fand.
Die Musik wurde noch lauter und er fragte sich, ob die Nachbarn wohl bald sturmklingelnd vor der Tür stehen würden.
Dann spürte er ihre Lippen und vergaß diesen Gedanken.
Ihre langen Haare kitzelten seinen Bauch und während sie ihn leckte, explodierte hinter seinen Augen ein Wirbel aus Farben.
Mit seiner freien Hand griff er in ihr weiches Haar um ihren Kopf nach oben zu ziehen. Er bezweifelte schwer, dass sie zu den Frauen gehörte, die eine verfrühte Ejakulation nur mit einem sanften Lächeln kommentierten. Sie schien sein Zeichen zu verstehen und setzte sich auf ihn.
Bisher hatte er sich beim Sex noch nie als den passiven Part betrachtet. Aber jetzt erfuhr er zum ersten Mal, wie es sich anfühlte, von einer Frau gefickt zu werden. Eine ihrer Hände hielt sein freies Handgelenk fest, die andere lag sanft auf seinen Hoden. Als er versuchte, ihre Bewegungen in seinen eigenen Rhythmus zu zwingen, verstärkte sie ihren Griff für einen Moment. Die Musik war so laut, dass er sein Keuchen mehr spürte als hörte.
Plötzlich gab sie nach. Ihre Bewegungen wurden langsamer, und sie überließ sich ihm. Er freute sich darüber, weil ihm das zeigte, dass sie ein richtiges Mädchen war und letztendlich doch von ihm gevögelt werden wollte.
Sein Höhepunkt war besser als jemals zuvor. Ein Gefühl, als würde er sein ganzer Körper zerspringen und gleichzeitig von ihr wieder zusammengefügt werden.
Sie sank nach vorne und ihr Körper lag weich und nachgiebig auf ihm. Mit seiner freien Hand tastete er nach ihrem Gesicht. Aber statt ihrer weichen warmen Haut, spürte etwas Heißes. Klebrig, dickflüssig und außerdem der seltsame Geruch von Kupfer.
Als er seinen Mund öffnete, füllte sich dieser mit einer salzigen Flüssigkeit, bevor er begriff, dass das kein Trip mehr war.
Er riss sich das Tuch vom Gesicht. Panisch tastete er mit der freien Hand nach dem Lichtschalter. Als er ihn gefunden hatte, stach grelles Licht in seine Augen. Seine Hand war rot, als hätte er sie in Farbe getaucht. Oder in ihr Blut. Der Schock überflutete ihn wie eine eiskalte Welle.
Er packte sie an der klebrigen Schulter und drehte sie auf den Rücken. Das Messer steckte tief in ihrem Hals. In der weichen Grube zwischen ihren Schlüsselbeinen, die er vor ein paar Minuten noch zärtlich mit seiner Zunge erforscht hatte. Das Blut schoss aus der Wunde wie Wasser aus einem Springbrunnen.
"Scheiße, was hast du gemacht?"
Seine Zähne schlugen hysterisch aufeinander. Ein Arzt, dachte er. Sie braucht einen Arzt. Blaulicht und einen Krankenwagen. Er versuchte aufzustehen, aber er war noch immer ans Bett gefesselt.
„Der Schlüssel! Wo ist der verdammte Schlüssel?“
Er kannte ihren Namen nicht und seine Hand verfing sich in ihren feuchten dunklen Haaren. Sie gab einen seltsamen gurgelnden Laut von sich. Ihre verschleierten Augen starrten ihn an. Er hätte schwören können, dass sie lächelte, aber das konnte nicht sein. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er wollte weg, raus! Raus aus diesem Zimmer, aus dieser Wohnung, diesem Albtraum. Sein Kopf weigerte sich zu denken und seine Panik gewann die Oberhand. Sie lag noch immer halb auf ihm, und er wälzte sich unter ihr hervor und schrie.
„Sag mir, wo der Schlüssel ist!“ Er hatte Angst, sie anzufassen und sie damit am Ende noch mehr zu verletzen.
Er wünschte sich Bewusstlosigkeit, stattdessen fühlte er sich so schmerzhaft klar wie selten zuvor in seinem Leben. Niemand würde seine Schreie hören und sie beide retten kommen. Die Musik war zu laut.
Er tat das Einzige, was ihm übrig blieb, griff nach ihrer Hand und hielt sie fest. Er tastete nach ihrem flachen, schnellen Puls und schloss die Augen.
Später konnte er nicht sagen, wie lange er dort neben ihr gesessen hatte.
Er wusste nur, dass sie tot war, als er schließlich den Schlüssel für die Handschellen auf dem Boden neben dem Bett entdeckte.
Er konnte ihn mit seiner freien Hand gerade noch erreichen und sich endlich befreien. Als er aufstand, gaben seine Beine augenblicklich unter ihm nach. Vor seinen Augen der helle Parkettboden und ihr rotes Blut. "Kontraste" schoss es durch seinen Kopf. Er kotzte. Schloss die Augen und sah sie immer noch vor sich. Dunkle, lange Haare ohne Locken. Feuchtverklebte Strähnen in einem schmalen hellen Gesicht. Zart. Ihr Körper ein zerdrückter Schmetterling. Und überall ihr Blut. Auf ihrem Körper, auf dem Bett, dem Boden und sogar an der Wand. Er hatte nicht gewusst, dass ein Mensch so sehr bluten konnte.
Irgendwann gelang es ihm, seine Boxershorts anzuziehen und aus dem Zimmer zu taumeln. Das Telefon stand im Flur.
Er bemerkte erst, dass er heulte, als er versuchte, dem Polizisten am anderen Ende der Leitung seine Situation begreiflich zu machen. Es dauerte lange, bis er sich an die Adresse erinnern konnte, die sie dem Taxifahrer genannt hatte.
Anschließend lehnte er sich erschöpft gegen die Wand und starrte auf die halboffene Tür zu ihrem Zimmer.
Sie hatte nicht mit allem Recht gehabt. Er fühlte sich nicht lebendig, sondern nüchtern und leer. Wie tot.
Und plötzlich wusste er, dass genau das ihr Plan gewesen war. Sie hatte ihn gezwungen, den finalen Kick ihres Lebens, ihr Sterben, mit an zu sehen. Er aber hatte den Rest seines Lebens in dem Moment vergessen, als sie neben ihm starb.
Er schloss die Augen und wartete auf das Eintreffen der Polizei.

 

Hallo Felidae!

Was für ein Unterschied zu deiner Drachengeschichte, die ich gerade gelesen habe. Das mir die Kinderstory besser gefällt, liegt wohl daran, daß ich mit Kindern arbeite (denen ich die Geschichte demnächst erzählen werde) und ich mit deinem neuen Thema nicht viel anfangen kann. Trotzdem habe ich sie bis zum Ende gelesen, ganz einfach, weil ich wissen wollte, wie sie endet. Und das wollen wir doch alle, - das unsere Geschichten gelesen werden - bis zum Ende. Schreibst du trotzdem wieder einmal eine Kindergeschichte?

Lg hanini

 

Hallo Hanini!
Zunächst mal vielen Dank für deine Antwort und natürlich vor allem für das Lesen. Dass du die Drachengeschichte "deinen" Kindern erzählen willst freut mich wirklich sehr und hat meine Ohren gerade ganz freudenrot gefärbt.
Die nächste ist in Produktion, gehört allerdings noch einmal überarbeitet bevor ich sie jemandem hier zumuten kann. (Und ja, es ist eine Kindergeschichte.)
Die Kick-Geschichte ist tatsächlich sehr anders und wohl auch ein bisschen strange. Ich war mir auch nicht sicher, ob sie tatsächlich in den "Alltags"-Ordner gehört, vielleicht wäre sie bei den Experimenten oder dem Absurden besser aufgehoben. Sie ist auch schon etwas älter und irgendwas stört mich selbst daran, ohne dass ich genau sagen könnte, was es ist. Allerdings lässt sie mich auch nicht los, deswegen hab ich sie trotzdem mal hochgeladen. (Ein logischer Fehler ist mir schon bewusst, denn ich möchte den Menschen sehen, der nach exzessiven Drogenkonsum noch innerhalb weniger Sekunden zielsicher seine Aorta und die Pulsadern öffnet...technisch vielleicht möglich, in der Realität aber sicherlich ein Einzelfall.)
Dennoch: Vielen Dank fürs Lesen - bis zum Ende.
Freue mich sehr, dieses Forum hier gefunden zu haben.
Einen schönen Sonntag noch,
Felidae
(Die gerade wie eine echte Katze ihren Kater bekämpft.)

 

Hallo Felidae,

hat mir ganz gut gefallen, die Geschichte. In welche Rubrik sie gehört, wage ich auch nicht zu sagen - One-Night-Stands auf Droge scheinen ja für die Protagonisten durchaus zum Alltag zu gehören, andererseits bringt man sich nur einmal im Leben um ... vielleicht doch eher Spannung?

Es gibt noch ein paar Haken an der Geschichte, die mich stören. Und ich finde, es lohnt sich, die noch wegzuschleifen.

Die Pille hatte erst vor zwei Minuten sein Hirn erreicht und war nun dabei dort die glitzernd bunte Blüte ihrer Wirkung zu entfalten.
Gehört da nicht ein Komma hinter "dabei"? Ich finde den Satz aber eh ein bißchen sperrig ... wie wäre es mit "Die Pille hatte sein Hirn erreicht und entfaltete nun die glitzernd bunte Blüte ihrer Wirkung"?

Ich würde eh mit einer großzügigen Portion Kommas über den Text laufen und sie sorgfältig so setzen, dass der Leser Einschübe und Nebensätze nicht erst am Ende des Satzes erkennt. Aber das überlasse ich mal dir, das sind alles sozusagen "gefühlte Kommas", mit den hartkodierten Kommaregeln kenne ich mich auch nicht aus.

Dann die Schlüsselszene, in der sie sich die Adern öffnet und auf ihm ihr Leben aushaucht. Die hakst du mit zwei Sätzen ab. Da würde ich viel ausführlicher werden, ein bißchen die morbide Fantasie spielen lassen. Lass sie doch, statt ihm etwas besseres als Sex zu versprechen, etwas besseres als nur Sex versprechen. Lass sie seine Augen verbinden, lass die beiden vögeln und zum Orgasmus kommen, lass die Musik parallel dazu wild werden, lass Farben auf seiner Netzhaut explodieren - und ihn danach sich unter ihr hervorwälzen, die Binde abstreifen, und den Schock über das tatsächliche Geschehen erleben. Damit hättest du dann Sex, Drogen, Musik, das Leben und den Tod in einer furiosen Szene miteinander verstrickt. Und darum geht's doch in deiner Geschichte!

Noch was stilistisches: "unvorhandener Puls"? Brrr ... klingt ja grässlich.

Und dann das Ende. Ich würde erstens noch deutlicher die Motivation für die Tat erklären: Das sie den finalen Kick des Lebens, nämlich den Tod, erleben wollte, und gleichzeitig ihm ein Lebensgefühl, das du nicht durch Drogen erreichen kannst, schenken wollte. Das wars doch, was sie wollte, oder? :)
Und zwootens würde ich versuchen, seine gefühlsmäßige Reaktion auf das Geschehen auf einen, höchstens zwei, prägnante Schlusssätze zu verkürzen. Im Moment eierst du in fünf Sätzen drumrum ... vielleicht würde ja statt

Sein Kopf war leer und er spürte sich nicht.
Sie hatte nicht mit allem Recht gehabt. Er fühlte sich nicht lebendig.
Er hatte den Rest seines Lebens in dem Moment vergessen, als sie neben ihm starb um sich lebendig zu fühlen.
Er dagegen fühlte sich tot. Nüchtern. Leer.
Während sie starb hatte sie das Leben in sich gefühlt, da war er ganz sicher. Einen extremeren Kick konnte es nicht geben.
etwas wie
"Sie hatte das Leben in sich gespürt, während sie starb, da war er sich sicher. Aber er hatte seines in dem Moment vergessen, als er sie tot neben sich liegen sah. Nun fühlte er sich leer, nüchtern, wie tot. Kein Trip würde ihm jemals einen extremeren Kick bescheren."
ausreichen ... naja, oder so ähnlich. Wie ist das - wird er denn in Zukunft versuchen, mit immer neuen Trips das Gefühl zurückzuholen? Oder wird er jetzt abstinent, weil er sicher ist, den finalen Kick erlebt zu haben, den nichts mehr toppen kann? Sowas könnte man ja in den Schluß auch noch einflechten.

Fazit: Ich find die Idee spannend und gut. Du solltest an der Geschichte weiterarbeiten und ihr den Feinschliff verpassen.

Gruß,

Gijan

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gijan,

Tut mir leid, dass ich erst so spät antworte, aber ich habe deine Kritik eben erst entdeckt und mich sehr darüber gefreut.
Ich hab diese Geschichte vor mehr als zwei Jahren geschrieben - und wie ich es oben schon mal erwähnt habe, hat mich etwas daran gestört, ohne dass ich wirklich sagen konnte was. Ich fand sie nicht gut, aber auch nicht so schlecht, dass ich sie aufgeben wollte.
Deine Kritik und deine Vorschläge haben mich jetzt dazu gebracht, sie noch einmal komplett zu überarbeiten. Ich hoffe sehr, dass sie jetzt besser ist als vorher.

Ich würde eh mit einer großzügigen Portion Kommas über den Text laufen und sie sorgfältig so setzen, dass der Leser Einschübe und Nebensätze nicht erst am Ende des Satzes erkennt.

Mittlerweile bin ich nicht mehr so ein großer Fan von Elefantensätzen wie früher und hab versucht, bei der Überarbeitung so viele Monster wie möglich in zwei Sätze zu teilen oder durch Kommas den Sinn deutlicher zu machen. Ich hoffe, das ist halbwegs gelungen.

Dann die Schlüsselszene, in der sie sich die Adern öffnet und auf ihm ihr Leben aushaucht. Die hakst du mit zwei Sätzen ab. Da würde ich viel ausführlicher werden, ein bißchen die morbide Fantasie spielen lassen. Lass sie doch, statt ihm etwas besseres als Sex zu versprechen, etwas besseres als nur Sex versprechen. Lass sie seine Augen verbinden, lass die beiden vögeln und zum Orgasmus kommen, lass die Musik parallel dazu wild werden, lass Farben auf seiner Netzhaut explodieren - und ihn danach sich unter ihr hervorwälzen, die Binde abstreifen, und den Schock über das tatsächliche Geschehen erleben. Damit hättest du dann Sex, Drogen, Musik, das Leben und den Tod in einer furiosen Szene miteinander verstrickt.

Ich hab mein Bestes gegeben und zum ersten Mal in meinem Leben halbwegs explizit eine Sexszene geschildert. (Ich hätte nie gedacht, dass das so anstregend ist ... ;))
Deine Ideen fand ich großartig und hab versucht, sie in den Text einzubauen.

Wie ist das - wird er denn in Zukunft versuchen, mit immer neuen Trips das Gefühl zurückzuholen? Oder wird er jetzt abstinent, weil er sicher ist, den finalen Kick erlebt zu haben, den nichts mehr toppen kann? Sowas könnte man ja in den Schluß auch noch einflechten.

Darauf bin ich auch in der neuen Version nicht wirklich eingegangen, weil das imo zu weit führen würde. Der arme Kerl steht unter Drogen, hat gerade den Tod eines Menschen live miterlebt und wartet auf die Polizei. Ich gehe davon aus, dass ihn diese Erfahrung schon in gewisser Weise prägen wird, aber wie genau sein weiteres Leben aussehen wird, muss er nicht in dieser Nacht entscheiden. Und an dieser Stelle endet ja die Geschichte.

Mit der Zuordnung bin ich immer noch weiter gekommen.
Spannung? Dafür finde ich sie nun wirklich nicht aufregend genug. (Allerdings weiß ich ja auch beim Lesen schon, wie es ausgeht und kann das vielleicht daher nicht ganz objektiv beurteilen)
Romantik/Erotik? Romantisch finden diese Geschichte wohl nur sehr, sehr merkwürdige Menschen und die Erotik kommt dafür vielleicht auch etwas zu kurz.
So wirklich passend für den Bereich Alltag finde ich sie auch nicht, aber ... :confused:
Jetzt ist sie eben erstmal hier.

Alles in allem: Vielen Dank, dass du die Geschichte aus ihrer Versenkung geholt und mich dazu gebracht hast, sie noch einmal zu überarbeiten.
Mittlerweile ist sie zwar für meinen Geschmack etwas zu morbide, aber immerhin nicht mehr so grottig wie vorher.
Und nach drei Semestern Medizinstudium konnte ich jetzt auch die Selbstmordszene etwas realistischer gestalten.


Liebe Grüße,
Tiara

PS: Ach ja - und eine kleine Anfrage an die Moderatoren hätte ich auch noch. Wenn ich eine Geschichte so komplett überarbeite - wie kennzeichne ich das dann?
Ich hab jetzt einfach die alte Version gelöscht und stattdessen die neue reinkopiert und - wie man sieht - ein "überarbeitet" in den Titel eingefügt. Damit nehme ich zwar die Vergleichsmöglichkeit weg - aber da ich die letzte Fassung eher mäßig bis schlecht fand, war das auch mein Ziel.

 

Hallo Felidae,

ich bin beeindruckt von deiner Geschichte, allerdings von der früheren Fassung, die ich mir kopiert und dann im Garten gelesen habe.

Ich finde, du hast soviel Themen anschaulich geschildert: Drogen, Sex, den Macho-Prot und den makabren Freitod...und nichts davon ist peinlich, kitschig oder sonstwas. Klasse!

jetzt Kleinkram:

sachlich: bei Öffnung der Aorta (und, was ich nicht so kapiert hatte, auch der Pulsadern) strömt soviel Blut, wie du dann ja auch beschreibst: ergibt das dann wirklich Tropfen auf dem Parkett? Ich dachte, eher Lachen, auch wenn der große Teil woandershin gespritzt ist

Tippfehler:

wie lange er dort gesessen neben ihr gesessen hatte.
Er bemerkte erst, dass er heulte, als (er) versuchte

Kommata:
wenn in einem Satz, der mit und angefügt wird, ein neues Subjekt (Beispiel: und er wälzte sich...) ist, wird der Satz mit einem Komma abgetrennt (du könntest noch ein paar einfügen)

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Erstmal herzlichen Dank für deine Kritik. Tippfehler werden natürlich sofort geändert und auch über mit Kommata werde ich nachher noch einmal großzügig über den Text gehen.

Ich war mir jetzt nicht ganz sicher, ob ich deine Antwort als Absage an die neue Version betrachten sollte, weil du ja anscheindend doch beide gelesen hast ...?
Beim Schreiben der Originalfassung war ich wie schon erwähnt gute zwei Jahre jünger und beim Überarbeiten sind mir eine ganze Menge Formulierungen aufgefallen, die ich jetzt einfach nicht mehr gut finde und den Stil in sich unstimmig gemacht haben. Kann natürlich auch sein, dass ich ihn damit kaputt korrigiert habe.
Die Selbstmordszene hab ich ja komplett verändert, weil die logischen Fehler schlichtweg dramatisch waren. Aorta und Pulsadern innerhalb der kurzen Zeit, die dem verrückten Mädel bleibt, zielsicher aufzuschlitzen - das haut einfach nicht, auch wenn es ein schönes Bild ergibt. (Naja ... schön ist vielleicht der falsche Ausdruck. Schön krank eben ;))
In der neuen Fassung rammt sie sich ein Messer in den Hals. Damit trifft sie gleichzeitig Aorta und Trachea und ich denke, dass ist der Logik zuträglicher. Und die Pulsadern bleiben diesmal zu.
Über die Tropfen-Sache werde ich noch einmal nachdenken. "Heller Boden mit dunkelschimmernden Lachen" statt Tropfen klingt blöd. Vielleicht Pfützen? Oder ganz raus? Ich weiß es noch nicht.

Ich finde, du hast soviel Themen anschaulich geschildert: Drogen, Sex, den Macho-Prot und den makabren Freitod...und nichts davon ist peinlich, kitschig oder sonstwas. Klasse!

Danke. :) Freut mich sehr, dass du das so siehst. Hab immer noch ein fettes Grinsen im Gesicht vor Begeisterung über dieses schöne Kompliment.

Liebe Grüße,
Felidae

 

Ich bin mir unsicher, welche Version ich gelesen habe.
Gijan kritisierte:

Die Pille hatte erst vor zwei Minuten sein Hirn erreicht und war nun dabei dort die glitzernd bunte Blüte ihrer Wirkung zu entfalten.
Die jetzige Version heißt
Die Pille hatte eben erst sein Gehirn erreicht und entfaltete dort nun die glitzernd und bunt ihre Wirkung.
und in meiner Kopie (früher Abend):
..und entfaltete nun dort die glitzernd bunte Blüte ihrer Wirkung

Alles (un)klar?

Gruß, Elisha

 

Hallo Elisha,

Ja, jetzt ist tatsächlich alles klar. (Kaum zu glauben - aber war :D )

Also: Gijan hat die alte Version gelesen - die ich dann nach ihren Vorschlägen verändert habe.
Seit gestern steht jetzt die neue Version drin - ohne offene Pulsadern, dafür mit Messer im Hals, längerem Sex und detaillierterem Selbstmord. Die hast du gelesen. Und nachdem sie dir ja scheinbar gefallen hat, waren Gijans Tips anscheinend tatsächlich hilfreich.
Die letzte Änderung hab ich irgendwann heute Nachmittag (hab im Augenblick Probleme mit den Tageszeiten ... :dozey: ) eingefügt. Die betraf aber wirklich nur den von dir zitierten ersten Satz, weil die Formulierung für mein Gefühl zu "gewollt" klang.
Ich hab jetzt noch die Kommata geändert und hoffe, das passt jetzt.

Puh ... schön, dass wir das jetzt geklärt haben. :)

 

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