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Kienzles letzter Fall

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21.02.2006
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Kienzles letzter Fall

Mitten in der Nacht läutete das Telefon. Kommissar Kienlze fuhr erschrocken hoch, dann sah er sich erstaunt um. Neben ihm sägte Eleonore den Ast ab, auf dem er thronte.
Er hatte wieder diesen merkwürdigen Traum, der ihn seit ein paar Nächten immer wieder und immer wieder heimsuchte. Merkwürdig? Nein! Dieser Traum war keineswegs würdig, gemerkt zu werden. Immer wieder lief er durch die Gassen der Altstadt, verfolgt von der Buchhalternase. Keuchend hechtete er Richtung Heusteigstraße bergauf. Kaum lehnte er sich schwer atmend an eine Hauswand, bog auch schon die Buchhalternase um die Ecke und zeigte ihm kichernd eine Nase.
Das Telefon bat ungehalten um Aufmerksamkeit, Kienzle griff zum Hörer. Der penetrant muntere Herr Wächter, sein Gehülfe, war dran.
„Die Buchhalternase ist aus dem Eckensee gefischt worden. Der Pathologe tippt auf Tod durch Ertrinken.“
Kienzle sagte nichts. Sein Traum hatte eine dramatische Wendung erfahren.
„Chef! Sind sie noch dran?“, hörte er seinen Assi rufen, bevor er auflegte.
Kienzle taumelte in die Küche, schnappte sich von der Ablage ein ungespültes Glas, schlurfte zum Kühlschrank und griff zu einer Flasche Mineralwasser. Vor ein paar Tagen hatte er sie eigenhändig am Lautenschlagerbrunnen abgefüllt, das Wasser hatte eine bräunliche Farbe angenommen und roch leicht nach faulen Eiern. Sein Blick fiel auf einen merkwürdigen Gegenstand zwischen Magerquarkbecher und Gelbwurstzipfel: die Buchhalternase! Der Kommissar ließ erschrocken die Flasche fallen. Da es sich glücklicherweise um eine Aldi-Apfelschorle-Petflasche handelte, unterblieb eine hässliche Glassplitterorgie, nur ein dumpfes Plopp war zu hören. Kienzle knallte die Kühlschranktür zu. Er schnappte nach Luft wie einst Desdemona mit Othellos Pratzen an der Gurgel. Das ungespülte Viertelesglas hing schlaff am Mittelfinger der linken Hand. Er stürzte zum Fenster, riss mit der rechten Hand den linken Flügel auf. Auf der Fensterbank saß die Buchhalternase und rief:
„Hier bin ich!“
Kienzle stülpte ihr sofort das ungespülte Viertelesglas über.
Plötzlich, als hätte er sie mit einem Zauberspruch herbeigerufen, stand Eleonore in der Küche. Kienzle starrte sie entgeistert an. War ihr Haar schon immer so lang und schwarz und struwwelig? Hatte sie schon immer diese daumennagelgroße Warze am Nasenflügel?
Eine schwarze Katze sprang direkt aus der Abzugshaube auf ihre Schulter.
„Was hast du mit der Buchhalternase gemacht“, fauchte das Tier, machte einen Buckel.
„ Ni... ni... nichts“, stotterte Kienzle
Das rabenschwarze Ungeheuer fuchtelte wütend mit der Pfote.
„Sag die Wahrheit“, forderte es, fauchte wie ein Kamtschatkatiger, dem ein vorwitziger Tourist in die Quere kommt.
„Ich bin unschuldig“, rief Kienzle.
Er wich zurück, schwang sich über die Brüstung und landete mit einem dumpfen Aufschlag im Vorgarten, zwischen Sommerflieder, Rosenstöcken und Hundehaufen. Wächter fuhr vor, sprang aus seinem Wagen, aber zu spät, Kienzle Seele flog flatternd zwischen den Häuserschluchten davon. Er beugte sich über den kläglichen Rest seines Chefs. Warum? fragte er sich. Vermutlich gab einen Zusammenhang mit jenem Vorfall, letzten Donnerstag in der Kantine. Kienzle war gerade dabei, Kuttelsoßenreste vom Teller zu lecken, als die Oberbuchhalterin auftauchte.
„Herr Kienzle, ihre exorbitante Getränkerechnung aus der Bar ,Zur letzten Instanz, kann ich unmöglich anerkennen“, hatte sie ihn lautstark vor versammelter Mannschaft abgekanzelt.

 

Hallo Imperator,

abgekupftert, welch boeses Wort. Ich liess mich von Gogols "Nase" inspirieren. Natuerlich komme ich nicht an ihn heran. Koennte ich wie Gogel schreiben, waere ich bestimmt eine Beruehmtheit, oder auch nicht. Die Literaturszene ist ein Haifischbecken.
Der Witz der Geschichte soll in der doppelten bedeutung der "Buchhalternase liegen. Diese Nase stammt noch aus der Zeit, als Buchhaltungen mit T-Konten gemacht wurden. Lange her. Das beliebige Ereignis, das den armen Kerl veranlasst aus dem Fenster zu stuerzen, ist meiner Meinung nach Grund genug. Verfolgte neigen oft zu Kurzschlusshandlungen, getoppt wird die Sache , dass es sich um eine Buchhalternase handelt. Eine Horror- Vorstellung von einer solchen Nase verfolgt zu werden. Und von einer Buchhalterin blossgestellt werden, ist doch Spitze genug, meiner Meinung nach.

Herzliche Gruesse vom Brunnengeist

 

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