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killing me softly

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08.11.2001
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killing me softly

Killing me softly

Durch die Jalousien drang kaum Licht herein. Er saß mit dem Rücken zum Fenster. Ihm gegenüber die Frau im grünen Kleid, die sorgfältig ihre braunen Locken auf ihrer Schulter aufdrappierte, als säße sie bei einer Dinnerparty.
Allan hustete. Sie drehte ihren Kopf im Licht, wohl um sein Gesicht erkennen zu können, aber das war ihr nicht möglich. Statt dessen bekam er Gelegenheit, sie ausführlicher zu betrachten. Durchaus ansehnlich, um nicht schön zu sagen, denn das wäre unprofessionell.
Gina Murray. Sie hatte sich knapp vorgestellt. Was aber ganz und gar nicht nötig war. Allan hatte sie in den letzten 4 Jahren oft genug in den lokalen Klatschspalten gesehen. Seit sie den Produzenten geheiratet hatte. Allan hatte Zeit für Klatschspalten, denn sie gehörten zum Job, und außerdem ließ gerade der ihm Zeit genug. Man mochte es Flaute nennen. Aber es war nie besser gegangen. Auch nie schlechter. Im Moment lief es miserabel. Soviel zum Geschäft.
Jetzt aber kam Gina Murray zum Geschäft. In sein Hinterhofbüro. Und das konnte nur eine Trendwende einleiten. Privatdetektive brauchen Aufträge, und reiche Frauen brauchen Privatdetektive, weil ihre reichen Männer andere Frauen brauchen. Reiche Frauen zahlen gut und Privatdetektive freuen sich. Dreisatz so zu sagen.
„Womit kann ich ihnen helfen, Ma’m ?“
„Nicht mit dem Üblichen zumindest.“
Sie starrte geradeaus in sein Gesicht, das vom Gegenlicht verborgen wurde. Er zog an seiner Zigarette, und wartete ab.
„Ich weiß von ihrer, nun ja, ‘Vergangenheit’.“ Auf ihrem Gesicht spielte ein Lächeln, in seinem Gesicht regte sich nichts. In seinem Kopf aber drehte sich die Frage, worauf sie anspielen könnte, und falls es war, was er glaubte, woher sie es hatte, warum sie es ihm sagte, und was sie mit ihrer Information anfangen würde. Nicht eine Frage, sicherlich, aber zumindest könnte es auf alles eine Antwort geben. Er zog wieder an seiner Zigarette.
„Nun ?“ Sie zog fragend eine Augenbraue in die Höhe. „Würden sie es noch einmal tun ?“
„Nein.“ Er entschloß sich zur Undurchsichtigkeit. Worauf sie anspielte ahnte er bereits.
„Das ist bedauerlich“, bemerkte sie, indem sie sich erhob. „Äußerst bedauerlich ...“. Sie lächelte liebenswürdig, beugte sich leicht vor, über den Schreibtisch und reichte ihm die Hand. Die Geste hatte etwas Überlegenes, das er nicht zu fassen vermochte. Er sah auf ihre Hand und in ihren Ausschnitt, der sich beim Vorbeugen nach unten verschob. Ein Lächeln glitt nun auch über sein Gesicht, während er sich in den Anblick vertiefte. Eine verdammt ansehnliche Frau. Doch, doch.
Er ergriff ihre Hand. Sie fühlte sich weich und warm an. „Das ist wirklich bedauerlich“, bestätigte sie nocheinmal, „Darf man fragen warum sie, wenn ich so direkt sein darf, mit dem Töten aufgehört haben ? Ist es des Geldes wegen, oder hat es den Reiz verloren ?“
„Wohl eher letzteres. Das wäre zumindest der Fall, falls ich mich entschließen könnte, ihnen gegenüber davon zu sprechen, ich hätte jemals erwogen einen Menschen zu töten, und das habe ich bisher selbstverständlich nicht getan.“ Ob er nicht erwogen hatte, oder sich nicht entschlossen, ließ er nicht durchblicken.
Ihre Augen blitzten, während sie sich langsam wieder setzte. „Gut, lassen sie uns hypothetisch durchspielen, sie hätten nicht nur erwogen so etwas zu tun, sondern es wäre ihnen auch genehm mit mir darüber ein Gespräch zu führen. Nehmen wir weiter an, sie hätten das Töten aufgegeben, weil es den Reiz verloren hätte. Dann wären sie eventuell bereit es noch einmal zu tun, wenn es einen neuen Reiz entwickelte? Gehen wir davon aus, sie wären unter diesen Umständen bereit, gut,“, reagierte sie auf sein langsames Schutlerheben, das einer gleichgültigen, selbstverständlichen Bestätigung glich, „dann bliebe zu klären, ob meine Bedingung sie reizen könnten.“
Bedingungen?, fragte er sich, das bleibt abzuwarten. Reizen jedenfalls konnte sei ihn. Sowohl privat, als auch beruflich, denn Herausforderungen hatte er weder in dem einen noch dem anderen Bereich bisher gescheut.
Sie wartete nicht auf eine Antwort. Statt dessen lächelte sie ihn überlegen an.
„Also gut. Dann würde ich sagen, das wäre abgemacht.“ Wieder erhob sie sich. Jetzt hatte sie es geschafft, ihn zu verwirren. Er erhob sich ebenfalls noch einmal, nahm ihre Hand und sah in ihren Ausschnitt. Er hatte das ungute Gefühl, sie hätte die Oberhand in diesem Spiel, und hatte ihn in eine Richtung gedrängt, die ihm nicht behagte. Ihr Auftreten war entschieden zu sicher. Zu geschäftsmäßig, zu überlegen. Er fragte sich ernsthaft, ob er einen oder mehrere Fehler gemacht hatte, sie nicht längst hinaus zu bitten.
Sie lächelte immer noch, sein verwirrtes Gesicht - sie konnte es jetzt sehen, weil er sich zu ihr hinüberbeugte - belustigte sie.
„Also gut, Mr. Jakob, habe ich sie geködert ? Sind sie interessiert ? Sehr gut. Das habe ich erwartet. Dann werde ich ihnen erzählen, worum es sich handelt.“ Sie machte eine Pause in der sie auf ihre Finger saß, die sie in ihrem Schoß verschränkt hatte, als sie sich gerade zum dritten Mal gesetzt hatte.
„Das Opfer in dieser Sache ist eingeweiht. Deshalb soll es schnell, überraschend und schmerzlos gehen, sie verstehen? Ich weiß, es ist ungewöhnlich, das Opfer einzuweihen. Nicht dem Opfer zu drohen, sondern die Sache in seinem Einverständnis zu organisieren. Aber es ließ sich nicht vermeiden. Ich konnte es nicht vor dieser Person verheimlichen. Mr. Jakob, ich beauftrage sie hiermit, mich zu töten.“
Sie hielt wieder inne und beobachtete seine Reaktion. Erst stutzte er, dann begann er zu lachen.
„Sehr gut, Mrs. Murray, ich wäre ihnen beinahe auf den Leim gegangen. Aber der Scherz ist nun doch ein bißchen makaber. Soweit hätten sie nicht gehen sollten. Jetzt verraten sie mir bitte noch, was sie erreichen wollten, und dann verlassen sie mein Büro.“ Er gab sich einen geschäftsmäßigen Anstrich und griff nach einer zerfledderten Akte, die auf einem Seitentisch gelegen hatte, so als wollte er arbeiten.
Er lachte noch leise vor sich hin, bis die Intensität ihres Blickes ihn zwang, aufzusehen. Sie schien gar nicht amüsiert, und sah ihn unverwandt an. Ein zarte Gänsehaut breitete sich über seinen Körper aus, und unwillkürlich lief ein Schauer über seinen Rücken.
Nach einer Weile, als er stumm ihrem Blick auswich, sah auch sie wieder nach unten. „Es ist mein voller Ernst, Mr. Jakobs, glauben sie mir, ich mache keine Scherze. Nicht mit einem so, sie haben Recht, makaberen Thema, wie meiner eigenen, nun, ... Tötung. Die Sache ist die“, fügte sie mit etwas rauherer Stimme hinzu, „ich leide an einer psychischen Krankheit. Sie führt dazu, daß ich nicht mehr ich selbst bin. Ich sorge während der Anfälle dafür, daß ich mich selbst leiden lasse. Sehen sie hier.“ Sie schob den linken Ärmel ihres Kleides ein wenig nach oben und eine rotangelaufene Narbe wurde sichtbar, die sich in einer nicht ganz gleichmäßigen Spirale um den ganzen Unterarm wand. „ich füge auch anderen Menschen Dinge zu, für die ich mich schäme, aber ich kann nun mal nicht anders. Das einzig, was ich nicht fertig bringe, ist, es ein für alle Mal zu beenden. Ich kann nur die Schmerzgrenze heraufschieben, nicht mich töten. Glauben sie mir,“ ihre Stimme war kaum mehr ein Flüstern, sie sprach wie zu sich selbst. „Ich würde es gerne selbst tun. Aber ich schaffe es nicht. Und deshalb bin ich auf sie gekommen - ich habe meine Kontakte - weil sie es schnell hinkriegen, und schmerzlos und außerdem, bleiben wir realistisch: Bei Selbstmord zahlt keine Lebensversicherung, bei Mord schon.“ Am Schluß hatte ihre Stimme wieder den festen Tonfall angenommen, den sie am Anfang gehabt hatte, die schwache Phase dazwischen schien nie zu Tage getreten zu sein.
Er glaubte ihr. Warum auch immer. Er hatte keinen Grund daran zu zweifeln, daß sie meinte, was sie sagte. Es klang in seinen Ohren logisch, überzeugend und gar nicht mehr so abwegig.
„Es gibt neben dem Reiz, den sie sich jetzt vorstellen können, noch weitere Vorzüge: Wenn sie ihren Job gut machen - und davon gehen ich aus - dann gibt es keine Zeugen, weil ich tot bin. Und ich verspreche, im eigenen Interesse habe ich keine Spuren hinterlassen. Mein Mann würde es nie verstehen, sie wissen? Er darf es ich erfahren. Ich zahle selbstverständlich bar und zwar sofort. Und falls sie Schußwaffen immer noch bevorzugen, ich habe eine handliche 38er, nicht registriert, die lasse ich ihnen ebenfalls hier. Überlegen sie es sich. Wenn sie ablehnen wollen, dann erwarte ich in den nächsten Tagen ein Paket mit diesen Sachen an dieses Postfach hier.“ Sie legte ein dickes Bündel Scheine, eine glänzende Waffen und ein Stück Papier auf die Ecke des Tisches. Dann stand sie ohne ein weiteres Wort auf, und verschwand durch die Tür. Er sah ihr nach, während er die Handschuhe überzog, und nach der Waffe griff. Er wog sie in der Hand, und ein Lächeln huschte über sein Gesicht.
Um eine so schöne Frau würde es ihm leid tun. Aber das war nunmal das Geschäft und das fragte nicht nach gutem Aussehen.

Er wartete seit einer Stunde in der Tiefgarage des Hauses. Das Tor schob sich hoch, ließ Ginas Wagen herein und schloß sich wieder. Der Nachtwächter war auf seiner Runde, die Zeit würde reichen. Als sie ausstieg und ihre Handtasche vom Rücksitz nahm, zielte er, drückte ab, der Schalldämpfer ließ ein sanftes Plöpp heraus uns Gina sank lautlos in sich zusammen. Er ging hinüber und sah auf die Tote herab. Ihr sommerliches Kleid mit den kurzen Ärmeln wirkte reizend. Die Haut an beiden Armen war makellos.
Ein eiskalter Schauer lief über seinen Rücken, denn er erkannte Gina Murray nur lückenhaft wieder. Große Ähnlichkeit, aber mehr nicht.
Vier Wochen später stand Arthur Murray vor dem Altar, wiedereinmal. Seine Braut hatte fließendes blondes Haar und gefährlich blitzende Augen. Allan erkannte sie wieder, als er ihr in Gedanken ein braune Perücke und ein grünes Kleid überzog. Verschiedene Gedanken ließen ihn nicht los.
Schweigend verließ er die Kirche.

 

@Adrian

danke erstmal für die Kritik. ich erd mir die Sache nochmal sehr gründlich ansehen, unter Deinen Aspekten.
Was ich jetzt schonmal dazu sagen kann: Ich habe gerade mit diesem Sprachstil versucht, diese alten Schwarz-Weiß-Detektiv-Serien zu immitieren. Diese Serien, mit dem rauchenden Hinterzimmer-Ermittler und den heißen Blondinen ...
naja, muß nochmal sehen, ob das auch so rausgekommen ist, wie's gemeint war.
Der englische Titel fiel mir dazu ein, weil "sie" ja immerhin verlang, "sanft" und schnell getötet zu werden.
Außerdem sollte das ein Wiederaufnehmen des Song-Titels sein. Vielleicht, um Interresse zu wecken.

Danke auf jeden Fall für das genaue Lesen und Deine ehrliche Meinung!

Gruß, Arc

 

Dies war die erste Geschichte, die ich auf dieser Seite gelesen habe, und ich muss sagen, dass ich sehr positiv überrascht war. Ich glaube, dass ich hier in Zukunft öfters vorbeischauen werde.

Wie gesagt fand ich die Geschichte sehr gelungen. Die Atmosphäre wurde gut eingafangen, was ich bei einem solchen Szenario für das Wichtigste halte.

Dass die Sprache an einigen Stellen etwas ausgefeilter sein könnte ist wahr. Andere Stellen sind aber ziemlich cool formuliert, zum Beispiel die "Flaute".

Der Titel hat auf der Startseite mein Interesse geweckt und damit seinen Zweck voll und ganz erfüllt. Er macht neugierieg und die Anspielung auf das Lied finde ich auch passend, wenn es da keine Copyright-Probleme gibt - mann weiss ja nie, in Zeiten von Gravenreuth & Co. werden Privatpersonen ja doch öfters mal wegen den blödesten Kleinigkeiten verklagt. Andererseits gibt es so viele Lieder mit gleichen Titeln...

Auf jeden Fall weiter so!

Cuckoo

 

Hi!
erstmal danke @Kristin: Du hast Nios Verwirrung um die Personen aufgeklärt.
und endlich habe ich es geschafft, ich habe war Nio verwirt, aber endlich überrasche ich Kristin...
es gibt Zeichen und Wunder - in der Weihnachtszeit!


@nio: die Geschichten sind im Abstand von gut 3 Jahren geschrieben und haben auch sonst keine Verbindung. Ich finde manchmal einfach ein Zitat,ein Sprichwort, einen Ausdruck, eine Formulierung .. die mich auf eine Idee bringt. und manchmal wird das dann eben auch der Titel.

danke für's Lesen, Kommentieren, Kritisieren,...
gruß, arc

 

Hallo arc en ciel,

die Geschichte hat mir sehr gut gefallen, ich finde auch, dass Du die Stimmung der schwarz-weissen Detektiv-Filme gut dargestellt hast. Ich hatte zumindest nach den ersten Sätzen genau solch eine Szene vor Augen.

Im übrigen dachte ich eine ganze zeitlang, dass diese Geschichte und meine Geschichte "Immer weiter, bis zum Ende." auf einer ähnlichen Idee basieren. Dass ein Killer von dem Opfer selbst engagiert wird. Allerdings macht der Twist, den Du am Ende hineinbringst, Deine Idee noch um einiges interessanter!
Finde aber auch (wie von den anderen schon erwähnt), dass am Ende zu schnell die Luft raus ist. Das muss mit einem viel größeren Knall enden, bildlich gesprochen.

viele Grüße,
philipp

[Beitrag editiert von: philipp am 16.12.2001 um 15:38]

 

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