Kinder des Windes
Der dunkle Nachthimmel spannte sich wie ein Netz, gespickt mit funkelnden Steinchen, über den finsteren Wald. Das Licht des großen Vollmondes spiegelte sich im schwarzen Wasser des leise plätschernden Baches.
Das Aufplatschen eines Kieselsteines unterbrach die Stille für einen Moment. Das Spiegelbild des Mondes verschwamm und das verzerrte Bild eines kleinen Mädchens schob sich vor das des Mondes. Platscht – eine Träne ließ das Wasser erneut erzittern. Das Gesicht an der Wasseroberfläche verschwand wieder.
Das Mädchen ging schweigend zu einem Baum und legte sich zu dessen Wurzeln wieder.
Sie zog die Knie an den Körper, um sich zu wärmen. Der Wind fegte mit einer eisigen Kälte an ihren Händen vorbei und das Rascheln einiger Blätter war zu hören. Sie mochte den Wind wenn er so zu ihr redete. Der Wald war ihr zu Hause und drohte sie dennoch jede Nacht umzubringen. Sie war den bittersüßen Stimmen des Windes in die fremde Welt gefolgt.
Der Wind streichelte ihr sanft übers Gesicht und ließ die Tränen erstarren. Sie hob den Blick und ein Windhauch strich ihr die zerzausten Haare aus dem Gesicht. Sehnsüchtig schaute sie zu den Sternen auf. „Jeder dieser Sterne ist eine verstorbene Seele, die nun über dich wacht“, flüsterten ihr die Windesstimmen jede Nacht ins Ohr.
Ein kalter Schauer durchfuhr ihren zarten, mageren Körper und ließ sie erzittern. Sein wie der Wind, die Sterne berühren, frei sein. Ihre letzten Gedanken bevor sie zum letzten Mal in den Himmel schaute und die Augen für immer schloss. Schlaf gut, wir sehen uns bald wieder, mein Kind flüsterte der Wind ein letztes Mal und verhüllte das Mädchen mit dunklen Blättern.