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Kinderglaube

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22.03.2006
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Kinderglaube

Nun war es also eine beschlossene Sache. Eine beschlossene Sache unserer Eltern. Wir würden wieder einmal, wie schon so oft, nach Spanien fahren. Wir, d.h., Jean, mein kleiner fünfjähriger Bruder und ich, gerade 11 Jahre alt geworden, waren überhaupt nicht begeistert von diesem Vorhaben. Volle Strände, heißes Wetter und vor allem unfreundliche Menschen, die uns ständig belehrten, wo wir zu spielen hatten und wo nicht, war nicht gerade die Vorstellung, die wir von unseren Pfingstferien hatten. Wir wären viel lieber ins Gebirge gefahren, irgendwohin wo es viel Schnee gab. Doch das interessierte unsere Eltern recht wenig, und später als Jean zu weinen begonnen hatte, war Papa auch noch böse geworden und hat gesagt, daß wir uns nun gefälligst umziehen sollten und zwar ein bißchen „Dalli“, weil er schließlich pünktlich zu Opas achtzigsten Geburtstag erscheinen wolle.

Als wir später überpünktlich bei Opa angekommen waren, fragte uns jener, was denn mit uns los sei, da er die bedrückte Stimmung von uns beiden sofort bemerkt hatte. Wir mochten Opa sehr. Er war ein gütiger und sehr einfühlsamer Mensch und ich liebte seine sanfte Bärenstimme. Jean kletterte immer noch gerne auf seinen Schoß, wenn er uns eine seiner vielen Geschichten aus seinem langen Leben erzählte. Ich fühlte mich schon ein wenig zu alt dafür, saß aber immer gerne ganz dicht neben ihm um seine Nähe zu spüren. Wir hörten ihm immer gerne und aufmerksam zu, da seine Geschichten, vor allem die aus seiner Jugendzeit, wirklich spannend waren.
Jean ließ sich also vorsichtig auf Opas Knien nieder und plapperte aufgeregt los:

„ Wir müssen nach Spanien fahren, hat Papa gesagt, aber ich will nicht!
„Warum willst du denn nicht?“, fragte Opa
„Weil es da immer so langweilig ist! Außerdem kann man da nicht Schlitten fahren!“
Opa sah mich leicht irritiert und fragend an.
„Ja“, sagte ich, „Jean hat schon recht, es ist da wirklich ganz schön langweilig, weil es dort keinen Spielplatz gibt und die Leute uns dauernd schimpfen, wenn wir am Strand Ballspielen oder so. Letzes Jahr ist auch ein anderer Junge ganz viel von seinem Papa geschimpft worden, weil eine fremde Frau auf eines von seinen Autos gestiegen ist und sich weh getan hat!“
„Und Schlitten fahren kann man da auch nicht!“, betonte Jean ein zweites Mal.
Er hatte im Kindergarten einmal von einem Spielkameraden mitbekommen, daß dieser in den Pfingstferien mit seinen Eltern in den Dolomiten gewesen war und dort unter anderem Schlitten gefahren war. Seitdem ließ ihn diese Idee nicht mehr los.
„Du mußt uns unbedingt helfen, Opa! Wir wollen nicht nach Spanien!“, bat Jean mit weinerlicher Stimme.
„Tja“, sagte Opa, nach einem kurzen Räuspern, „ Ich würde euch gerne helfen, aber ich weiß nicht, ob ich das kann? In meiner Kindheit wären wir liebend gerne in fremde Länder gereist, wo die Sonne den ganzen Tag scheint und man niemals frieren muß, aber damals konnte sich das ja so gut wie niemand leisten. Ich war in meinem ganzen Leben noch nie am Meer und ich bin auch noch nie mit einem Flugzeug geflogen! Ehrlich gesagt, beneide ich euch sogar ein wenig darum, da es ja heutzutage ganz selbstverständlich ist zu verreisen. Ich bin ja jetzt leider zu alt dazu!“
Unbewußt knetete Großvater seine rheumageplagten Hände und meinte:
„ Irgendwie verstehe ich euch aber auch, Kinder brauchen Platz zum spielen! Den gab es bei uns immer genug!
Er kratzte sich nachdenklich am Kopf. Wahrscheinlich wollte er auf der einen Seite unsere Eltern nicht bloßstellen und uns auf der anderen Seite nicht im Stich lassen.
„Ich kann euch nur einen Vorschlag machen und euch raten, dass zu tun, was ich damals immer mit meinem besten Freund Simon gemacht habe, wenn uns das Fernweh gepackt hat. Wir haben uns nachts heimlich in das Schreibzimmer seines Vaters geschlichen und vorsichtig die großen Bilder von den Wänden genommen um sie auf den Boden zu stellen. Das waren natürlich noch mit Ölfarben bemalte Gemälde. Damals gab es ja noch keine schöne bunte Fotografien wie ihr sie kennt. Wenn man überhaupt mal welche zu Gesicht bekam, waren die schwarzweiß und oft undeutlich. Für unser Vorhaben brauchten wir aber etwas Buntes und Lebensechtes! Diese Kunstwerke also zeigten uns ziemlich gut wie es in fremden Ländern in etwa aussah. Wir sahen da wunderschöne Landschaften mit riesigen Seen oder verlassene Sandwüsten mit seltsamen stacheligen Gewächsen. Damals wußten wir noch nicht, dass man die Kakteen nannte!“
„Jedenfalls“, erzählte Opa nun mit etwas gedämpfterer Stimme weiter, „ haben Simon und ich uns leise vor einem der Bilder niedergekniet, daß wir uns am Tage ausgesucht hatten. Dann haben wir es uns eine Weile sehr konzentriert angesehen, irgendwann die Augen geschlossen und sind schließlich in das Bild eingetaucht. Danach waren wir an jenem Ort, daß uns das Bildnis vorher gezeigt hatte. Dort sind wir dann entweder im Meer geschwommen oder haben hohe Gipfel erklommen!“
Opa sah uns mit in Erinnerung schwelgenden Augen an und wir glotzten mit offenen Mündern zurück. Jean schrie fast vor Begeisterung und krabbelte aufgeregt von Opas Schoß. Er baute sich mit fuchtelnden Armen vor uns auf und seine Worte überschlugen sich fast vor Euphorie und Tatendrang.
„Auja, das machen wir auch“, sagte Jean, „ ich weiß auch schon wie und wo. Oben im Hobbyraum, wo die große Fototapete an der Wand ist!“
Die erwähnte Fototapete stellte eine schneebedeckte Berglandschaft dar, die in idyllischer Einsamkeit dalag. Unberührtes Weiß vor einem strahlendblauem Himmel. Gerade als ich anfing Opas Erzählungen ein wenig anzuzweifeln, meinte dieser:
„Ihr müßt es euch aber von tiefstem Herzen wünschen und ganz fest daran glauben- nur dann klappt es!!“
„Hat es denn bei euch immer geklappt?“, wollte ich wissen.
„Immer!“, erwiderte er und sah mich dabei ernst und mit offenem Blick an.
Später als wir wieder Zuhause waren, konnte es Jean gar nicht erwarten, sich im Kinderzimmer die Sonntagskleider vom Leibe zu reißen und sich heimlich seine Winterkleidung aus dem Keller zu holen. Ich hatte ihn eingeschärft Mama und Papa nichts von alledem zu erzählen.
Den Schlitten, den er verstohlen mit ins Dachgeschoß, wo sich der Hobbyraum befand, schleppen wollte, konnte ich ihm gerade noch, mit der Erklärung, daß man ihn immer noch holen könnte, falls das Ganze klappen sollte, ausreden. Schließlich befanden wir uns, Jean in Winterkleidung gehüllt und ich, mit einer etwas dickeren Sommerjacke bekleidet, auf allen Vieren sitzend vor der besagten Fototapete. Winterkleidung war mir doch ein wenig zu lächerlich erschienen, da ich offen gestanden nicht so recht an das Ganze glauben konnte und ich mir ziemlich blöde damit vorgekommen wäre, wenn mich meine Eltern doch noch damit gesehen hätten. Andererseits konnte man ja nie wissen, was alles passiert und frieren wollte ich nun auch wieder nicht.
Wir konzentrierten uns also eine Weile auf das Bild vor uns und schlossen dann die Augen. „Bums“, machte es links neben mir, wo Jean kniete. Ich öffnete die Augen und erblickte Jean, der sich die Stirn rieb. „Aua!“, meinte er mit seltsamen Blick, „ ich muß wohl gegen einen Felsen gestoßen sein!“
Er wechselte daher seine Position, bei der er seiner Meinung nach einen besseren Einstieg in das Bild hätte. Auch ich hatte mir die rechte Schulter an der Wand gestoßen und war nun noch skeptischer als vorher. Doch ich wollte Jean nicht die Freude verderben und konzentrierte mich daher auf den zweiten Anlauf. Ich versuchte nun ganz fest daran zu glauben. " Du darfst keine Angst haben, du darfst keine Angst haben....!“, ermahnte ich mich selbst, und mußt es dir ganz fest wünschen. „Glaub` daran, glaub` daran!“, sagte ich immer wieder zu mir selbst, so als wollte man sich in Selbsthypnose versetzen. Kurz bevor ich in das Bild eintauchen wollte, hob ich den rechten Arm vor mein Gesicht um mir nicht weh zu tun. Ich quetschte mir dadurch leicht den Arm und öffnete deswegen die Augen. Es hatte nicht geklappt! Noch immer saß ich wie ein Bekloppter vor der tapezierten Wand. Mir reichte es jetzt!. Ich hatte keine Lust mehr und verfluchte insgeheim Opas seltsame Geschichten. Ich wandte mich zu Jean um- und erstarrte. Er war weg! Sein Platz war, bis auf ein altes Taschentuch, daß ihm wohl aus seiner Jacke gerutscht sein mußte, leer.
„Oh Gott, was sollte ich jetzt tun?“ Er hatte es geschafft! Ich war so verblüfft, dass ich im ersten Moment nicht wußte, was ich tun sollte? Doch dann wurde ich einer lähmenden Panik ergriffen und mir wurde vor lauter Schuldgefühlen ganz heiß. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war Jean nun in einer fremden und menschenleeren Umgebung ganz auf sich alleine gestellt. Bestimmt wartete er dort jetzt schon ganz ungeduldig auf mich. Was, wenn er plötzlich angst bekommt, wenn er bemerkt, dass ich nicht nachkomme und völlig verschreckt umherläuft um mich zu suchen und dann vielleicht in eine Gletscherspalte fällt? Ich wäre nicht da um ihm zu helfen oder um Hilfe zu holen. „Was mache ich jetzt nur?“. Unruhig lief ich im Zimmer umher. „Oh Gott!“, plötzlich fiel mir auch noch ein, dass wir ganz vergessen hatten Opa zu fragen wie man eigentlich wieder zurückkommen kann! Mir wurde ganz schwindelig vor Angst. Voller Verzweiflung stürzte ich mich auf meine Knie um einen weiteren Versuch zu starten als sich plötzlich die Zimmertür öffnete und Jean vor mir stand.
„Wo bleibst du denn?“, wollte er wissen.
Mich traf fast der Schlag!
„Wie bist du denn wieder hierher zurückgekommen?“, fragte ich ihn mit zitternder Stimme.
„Hä?“, fragte Jean, „ bist du blöde? Über die Treppe natürlich, wie immer! Und jetzt komm` endlich! Mama hat uns schon ein paar mal gerufen“ sagte er, „ es gibt Abendbrot. Ich dachte, du hättest es auch gehört und kommst gleich nach! Ich habe mich nur noch schnell umgezogen!“
Ich umarmte meinen Bruder innig, ließ ihn überrascht dastehen und ging voller Erleichterung, noch etwas staksig, die Treppe hinunter. Von nun an zweifelte ich nie wieder an den Worten meines Großvaters!

 

Hallo Bambesene,

herzlich Willkommen auf Kurzgeschichten.de!

Nun, ich schätze, dass die Kinder die Geschichte des Großvaters etwas missverstanden haben. Ein schönes Beispiel dafür, wie leicht Kinder manchmal auf eine völlig andere Fährte gelockt werden. :)

Insgesamt hat mir deine Geschichte leider nicht so gut gefallen. Du beschreibst an vielen Stellen zu viel, vor allem am Anfang. Ab der Erzählung des Großvaters wird das ganze etwas Lebendiger.

Die Erzählung des Großvaters liest sich für mich etwas Konstruiert. Ich weiß nicht, ob ein Großvater wirklich so reden würde oder ob du nicht eher einen dieser "Bilderbuchopas" dargestellt hast. Das hat mir nicht so gut gefallen. Überhaupt haben deine Charaktere sehr wenig Eigenleben. Vielleicht solltest du sie noch mit mehr Details ausstatten. Bei Jean hast du das zum Teil schon gemacht, als du seine Vorliebe zu Schnee geschildert hast.

LG
Bella

 

hallo bella,

danke erstmal für die begrüßung!
ok, der anfang passt nicht so ganz...jetzt wo es einer sagt....ok...lässt sich ändern. der großvater war absichtlich "bilderbuchmäßig" dargestellt!. den rest verstehe ich nicht ganz. ich soll nicht "so viel labern" (deutlich ausgedrückt...;-) ) ...dann aber doch mit mehr details kommen....? wie genau meinst du das?
mal nebenbei: fandest du die geschichte " eigentlich scheiße" (mal ganz ehrlich?)....dann brauch ich sie gar nicht erst überarbeiten......so sehr hängt mein herz dann auch wieder nicht daran!

grüße

bam

 

Hallo Bambenese,

nein, "Scheiße" fand ich deine Geschichte auf keinen Fall, nur überarbeitungswürdig.
Was ich mit dem "zuviel Labern" gemeint habe: Du wiederholst manchmal die gleichen Sachen mehrmals, als wolltest du total sicher gehen, dass der Leser auch wirklich alles versteht. Das ist etwas langweilig.

LG
Bella

 

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