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Kinderspielplatz
Kinderspielplatz
Es gibt nur einen Spielplatz im Viertel.
Es gibt auch nur zwei Zimmer in der kleinen Wohnung.
Zwei Zimmer und drei Fenster. Und eine Tür.
Zwischen der Tür und der Straße liegen fünf Stockwerke und ein finsteres Treppenhaus.
Der Lichtschalter geht nicht, hat der kleine Mann von der Wohnungsvermittlung gesagt, der Lichtschalter geht nicht.
Aber das macht ja nichts.
Irgendwann reparieren sie ihn und dann kann man sich doppelt freuen, weil man so lange gewartet hat.
Das hat der Mann auch gesagt.
Er hat viele Sachen gesagt. So viele Worte für so eine kleine Wohnung.
Warmes Wasser hat man. Und eine Dusche.
Das ist hier Standard.
Genickt hat er dazu, immer genickt. Als wollte er alles unterstreichen mit seinem Nicken.
Er hat auch genickt, als sie nach dem Spielplatz gefragt hat.
Ja, es gäbe einen Spielplatz. Nur einen zwar, aber der wäre sehr gut. Schaukel, Rutsche, Klettergerüst.
Und der Mann hat genickt. Dann hat er sie angeschaut und die Stirn ganz schief gerunzelt. Ob sie das verstehe.
Ja. hat sie gesagt. Ja, sie versteht.
Da hat er genickt und das Kind angeguckt.
Das Kind hat Angst im Treppenhaus.
In der Dunkelheit wohnen Gespenster.
Ob der kleine Mann mit seiner goldenen Uhr das weiß?
Aber von der Tür bis zur Straße sind es nur fünf Stockwerke und fünf mal sechzehn Treppenstufen.
Auf der Straße wohnen keine Gespenster, sagt das Kind und rennt. Sie folgt ihm langsam.
Auf der Straße fahren Autos nur Schrittgeschwindigkeit, hat der Mann gesagt.
Das Kind rennt und rennt und rennt.
Sie schaut ihm hinterher. Ein großer Hund führt eine alte Frau an der Leine und biegt mit ihr um die Ecke.
Jetzt hat das Kind Angst. Es rennt nicht mehr.
Sie hält seine Hand. Es soll nicht weglaufen. Zwischen den Häusertürmen gehen kleine Kinder verloren, sagt sie.
Warum, fragt das Kind.
Sie weiß es nicht.
Von der Straße bis zum Spielplatz sind es einhundert Schritte.
Der Spielplatz ist klein und voller Sand und voller Kinder.
Sie schreien und werfen mit Sand und mit Gras und mit Steinen und mit Schmutz.
An der Schaukel lümmeln Jugendliche und rauchen.
Sie lachen.
Zwischen ihnen sind Flaschen.
Das Kind will rutschen.
Sie hilft ihm auf die Rutsche.
Auf der Rutsche stehen Buchstaben.
Scheißmatze, Leonie stinkt, Scheißcity, Hau ab, und Wörter die sie nicht lesen will.
Das Kind rutscht.
Über die Buchstaben.
Im Sand liegt ein Hundehaufen.
Jetzt liegt das Kind im Sand und lacht.
Noch mal, ruft es.
Ich muss die Hose waschen, denkt sie. Mit dem Wasser in der Wohnung.
Auf dem Klettergerüst schläft ein Mann mit langen Haaren.
Er schnarcht.
Warum schläft der Mann, fragt das Kind.
Er ist müde, sagt sie.
Warum, fragt das Kind.
Sie weiß es nicht.
Der Spielplatz ist klein und voller Kinder.
Es gibt nur einen Spielplatz im Viertel.
Es gibt auch nur zwei Zimmer in der kleinen Wohnung.
Das Kind spielt mit einem anderen Kind.
Es lacht.