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Kinderspielplatz

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23.02.2010
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Kinderspielplatz

Kinderspielplatz


Es gibt nur einen Spielplatz im Viertel.
Es gibt auch nur zwei Zimmer in der kleinen Wohnung.
Zwei Zimmer und drei Fenster. Und eine Tür.
Zwischen der Tür und der Straße liegen fünf Stockwerke und ein finsteres Treppenhaus.
Der Lichtschalter geht nicht, hat der kleine Mann von der Wohnungsvermittlung gesagt, der Lichtschalter geht nicht.
Aber das macht ja nichts.
Irgendwann reparieren sie ihn und dann kann man sich doppelt freuen, weil man so lange gewartet hat.
Das hat der Mann auch gesagt.
Er hat viele Sachen gesagt. So viele Worte für so eine kleine Wohnung.
Warmes Wasser hat man. Und eine Dusche.
Das ist hier Standard.
Genickt hat er dazu, immer genickt. Als wollte er alles unterstreichen mit seinem Nicken.
Er hat auch genickt, als sie nach dem Spielplatz gefragt hat.
Ja, es gäbe einen Spielplatz. Nur einen zwar, aber der wäre sehr gut. Schaukel, Rutsche, Klettergerüst.
Und der Mann hat genickt. Dann hat er sie angeschaut und die Stirn ganz schief gerunzelt. Ob sie das verstehe.
Ja. hat sie gesagt. Ja, sie versteht.
Da hat er genickt und das Kind angeguckt.
Das Kind hat Angst im Treppenhaus.
In der Dunkelheit wohnen Gespenster.
Ob der kleine Mann mit seiner goldenen Uhr das weiß?
Aber von der Tür bis zur Straße sind es nur fünf Stockwerke und fünf mal sechzehn Treppenstufen.
Auf der Straße wohnen keine Gespenster, sagt das Kind und rennt. Sie folgt ihm langsam.
Auf der Straße fahren Autos nur Schrittgeschwindigkeit, hat der Mann gesagt.
Das Kind rennt und rennt und rennt.
Sie schaut ihm hinterher. Ein großer Hund führt eine alte Frau an der Leine und biegt mit ihr um die Ecke.
Jetzt hat das Kind Angst. Es rennt nicht mehr.
Sie hält seine Hand. Es soll nicht weglaufen. Zwischen den Häusertürmen gehen kleine Kinder verloren, sagt sie.
Warum, fragt das Kind.
Sie weiß es nicht.
Von der Straße bis zum Spielplatz sind es einhundert Schritte.
Der Spielplatz ist klein und voller Sand und voller Kinder.
Sie schreien und werfen mit Sand und mit Gras und mit Steinen und mit Schmutz.
An der Schaukel lümmeln Jugendliche und rauchen.
Sie lachen.
Zwischen ihnen sind Flaschen.
Das Kind will rutschen.
Sie hilft ihm auf die Rutsche.
Auf der Rutsche stehen Buchstaben.
Scheißmatze, Leonie stinkt, Scheißcity, Hau ab, und Wörter die sie nicht lesen will.
Das Kind rutscht.
Über die Buchstaben.
Im Sand liegt ein Hundehaufen.
Jetzt liegt das Kind im Sand und lacht.
Noch mal, ruft es.
Ich muss die Hose waschen, denkt sie. Mit dem Wasser in der Wohnung.
Auf dem Klettergerüst schläft ein Mann mit langen Haaren.
Er schnarcht.
Warum schläft der Mann, fragt das Kind.
Er ist müde, sagt sie.
Warum, fragt das Kind.
Sie weiß es nicht.
Der Spielplatz ist klein und voller Kinder.
Es gibt nur einen Spielplatz im Viertel.
Es gibt auch nur zwei Zimmer in der kleinen Wohnung.
Das Kind spielt mit einem anderen Kind.
Es lacht.

 

Hallo LicaAnna,

und herzlich willkommen hier. Manchmal fährst du mir mit diesem Text etwas zu sehr auf der Betroffenheitsschiene, da wäre weniger ganz sicher mehr gewesen. Stilistisch liest es sich ein bisschen, als hättest du gerade Clara Asher-Pinkhoffs "Sternkinder" gelesen. Die knappen kurzen Beschreibungen aus Kinderperspektive. Schön daran, dass das Kind trotz der drückenden Beschreibungen lachen kann. Andererseits denke ich auch manchmal, was an den Beschreibungen ist so schlimm, dass diese drückende Atmosphäre nötig erscheint? Rauchende Jugendliche auf einem Kinderspielplatz? Ein schlafender Mann, mit dem wir mglw. einen Obdachlosen assoziieren sollen, obwohl nichts darauf hindeutet? Flaschen, in denen genauso gut Mineralwasser wie Bier sein könnte?
Welche moralischen Bewertungen drängeln sich da durch den Text, obwohl du doch deutlich versucht hast, gerade die zu vermeiden? In der Wortwahl sind sie aber da. In der Atmosphäre ist die Wertung. Und von den Spielplatzklischees, die sicherlich nicht umsonst entstanden sind, lässt du keines aus, natürlich auch nicht den Hundehaufen in der Sandkiste.
Von der Gestaltung her finde ich den Text durchaus gut. Den Tonfall hältst du schön durch, er lässt sich gut lesen, aber inhaltlich finde ich ihn zu dick.
Die Namenlosigkeit finde ich bei diesem Text unnötig, da sie die Moralkeule noch zusätzlich verstärkt.

Dinge, über die ich gestolpert bin:

Als wolle er alles unterstreichen mit seinem Nicken
In diesem Fall Konjunktiv 2: wollte
Ob sie das verstehe
dito
Sie hält seine Hand. Es soll nicht weglaufen. Zwischen den Häusertürmen gehen kleine Kinder verloren, sagt sie.
Wie das? Sie schaut ihm doch aus dem Fenster hinterher. Oder hält die unbekannte Frau mit dem Hund die Hand?

Lieben Gruß
sim

 

Hej LicaAnna,

den Anfang finde ich gut, irgendwie hat diese Aufzählung was. Der Stil gefällt mir auch.

Der Lichtschalter geht nicht, hat der kleine Mann von der Wohnungsvermittlung gesagt, der Lichtschalter geht nicht.
Die Wiederholung könnte eigentlich weg.

Ich war mir wie sim eine zeitlang nicht sicher, ob sich jetzt die Frau mit Hund um das Kind kümmert. Vielleicht kannst Du das deutlicher machen?

Die Aufzählung der Missstände auf dem Spielplatz wirkt sehr geballt, das könntest Du auflockern, indem du dazwischen dem Kind oder auch Kind und Mutter noch mehr Raum gibst.
Das Ende ist schön :), ohne dass das Kind oder Kind-sein dabei verbrämt oder schöngeredet wird.

Mir hat's gefallen.

Viele Grüße
Ane

 

Hallo , willkommen!

Der Lichtschalter geht nicht
Da es sich auf das Teppenhaus bezieht, würde ich ein dort" einfügen.

Aber das macht nichts.
Falls das O-Ton vom Hauswart sein soll, würde ich etwas flappsiger schreiben: aber das macht ja nichts

So viele Worte für so eine kleine Wohnung.
Gefällt mir :-)

Ja, es gäbe einen Spielplatz.
Obwohl das hier indirekte Rede ist, würde ich - als Wiederholung des Beginns - hier Indikativ setzen.

Ein großer Hund führt eine alte Frau an der Leine und biegt mit ihr um die Ecke.
Schön!


Mir gefällt die Geschichte, die Kargheit der Situation in die Analogie der Sätze gepackt.

 

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