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Kleine Geister

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07.01.2005
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Kleine Geister

Es wird warm sein, hat er gesagt. Und es wird dunkel sein.
Der Raum wird groß sein und du wirst die Wände nicht sehen können.
Du wirst überhaupt nichts sehen können.
Er hat gesagt, du wirst glauben, deine Augen müssten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Aber es wird sich nichts ändern, auch nach einer Weile nicht.
Da wird eine Flasche in dem Raum sein. Sie wird direkt vor dir stehen, vertrau mir da, hat er gesagt. Aber du wirst sie nicht sehen können.
Du wirst überhaupt nichts sehen können.

Vielleicht bist du allein. Vielleicht bist du es nicht.
Vielleicht wirst du dich anfangs sogar wohl fühlen, in diesem warmen, dunklen Raum, hat er gesagt. Besser warm als zu kalt, wirst du denken. Obwohl es bekanntlich irgendwann egal ist, ob zu warm oder zu kalt.
Du wirst dasitzen. Du wirst gelangweilt tun. Vielleicht wirst du lachen.
Aber mit der Zeit wird sich dein Körper verändern. Er wird sich viel näher anfühlen, auch wenn das seltsam klingt, hat er gesagt.
Du wirst den Kopf drehen, du wirst blinzeln, ganz angestrengt. Rufe ruhig, hat er gesagt. Sprich mit dir selbst oder spich mit mir, es ist egal. Aber erwarte keine Antwort, das ist sehr wichtig.
Such die Flasche, hat er gesagt, sie steht ganz nah vor dir. Such dir einen Anhaltspunkt in der Leere. Nur das du nicht weißt, ob die Dunkelheit wirklich leer ist.
Wenn du die Flasche gefunden hast, halt sie ganz fest. Drück sie an dein Gesicht, wenn du möchtest. Überzeug dich davon, dass sie wirklich da ist. Überzeug dich davon, dass dein Körper wirklich da ist. Betaste deine Arme, berühr dein Gesicht.
Irgendwann wirst du dich fragen, was in der Flasche ist. Riech ruhig daran, hat er gesagt. Aber denk daran, dass die meisten Gifte geruchlos sind. Das könnte sehr wichtig sein.

Du wirst die Flasche in den Händen behalten, ihr Gewicht wird beruhigend sein, hat er gesagt. Aber du wirst versuchen, nicht mehr an sie zu denken. Es wird viel wichtiger scheinen, über die Dinge, die hinter deinem Rücken sein könnten, nachzudenken.
Du wirst dir eine Wand wünschen, hat er gesagt. Mach dich auf die Suche, ich werde dich nicht abhalten. Ich nicht.
Du wirst ein Prickeln spüren, in diesem ganz nahen Körper. Und während du dich über den Boden tastest, wirst du fast erwarten in etwas Warmes zu greifen. Oder in etwas Kaltes. Oder in etwas Weiches.
Du wirst glauben, zu spüren wie es unter deiner Hand zuckt. Wegzuckt oder ein letztes Mal erbebt und dann nachgibt. Mit einem Knacken. Oder einem satten, dumpfen Geräusch.
Was wäre schlimmer für dich?
Du wirst dir auf die Lippen beißen und sie werden spröde sein. Fühl ruhig hin mit deiner Zunge, auch sie ist trocken. Du wirst wissen, warum sie trocken sind, hat er gesagt. Du hast Durst.
Du wirst weiter tasten, dich weiter über den Boden schieben, auch wenn du Angst hast vor dem, was du vielleicht finden könntest. Oder nicht finden könntest, denn du wirst nicht wissen, wie weit die Wände wirklich entfernt sind.
Du wirst dir einbilden, dass deine Augen schärfer geworden sind, hat er gesagt. Dasselbe wirst du auch von deinen Ohren denken, obwohl du fast nichts anderes hörst als das Rauschen deines Blutes.
Du wirst Blicke in deinem Nacken spüren. Du wirst dich umdrehen und du wirst Bewegungen im Dunkel sehen.
Und wenn du schluckst, wirst du den Durst spüren.
Er hat gesagt, du wirst dann wieder anfangen über die Flasche nachzudenken. Sie ist ja noch da, in deiner Hand.
Du wirst sie vor deine Augen halten, ganz nah. Du wirst sie ein wenig schütteln und wieder an ihr riechen. Du wirst Wasser riechen, aber du wirst dir nicht vertrauen.
Du wirst ins Dunkel starren und so tun als ob du nachdenkst. Doch du wirst nur immer wieder denselben Gedanken wälzen, hat er gesagt.
Du wirst zum Trinken ansetzen. Vielleicht wirst du schon die kühle Nässe an deinen Lippen spüren, aber die Flüssigkeit wird deine Zunge nicht erreichen.
Du wirst dich räuspern. Einmal. Zweimal. Du wirst die Flasche von einer Hand in die andere wandern lassen, aber du wirst nicht aus ihr trinken, hat er gesagt. Das wirst du nicht.

Du wirst nicht spüren, wie die Zeit vergeht. Oder ob sie überhaupt vergeht. Fühle nach deinem Körper, hat er gesagt. Das ist sehr wichtig.
Fühl das dumpfe Drücken in deinem Magen, fühl deine Zähne, wie du sie aufeinander presst. Fühl vor allem die leichte Gänsehaut auf deinem Rücken.
Du wirst dasitzen und du wirst oft blinzeln, hat er gesagt. Du wirst oft blinzeln, weil du manchmal nicht mehr wissen wirst, ob deine Augen offen oder geschlossen sind.
Du wirst den Unterschied nicht sehen.
Du wirst überhaupt nichts sehen.

Es wird warm sein, hat er gesagt. Und es wird Dunkel sein.
Der Raum ist groß und ich kann die Wände nicht sehen.
Ich kann überhaupt nichts sehen.
Die Flasche liegt in meiner Hand. Vielleicht bin ich allein. Vielleicht bin ich es nicht.
Ich erwarte keine Antworten, ich denke an das Gift, ich fühle nach meinem Körper.
Das ist sehr wichtig.

 

Hallo Dornenkind!

Zuerst Kleinkram, nech

Obwohl es bekanntlich irgendwann egal ist, ob zu warm oder zu kalt.
Es ist doch "nur" warm in diesem Raum, oder? Also nicht ZU warm und aus der Geschichte geht auch nicht hervor, dass es wärmer wird, von daher finde, das du den Satz streichen könntest

Es wird viel wichtiger scheinen
Es wird DIR viel wichtiger ERscheinen liest sich m.M.n. flüssiger

denn du wirst nicht wissen wie weit die Wände wirklich entfernt sind.
nicht wissen KOMMA wie weit

obwohl du fast nichts anderes hörst als das Rauschen deines Blutes
Ich glaub das kann man selbst dann nicht, wenn es ganz ruhig ist und man es sich einzubilden versucht

macnhmal
;)

So, nette kleine Geschichte ohne wirkliche Handlung oder Spannung würd ich sagen. Nicht wirklich gruselig und nicht wirklich etwas, was mir lange im Gedächtnis bleiben wird.
Du hast versucht über die psychische Schiene Horror und Verstörtheit zu erschaffen, doch so etwas ist schwer, wenn man keine Handlung hat. Du beschreibst zwar gut, aber ich sehe nicht, worauf du hinaus wolltest.
Es wäre interessanter gewesen, wenn du vielleicht eine zweite Person, oder etwas anderes Lebendes in den Raum gestellt hättest. Vielleicht atmtet da ja noch wer in der Ecke, oder irgendetwas schmatzt genüsslich, wer weiss.
So jedoch ist es lediglich eine Situationsbeschreibung ohne erkennbares Ziel.

Bis dann, Robert!

 

Halle Robert!
Danke für die Hinweise, hab einiges verbessert.
Im Grunde soll es um Zweifel gehen...um die "kleinen Geister" eben, die sich in deinem Kopf einnisten und dir eigentlich ohne Anlass keine Ruhe mehr lassen.
Das mit dem Atmen scheint mir eine gute Idee - ich wollte nicht zu eindeutig werden, aber evtl. lässt sich das ja auch so einbauen.
Grüße

 

Holla dornenkind,

Er hat gesagt, zuerst wirst du glauben, deine Augen müssten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen.
Das doppelte "erst" bzw "zuerst" stört in diesem Satz.

Sie wird dirket vor dir stehen
direkt

Er wird sich viel näher anfühlen, auch wenn das seltsam klingt, hat er gesagt.
Ab jetzt fängt das "hat er gesagt" an zu nerven.

Bin von dem Text echt angetan. Toll finde, dass er in der ersten Person geschrieben ist und erst in den letzten beiden Sätzen dann mal "Ich" auftaucht. Die Handlung ist gruselig skurill, wenn man sich das wirklich vorstellt, mal eben die Augen zumacht und sich in diese Situation reindenkt. Erschreckend! Man kann sich sogar die Stimme des Mannes vorstellen. Experimentell irgendwie auch, dazu gut zu lesen. Super Teil, deine kleine Story.

Eike

 

Hallo Eike!

Hab das "zuerst" weggestrichen, war wirklich überflüssig. Danke für den Hinweis!
Die Wiederholung ist natürlich nicht so einfach...ich hab versucht, immer ein paar Sätze dazwischen zu lassen, damit sie nicht zu sehr nervt. Viele Variationsmöglichkeiten gibts bei drei Wörten ja auch leider nicht.
Ich mag sie aber nicht weglassen - der Text ist ja nicht allzu lang, also hält sich das Genervt sein noch in erträglichen Grenzen oder?

Am meisten freut mich, dass du sagst, dass du dir sogar die Stimme des Mannes vorstellen kannst, dann scheint die Stimmung ja doch ganz gut rüberzukommen :)
Grüße

 

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