Kokeltoast und Schokoeis
Ein Himmel aus blutroten Marmeladenkrümeln, streute sich weit über den Köpfen der Menschen. An den Seiten hatte er zu schimmeln begonnen und widerlich blaue Fäden durchzogen das glitschige Rot.
Ihre Glieder waren schwer wie Blei, ihren Augenliedern ging es nicht besser. Die junge Blonde ertrank bei dem Versuch aufzustehen in einem Geröll aus Decken und Kissen. Immer wieder schlug sie mit den müden, von Mücken zerstochenen Armen den Schutt beiseite und schaufelte sich dadurch den Weg frei. Dann mit einem Keuchen rang sie nach Luft und befreite sich aus der letzten Schicht. Dabei riss sie ihre Augen so blitzartig auf, dass es beinahe schmerzte. Ein neuer Tag hatte sie aus den Albträumen befreit und seinerseits eingefangen.
Grummelnd hob sie ihre Beine vom Bett und schlug gleichzeitig nach einer nervigen Mücke, die einfach nicht von ihr ablassen wollte.
Zack.
Ein Problem weniger. Die Glieder des kleinen Insekts hingen schmierig zertrümmert an der weißen Wand. Mit einer lockeren Handbewegung wischte das Mädchen sie weg und stand auf. Etwas wackelig musste sie sich durch die Klamottenberge auf dem Boden schleifen, bis sie endlich die Tür erreichte und die Kleiderhaufen davor beiseite trat um diese zu öffnen. Quietschend gab die Tür den Blick auf einen leeren Flur frei. Ein weiterer Blick zum Fenster hinter sich genügte um Gewissheit darüber zu haben, dass ihre Familie bereits in der Kirche war.
Ihre Schritte hallten im leeren Haus. Die Blonde bemühte sich nicht über die zahlreichen Teppichfalten zu stolpern. Ätzend. Konnte nicht einmal jemand diesen dummen Teppich gerade machen?
Sie stieg über den Rand des Teppichs. Ohne sich umzudrehen und ihn gerade zu ziehen. Wäre ja doch nur Zeitverschwendung und so ärgerlich, wie die Falten in dem blöden Ding. Rausreißen müsste man ihn. Aber erst Frühstücken. Gerade wollte sie das Esszimmer durchqueren, als sie über etwas stolperte und der Länge nach den Boden umarmte. Nein keine Teppichfalte, sondern das Spielzeugauto ihres kleinen Bruders. Noch so ein ärgerliches, blödes Ding, was man entfernen musste. Das Mädchen löste sich von der fusseligen Umarmung des Bodens und gab dem Auto einen Tritt. Es summte und zischte und verlor schließlich ein Rad, als es gegen den Tisch geschleudert wurde.
Die ganze Aktion lies die Blonde leicht kichern, ehe sie ihren Weg fortsetzte. Die letzten Schritte nahm sie hüpfend und pfiff leise vor sich hin. Der Tag besserte sich. Dachte sie zumindest, bis sie im Brotkorb nur eine Nachricht fand. Sie solle einkaufen, wenn sie Frühstücken wolle. Missmutig zerknüllte sie den Zettel und warf ihn mitten in den Raum. Kurzerhand blickte sie sich nach etwas Essbarem um. Toast. Gefunden. Marmelade? Fehlanzeige.
Trotzdem lies sich das blonde Mädchen dazu herab den Toaster zu bedienen und weiter zu suchen. In der Tiefkühltruhe wurde sie schließlich fündig. Schokoeis. Volltreffer.
Zu ihrem Pech hatte dieser Fund so lange auf sich warten lassen, das ihr Toast an den Seiten schon kohlrabenschwarz gebrannt war. Sich kräuselnde Rauchschwanden verkündeten das schon, bevor sie den Toast hochspringen lies.
Schulterzuckend packte sie ihn auf einen kleinen Teller, schnappte sich einen Löffel und das Eis und trug alles ins Esszimmer.
Verkohlter Toast und Schokoeis.
Wenn das mal nicht ein nahrhaftes Frühstück war. Sie nahm einen Löffel Eis und klatschte ihn auf die verkohlten Stellen. Es schmolz auf der stellte und lief in die vielen kleinen Poren des Brotes. Grinsend schaute sie ihm dabei zu und wartete. Sie wartete, bis alles eis gescholten war und verstrich es dann mit der Unterseite des Löffels.
Erst jetzt leckte sie den silbernen Löffel ab, bis sie sich darin Spiegelte. Das Mädchen grinste. Der Löffel grinste zurück. Und fiel klirrend auf den Tisch, weil sie sich nun dem Frühstück zuwendete. Langsam führte sie den jetzt labbrigen Toast zum Mund. Die feinen, trockenen Körnchen kitzelten ihre Lippen. Das matschige Eis stürzte schon vor dem Brot in ihren Mund.
Noch bevor sie einen richtigen Bissen nehmen konnte, heulten die Sirenen auf. Der Stuhl, auf dem sie saß, kippte zur Seite. Mit einem gezielten Wurf landete der Schokoeistoast an der Scheibe. Dort hinterließ er schleimige Schlieren.
Dann rannte die Blonde, rannte um ihr Leben. Bis es immer dunkler und dunkler wurde. Und schließlich war es Schwarz.
Ein Himmel aus blutroten Marmeladenkrümeln, streute sich weit über den Köpfen der Menschen. An den Seiten hatte er zu schimmeln begonnen und widerlich blaue Fäden durchzogen das glitschige Rot.
Ihre Glieder waren schwer wie Blei, ihren Augenliedern ging es nicht besser. Die junge Blonde ertrank bei dem Versuch aufzustehen in dem Geröll aus Decken und Kissen. Immer wieder schlug sie mit den müden, von Mücken zerstochenen Armen den Schutt beiseite und schaufelte sich damit den Weg frei. Dann mit einem Keuchen rang sie nach Luft und befreite sich aus der letzten Schicht.
Sie hob ihren müden Arm und stellte den Wecker ab. Dann blinzelte sie. Die Uhr verkündete stumm, dass es Zeit war. Zeit mit der Familie zu Frühstücken. Zeit für die Kirche.
Die Blonde warf einen Blick nach draußen. Das Auto ihrer Familie war noch da. Seufzend erhob sie sich. Sie lief über den Boden, frei von jeglichen Kleiderbergen, öffnete ihren Schrank und zog die gute Sonntagskleidung an. Dann nahm sie eine Bürste und kämmte ihr störrisches, blondes Haar. Nach vollendeter Arbeit blickte sie in den Spiegel. Ein Mädchen grinste sie frech an und warf ihren Toast. Dünne Schlieren aus Schokoeis und verkohlten Toastkrümeln hingen an der Innenseite des Spiegels.
Sie blinzelte kurz. Alles war sauber. Sie selbst blickte ihr aus den Tiefen des Spiegels entgegen. Was auch sonst. Denn nur Träume waren aus Schokoladeneis und verbranntem Toast.
Mit einem letzten Seufzer öffnete sie die nicht quietschende Tür, schritt über den faltenlosen Teppich, stieg über das Spielzeugauto ihres Bruders und setzte sich an den Frühstückstisch. Es gab Brötchen.