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Koma
Immer wieder. Immer wieder spielte sich das gleiche vor meinem inneren Auge ab.
Ich schwebte durch Wolken, Berge aus Wolken, unendlich erstreckten sie sich vor mir, sie nahmen kein Ende. Nichts unterbrach dieses öde Bild, kein angenehmes Geräusch oder Gefühl vermischte sich damit. Kein Vogelzwitschern, keine warmen Sonnenstrahlen, die mich an der Nase kitzelten – nicht einmal das Rauschen eines Flugzeuges war zu hören.
Die Zeit zog sich dahin wie ein Kaugummifaden, doch sie riss einfach nicht ab, dehnte sich immer weiter.
Ich war müde, hoffte, dass es endlich zu Ende sein möge, dass ich schlafen konnte.
Von Zeit zu Zeit kam ich mir näher und trieb dann wieder etwas weg.
Es war wie verhext, je mehr ich gegen diese Trägheit ankämpfte und versuchte wieder in meinen eigenen Körper zurückzukehren, desto schlimmer wurde es.
Ich konnte nichts tun – und diese Machtlosigkeit fesselte mich mit ihrem unsichtbaren Band, nahm mir den Raum zum Atmen.
Es schien mir unerträglich bis endlich etwas geschah.
Ich weiß nicht wie lange ich nun darauf gewartet hatte – vielleicht Tage, Wochen oder sogar Monate.
Ein eigentümlicher Geruch stahl sich in meine Nase, ich sog ihn tief ein, glücklich, endlich wieder lebendig zu sein. Es war der scharfe, alkoholische Gestank von Desinfektionsmittel, er vermischte sich mit einem leisen Geräusch, eine Reihe kurzer Pieptöne in unterschiedlichen Tonlagen, die sich wie kochendheiße Wassertropfen in mein Trommelfell zu bohren schienen.
Ich war so glücklich, nach so langer Zeit schien ich wieder in meinen eigenen Körper zu gleiten, ich spürte mein Herz langsam in der Brust schlagen, sah wie sich das Wolkenbild vor meinen Augen in einen langen Tunnel verwandelte. Am Ende flackerte ein Licht auf, ich musste dorthin, ich wusste es, dort wartete etwas auf mich, es war so wunderschön. Ich spürte mein Herz immer langsamer und schwächer schlagen, spürte, wie ich durch jeden Herzschlag näher an das wunderschöne Licht heranrückte.
Jäh schrillte eine Alarmglocke, ich fühlte meinen Körper wieder, ich merkte jeden einzelnen Teil von mir, um mich herum war Bewegung, doch ich konnte nicht ausmachen was vor sich ging. Ich spürte eine klamme Angst in mir auflodern, die mich von hinten packte und versuchte mich zurückzuzerren. Ich sträubte mich, ich wollte zu dem Licht, das mich warm und einladend anstrahlte, ich musste dorthin, ich musste einfach.
Ich kämpfte gegen die Kraft, die mich zurückhielt, die mich würgte und schüttelte.
Ich gewann, endlich konnte ich frei auf das weiße, freundliche Licht zulaufen, weg von diesem öden Wolkenbild, das mich immer noch verfolgte und weg von diesem stinkenden, lauten Bild, das seine Fangarme nach mir auswarf.
Ich spürte die Wärme, als ich in das Licht eintauchte und schloss die Augen, ließ mich treiben, merkte wie mein Körper leicht wurde, sehr leicht und ich ihn wieder verließ…