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Kopie und Original

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04.11.2006
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Kopie und Original

Du willst also mit mir schlafen?"
Ich versank im Abgrund ihrer Augen, unfähig eine Antwort zu geben. "Ja, zum Teufel, ja!", wollte ich ausrufen, während ich den Mund nicht aufbrachte und das Restaurant begann, sich um mich zu drehen. Einziger Fixpunkt des Strudels waren zwei dunkelbraune Augen, die mich anlächelten.
"Helena, ...", stammelte ich, den Tisch und die Welt festhaltend.
"Du kannst mich haben, wenn ..."
"Helena, ich würde alles für dich tun."
"Nicht alles. Nur eine Kleinigkeit."
Sie streckte die Hand aus und berührte mich für einen Moment. Ich bildete mir ein, ihre schlanken Finger fühlten sich kalt an, doch als ich nach ihnen greifen wollte, fasste ich ins Leere.
"Ich muss weg. Wir sehen uns", waren ihre letzen Worte, bevor sie aufstand und ging. Unfähig, ihr mehr als ein "bis bald" mit auf dem Weg zu geben, sah ich sie im Dunkel verschwinden und hörte den gleichmäßigen Takt ihrer Absätze noch, als das Schwarz ihres Kleides längst mit der Nacht verschmolzen war.

Ich leerte mein Weinglas und ging zur Toilette. Ein trauriger Zombie glotzte mich aus dem Spiegel heraus an. Sah ich wirklich schon so alt aus? Ich wusch mein Gesicht mit kaltem Wasser ab, was mich nur unwesentlich frischer werden ließ. Zum Tisch zurückgekehrt, verlangte ich die Rechnung. Der Kellner erhielt ein ordentliches Trinkgeld, vielleicht aus Dankbarkeit dafür, dass er meinen Zustand offensichtlicher Verwüstung geflissentlich ignoriert hatte.
Ich musste darauf warten, dass sie sich wieder meldete, um mich wissen zu lassen, welchen Gefallen ich ihr tun sollte. Helena war in mein Leben geschneit, aber ich nicht in ihres. Ich besaß keine Telefonnummer, keine Postanschrift von ihr. Während ich diese Unsymmetrie unserer Beziehung verfluchte, und dumpf nachgrübelte, womit mich diese rätselhafte Frau so nachhaltig in ihren Bann gezogen hatte, saugte mich eine gleichgültig rumpelnde Rolltreppe in die Gedärme der Stadt hinab.


Noch bevor der letzte Akkord verklungen war, brauste Beifall hoch. Ein fiebriges Festspielpublikum überschüttete den weltberühmten Countertenor mit Lob. Als Mitläufer auf der Woge kollektiver Begeisterung applaudierte auch ich nach Kräften.
"Es ist erbärmlich. Diese Musik ist für Kastraten geschrieben. Wie kann man nur so eine Stümperei bejubeln?"
Ich erschrak und hielt inne. Meine Sitznachbarin hatte mir ins Ohr geflüstert, nein, gesprochen. Ich drehte mich erstaunt zur Seite und sah jene junge Frau, die ich einen ganzen Akt lang übersehen hatte. Wie alt mochte sie sein? Im Dämmerlicht war sie schwer zu taxieren: Die Haare mit einem bordeauxfarbenen Haargummi zusammengesteckt, trug sie ein eng anliegendes rosafarbenes Oberteil, etwas Modeschmuck und eine nicht übertrieben vornehme Jacke, dazu einen kurzen Rock und Sandalen. Anfang zwanzig vielleicht?

Das Publikum floss des Applauses müde in Richtung des Buffets. Ich folgte auf der verzweifelten Suche nach einer angemessenen Erwiderung dem dunklen Schopf, der es geschafft hatte, mich mit zwei Sätzen in Verwirrung zu stürzen.
"Sie scheinen etwas von Musik zu verstehen?"
"Ungefähr soviel, wie Sie von Chemie."
"Kennen wir uns?"
Eine leise Ahnung dämmerte in mir hoch und ich verfluchte sowohl mein schlechtes Personengedächtnis, als auch den leidigen Massenbetrieb an deutschen Universitäten.
"Keine Angst, ich war nur - wie nennt man das? - Gasthörerin."
In ihrer Stimme schwang der Hauch eines fremdländischen Akzentes mit. Bei voller Beleuchtung hatte ich nun endlich Gelegenheit, mein Bild zu vervollständigen: Große braune Augen; dunkles glattes Haar, eine markante, schlanke Nase. Wir waren vom Strom der Erfrischungsbedürftigen an die Theke mitgerissen worden, so dass mir nichts Besseres einfiel, als zwei Gläser Sekt zu bestellen. Auf ihrer linken Wange entdeckte ich einen Leberfleck. Der Tiefblick auf ihre schlanken Fesseln und Zehen ließ mir das Blut in Wallung kommen.
"Darf ich Sie fragen, woher Sie kommen?", raffte ich mich schließlich auf zu fragen.
"Das ist eine lange Geschichte."

Mit dem üblichen Verdruss war Frau Nötherborg von der Poststelle zurückgekehrt und hatte mir ihre Beute auf den Schreibtisch geworfen, darunter ein gepolstertes gelbes Kuvert: Kein Absender, das Schreiben war mit einer eindeutig weiblichen Handschrift an mich persönlich addressiert.
Eine dunkle Ahnung überkam mich, als ich in ihm eine leere Phiole vorfand. Lediglich einige wenige Tropfen einer bräunlichen Flüssigkeit waren verblieben. Meine Vermutung wurde konkreter, als ich des Abends das Institut verlassen hatte.

"Ist mein kleines Rätsel bei dir angekommen?"
"Helena! Hast du etwa hier auf mich gewartet? Es ist fast schon dunkel, du wirst dich erkälten."
Auf der Parkbank saß das Objekt meiner Begierde und verspottete mit dem ärmellosen Oberteil die Kühle der heraufdämmernden Herbstnacht.
"Kalt? Na und? Komm setz' dich doch einen Moment zu mir!"
"Helena, nicht hier, direkt vor dem Institut, wollen wir nicht ..."
"Nein. Es dauert nicht lange."

Ich stellte die Aktentasche ab und nahm widerstrebend neben ihr Platz, nicht ohne die noch erleuchteten Fenster meiner Assistenten im Auge zu behalten. Helenas Spitzenwäsche zeichnete sich durch den dünnen Stoff ihres Oberteils ab. Mir fiel das kleine Silberkreuz auf, das sich anschickte, zwischen ihren Brüsten zu verschwinden, als wäre die zugehörige Kette etwas zu lange. Ich hatte ihr das Schmuckstück vor einigen Wochen geschenkt. Trug sie es zufällig oder mit Absicht?
"Ich brauche genau diese Flüssigkeit, einen halben Liter ungefähr."
Ich nickte und meine Ahnung wurde zur Gewissheit. Das gelbe Kuvert hatte ich samt Inhalt in den Tiefen meines Schreibtisches versteckt.
„Wozu?“
„Das würdest du nicht begreifen. Ich brauche sie. Stell dir vor, es wäre ein Medikament. Und es ist eilig, mir bleibt nicht mehr viel Zeit.“
"Du sprichst in Rätseln, Helena. Zuerst muss ich sie analysieren."
"Ich würde dir nichts aufgeben, was du nicht schaffen kannst. Das wäre unmenschlich."
Ich verdrängte die kurz aufblitzende Frage, welche anderen Männer es wohl in Helenas Leben geben mochte, die ebenfalls menschliche "Aufgaben" erhielten.
"Wollen wir nicht essen, uns einen schönen Abend machen, vielleicht ins Theater gehen?"
"Wilhelm, nein. Nicht heute, ich muss weg."
"Helena, verstehst du denn nicht, ich halte das nicht mehr aus. Wie soll das mit uns weitergehen?"
"So, wie solche Geschichten auszugehen zu pflegen. Ich wünsche dir eine gute Nacht."

Sie hatte flüchtig meine Schläfe geküsst, war aufgestanden und fast gleichzeitig erlosch das Licht im Eckzimmer des Instituts.
"Kann ich dich noch irgendwohin begleiten, es ist spät?", fragte ich, ohne eine Antwort zu erwarten noch zu erhalten.



"Sie sind also Studentin?"
"Ach, eigentlich nicht wirklich. Von Zeit zu Zeit schleiche ich mich in einen Hörsaal und versuche, auf dem Laufenden zu bleiben, wie sich die Menschheit so weiterentwickelt. Aber wir wollen uns doch nicht mit Details aufhalten, oder? Übrigens, ich heiße Helena."
Sie schenkte mir das bezaubernde Lächeln einer unerreichbar fernen Jugend. Freundlichkeit verbreiten, charmant sein, einen guten Eindruck hinterlassen. Und in ihrer Nähe sein, bleiben dürfen. Längst hatte der zweite Akt begonnen, wir standen immer noch im Foyer des Theaters, ließen die teuren Plätze verwaisen.
Ich war berauscht, sei es von ihren feenhaften Bewegungen, der perfekten Schlankheit ihres Körpers oder einfach ihrem Charme. Wie sie ihre Hand ausgestreckt und meinen Arm berührt hatte, war ich in einen Rauschzustand verfallen. Hinzu kam eine schier unglaubliche Kenntnis der Musikgeschichte. Was sie mir innerhalb weniger Minuten an Details zu einem vor 300 Jahren geschrieben Stück ganz beiläufig erwähnt hatte, war überwältigend und passte nicht zu einer jungen Frau, die in gemustertem Minirock und einem Oberteil vom Bekleidungsdiscounter neben mir stand.
Ich wagte nicht, diese Widersprüchlichkeiten näher zu erforschen, ging es mir diesem Moment doch nur darum, das Gespräch am Leben zu erhalten und keinen Anlass dafür zu geben, nun auseinander zu gehen.


Bordeaux oder Rioja? Händel oder Monteverdi? Die letzten ungetroffenen Entscheidungen trieben mich in den Wahnsinn. Helena hier, in meiner Wohnung. Zum ersten Mal. Es sollte perfekt sein. Es musste perfekt sein. Aber manche Dinge ließen sich nicht perfektionieren. Der menschliche Körper zum Beispiel. Ich hatte seit dem Tod von Jeanette mit keiner Frau mehr geschlafen. Helena war blutjung und ich selbst ein alter Sack. Ein Gedanke, den ich weit, weit wegschieben musste.

Auf dem Tisch Teller, Rotweingläser, Silberbesteck, Kerzen. Wie lange würde ich warten müssen? Im eigenen Saft schmoren lassen. Ihre bevorzugte Foltermethode. Anzünden. Ich inspizierte den Esstisch: Die Brautgabe in der Mitte des Stilllebens. Ein Glas mit geschliffenem Stöpsel, darin dunkle Flüssigkeit. Musik? Definitiv etwas Altes: Ich entschied mich für "Incoronatione di Poppea" von Monteverdi.

Angst zu versagen. Ihr nicht geben können, was sie erwartete. Im entscheidenden Moment die nötige Härte verlieren. Das Gästeverzeichnis der ungeladenen Gespenster war lang. Ebenso die Zutatenliste. Quecksilber, Schwefel, Kaliumnitrat, jede Menge Kohlenstoff, Alkohol. Spuren von Silber, Zink, Blei und Beryllium. Wollte sie jemanden umbringen? Nein, der Cocktail war ungesund, aber nicht tödlich. Zumindest nicht sofort. So wie unsere Beziehung. Durfte man unsere seltsame Vorgeschichte Beziehung nennen? Immerhin würde ich an diesem Abend mit ihr schlafen. Und dann?

Mit zitternden Knien öffnete ich eine Ewigkeit später die Türe und ließ die unwirkliche Erscheinung im schwarzen Sommerkleid in mein Reich ein. Helena sah bezaubernd aus, wie immer, aber wirkte erregt und gehetzt, hatte leicht gerötete Wangen. Ich führte sie ins Esszimmer. Wer von uns beiden war aufgeregter, verlegener?


"Ich finde, wir leben in einer ganz schön komplizierten Zeit."
"Wie meinen Sie das?", fragte ich, während wir die Stufen in die beleuchtete Altstadt hinunterstiegen. Im Dämmerlicht sah sie noch bezaubernder aus. Ich konnte mich einfach nicht an ihr satt sehen. Sei es die Anmut, mit der sie sich bewegte, ihr Körper, der sich hinter eng anliegendem Stoff abzeichnete oder einfach nur die Gnade mit ihr in diese Sommernacht hineinlaufen zu dürfen.
"Lohnsteuerkarten, Krankenversicherungsnachweise, private Altersvorsorge, Geburtsurkunden, Daseinsberechtigungen ... wo ist denn hier noch eigentlich Platz zum Leben?"
Ihre Worte nahm ich nur noch halb wahr, weshalb ich ihr auch die Antwort schuldig blieb. Neben ihr sein dürfen. Die Nähe nicht verlieren, wohin auch immer sie mich führen wollte. Es gab keinen dritten Akt, kein Morgen, nur die Kostbarkeit des Momentes. Am liebsten hätte ich ihr die Kleider vom Leib gerissen, hier, in aller Öffentlichkeit, inmitten der flanierenden Menschen.
"Früher lebten, liebten sich die Menschen einfach. Duellierten sich mitunter, starben auf dem Schlachtfeld, an Infektionskrankheiten oder im Kindbett. Und heute? Siechtum, Alter, Verfall, wohin man sieht. Es ist erbärmlich."
Verfall. Das war es. Ich war ihr verfallen. Es mochte der Klang ihrer Stimme sein, dieser glockenreine silbrige Klang oder dieses aufrichtig geschenkte Lachen. Jedenfalls drehte mein Geist nur noch Pirouetten um sie.


Sie hatte das Glas geöffnet und zur Nase gehoben. Ohne mich aus den Augen zu lassen, roch sie. Der Moment der Wahrheit. Dreh- und Angelpunkt von Vergangenheit und Zukunft. Ohne dass ich begriffen hatte, welche Wahrheit dies sein würde, spürte ich dennoch, dass sich die Türe zu unserer Zukunft einen Spalt breit öffnete.
"Du hast offenbar deinen Teil der Abmachung erfüllt."
"Ist es das, was du wolltest?"
Sie nickte, wirkte erleichtert, zog das Gefäß an sich, wie eine Drogensüchtige, die ihren Stoff erhalten hatte und steckte die Flasche in ihre Handtasche.
"Dann ist es nun wohl an mir, mein Versprechen einzulösen."
Ein Bleiklumpen in der Magengegend versuchte mich zu Boden zu ziehen, während sie auf mich zuging und ihre beiden flachen Handflächen auf meine Brust legte.
"Wie wünscht es der Herr? Auf dem Fußboden, im Stehen oder am Esstisch einfach von hinten?"
"Helena, ich dachte, wir machen uns einen gemütlichen Abend. Ein Gläschen Wein, eine Kleinigkeit zu essen ..."
"Der alte Romantiker, ich vergaß", sprach sie mit unüberhörbarer Ironie. "Geschmackvolle Hintergrundmusik hast du ausgewählt. Irre ich, oder ist das nicht die 'Poppea'? Richtig? Eine Hure, die zur römischen Kaiserin gekrönt wird. Mir war, als hättest du hier Absicht walten lassen."
"Ich ... ich liebe dich Helena, bitte sei nicht so ..."
"Grausam? Liebe ist eine grausame Angelegenheit, das solltest du nach 53 Jahren mittlerweile kapiert haben. Also, was ist nun? Für welche Variante hast du dich entschieden?"
Sie war aus den Schuhen geschlüpft und streichelte auf einem Bein stehend mit den Zehen mein rechtes Fußgelenk.


"Werden wir uns wiedersehen?", brach es im letztmöglichen Moment aus mir hervor.
"Warum nicht?"
"Was sollte eine junge, bezaubernde Frau von jemandem wie mir wollen?"
"Abenteuerlust ist das Privileg der Jugend. Also gib mir schon deine Handynummer."


Ich hatte die Türe geschlossen und kurz den Kopf gegen das Holz gelehnt. Aus dem Treppenhaus herauf verklang das leise Stakkato von Helenas Absätzen. Es war das Letzte, was ich von ihr hören sollte. Im Wohnzimmer warteten zwei unberührte Teller und herunter gebrannte Kerzen auf mich. Auch ein eilig herunter gekipptes Glas teuren Rotweins änderte nichts an der Misere. Ein verschobener Perserteppich symbolisierte die Unglaublichkeit des Geschehens und das Ende einer Liebschaft, die nie eine gewesen war. Ich musste an Helena denken, wie sie nun durch die dunkle Stadt lief, einer Bleibe entgegen, in der ich sie niemals aufspüren würde können.


"Und bekomme ich die deine Nummer?"
"Wenn ich keines besitze?"
"Festnetz?"
"Ebenfalls Fehlanzeige."
"Das gibt es nicht, würde ich sagen"
"Vielleicht bin ich ja nicht so ganz echt."

Sie hatte erhalten, was sie wollte, einen Sklaven herangezüchtet, der ihr verschaffte, was sie brauchte. Auf den ersten Blick zumindest. Der Wein tat seine Wirkung, während ich mechanisch die Kerzen löschte und den Teppich an seinen angestammten Platz schob. In meinem Kopf begannen sich Wahrheit und Erträumtes zu vermischen, und ich versuchte, eine Präferenz zwischen mich besaufen oder vom Balkon stürzen, herauszuarbeiten.

"Es ist das Elixier, das meinen Vater das Leben kostete."
Ich hatte sie angestarrt, mit dem Blick eines Mannes, der auf ganzer Linie versagt hatte. Als kleine Dreingabe hatte sie offensichtlich beschlossen, mich wenigstens mit der Wahrheit zu beglücken.
"Er wurde hingerichtet, weil er seine Tochter vergiftet hatte. Sie machten kurzen Prozess mit ihm. Zu kurzen Prozess im Nachhineinen, denn das Mädchen war nicht tot und wachte nach drei Tagen wieder auf."
"Hingerichtet? Kurzer Prozess"
"Andere Zeiten, andere Sitten, mein Schatz. Heute würde man es künstliches Koma nennen, was mit der kleinen Helena passierte. Und was das Elixier betrifft, stünde auf der Packungsbeilage wohl 'Anti-Aging-Präparat: Komplette Unterdrückung des Alterungsprozesses'. Zu Risiken und Nebenwirkungen uns so weiter ...“

Ich war ihr eine sinnvolle Erwiderung schuldig geblieben, während sie sich das Kleidchen zurecht zupfte, die Schuhe angezogen hatte und mit einem mitleidigen Grinsen das Verfallsdatum inspiziert hatte, das auf der ungeöffneten Kondompackung aufgedruckt war.
"Früher nannte man die Kunst, Medikamente zusammenzurühren noch Alchemie und hatte Respekt vor den Meistern dieses Faches. Aber ich erwarte nicht, dass du das alles verstehst. Wie solltest du auch gerade mal einem halben Jahhundert Lebenserfahrung?"

Sie war zur Türe gegangen, hatte mir ein lapidares "mach's gut" hingeworfen. Ich war ihr wie in Trance gefolgt. Nein, wir würden uns nicht mehr wieder sehen. Sie habe ihr Versprechen eingehalten, es zumindest versucht.

Was sein Bestes geben, aber nicht das Ziel erreichen betraf, so war es bei meinem Teil des Abenteuers ähnlich. Schließlich war mein Fachgebiet anorganische Chemie. Von den organischen Anteilen hatte ich zwar einige Pilzgifte bestimmt, aber die Vielzahl beigemischter Pflanzenbestandteile hatte ich nicht synthetisieren können. Sie kannte wohl nur der Erfinder des magischen Tränkchens. Und jener war vor vierhundert Jahren am Hofe Kaiser Rudolph des Zweiten in Prag seines Hauptes beraubt worden.

 

Hallo zusammen,

Zugegeben, die Variation eines uralten Themas. Ebenfalls zugegeben ein Grenzgänger zwischen Romantik und Fantasy aber eine Thematik, die ich schon immer einmal aufarbeiten wollte ...

Viel Spaß beim Lesen wüscht Euch

AE

 

Hallo Ego,

bei dieser Geschichte geht es mir ähnlich, wie mit deiner letzten. Vom Schreibstil her fand ich die kg recht ansprechend (einige ehr schöne Bilder sind drinnen, insgesamt jedoch etwas schwächer als der Bluthund), doch der Inhalt überzeugt nur mäßig.
Du baust ganz gut die Spannung auf, lässt sie dann aber bald ziemlich rumdümpeln und wartest dann mit einer äußerst unspektakulären Pointe auf. Das zudem nicht schlüssig ist. Für mich blieben zumindest die Fragen offen, was es mit der Dame auf sich hat, wofür das Gebräu letztlich ist und wieso sie gerade deinen Protagonisten ausgesucht hat.
Der Protagonist selbst kommt auch ein bisschen blass weg. Und auch die Reize der Dame sind sehr beliebig beschrieben. Perfekt ist ein Adjektiv, das trotz seines in sich tragenden Anspruches wenig aussagt;)
Den derbsten sprachlichen Schnitzer erlaubst du dir gleich zu Beginn:

Ja, zum Teufel, ja!", wollte ich ausrufen, während ich in Realität den Mund nicht aufbrachte und das Restaurant begann, sich um mich zu drehen.
Brrr, das kippt und liest sich nicht gut. Würde ich auf jeden Fall ändern.

Auch wenn ich viel gemäkelt habe, hat das Lesen trotzdem Spaß gemacht. Nur eben schade, dass der Spaß mit dem Ende leider absackte.

grüßlichst
weltenläufer

 

Hallo Weltenläufer,

herzlichen Dank für deine Rückmeldung ... jaja das mit dem Thema. Das war irgendwo auch die Art von Resonanz, mit der ich gerechnet hatte.

Das mit der Blässe des Protagonisten sowie der zugehörigen Dame lässt sich vielleicht noch mit etwas feilen ausgleichen, werde mich in Kürze nochmals dran machen.

Und was das Thema betrifft, zumindest zur Erläuterung einige Gedanken, wenngleich ich mir bewusst bin, was das mit nachgeschobenen Interpretationen so auf sich hat, dass sowas eigentlich im Text stehen sollte.

Die Geschichte steht in der Tradition der (Barock)oper. Dort war es üblich, die selben Stoffe in unterschiedlichen Kombinationen wieder und wieder aufzuarbeiten. Von den zugehörigen Rezipienten wurde nicht nur umfassende Kenntnis z.B. der griechischen Mythologie erwartet, sondern auch die Fähigkeit entsprechende Querbezüge zwischen den einzelnen Werken zu kennen und schätzen zu wissen ...

Diesen Gedanken der ewigen Wiederkehr des Selben wollte ich mit der Geschichte aufgreifen, und habe das in zweierlei Form getan: Die Figur der Helena ist einer Oper entnommen, beziehungsweise der zugehörigen Vorgeschichte.

Zusammenfassung des Originals siehe hier

Diese Figur selbst kämpft durch ihre Unfähigkeit zu altern ebenfalls mit dem Thema alles zu kennen, alles schon erlebt zu haben und verkümmert damit emotional.

Dass ein derartiges Setting schwer verständlich zu machen ist, vor allem einer Leserschaft, die gegen Ende eine "logische" Pointe oder eine "konventionelle" Auflösung des Sachverhaltes, war mir klar. Daran ändern auch zahlreiche bereits vorgenommene Überarbeitungen nichts.

Also alles in allem ein Experiment, aber eine Geschichte, die ich nach wochenlanger Entstehungsgeschichte nicht auf der Festplatte vergammels lassen wollte.


Dir jedenfalls nochmals herzlichen Dank fürs Lesen,

liebe Grüße,

AE

 

Hallo Alter Ego,

ich habe deine Geschichte nun (extra !) zweimal gelesen, um sie besser verstehen zu können, aber bin ihr nicht beigekommen.
Deine Erläuterung, die du Weltenläufer gegeben hast, habe ich gelesen und nun wird mir auch fast alles in der Geschichte klar und deutlich.
Das Problem ist, dass ich denke, du setzt vermutlich viel zu viel Wissen des Lesers voraus, um diese Geschichte verstehen zu können.
Da muss also noch mehr an Erklärung, natürlich geschickt verpackt, hinein.

Schade wäre es, wenn du diese Geschichte nicht weiter bearbeiten würdest, denn mir gefallen Art der Darstellung und Erzeugung der romantischen, aber auch spannenden Momente sehr gut. Sowas darf man nicht verrotten lassen. Es reicht aber momentan nicht, diese Story von deiner Festplatte hier reinzustellen, sie bedarf noch einer Überarbeitung.

Ich habe zwei Verbesserungsvorschläge zu machen:

zum einen ist mir wichtig, dass du die Pointen anders aufbaust. Meiner Meinung nach ist die Pointe nicht, dass der Protagonist dieses junge Mädchen kennenlernt, sondern das ist Inhalt der Geschichte und Zeichen der Unsterblichkeit.
Nein, die Pointen sind für mich, dass Helena einen ganz bestimmten Grund hat, die Flüssigkeit zu bekommen. Diesen Grund hast du schlicht uns Lesern verweigert. Oder übersehe ich da was? Wen möchte sie damit erreichen?
Und die weitere Pointe ist, dass dein Protagonist zwar eine Flüssigkeit hergestellt hat, aber nicht die perfekte, nicht die, die Helena zum Erfolg verhelfen kann.
Diese Pointen gehören, so wie du es schon versucht hast, schlicht ans Ende der Geschichte, aber wenns irgendgeht noch pointierter, noch mehr richtig ans Ende gesetzt. In deiner jetzigen Fassung benötigst du für deine Pointen etliche Sätze.

Sodann der nächste Vorschlag: wie wäre es, wenn du doch einen sehr starken Hinweis für den Leser in die Geschichte packst und die beiden Protagonisten, also ich meine die Studentin und den Prota in genau der Oper sitzen und zuhören lässt, die die Geschichte erzählt von der Herstellung dieses Stoffes und seiner Zusammenhänge. Wie auch immer du es verpackst, keine Ahnung.
Vielleicht liest er das Programmheft, oder lauscht zufällig, wie hinter ihm ein Mann seiner Frau erklärt, worum es in dieser Oper geht oder was auch immer, lass deine Phantasie da etwas Passendes entwerfen.

Ach und noch was zum Titel: der ist Mist !

Lieben Gruß
lakita

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo lakita,

du hast wieder einmal zielsicher den FInger in die Wunde gelegt ... ja der Titel, ich finde ihn selber nicht so toll und grüble schon seit Wochen aber der rechte Knaller ist mir nicht eingefallen. Wofür ich dir dankbar wäre, wenn du eine Änderung vornehmen könntest und für's erste nur "Kopie und Original" stehen lässt.

Das mit dem Vorwissen ... ein Elendsthema bei dem Sujet.

Zwei Punkte sind von Wichtigkeit:

Das Problem ist, dass ich denke, du setzt vermutlich viel zu viel Wissen des Lesers voraus, um diese Geschichte verstehen zu können.

Ja und Nein. Da es sich um eine recht unbekannte und selten gespielte Oper handelt, kann ich einfach nicht voraussetzen, dass man den Inhalt kennt. Also ist es meine Aufgabe, die Unglaublichkeit des Geschehens (die in einer Romantik-Geschichte) vermutlich auch niemand vermutet/erwartet rüberzubringen. Das eindeutige Votum der Leser, die sich dazu äußern wollten, ist dass die Message alleine nicht ankam.

Dein Lösungsvorschlag mit dem Programmheft ist zwar kreativ, aber dann doch irgendwie etwas viel des Guten oder des Zufalls. Hmmm.

Nein, die Pointen sind für mich, dass Helena einen ganz bestimmten Grund hat, die Flüssigkeit zu bekommen. Diesen Grund hast du schlicht uns Lesern verweigert. Oder übersehe ich da was? Wen möchte sie damit erreichen?

Mit dieser Frage kreist du um den zentralen Inhalt der Geschichte. Es ist die Gier am "Leben" festzuhalten, auch wenn sie im Laufe der Zeit alle Gefühlswärme eingebüßt hat. Dass dieser Aspekt des Berechnens rübergekommen ist, hatte ich gehofft.

Auf jeden Fall verspreche ich dir, mich an eine Überarbeitung zu machen.

Herzlichen Dank für's ausführliche Reinlesen,

AE

 

Hallo AlterEgo,

die Geschichte hat ihren Reiz und du deine Art zu erzählen, gefällt mir, wenn du auch ab und zu in Phrasen abdriftest, zB bei der Beschreibung der Protagonistin. Wie die anderen finde ich die Auflösung etwas enttäuschend.

Mir hätte es besser gefallen, wenn Helena zwar mystisch beschrieben wird, aber immer so an der Grenze, dass sie doch hier im Jetzt leben könnte, so wie eine "moderne" Hexe. Es gibt immer Menschen, die besondere Fähigkeiten haben, egal in welche Richtung, und Helena könnte so einer sein.

Das Elixier wird, wie schon bemerkt, nicht ins rechte Licht gerückt. Seine Hörigkeit könnte man auch gut beschreiben, indem über die Herstellung einige Worte verloren werden und er als Wissenschaftler sicher nicht ohne Probleme im Institut für andere Belange irgendwelches Gebräu herstellen darf.

Die Geschichte schwankt für meinen Geschmack etwas zu sehr hin und her zwischen Alltag und Fantasy, da müsstest du versuchen, auf eine stimmige Linie zu kommen.

Aber: Auf jeden Fall ist es sie aber wert, dass du dran bleibst.

Arbeite Helena noch etwas aus, weg von den Pauschalbegriffen wie perfekte Schlankheit des Körpers oder Charme. Zeig uns den Charme, damit wir verstehen, wieso der alte Sack das Sabbern anfängt ;).

Hier noch Textdetails:

Ich versank im Abgrund ihres Augenpaares, unfähig eine Antwort zu geben.
Über das Augenpaar stolpere ich ein wenig. Es ist doch üblich, dass man in beide Augen sieht, von daher ist das Paar für mich unnötig und es wirkt zu sehr nach gewollter detaillierter Erklärung, wo keine nötig ist. Mir gefiele: ... im Abgrund ihrer Augen viel besser.

Einziger Fixpunkt des Strudels waren zwei dunkelbraune Augen, die mich anlächelten sei es mit nettem oder ironischem Hintergedanken.
Da wirbelt alles, der Prot weiß nicht, wo vorne und hinten ist und trotzdem überlegt er sich noch den Unterschied beim Betrachten des Lächelns, ob es nett oder ironisch gemeint ist. Damit vermischst du für mich als Leser zwei Empfindungen, die nicht zusammen passen - völliges Aufgelöstsein und gleichzeitig differenziertes Beobachten. Im Übrigen: ... mich anlächelten, sei es mit ...
"Ich muss weg. Wir sehen uns", waren ihre letzen Worte bevor sie aufstand und ging.
Worte, bevor

Mitläufer auf der Woge kollektiver Begeisterung, applaudierte auch ich nach Kräften.
Ich würde vor den Mitläufer ein "als" setzen und dann das Komma löschen.
Ich erschrak und hielt inne. Meine Sitznachbarin hatte mir ins Ohr geflüstert, nein gesprochen.
nein, gesprochen


Ich drehte mich erstaunt zur Seite und sah jene junge Frau, die ich erfolgreich einen ganzen Akt lang übersehen hatte.
Warum erfolgreich? Die Ironie passt nach meinem Empfinden nicht an dieser Stelle.

Wie alt mochte sie sein? Im Dämmerlicht war sie schwer zu taxieren: Die Haare zum Pferdeschwanz zusammengesteckt,
Ist zwar penibel, ich weiß, aber ein Pferdeschwanz wird gebunden oder durch einen Gummi zusammengehalten. Ich wüsste nicht, wie man sowas zusammenstecken kann ;)
"Keine Angst, ich war nur, wie nennt man das, Gasthörerin."
Eine Frage mitten im Satz.
Ich würde das folgendermaßen lösen:
Keine Angst, ich war nur - wie nennt man das? - Gasthörerin.


In ihrer Stimme schwang der Hauch eines fremdländischen Akzentes mit. In voller Beleuchtung hatte ich nun endlich Gelegenheit, mein Bild zu vervollständigen:
Wortwiederholung

Große braune Augen, dunkles glattes Haar, eine markante, schlanke Nase.
Große braune Augen; dunkles, glattes Haar; eine markante, schlanke Nase.


Wir waren vom Strom der Erfrischungsbedürftigen an die Theke mitgerissen worden, so dass mir nichts Besseres einfiel, als zwei Gläser Sekt zu bestellen.
Erfrischungsbedürftigen erscheint mir sehr konstruiert.
Auf der linken Wange als Blickfang ein Leberfleck, schlanke Fesseln und Zehen, die mir das Blut in Wallung kommen ließen.
einen Leberfleck
Kein Absender, das Schreiben war mit einer eindeutig weiblichen Handschrift an mich persönlich addressiert.
Eine dunkle Ahnung überkam mich, als ich in ihm eine leere Phiole vorfand.
Nicht jeder kennt sich mit Laborgeräten aus. Vielleicht ein allgemeinerer Begriff dafür?

"Und ist mein kleines Rätsel bei dir angekommen?"
Was hat das und für eine Funktion?
Ich war berauscht, sei es von der Ebenmäßigkeit ihres Gesichtes, der perfekten Schlankheit ihres Körpers oder einfach ihrem Charme.
Schade, dass sich Protagonisten oft nur von perfekten Gegenübern so den Kopf verdrehen lassen.

Nein, der Cocktail war ungesund aber nicht tödlich.
ungesund, aber

Sie hatte das Glas geöffnet und zur Nase gehoben. Ohne mich aus den Augen zu lassen, roch sie.
[...]
"Du hast offenbar deinen Teil der Abmachung erfüllt."
"Ist es das, was du wolltest?"
Sie nickte, wirkte erleichtert,
Wie kann man denn die richtige Zusammensetzung von Quecksilber, Schwefel, Kaliumnitrat, jede Menge Kohlenstoff, Alkohol, Spuren von Silber, Zink, Blei und Beryllium durch Riechen erkennen kann, ist mir ein Rätsel.


Ein Bleiklumpen in der Magengegend, versuchte mich zu Boden zu ziehen, während sie auf mich zuging und ihre beiden flachen Handflächen auf meine Brust legte.
Komma nach Magengegend weg

In meinem Kopf begannen sich Wahrheit und Erträumtes zu vermischen, und ich versuchte, eine Präferenz zwischen mich besaufen oder vom Balkon stürzen herauszuarbeiten.
stürzen, herauszuarbeiten
"Es ist das Elixier, das meinen Vater das Leben kostete."
meinem


Wie solltest du auch mit dem Bißchen Lebenserfahrung?"
bisschen
Was sein Bestes geben aber nicht das Ziel erreichen betraf, so war es bei meinem Teil des Abenteuers ähnlich.
Das würde ich kursiv setzen:

Was sein Bestes geben, aber nicht das Ziel erreichen
betraf, so war es bei meinem Teil des Abenteuers ähnlich.

Von den organischen Anteilen hatte ich zwar einige Pilzgifte bestimmen können, aber die Vielzahl beigemischter Pflanzenbestandteile hatte ich nicht synthetisieren können.
Das erste können weg

Ich stimme lakita zu: Die Überschrift ist nicht besonders ansprechend. Soll ich sie ändern?

Liebe Grüße
bernadette

 

Hallo Bernadette,

vorab mal ganz herzlichen Dank für deine Anmerkungen und die gründliche Textarbeit. Zusammen mit lakita hast du mir Mut gemacht, mir dieses Stück Text nochmals vorzunehmen. Auch dafür ganz lieben Dank.

Deine Textanmerkungen sind zum größten Teil umgesetzt, was die Charakterisierungen betrifft, stimme ich dir sofrt zu, brauche aber etwas Ruhe zum Überarbeiten. Wird folgen, ist versprochen.

Ein letzter Punkt, Titeländerung: Wenn vom Titel nur das "Kopie und Original" stehen bleibt, wäre es ein Stück besser. Also falls du dich langweilen solltest ...

Zu allen anderen wesentlichen Punkten später,

Liebe Grüße,

AE

 

Ein letzter Punkt, Titeländerung: Wenn vom Titel nur das "Kopie und Original" stehen bleibt, wäre es ein Stück besser. Also falls du dich langweilen solltest ...
Langeweile ist eines der Dinge in meinem Leben, das nie vorkommt ;)
Ich hab den Titel, wie du ja siehst, geändert. Gelungen finde ich ihn trotzdem noch nicht, aber du kannst ja noch darüber brüten, ich änder dann gerne nochmal :).

 

Das Anti-Aging-Produkt sollte wirklich noch etwas herausgearbeitet werden.

:idee:
Darauf kam ich vor lauter Sonstwas gar nicht.
Überarbeitungsbedarf :D

 

Hallo AlterEgo

Da will ich mir mal deine letzte Geschichte zu Gemüte führen.
Rein von der Handlung her kann ich eigentlich nicht viel sagen. Wie du es selbst bereits erwähnt hast, ist es eine Variation eine beliebten Themas. Und Gerade weil diese Geschichte (so oder ähnlich) schon oft erzählt wurde, ist die Sprache, in der dies geschieht, sehr wichtig. In ihr muss die Besonderheit, der Charakter und die Magie der Geschichte liegen, wenn sie nicht bloss eine unter zahllosen Varianten bleiben soll.
Wenn das gelänge, wenn die Erzählweise den Unterschied machen würde, könnte es eine fabelhafte Geschichte sein. Ich denke, du warst dir dessen beim Schreiben bewusst und du hast dich auch um eine poetische, teils ungewöhnliche Sprache bemüht.
Leider muss ich sagen, dass es sich meiner Ansicht nach nicht zu einem ganzen, einheitlichen Bild gefügt hat. Oft vermischen sich die poetischen Ausdrücke mit einer "weltlichen Sprache", die nicht ganz passen will.
Soweit es um den Prot geht, könnte man solche Vermischungen nachvollziehen, da er als Experte der anorganischen Chemie eben gerade nicht der geborene Poet oder Romantiker ist und seine Gefühle und Eindrücke deshalb nur unzureichend formulieren kann.
Jedoch setzt sich die teilweise holprige Ausdrucksweise auch bei Helena fort, wodurch diese Figur eine Menge an Erhabenheit und Unantastbarkeit einbüsst. Und damit meine ich nicht die Stelle, an der sie sich dem Prot anbietet. Denn da ist es ja die Absicht, dass sie ihre Würde links liegen lässt.
Ich meine Stellen, an denen sie noch mit dem Professor "spielt". Beispielsweise ist schon nach dem ersten Abschnitt klar, dass sie rein handelsmässig eine Gegenleistung für Sex will. Ausserdem finde ich den allerersten Satz, Helenas Frage, zu plump, um später noch von der unnahbaren Erotik dieser Frau fasziniert sein zu können.
Möglicherweise gelingt es mir nicht, klar auszudrücken, was ich meine, deshalb kommentiere ich hier einige Abschnitte aus der Geschichte:

"Ich muss weg. Wir sehen uns", waren ihre letzen Worte, bevor sie aufstand und ging.

Ich denke, das primäre Ziel des ersten Abschnittes ist es, zu zeigen, wie Helena ihre kühle Erotik versprüht und der Prot ihren Reizen ganz erliegt. Mit dieser Bemerkung beim Abgang wirkt sie viel zu normal. So wie Helena später beschrieben wird, habe ich das Gefühl, sie würde in dieser Situation einfach gehen und den Prot mit offener Kinnlade hinterlassen.

und hörte den gleichmäßigen Takt des Klack-Klacks ihrer Absätze noch, als das Schwarz ihres Kleides längst mit der Nacht verschmolzen war.

Hier ein Paradebeispiel dafür, was ich mit unpassender Vermischung von "steriler" und "poetischer" Sprache meine. Die Beschreibung "das Schwarz ihres Kleider längst mit der Nacht verschmolzen" ist sehr atmosphärisch, aber das "Klack-Klacks " passt überhaupt nicht in die Stimmung. Einfach "den gleichmässigen Takt ihrer Absätze noch" wäre besser.

Das gleich passiert übrigens im Satz vorher:


Unfähig, ihr mehr als ein "Tschüß" mit auf dem Weg zu geben, sah ich sie im Dunkel verschwinden

Das umgangssprachliche "Tschüß" passt nicht zur Poesie von "im Dunkel verschwinden".

Wieder ähnliches bemängle ich an folgenden Abschnitt

Ich musste darauf warten, dass sie sich wieder meldete, um mich wissen zu lassen, welchen Gefallen ich ihr tun sollte. Ich besaß keine Telefonnummer, keine Mailadresse, keine Postanschrift von ihr. Helena war in mein Leben geschneit, aber ich nicht in ihres. Während ich diese Unsymmetrie unserer Beziehung verfluchte, und dumpf nachgrübelte, womit mich diese rätselhafte Frau so nachhaltig in ihren Bann gezogen hatte, zog mich eine gleichgültig rumpelnde Rolltreppe in die Gedärme der Stadt hinab.

Während der letzte Satz wieder sehr viel Stimmung entstehen lässt, ist die Aufzählung "keine Telefonnummer, keine Mailadresse, keine Postanschrift von ihr" einfach unpassend, wie aus einem amtlichen Formular. Es wäre der Stimmung bedeutend zuträglicher, wenn du es umschreiben würdest, dass er keine Möglichkeit hat, sich bei ihr zu melden.

jugendlich glattes Gesicht ohne erkennbare Spuren eines Alterungsprozesses

Eine Andeutung, die zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn macht. Wenn du bei einer offensichtlich jungen Frau von "keinen erkennbaren Spuren eines Alterungsprozesses" sprichst, fragt man sich als Leser, wieso solche Spuren denn vorhanden sein sollten. Da beginne ich fast, die Lifiting-Nähte zu suchen.

Eine dunkle Ahnung überkam mich, als ich in ihm eine leere Phiole vorfand.

"in ihm" klingt seltsam. Ich würde "darin" schreiben.

Objekt meiner Begierde

Zu dieser Zeit ist sie hoffentlich noch Subjekt seiner Begierde. Schmutziger kleiner Professor... Nanana!

Ich hatte ihr das Schmuckstück vor einigen Wochen geschenkt, ob sie es zufällig oder mit Absicht trug?

...geschenkt. Ob sie es..?

Im folgenden Abschnitt, während dem Gespräch auf der Parkbank, spricht Helena eigentlich viel zu konkret. Der Prot benimmt sich, als würde er völlig im Dunkeln gelassen, jedoch äussert Helena sich klar und deutlich darüber, was sie will. Ein bisschen vagere Antworten würden die Faszination, welche sie auf den Prot ausübt, besser begründen können.

Aber wir wollen uns doch nicht mit Details aufhalten, oder? Übrigens, ich heiße Helena."

Ist das Ironie? Denn für Helena ist es zweifelsohne ein Detail, ob er ihren Namen kennt oder nicht.

Angst zu versagen. Ihr nicht geben können, was sie erwartete.

Sie will das Gefäss in der Mitte des Tisches. Da er schon an sich zweifelt und sich als alten Sack bezeichnet, dürfte er sich über den Grund für Helenas Besuch nicht täuschen.

ihre beiden flachen Handflächen

"ihre Handflächen" beinhaltet beide und flach bereits.

Ich hatte die Türe geschlossen und kurz den Kopf gegen das Holz gelehnt. Aus dem Treppenhaus herauf verklang das leise Stakkato von Helenas Absätzen. Es war das Letzte, was ich von ihr hören sollte.

Da dir der Titel deiner Geschichte nicht zu gefallen scheint, hier meint Tipp: Die Dernière.

"Und bekomme ich die deine Nummer?"
"Wenn ich keines besitze?"
"Festnetz?"
"Ebenfalls Fehlanzeige."
"Das gibt es nicht, würde ich sagen"
"Vielleicht bin ich ja nicht so ganz echt."

Tut mir leid. Übler Teenie-Dialog. Passt weder zum reifen Professor noch zu der geheimnisvollen Helena

Am Ende frage ich mich, ob es für die Geschichte nicht besser wäre, wenn sie einfach gehen würde, ohne ihn

wenigstens mit der Wahrheit zu beglücken

Vielleicht hätte man die Geschichte der Helena auch anders andeuten oder erzählen können.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Etaku,

du bist ein aufmerksamer Leser. Die Geschichte halte ich in der Tat nochmals für überarbeitungswürdig und der aktuelle zeitliche Abstand ist eigentlich ideal dafür. Danke fürs Ausgraben.

Was den Herrn Professor betrifft, so hast du seinen Seelenzustand, der zwischen professioneller Nüchternheit und der Macht der Begierde/Romantik schwankt (und der damit verbundenen Jugendsehnsucht) betrifft, so beschrieben, wie ich ihn mir auch denke.

Aber die gute, schöne, alte Helena ist leider nicht so aufgefasst worden wie gedacht. Nun kann ich mich an die Brust fassen und meinen Text kritisch nochmals durcharbeiten, warum die Nachricht nicht ankam. Das wird auch passieren, versprochen.

Worum es mir bei ihr ging -und es handelt sich dabei um die eigentliche Motivation diese Geschichte zu schreiben- war das Thema des ewig jung Bleibens. Du kreidest mir ihre teilweise jugendliche Sprache an, seltsamerweise aber nicht die beschreibenden Stellen, wo sie als blutjung vom Aussehen her beschrieben wird.

Versuche dich doch einmal in die Psyche einer solchen Person hineinzufantasieren. Da ist das nicht auffallen wollen/dürfen, das sich so verhalten müssen, wie es ihren "Altersgenossinnen" entspricht. Und da ist gleichzeitig die Jahrhunderte alte abgeklärtheit, die den sabbernden Chemieprofessor in eine Reihe mit hunderten von Vorgängern stellt. Kann ein soclher Spagat der Anforderungen gelingen?

Es ist durchaus beabsichtigt, dass sie von der Zeitspanne zerrieben wird und deshalb nicht als konsistente Figur erscheint. Dennoch werde ich deine Anregungen ernst nehmen und den Text in seinen Einzelheiten nochmals durcharbeiten.

Herzlichen Dank und lieben Gruß,

AE

 

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