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Korpalopus

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06.05.2005
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Korpalopus

Korpalopus stieg den selbst angelegten Berg empor. Schritt für Schritt kletterte er über die mehr oder weniger verwesten Leichen. Stolz schwellte in seiner Brust, Stolz auf sein den Wolken nahes Werk. Er nannte es das Lebenselixier.
Der oberste aller Schädel, der Vizekaiser von Korpalopus‘ Reich, stand auf dem Gipfel und wartete. Sein Name war Gregork, der Name eines Dieners erster Ordnung. Sein schrumpeliges Herz schlug für den Herrn und fühlte dessen Nähe, die herannahenden Schritte, das Knirschen der durch Metallnägel unterstützten Gelenke, den alles umfassenden Gestank seines Atems. Er kannte die Gewohnheiten des Herrn, er liebte und hasste sie zugleich.
Als Korpalopus den Gipfel erreichte, schimmerte in seinen feurigen Augen die himmlische Weite einer endlosen Landschaft, das Panorama der teuflischen Grabanlage, seine Vision. Unter den durchwurmten Füßen lag Gregork und entfernte das Ungeziefer im fauligen Fleisch des Kaisers. Die dünne, borstige Zunge war lang und bestens geeignet dazu, was sein krankes Herz beglückte.
Korpalopus trat den dienenden Schädel zur Seite. Gregork rollte den Hang hinunter und landete an einem Vorsprung aus Nasenbeinen. Ein Schrei entwich aus seiner mickrigen Gestalt, und ließ die noch lebenden Opfer aus dem Delirium des Todes erwachen. Hass erfüllte ihn, doch Hass auf den Herrn war verboten. Verboten, verboten, verboten.
Aus Gregorks Ohren schlängelten dürre Ärmchen und zogen ihn empor, zu Fuße seines geliebten Herrn, dem Kaiser des allmächtigen Reiches – Korpalopus.

Zwanzig blasse Kinder saßen in einem grauen Klassenzimmer. Der gut gelaunte Lehrer stolzierte herein und begrüßte seine Schüler.
"Na Kinder, wer ist unser größtes Vorbild im Lande?", fragte er mit schriller Stimme.
"Korpalopus, Korpalopus, Korpalopus!", schrien die Kinder im Chor.

Korpalopus, auf dem Gipfel seines paradiesischen Berges, überblickte sein Werk mit Stolz. In der Ferne näherten sich drei riesige, qualmende Fahrzeuge.
"Eine neue Lieferung!", jubelte er wie ein Kind und rannte den Berg hinunter.
Aus den Fahrzeugen strömten neue Opfer und versammelten sich. Knochige Gestalten mit tauben Gesichtern, Frauen mit Kindern – ausgemergelt und nackt. Korpalopus zückte sein langes Schwert und metzelte sie alle nieder. Alle! Keiner durfte übrig bleiben. Keiner, keiner, keiner! Die Opferkanonen wurden herangefahren, und mit den toten Körpern beladen. Es knallte, die Erde bebte, und alle landeten auf dem Gipfel des Berges. Alle!

Eine uniformierte Gestalt stieß in das Klassenzimmer und zerrte ein kleines Mädchen hinaus.
"Ah, sehr lobenswert, Soldat!", schwärmte der Lehrer und blickte in sein Publikum. "Seht ihr, Kinder? Unser Kaiser sorgt für Recht und Ordnung."
Die Soldatengestalt huschte die Treppen hinunter, das Mädchen fest im Griff. Er eilte auf den Hof und schmiss das Kind auf die Ladefläche eines riesigen, qualmenden Fahrzeuges.
Das Fahrzeug fuhr mit ratterndem Getöse fort.
"Na Kinder", dröhnte eine Stimme aus dem Klassenzimmer. "Wer ist unser größtes Vorbild im Land?"
Die Antwort schallte klar und deutlich über den Hof.

 

Hi larvalis

Interessant. Mir gefallen die surrealen Bilder, die du entwirfst, obwohl ich ein paar Anläufe gebraucht habe, um mir die Figuren einigermaßen vorstellen zu können. Da könntest du dich vielleicht noch um mehr Klarheit bemühen.
Ich bin mir z.B. immer noch nicht ganz sicher, aus wessen Ohren da Ärmchen herauskommen. Aus Gregorks eigenen? Ich dachte nämlich zuerst, aus den Ohren irgendwelcher Leichen. ;)

Stolz schwellte in seiner Brust, Stolz auf sein den Wolken nahem Werk.
= müsste das nicht Stolz auf sein den Wolken nahes Werk heißen?

Gregork rollte den Hang hinunter und landete an einem Vorsprung aus Nasenbeinen. = :thumbsup:

Korpalopus bediente sich seines Waffenarsenals und metzelte sie alle nieder.

= dieser Satz gefällt mir irgendwie nicht, vielleicht, weil es so ... abstrakt klingt? Unter Waffenarsenal kann ich mir nichts Konkretes vorstellen, und darunter leidet mE die visuelle Aussagekraft der Szene (zumindest glaube ich, dass es das ist, was mich hier stört)

Die Szenen in der Schule bilden einen guten Gegensatz zum Rest und der Zynismus, den ich herauslese, hat seine Wirkung nicht verfehlt.

Zwanzig blasse Kinder saßen in einem grauen Klassenzimmer. Der gut gelaunte Lehrer stolzierte herein und begrüßte seine Schüler.
"Na Kinder, wer ist unser größtes Vorbild im Lande?", fragte er mit schriller Stimme.
"Korpalopus, Korpalopus, Korpalopus!", schrien die Kinder im Chor.

= wenig Worte und doch als Bild/Szene ausgesprochen 'stark' im Gesamtkontext :thumbsup:

"Meinem Herrn wird’s gefallen.", dachte er und grinste glücksselig vor sich hin.
= diesen Satz bzw. die Innenansicht des Fahrers finde ich hier überflüssig; sie stellt für mich im letzten Absatz einen geringen Störfaktor dar

Ja, mir hat's gefallen.

Gruß,
Megries

 

Hallo Megries,

wow, vielen Dank für die sehr hilfreiche Kritik. :) Ich habe alle Vorschläge umgesetzt.
Ja, die Ärmchen sollten eigentlich aus Gregorks Ohren schlängeln, ich hab’s jetzt klarer gemacht. ;)

Es freut mich, dass dir meine Geschichte gefallen hat. Ich werde mal überlegen, wie ich für etwas mehr Verständlichkeit sorgen kann, und die beiden Figuren stärker charakterisieren werde...

Viele Grüße,
Larvalis

 

Hi Larvalis, deine Geschichte hast du wirklich bemerkenswert und originell in Szene gesetzt: Zynisch, bildhaft und gegensätzlich! Vielleicht solltest du dir aber mal überlegen sie in die Kategorie Fantasie/Märchen zu setzen, weil dort vor allem der Anfang der Geschichte mehr Anklang finden wird und du somit mehr Resonanz erhalten könntest, was du sicherlich verdient hättest.
Mach in jedem Fall weiter so und lass uns noch mehr von solchen, obskuren Geschichten hören.

Gruß, Nobody

 

Hallo Nobody,

danke für dein Lob!
Ich bin mir im Moment nicht so sicher, ob die Geschichte in Fantasy/Märchen besser aufgehoben ist :confused:. Die Figuren sind sicherlich fantastisch, und die Handlung könnte so nicht in der Realität stattfinden, was zur KG-Definition von Fantasy/Märchen passt.
Auf der anderen Seite ist der Inhalt - für mein Empfinden - seltsam und surrealistisch --> passt in Seltsam.

Verdammte Kategorisierung!

Ich werde mal darüber nachdenken, deswegen danke für deine Anregung!
Vielleicht kann mir noch jemand weiterhelfen?

Viele Grüße,
Larvalis

 

Hallo Larvalis!
Weiß auch nicht wo deine Geschichte besser reinpasst.

Verdammte Kategorisierung!
Genau!!
Ich fand sie jedenfalls cool. Für mich ist sie irgendwie ein Gleichnis, klingt das jetzt zu biblisch?;) Ein sehr treffendes Bild für...ja was eigentlich? Macht? blinde Obrigkeitshörigkeit? alles mögliche, die Gesellschaft!....also vielleicht kannst du sie in Gesellschaft stellen oder Satire? Schließlich müssen Satiren ja nicht unbedingt wirklich komisch sein. Sarkastisch und bissig ist die Geschichte allemal und grauslich auch, also Horror?
O.k., ich gebs auf für so eine kurze Geschichte ganz schön vielschichtig..puuh, sehr hilfreich war das jetzt wohl nicht, aber ein Kompliment;)
lg
scribine

 

Hallo larvalis,

bei Seltsam-Geschichten geschieht das Seltsame oft als Selbstzweck, oft sind solche Geschichten auch offen. Mir hat gut gefallen, dass du die Leichenberge nicht verwendest, um mal etwas Monströses zu schreiben, nein, du benutzt dieses Bild als gelungenen Kontrast zu dem Klassenzimmer und dem euphorischen, Verblendung trainierenden Lehrer. Ein bekanntes und wichtiges Thema ungewöhnlich umgesetzt, prima.
Deine Geschichte wirkt am Anfang seltsam, aber eigentlich geht es um eine Gesellschaftskritik, deshalb halte ich `Gesellschaft´ für die Richtige Rubrik (notfalls bleibt immer noch `Sonstiges´).

„Eine uniformierte Gestalt stieß in das Klassenzimmer und zerrte ein kleines Mädchen hinaus“

Interessant, dass es keinen Grund gibt, die nachfolgende Rechtfertigung (durch den Lehrer) ist Grund genug.

L G,

tschüß Woltochinon

 

Hallo scribine und Woltochinon,

danke für eure Kommentare! Bei der Kategorie-Wahl habt ihr mir geholfen: Ich tendiere jetzt zu „Gesellschaft“. Werde mal eine Nacht drüber schlafen und dann entscheiden.

Zitat von scribine:
Für mich ist sie irgendwie ein Gleichnis, klingt das jetzt zu biblisch? Ein sehr treffendes Bild für...ja was eigentlich? Macht? blinde Obrigkeitshörigkeit? alles mögliche, die Gesellschaft!.
Das hast du ganz gut beschrieben (Es klingt für mich nicht zu biblisch :)). Ich glaube sie ist einem Gleichnis ähnlich. Der Leser muss die Parallelen zur Wirklichkeit selber ziehen und ist dabei frei.

Satire und Horror glaube ich passen nicht so gut als Kategorie, die Schnittmenge wäre meiner Meinung nach zu klein.

Zitat von scribine:
puuh, sehr hilfreich war das jetzt wohl nicht, aber ein Kompliment
Hat mir geholfen ;)

@Woltochinon:
Ja, „Seltsam“ passt doch nicht so richtig. Wenn ich mich zurück erinnere, wollte ich auch nicht wirklich etwas seltsames schreiben, um etwas seltsames zu schreiben.

Zitat von Woltochinon:
„Eine uniformierte Gestalt stieß in das Klassenzimmer und zerrte ein kleines Mädchen hinaus“

Interessant, dass es keinen Grund gibt, die nachfolgende Rechtfertigung (durch den Lehrer) ist Grund genug.

Das hat mich erst etwas verwirrt. Glaube aber zu wissen, was du meinst ;).

Viele Grüße,
Larvalis

 

Hallo larvalis,

"Eine uniformierte Gestalt stieß in das Klassenzimmer und zerrte ein kleines Mädchen hinaus.
"Ah, sehr lobenswert, Soldat!", schwärmte der Lehrer und blickte in sein Publikum. "Seht ihr, Kinder? Unser Kaiser sorgt für Recht und Ordnung."

- Ja, ich habe mich etwas knapp ausgedrückt: Der Soldat gibt keinen Grund für die Verhaftung an, über das Mädchen wird nichts auffälliges berichtet - der Lehrer setzt einfach voraus, dass die Obrigkeit schon das Richtige tut. Ein bekanntes soziologisches Phänomen (oft gekoppelt mit dem Spruch `Ich biete doch keinen Anlass für ein Vorgehen gegen mich - man meint es träfe nur die bösen Anderen). Gut getroffen: "schwärmte".

L G,

tschüß Woltochinon

 

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