Was ist neu

Krach

Mitglied
Beitritt
28.01.2006
Beiträge
242
Zuletzt bearbeitet:

Krach

Anfangs war es nur Teil meines Studiums, Besuche in der Psychatrie zu machen. Nach und nach entwickelte sich aber ein Verhältnis zwischen mir und Staude, das als Freundschaft zu bezeichnen sicher falsch wäre, aber dennoch von großem Vertrauen, ja, sogar Loyalität geprägt war. Er erzählte nie davon, weswegen genau er in die Klinik gekommen war. Ich weiß es bis heute nicht. Auch weiß ich nicht, ob er Angehörige besaß oder außer mir noch andere regelmäßige Besuche empfing. Er erzählte nie etwas von sich, manchmal glaube ich beinahe, er wusste gar nicht, dass er ein Mensch war, der ein eigenes Leben besaß. Wie kann ich dennoch davon sprechen, dass zwischen uns ein Vertrauen geherrscht hatte? Es waren die Spaziergänge, die uns miteinander verbanden. Die Spaziergänge, die eigentlich gar nicht hätten stattfinden dürfen, weil er offiziell die Klinik nicht verlassen durfte. Die Schwestern aber drückten ein Auge zu, sie waren sogar froh, dass Staude endlich jemanden gefunden hatte, dem gegenüber er sich öffnen konnte, und sprachen davon, dass sich sein Zustand erheblich gebessert habe, seit er die regelmäßigen Spaziergänge mit mir unternehme. Ich konnte es nicht beurteilen, ich war nur Student und verstehe noch heute nicht, weswegen er ausgerechnet mich nach diesen Spaziergängen gefragt hatte. Da die Klausuren zu Ende waren und ich die Zeit besaß, sagte ich ihm zu und holte die Zustimmung der Schwestern ein, auch wenn es mir eigentlich davor schauderte, mit einem psychisch Kranken alleine spazieren zu gehen. Die Schwestern aber versicherten mir, dass keine Gefahr für mich oder die Menschen draußen bestand, doch sollte ich die Masse meiden, da eine Masse Menschen Staude wohl nicht bekommen würde. Aus dem einen Spaziergang wurde eine Gewohnheit, die langsam nicht nur ihm, sondern auch mir zu einer willkommenen Verpflichtung wurde. Keine Verpflichtung im tatsächlichen Sinne, aber wir beide haben unsere Spaziergänge als eine Verpflichtung angesehen. Eine Verpflichtung einem Vertrauten gegenüber, ja, vielleicht auch gegenüber einem Freund. Wir gingen den alten Schotterweg am Fluss entlang, eigentlich immer, wenn dort nicht gerade das Hochwasser stand. Das war aber nur dreimal der Fall, Ende Februar bis Anfang März. Unsere Spaziergänge verliefen immer nach dem gleichen Muster: er erzählte, ich hörte zu. Gleich bei unserem ersten Spaziergang begann Staude mit einem seiner Vorträge, die ich für immer in Erinnerung behalten werde:

„Wozu ist der Mensch denn schon fähig?“, fragte er mich, kaum waren wir auf den knapp fünf Gehminuten von der Klinik entfernten Weg eingebogen. „Krach, mein Lieber. Zu nichts anderem als ohrenbetäubenden Krach!“, setzte er fort, ein sanftes Beben in seiner tiefen Stimme, die draußen an der Luft noch viel tiefer klang. Als ob die Mauern der Klinik sie darin gehindert hätten, sich in ihrer ganzen Tiefe zu entfalten.
„Hören Sie die Autos? Völlig ohne Sinn fahren sie oben an der Straße vorbei und machen Krach. Die Fahrer fahren von zu Hause weg oder wieder nach Hause, jeden Tag zur selben Zeit. Ich höre sie in meinem Zimmer in der Klinik. Ich will den Vögeln lauschen, die sich ab und an auf den Bäumen im Klinikgarten niederlassen, und dann kommen die Autos und ich höre nur noch Krach. Früher sind die Vögel aufgeschreckt und davongeflogen, doch langsam haben auch sie begriffen, dass flüchten sinnlos ist, weil der Krach der Menschen überall ist. Sie steigen aus dem Wagen, knallen die Türen zu, stapfen die Treppenstufen bis zur Haustüre hinauf und drücken auf den Klingelknopf, weil ein Klopfen nicht laut genug wäre, um die Fernseher zu übertonen, deren Krach den ganzen Tag durch die offenen Fenster nach draußen dringt. Oder die Staubsauger. Wissen Sie eigentlich, wie viel Krach so ein Staubsauger macht? Die Männer brüllen in die Gegensprechanlage, dass sie zu Hause seien, woraufhin die Frauen die Summer drücken und kaum sind sie, die Männer, in der Wohnung angekommen, brüllen sie, die Frauen, dass sie, die Männer, ruhig sein sollen, da sie, die Frauen, die Serie nicht verpassen wollen.“
Staude wollte eine Pause machen und wir setzten uns auf eine Bank, von der aus wir auf den Fluss blicken konnten, der langsam vor unseren Augen vorüberzog. Er verriet mir nie sein Alter, aber wenn ich ihn in solchen Momenten ansah, überkam mich der Gedanke, dass Staude schon unzählige Jahre auf dem Buckel hatte. Dann aber, wie er marschierte, verwarf ich diese Gedanken schnell, manchmal hatte ich regelrecht Angst, dass er mir wegrennen würde. Wenn nicht die Pausen wären, die er ständig einlegen wollte, beinahe an jeder Bank hielten wir und er schnaufte sich aus, hielt dabei die Hand fest auf seinem Bauch, als ob er jeden Atemzug nicht nur atmen, sondern auch fühlen wolle. Erst wenn sich sein Atem beruhigt hatte, setzte er seine Monologe fort, die immerzu vom menschlichen Krach handelten. Einmal kam ein Radfahrer an, Staude blickte mir erst lange in die Augen, dann wendete er seinen Kopf und schaute schnurgerade nach vorne, von wo der Mann auf dem Fahrrad immer größer und deutlicher in unser Sichtfenster hineinstrampelte. „Sehen Sie, er hat ihn zu Hause nicht mehr ertragen, den Krach, den die Menschen machen. Er glaubt, wenn er sich auf sein Rad setzt, kann er sich in die Stille der Natur flüchten. Doch was ist schon die Stille der Natur? Gibt es die noch? Und überhaupt, Kopfhörer hat er in die Ohren gesteckt!, weil oben an der Straße die Autos vorbeifahren und er den Krach nicht hören will. Er verabscheut den Krach und macht selbst nichts anderes. Die fürchterliche Musik! Dann das Klacken der Kette, die auf das nächste Zahnrad springt, wenn er genüsslich die 21 Gänge rauf- und runterschaltet. Sicher, er ist ein Mensch, er kann nichts dafür, er muss Krach machen! Es ist der einzige Sinn, den ein Mensch auf dieser Erde hat: Krach machen! Wenn man dabei von einem Sinn sprechen kann.“

„Wer den Krach nicht ertragen konnte, ist früher von der Brücke gesprungen. Doch welcher vernünftige Mensch begeht heute noch Selbstmord? Den meisten widerstrebt der Krach zutiefst, den so ein Sprung auslöst. Es dauert keine Stunde, da sperrt die Polizei die Brücke. Mindestens drei Wagen kommen. Mit Blaulicht und Sirene! Stellen Sie sich mal vor, was das für einen sinnlosen Krach macht. Dann springen die Taucher in den Fluss, um nach der Leiche zu suchen und jedes Paddeln mit den Armen macht Krach. Statt dass sie die Leichen einfach liegen lassen, unten auf dem Grund, wie früher. Wenn sie irgendwann von alleine aufgetaucht sind, hat man sie treiben lassen. Wie ruhig der Fluss war, als er die toten Körper ins Meer getragen hat, wo sie damals keinen Krach mehr machen konnten und auch keinem Krach ausgesetzt waren, weil es keine Schiffe gab, keine Ozeandampfer oder Öltanker, die den Krach der Erde auf die See hinaus bringen.“ Staude zeigte mir, wo früher die Leichen getrieben sind. Ein paar Enten schwammen im Schatten der Bäume am Ufer entlang.

„Ich will nicht sagen, dass der Mensch früher besser oder ruhiger war, keineswegs!“, erklärte er mir dann, „Er war ja von der gleichen Sorte Lebewesen wie heute. Seine Gene waren schon immer die eines Krachmachers! Aber er war damals noch zu dumm, um Krach zu machen. Er kannte keine Autos, er kannte keine Schiffe, er kannte höchstens den Krach der Steine, die er aufeinander haute, um Feuer zu machen. Die Entwicklung, die Zivilisation, die haben den Krach ausgelöst. Und deshalb gab es früher noch keinen Krach. Der Mensch war ein Krachmacher, der keinen Krach machen konnte. Das ist paradox, aber nicht widersinnig, mein Lieber! Nicht widersinnig! Erst der Fortschritt hat dem Menschen nämlich gezeigt, wie er wirklich Krach machen kann. Deshalb gab es früher auch noch schöne Geräusche. Ein Hundebellen oder ein Vogelzwitschern. Ich sitze den ganzen Tag in meinem Zimmer am Fenster und versuche, ein Vogelzwitschern zu hören, doch obwohl die Vögel manchmal vor meinem Fenster zwitschern höre ich keines. Aber wer weiß denn heute noch wie ein Vogel zwitschert oder eine Ente quakt? Sehen Sie die Enten da vorne?“, Staude wies dorthin, wo nach seiner Aussage die Leichen getrieben seien, „Sie denken, sie wissen, wie sie sich anhören. Aber Sie nicht, mein Lieber! Bitte sagen Sie mir, dass Sie es nicht denken! Nein, Sie denken es nicht! Aber die Menschen denken, es zu wissen, wie die Enten quaken, weil sie noch nie ein reines Entenquaken gehört haben. Ein reines Quaken ohne in den Ohren den Krach der Autos, der Kopfhörer, der Schiffe, der Flugzeuge, der Fernseher, der Satelliten, der Fahrräder, der Menschen zu haben. Mit ihren Düsenfliegern tragen sie den Krach ins Universum und von dort schallt er auf die Erde zurück und verfälscht jedes Geräusch und deshalb gibt es auch kein reines Entenquaken mehr. Der Mensch hat es kaputt gemacht, wie er alles kaputt macht mit seinem Krach! Er kommt auf die Welt und noch bevor er eines seiner verklebten Augen öffnet, kreischt er, wie um zu zeigen, dass er dazu gehört, um den anderen Krachmachern zu beweisen, dass auch er Krach machen kann, höllischen Krach, der lauter ist als der Krach der Maschinen, die im Geburtszimmer des Krankenhauses brummen, lauter als die ständig tickende Uhr an der Wand und lauter als die Sirenen, mit denen der Krankenwagen die vor Schmerz schreiende Mutter vor ein paar Minuten erst hergebracht hat. Gibt es überhaupt eine menschliche Erfindung, die größeren Krach macht als ein Krankenwagen? Es ist nicht nur der Krach der Sirenen und der Lärm des Motors. Schlimmer: Der Krach, den die Menschen verursachen können, weil die Sanitäter ihnen das Leben retten!“

In solchen Momenten war Staude kaum zu bremsen und wenn ich ihm sagte, dass die Schwester ihn schon in den nächsten Minuten in der Klinik erwarten, ging er nur widerwillig mit. Er ging lediglich mit, weil er fürchtete, dass sie unsere Spaziergänge verböten, und als ich ihn der Obhut der Schwestern übergab, musste ich ihm versprechen, in zwei Wochen wiederzukommen, obwohl er inzwischen wusste, dass auch ich unsere regelmäßigen Spaziergänge als Verpflichtung angesehen hatte und sie, ja, ich muss zugeben, auch genoss. Wenn ich ihn exakt 14 Tage später wieder abholte, setzte er seinen Vortrag an genau jener Stelle fort, an der er ihn unterbrochen hatte, als hätte es gar keine Unterbrechung gegeben, als hätte er 14 Tage lang nichts anderes getan als sich an das Wort zu erinnern, mit dem er geendet hatte.

„Was lassen sie sie nicht einfach ausbluten, wenn sie ohnmächtig im Wagen sitzen, den es wenige Augenblicke zuvor an den Baum geschleudert hat? Während die Sirenen noch am Unfallort lärmen, schneiden sie sie aus dem Autowrack, hieven sie auf die Bahre, beatmen sie und am Ende kommen sie mit ein paar leichten Knochenbrüchen davon. Ein paar Wochen später stehen sie wieder in der Werkstatt, holen ihre frisch reparierten Wägen, nur um nach eins, zwei Tagen wieder gegen den Baum zu krachen.“
Staude machte nach diesem Satz etwas, das er noch nie gemacht hatte. Wir waren bereits auf dem Rückweg zur Klinik, als er am Rand des Weges anhielt und eine alte Eiche streichelte, deren weites Geäst über den Weg hinüber reichte, so dass wir im Schatten standen und es mich trotz strahlenden Sonnenscheins ein wenig fröstelte. So oft ich den Weg in den nächsten Wochen abgelaufen bin und so gut ich in Erinnerung habe, wie die Eiche ausgesehen hat, finde ich sie jetzt nicht mehr wieder, als hätten die Menschen sie gefällt. Aber selbst dann hätte ich ihren Stumpf finden müssen, oder nicht?

Als wir darunter standen, erklärte Staude mit seiner eindrucksvoll tiefen Stimme: „Es gibt aber auch einen schönen Krach, mein Lieber! Sie werden es nicht glauben, Krach kann wunderbar schön sein, wenn Sie wissen, dass er endgültig ist, dass nach ihm die Stille folgt. Wie wunderschön es klingt, wenn ein Sarg ins Grab poltert. Dieser Amokläufer, Sie müssen es in der Zeitung gelesen haben, wie schön jeder seiner Schüsse geklungen haben muss, der einen Krachmacher ausgelöscht hat. Pistole, Gewehre, wie schön sie schießen. Bomben, wie schön sie explodieren. Welch herrlicher Krach! Der Krach einer kleinen Atombombe kann den Krach von einer ganzen Million Menschen auslöschen. Ist das nicht verrückt, dass wir diesen Krach brauchen, um die Stille zu erzeugen? Aber ist es nicht auch beruhigend?“

„Krach!“, brüllte er dann, „Herrlicher Krach! Krach! KRACH!“, während des gesamten Rückwegs, als wolle er mit seinem Brüllen den Endknall hervorrufen, um endlich in Ruhe dem Zwitschern der Vögel von seinem Klinikzimmer aus zuhören zu können.

Zwei Wochen später stand ich wieder in der Klinik, wollte Staude zu unserem Spaziergang abholen, doch die Schwestern erklärten mir, dass er in eine andere Stadt verlegt wurde. Sie durften mir nicht sagen, wohin, auch nicht warum. Ob ich sein Zimmer sehen dürfe? Sie führten mich hinauf, ich setzte mich auf das schmale Bett, öffnete das Fenster und hörte den Krach der Autos, den sinnlosen Krach der Menschen, der das Vogelzwitschern verzerrte. Die Schwestern gaben mir einen Brief, den Staude für mich hinterlassen hatte. Ich verließ die Klinik, lief hinunter zum Fluss und auf einer Bank öffnete ich den Umschlag. Hören Sie nur immerzu die Enten!, hatte er geschrieben, als hätte er gewusst, dass ich noch immer alle zwei Wochen unseren Spaziergang an den Fluss unternehme. Hören Sie nur immerzu die Enten! Und seien Sie beruhigt, dass nur der Krach die Stille bringt!

 

Bei dieser Geschichte bin ich besonders gespannt auf eure Reaktionen, weil es für mich irgendwie ein Experiment war.

Ich denke, man kann durchaus erkennen, dass ich erst kürzlich ein bißchen Thomas Bernhard gelesen habe ;)

 

Hallo Smilodon,

Thomas Bernhard ist mir zwar ein Begriff, aber gelesen habe ich noch nichts von ihm. Das einmal vorneweg. :)

Aber ehrlich gesagt, ermuntert deine Geschichte mich auch nicht dazu, es einmal zu tun. Sorry, aber für meinen Geschmack war das nichts.
Dabei ist es sicherlich interessant und auch gesellschaftlich relevant, etwas über Krach zu schreiben. Krach der krank macht und eine psychische Belastung darstellt. Dass es tatsächlich oft nicht mehr möglich ist, einfach nur die Natur zu genießen.

Aber die Umsetzung hat mir nicht gefallen.

Zum Einen redest du vom Krach, den der technische Fortschritt verursacht. In deiner Geschichte ist aber von allem möglichen Krach die Rede - das Weinen eines neugeborenen Babys hat nichts mit technischem Fortschritt zu tun. Und das Läuten von Kirchenglocken auch eher wenig.

Auch erzählst du für meinen Geschmack zu wenig Geschichte. Du redet eine Person (ist es überhaupt eine Person) und wirft mit groben Verallgemeinerungen um sich. Der Leser erfährt nicht, wer diese Person ist und warum sie diese Einstellung zum Krach hat. Genausowenig erfährt der Leser, zu wem diese Person spricht.
Und überhaupt ist deine Geschichte sowieso eher ein Monolog, als eine Geschichte in der auch etwas passiert.

Mir hätte es besser gefallen, wenn die Erkenntnis über den Krach nicht so übertrieben gewesen wäre. Und wenn es eine Art "Entwicklungsgeschichte" geben würde. Warum der Protagonist so denkt. Was in seinem Leben ihn so weit gebracht hat.

Ein paar Details:

Ihre Fahrer fahren nach ihrem Zuhause, während aus den Lautsprechern Musik dröhnt.

Hier stimmt irgendwas nicht.

Dort angekommen stellen sie den Wagen ab, öffnen die Tür und knallen sie unbedacht wieder zu, nachdem sie ausgestiegen sind

Den fett markierten Teil würde ich zugunsten des Leseflusses weglassen. Und es wird ja aus dem Zusammenhang klar, dass die Türe erst zugeknallt wird, nachdem man ausgestiegen ist.

Psst, die Serie, schreit sie, deutet auf den Fernseher, während draußen der Nachbar auf seine Hofeinfahrt biegt, die Wagentür zuknallt, das elektrische Garagentor herunterrattern lässt und von den Geräuschen des Fernsehers – er weiß schon gar nicht, ob es der eigene oder der im Nachbarhaus ist – belästigt in die Gegensprechanlage brüllt und auf den Summer wartet, während hier oben auf der Straße neue Autos nach Hause fahren, deren einzige Bestimmung es ist, Krach zu machen.

in statt auf

Für meinen Geschmack ist dieser Satz etwas zu lang

Er kommt auf die Welt und noch bevor er eines seiner verklebten Augen öffnet, kreischt er, wie um zu zeigen, dass er dazu gehört, um den anderen Krachmachern zu beweisen, dass auch er Krach machen kann, höllischen Krach, der lauter ist als der Krach der Maschinen, die im Geburtszimmer des Krankenhauses brummen, lauter als die ständig tickende Uhr an der Wand und lauter als die Sirenen, mit denen der Krankenwagen die vor Schmerz schreiende Mutter vor ein paar Minuten erst hergebracht hat.

Ich dachte der Krach, von dem hier die Rede ist, hat hauptsächlich etwas mit dem technischen Fortschritt zu tun. Aber das Weinen eines Babys hat für mich mit technischem Fortschritt rein gar nicht zu tun.

Die lärmenden Sirenen kommen angefahren und schneiden ihn aus dem Autowrack, dann hieven sie ihn auf die Bahre, leisten Erste Hilfe, beatmen ihn und am Ende hat er nur sein Bein gebrochen.

Auch wenn eine Übertreibung sicherlich gewollt ist - niemand wird beatment, wenn er nur seinen Fuß gebrochen hat. Ich finde es ist ausreichend hier zu sagen, dass der Krankenwagen mit großem Krach angefahren kommt und es am Ende gar nicht so schlimm ist. Das mit der Beatmung ist Unfug.

Kaum eine Woche danach steht er in der Werkstatt und holt sein frisch repariertes Auto, nur um ein paar Tage später wieder gegen den Baum zu krachen.

Aha.

Lieben Gruß, Bella

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Bella,

Thomas Bernhard ist mir zwar ein Begriff, aber gelesen habe ich noch nichts von ihm. Das einmal vorneweg.

Aber ehrlich gesagt, ermuntert deine Geschichte mich auch nicht dazu, es einmal zu tun.

dann empfehl ich dir mal die Lektüre von "Frost"... 300 Seiten, in denen fast ausschließlich ein Maler puren Hass predigt ;-)

Womit wir auch gleich bei meiner Geschichte wären, die ich selbstverständlich nicht auf eine Ebene mit Bernhards Werk stellen möchte, aber in der ich versucht habe, seinen meiner Meinung nach mehr als beeindruckenden Stil ein wenig nachzuempfinden.

Sorry, aber für meinen Geschmack war das nichts.

Schade. Eigentlich wollte ich deinen Kommentar so auch erstmal stehen lassen, bis andere Kritiken gekommen sind, weil ich durchaus verstehe, dass dieser Stil etwas ganz eigenes ist und auch nicht unbedingt jedem gefällt. In die Kategorie "Experimente" hab ich die Geschichte dennoch nicht gestellt, weil es ja eine massive Gesellschaftskritik ist und dass sie ein bißchen auch aus meinem eigentlichen Schreibstil rausfällt, nun gut, das habe ich ja schon erläutert.

Dabei ist es sicherlich interessant und auch gesellschaftlich relevant, etwas über Krach zu schreiben. Krach der krank macht und eine psychische Belastung darstellt. Dass es tatsächlich oft nicht mehr möglich ist, einfach nur die Natur zu genießen.
Da sind wir auch schon bei einem Problem, primär geht es nämlich gar nicht um Krach im Sinne von Lärm an sich, sondern viel mehr um den Menschen, der schlicht alles kaputt macht - unter anderem mit seinem Krach. Das Säuglingsschreien ist nur der Beginn, in seinem Leben verursacht der Mensch noch viel mehr "Krach", er fährt Auto wie dass er Kirchenglocken läuten lässt, er hockt faul vorm Fernseher als dass er etwas sinnvolles tut... usw. usf.


Und überhaupt ist deine Geschichte sowieso eher ein Monolog, als eine Geschichte in der auch etwas passiert.
Es ist ein Monolog, in dem der Protagonist auf das eingeht, was in der Umwelt passiert. Auf die Autos, die oben an der Straße vorbeidonnern, auf den Radfahrer, auf die Brücke usw. - während er mit einem weiteren Protagonisten spazieren geht.

Mir hätte es besser gefallen, wenn die Erkenntnis über den Krach nicht so übertrieben gewesen wäre. Und wenn es eine Art "Entwicklungsgeschichte" geben würde. Warum der Protagonist so denkt. Was in seinem Leben ihn so weit gebracht hat.
Gerade darum ging es mir in der Geschichte, es einmal anders zu machen, keine Entwicklungsgeschichte, keine Hintergründe oder Charakterisierung des Prots und ja, auch zu verallgemeinern.
Dass der Hass, den der Prot dabei hegt, letztendlich vielleicht etwas übertrieben wirkt, mag sein, ob er wirklich übertrieben ist, bleibt dem Leser zu beurteilen...

Liebe Grüße,
Sebastian

 

Hallo Sebastian,

vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Ich verstehe jetzt besser was du erreichen wolltest und warum du diese Form gewählt hast. Gut, mein Geschmack ist es zwar trotzdem nicht - aber als Experiment ist es sicherlich interessant. Hoffentlich sagt noch jemand anders was dazu. Es ist ja interessant zu erfahren, wie deine Geschichte auf andere Leser wirkt.

Lieben Gruß, Bella

 

aloa smilodon

eigentlich dachte ich mir zunächst, ich schreibe nichts über die kg, aber als ich dann den kommentar las war ich schier gezwungen; was auch als einstieg gelten soll. ein freund von mir ist auch sehr angetan von t. bernhard, allerdings stößt er sich dabei eher mit mir. der stil ist wohl nichts für mich, denn auch bei dir habe ich das gefühl, dass der prot nicht aus dieser wahrnehmung ausbrechen kann. alles wird irgentwie auf den krach zurückgeführt, du zwingst den prot sich zu reduzieren. das ist durchaus geschmackssache, allerdings meiner ist es ebenfalls nicht. wenn wahrnehmung wahnhaft wird, kann sie tatsächlich spannend sein, ich empfinde aber weder höhen noch tiefen während der kg. es ist einfach, das gefällt mir so nicht. bestimmt wird der ein oder andere das anders sehen, aber mit dieser geschichte kann ich, genauso wie bella, nicht richtig übereinkommen.

schade,..hmm

germane

 

Hallo Smilodon,

ein Experiment wäre es ja auch höchstens für dich gewesen, nicht wirklich im textstrukturrellen Sinne. Insofern ist Gesellschaft schon richtig.
Mich hat der Text nur leider auch als Gesellschaftskritik nicht überzeugt, auch, wenn du, wie Bernhard in vielen Texten, munter vor dich hingrantelst und auf alle möglichen Lärmquellen stößt. Dabei nimmt dein Prot eine misantropische Unterscheidung vor. Es sind ausschließlich menschverursachte Geräusche, die er als Krach empfindet. Die Enten als Naturgeräusch stehen dagegen. Das Geräusch ist angenehm. Der Schrei eines Babys allerdings nicht.
Bei Bernhard oder auch bei Georg Schramm (dessen Kabarettprogramm "Thomas Bernhard hätte geschossen" ich dir nur sehr empfehlen kann, sollte er mal bei dir in der Nähe auftreten) gibt es ähnlich wie bei dir Protagonisten, deren Weltsicht sehr eingeengt ist und die genau deswegen den Blick aufs Ganze freigeben und die bitteren Konsequenzen gegenwärtigen Tuns aufzeigen.
Und das vermisse ich bei dir. Ich sehe die eingeschränkte Weltsicht deines Protagonisten, er reizt mich zu Widerspruch, was ich als gut empfinde, aber er schimpft nur, wird nicht boshaft.
Bernhard hat einmal gesagt, er möchte möglichst alt und möglichst böse werden, damit er besser schreiben kann. Hohes Alter war ihm leider nicht vergönnt. Aber sein Zorn schlug im Gegensatz zu dem Zorn deines Prots ins destruktive Wut um. Dein Prot brüllt am Ende, fabriziert also den Krach, den er kritisiert, daraus erwächst aber keine Konsequenz. Wenigstens gedanklich müsste er alle Geräuschquellen zerbomben. Nicht lamentieren, sondern bewusst Krach prodzuzieren, um den Idealzustand absoluter Ruhe zu erhalten. Er müsste Atombomben loben, sich über lärmende Kriege freuen, über klirrende Scheiben und zusammenkrachende Autos, denn sie machen zwar Lärm, aber sie bedeuten jedes Mal einen Toten weniger.
Und am Ende (da wären wir dann bei Bernhards Generealthema) hätte er es ruhig still und einsam.
Nun mag ich Bernhard falsch verstanden haben, aber das wäre meine Erwartung gewesen, wenn du versuchst, ihn in seinem Stil und seiner Art zu schreiben nachzuempfinden.
Die fehlende Boshaftigkeit deines Textes hat leider auch einen anderen Nachteil. Das reine Lamento über Lärm liest sich langweilig, weil es keine Entwicklung gibt. Die einzelnen Bilder schlachtest du gnadenlos in Wiederholungen aus, etwa den immer wiederkehrenden Unfall ohne in der Konsequenz des Denkes dabei etwas zu ändern.
Details:

Die Autos, sie fahren oben an der Straße vorbei, völlig sinnlos und machen dabei Krach.
Nur eine Frage der Präzision und keinesfalls zwingend: Anstelle des Kommas würde ich nach "Autos" einen Gedankenstrich setzen, um die Zäsur deutlicher zu machen. So fragt man sich immer, warum du nicht einfach "Die Autos fahren oben vorbei" geschrieben hast.
Wenn sie an der Straße vorbei fahren, fahren sie dann auf dem Bürgersteig?
Ihre Fahrer fahren nach ihrem Zuhause
Ich glaube, dafür hätte Thomas bernhard dich geschlagen. ;)
während hier oben auf der Straße neue Autos nach Hause fahren
"hier" ist überflüssig und bremsend.
deren einzige Bestimmung es ist, Krach zu machen. Für was anderes taugen sie nicht
naja, du hast ja gerade beschrieben, wozu sie noch taugen, nämlich ihre Besitzer nach Hause zu bringen.
Wie bei allen Menschen ist es der einzige Sinn, denn sein Dasein, das er Leben nennt, hat: Krach machen.
den das Dasein; Krach zu machen (da du es mit einem Genitivsatz einleitest)

Ich hoffe ja, du überstehst diesen Verriss, wünsche dir ein schönes Wochenende und sende einen lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo germane, hallo sim,

vielen Dank für eure Kommentare, auch wenn sie eher einem Verriss gleichkommen.

denn auch bei dir habe ich das gefühl, dass der prot nicht aus dieser wahrnehmung ausbrechen kann. alles wird irgentwie auf den krach zurückgeführt, du zwingst den prot sich zu reduzieren.

Richtig erkannt und sicher ist das Geschmackssache. Schade, dass du so überhaupt gar nichts damit anfangen kannst, aber trotzdem danke, dass du einen kleinen Kommentar hinterlassen hast :)

Mich hat der Text nur leider auch als Gesellschaftskritik nicht überzeugt, auch, wenn du, wie Bernhard in vielen Texten, munter vor dich hingrantelst und auf alle möglichen Lärmquellen stößt. Dabei nimmt dein Prot eine misantropische Unterscheidung vor. Es sind ausschließlich menschverursachte Geräusche, die er als Krach empfindet. Die Enten als Naturgeräusch stehen dagegen. Das Geräusch ist angenehm. Der Schrei eines Babys allerdings nicht.
Genau, bis dahin entspricht deine Übertragung genau meinen Absichten.


Und das vermisse ich bei dir. Ich sehe die eingeschränkte Weltsicht deines Protagonisten, er reizt mich zu Widerspruch, was ich als gut empfinde, aber er schimpft nur, wird nicht boshaft.
Da muss ich dir sogar Recht geben... Eine Bekannte, die die Geschichte gelesen hat, meinte darauf: "Das ist viel zu harmlos" und ich wusste nicht so recht, was sie damit meint, aber so wie du es erklärt hast, muss ich dir vollkommen zustimmen und werde die Geschichte auch auf jeden Fall überarbeiten.

Wenigstens gedanklich müsste er alle Geräuschquellen zerbomben. Nicht lamentieren, sondern bewusst Krach prodzuzieren, um den Idealzustand absoluter Ruhe zu erhalten. Er müsste Atombomben loben, sich über lärmende Kriege freuen, über klirrende Scheiben und zusammenkrachende Autos, denn sie machen zwar Lärm, aber sie bedeuten jedes Mal einen Toten weniger.
Und am Ende (da wären wir dann bei Bernhards Generealthema) hätte er es ruhig still und einsam.
Das ist eine ganz andere Ansicht zu Bernhards Texten, so habe ich sie bisher noch nie betrachtet. Ich habe sie die ganze Zeit nur als bloßes Lamentieren verstanden, aber jetzt wo du es so ansprichst... die Geschichte muss auf jeden Fall überarbeitet und bis zur totalsten Boshaftigkeit gesteigert werden.


Also ich überstehe deinen Verriss nicht nur, sondern nehme ihn wie jeden Totalverriss hin, um meine Sache das nächste Mal (oder bei einer Überarbeitung) besser zu machen! Danke!

Liebe Grüße,
Sebastian

PS: Danke für den Kabaretttipp, Schramm kommt wirklich im Sommer nach Aschaffenburg... werde ich mir unbedingt ansehen ;)

PPS:

Bernhard hat einmal gesagt, er möchte möglichst alt und möglichst böse werden, damit er besser schreiben kann.
Vielleicht bin ich auch einfach noch zu jung, um möglichst böse zu sein ;)

 

Habe die Geschichte nochmal komplett überarbeitet, wer sie gelesen hat, wird es sicher bemerken ;)
Zum einen habe ich ein klein wenig Geschichte außenherum gebaut, damit es nicht mehr nur ein Monolog ist und fand es irgendwie passend, als Handlungsort eine psychatrische Klinik zu wählen, von wo aus der Ich-Erzähler den Patienten Staude immerzu zu Spaziergängen abholt.
Zum anderen habe ich sims Vorschläge übernommen und am Ende den Krach als etwas dargestellt, das die Ruhe bringt.

Vielleicht erbarmt sich ja der ein oder andere, sich nochmals durchzuquälen... ich hoffe jedenfalls, dass sie jetzt eher eurem Geschmack entspricht ;)

 

Hi Sebastian,

so also jetzt habs ichs wie versprochen endlich mal geschafft deine Geschichte zu lesen. Und sie hat mir auch ganz gut gefallen. Schön hast du Staude charakterisiert, nur der Student ist dir meiner Meinung nach nicht so gut gelungen. Ich finde die Person an sich unglaubwürdig. Ein Fremder hätte doch ein paar mehr Bedenken mit einem Geisteskranken spazieren zu gehen. Mir kommt der Student, so wie er redet und erzählt auch wesentlich älter vor. Denn er erzählt ja die Geschichte. Da solltest du die Wortwahl oder die Person anpassen.

Wieder gut gefallen hat mir das offene Ende bzw. die letzten zwei Sätze. Noch besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn Staude nicht verlegt worden wäre, sondern ausgebrochen. Dann würde das Ende auf einen Amoklauf oder ein Attentat schließen lassen.

Den Mittelteil empfand ich als zu lang. Auch, wenn du ein paar schöne Ideen drinnen hast, wie Krach erzeugt wird und einige schön pointiert sind, solltest du da nicht übertreiben. Im Prinzip ist nach drei Sätzen schon klar um was es geht. Das heißt jetzt nicht, dass es so kurz sein soll. Er wird ja polemisch und er darf sich ruhig richtig über den Krach auslassen, aber die Hälfte oder zwei Drittel hätten es auch getan.

Ingesamt gelungen, aber noch ausbaufähig.
Vielleicht setzt du dich nochmal ran.

lg Daniel

 

Hallo Daniel,

ein bißchen spät meine Antwort, aber wollte mir halt ein bißchen Zeit für dich nehmen ;) Danke erstmal für die Kritik, schön, dass sie dir zumindest ganz gut gefallen hat, auch wenn du noch nicht so ganz überzeugt warst.

der Student ist dir meiner Meinung nach nicht so gut gelungen. Ich finde die Person an sich unglaubwürdig. Ein Fremder hätte doch ein paar mehr Bedenken mit einem Geisteskranken spazieren zu gehen. Mir kommt der Student, so wie er redet und erzählt auch wesentlich älter vor.
Damit magst du wohl Recht haben, zum einen liegt das wohl daran, dass ich den Studenten ohnehin nur nachträglich eingebaut habe, zum anderen, dass ich ihn auch nicht in den Mittelpunkt der Geschichte stellen wollte, mir sein Charakter also eigentlich (überspitzt gesagt) völlig egal war und da liegt wohl auch mein Fehler, der dir die Geschichte bzw. den Student unlogisch erscheinen lässt und da sollte ich mich vielleicht noch etwas dransetzen... Er ist nämlich trotz seiner geringeren Bedeutung Teil der Geschichte und muss daher im Sinne der Logik auch einen nachvollziehbaren Charakter haben... Danke für den wichtigen Hinweis!

Wieder gut gefallen hat mir das offene Ende bzw. die letzten zwei Sätze. Noch besser hätte es mir allerdings gefallen, wenn Staude nicht verlegt worden wäre, sondern ausgebrochen. Dann würde das Ende auf einen Amoklauf oder ein Attentat schließen lassen.
Dann wäre das Ende aber nicht mehr ganz so offen ;)
Ich verstehe, was du meinst, aber irgendwie finde ich das Verlegen auf eine andere Station irgendwie passender, weil ein Amoklauf ja wieder physische Gewalt bedeuten würde und das im Widerspruch zu Staude stünde, weil der seinen Hass nur mental auslebt, dort aber derart heftig, dass es zu diesem "Gefühlsausbruch" kommt.

Und naja, dass es ein bißchen zu lang ist im Mittelteil. Krach ist Krach und wenn unsere Nachbarin ihren Fernseher den ganzen Abend so laut aufdreht, dass ich ihn bis in mein Zimmer höre, finde ich den Krach auch zu lang... Aber ja, vielleicht sollte noch bißchen abwechseln und neue Ideen einbringen. Beispielsweise dass der moderne Alltag bereits mit dem schrillendem Wecker beginnt... usw usf...

Mal schauen, die Geschichte wird mir auf jeden Fall eine Überarbeitung wert sein, wenn ich denn mal die nötige Ruhe und Zeit für sie habe ;)

Freut mich aber, dass sie dir ganz gut gefallen hat, sowas ist soweit ich weiß sonst gar nicht dein Geschmack ;)

Sebastian

 

Hi Smilodon,

ich hoffe, du empfindest es jetzt noch als deine Geschichte. Ich jedenfalls finde, die Überarbeitung hat ihr gut getan. auch ist jetzt böser, der Krach in sich oft verkehrt und die Wahrnehmung deines Protagonisten tatsächlich am Wahnsinn und so der Realität nahe.
Den Bruch von den regelmäßigen Treffen der beiden zu nur einer Rede finde ich noch nicht so ganz passend. Und für die Details ist mir ein stilistisches Merkmal aufgefallen, das häufig ist und das du vielleicht noch mal genauer überprüfen kannst. Das habe ich nicht für jeden Satz der Geschichte aufgelistet, sondern nur exemplarisch.

Auch weiß ich nicht, aber er Angehörige besaß oder außer mir noch andere regelmäßige Besuche empfing
hier meintest du bestimmt: nicht, ob
manchmal hatte ich beinahe das Gefühl, dass er gar nicht wusste, dass er ein Mensch war, der ein eigenes Leben besaß.
ein "dass" kannst du hier vermeiden: manchmal hatte ich das Gefühl, er wusste gar nicht, dass ...
Beinahe ein Gefühl zu haben finde ich etwas merkwürdig (es sei denn, die Aussage kommt von Data), auch schafft es hier eine doppelte Verwischung. Wenn er das Gefühl hat, etwas wäre so, heißt es schon, es muss nicht so sein, wenn er dieses Gefühl dann nur beinahe hat, ...
Wie kann ich dennoch davon sprechen, dass zwischen uns ein Vertrauen geherrscht hatte?
Das ist das stilistische Merkmal, das ich meine. Viele Lektoren achten darauf, dass nicht mehr als zwei "dass" auf einer Seite stehen. Ich halte das nicht für zwingend, hier stört es mich auch nicht, aber wenn du drauf achten möchtest, hier würde Wie kann ich dennoch davon sprechen, zwischen uns hätte Vertrauen geherrscht? auch gehen. "ein" vor Vertrauen würde ich auf alle Fälle streichen. Zwei oder drei Vertrauen gibt es ja nicht, also wäre es höchstens angebracht, wenn ein Vergleich folgt. Also "ein Vertrauen geherrscht, das seinesgleichen sucht."
Die Spaziergänge, die eigentlich gar nicht hätten stattfinden dürfen, weil er offiziell die Klinik nicht hätte verlassen dürfen.
Der erste Teil sagt ja schon aus, dass er die Klinik doch verlassen hat. Den zweiten würde ich nicht in den Konjunktiv setzten. Er durfte offiziel die Klinik nicht verlassen, hat es aber trotzdem. Dadurch wird es klarer, auch, wenn die Schwestern ein Auge zudrückten.
und sprachen davon, dass sich sein Zustand erheblich gebessert habe, seit er die regelmäßigen Spaziergänge mit mir unternehme.
dieses "dass" kannst du auch vermeiden und verdichtest den Satz dadurch sogar. Allerdings würde ich "sprachen davon" dann durch ein schlichteres "sagten" (oder sogar durch "versicherten mir") ersetzen: und versicherten mir, sein Zustand habe sich erheblich gebessert ...
In den meisten Fällen finde ich "dass" ja immer noch besser in der Verwendung, als es durch "wie" zu umschreiben, oft aber, gerade in Konjunktivbildungen, schaffen wir die Sätze viel dichter, wenn wir auf beides verzichten.
Ich konnte es nicht beurteilen, ich war nur Student und verstehe noch immer nicht, weswegen er ausgerechnet mich nach diesen Spaziergängen gefragt hatte.
grundsätzlich ist der Tempuswechsel in die Gegenwart okay, damit es weniger verwirrend wird, vielleicht noch heute nicht?
Da die Ferien nahe waren und ich dadurch die Zeit besaß
Das verstehe ich inhaltlich nicht. Ich dachte, kurz vor den Ferien sind die ganzen Klausuren? "da/dadurch" liest sich für mein Gefühl etwas ungelenk
auch wenn es mir eigentlich davor schauderte
mE mich schauderte aber zum Glück habe ich den Duden noch mal bemüht:
schaudern: Das Verb schaudern kann ebenso mit dem Dativ wie mit dem Akkusativ der Person verbunden werden: Es heißt deshalb sowohl mir schaudert vor jemandem oder etwas als auch mich schaudert vor jemandem oder etwas.
© Duden 9, Richtiges und gutes Deutsch. 5. Aufl. Mannheim 2001. [CD-ROM].
kann man einem Menschen wie Staude solch einen Wunsch verwehren? Ich war nur ein einziges Mal in seinem Zimmer, bei meinem ersten Besuch in der Klinik, und glaube, dass er ohne mich sein restliches Leben in dieser schmalen Zelle hätte verbringen müssen.
würde ich komplett streichen, die rhetorische Frage ist zwecklos, da wir ja schon wissen, dass er mit ihm spazieren war, der Rest liest sich so selbst beweihräuchernd. Also "Aber die Schwestern versicherten ..."
Ich habe übrigens Probleme mit dem Namen Staude, weil ich immer an eine Selleriestaude denke.
Aus dem einen Spaziergang wurde eine Gewohnheit, die langsam nicht nur ihm, sondern auch mir zu einer willkommenen Verpflichtung wurde.
Na, wenn Staude drum bittet, ist es für ihn doch keine Verpflichtung, sondern nur für deinen Icherzähler. Okay, du gehst da näher drauf ein, aber irgendwie komme ich nicht dahinter, warum sie es beide so gesehen haben.
Gleich bei unserem Spaziergang begann Staude mit einem seiner Vorträge, die ich für immer in Erinnerung behalten werde:
bei unserem ersten?

So, leider musst du auf weitere Penibilitäten verzichten, da ich lieber in die Sonne gehe und mich ein wenig bewege. ;)

dir noch einen Schönen Sonntag und einen lieben Gruß, sim

 

Hallo sim und danke, dass du dich an diesem schönen Sonntag mit meiner Geschichte beschäftigt hast ;)

Ja, ich habe natürlich immer noch das Gefühl, dass es meine Geschichte ist, auch wenn sie dank deiner Ideen (und denen der anderen) ein bißchen anders ausgefallen ist, aber ich finde auch, dass das sehr zum Vorteil der Geschichte geschehen ist

Den Bruch von den regelmäßigen Treffen der beiden zu nur einer Rede finde ich noch nicht so ganz passend.
Du meinst, dass sich die Rede ohne Unterbrechung mit jedem einzelnen Treffen fortsetzt? Das ist natürlich nicht unbedingt sehr realistisch, ich weiß, aber irgendwie fand ich das für den Aufbau der Geschichte am passendsten, auch mit dem Hintergrund der psychatrischen Anstalt und Staude, der sonst niemanden hat und sich so an das kleinste Detail erinnern kann, also auch wo genau er aufgehört hat zu reden und wo wieder anfangen muss.

So denn übersende ich dir auch einen lieben Gruß,

Sebastian

PS: Der Name Staude ist eine Anspielung auf den Maler Strauch aus Frost. - Ich fand ihn irgendwie ganz passend, was wohl daran liegt, dass ich nicht an Sellerie gedacht habe ;)

PPS: Du siehst, dass dass wirklich eine Art Stilmittel von mir ist. Meine Deutschlehrerin meint übrigens auch mal, dass sie es anstreicht, wenn dass mehr als zweimal auf der Seite verwendet wird - wobei das glaube ich eher eine leere Drohung war ;)

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom