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Kreis
Kreis - Dogma
Blut. Roter Fluss aus Mund und Nase.
Keuche. Keuche. Luftschnappen. Versuch zu atmen. Dann: Kopf gegen Mülltonne.
Rauer Asphalt. Irgendwas Klebriges. Von mir? Galliger Geschmack. Explosion in rechter Niere. Schrei. Mein Schrei? Hagel auf Bauch und Brustkorb. Lachen. Bleibe liegen und zucke nicht mehr. Weg?
Eine Minute später.
Eine zitternde Hand kramt in der Hosentasche einer dunkelblauen Jeans. Findet eine zerdrückte Zigarettenschachtel. Camel. Rauchen kann die Spermatozoen schädigen und führt zur Impotenz.
Eine verbogene Zigarette wird zwischen Lippen geklemmt. Bartstoppel. Die Unterlippe ist aufgeplatzt. Blut.
Ein Pärchen ist zu sehen. Er: Schicker Anzug, Gelockerte Krawatte, Oranges Hemd, bleich im Gesicht, sieht zur Seite. Sie: Kurzes Abendkleid, weiße Strümpfe, klappernde Absätze, die Augen weiten sich beim Blick auf den Mann am Boden. Er: zieht sie schnell weiter bevor sie den Mut aufbringt den Verletzten anzusprechen. Rückansicht des Paars. Männliche Stimme: “Nur so ein Penner.” Aus den Augen aus dem Sinn.
Fuck. Schmerzen. Rippen gebrochen? Schaffe es die Zigarette anzuzünden. Inhaliere tief. Kippe fällt fast aus dem Mund beim stechenden Schmerz in der Brust. Aufraffen. Taumle in Seitenstraße. Herzrasen. Glücksgefühle fürs Überleben mischen sich mit ätzender Frustration über die eigene Hilflosigkeit und Wut! Wut über die Feigheit anderer Leute.
Sie: “Na Süßer, was ist denn mit dir passiert.”
Er: Sagt nichts. Sieht zur Seite.
Sie: “Siehst aus als bräuchtest jemanden, der sich kümmert.”
Er: Sagt immer noch nichts.
Sie: “Komm schon.” Sie lächelt anzüglich. Fasst ihn am Arm. “Kriegst einen Sonderpreis.”
Er: Sieht der Frau ins Gesicht. Sie ist älter als er zunächst vermutet hat. Außerdem sehr dünn, fast mager. Schwächer als er. Frustration und Wut kochen wieder hoch. Er sieht die Frau erschrecken; sein Blick aus poliertem Hass. Sie zuckt zurück. Zu Spät. Seine Faust kracht in ihr Gesicht.
Die Frau kauert in der dunkelsten Ecke eines Hinterhofes. Das rechte Auge schaut stumpf ins Nichts, das andere ist zugeschwollen. Ihr Gesicht eine blaugrüne Ruine, zwei Zähne fehlen jetzt. Ihr Unterleib schmerzt und sie fühlt sich schmutzig. Sie kratzt an ihrer Haut will den Geruch loswerden. Kratzkratzkratz. Reißt mit abgebrochenen Fingernägeln am eigenen Fleisch.
Schmerz. Mehr Schmerz. Aber rein. Gräbt sich in die Haut. Blut. Tränen. Rotz läuft in ihren Mund. Die verbliebenen Zähne - wie tapfere Soldaten - graben sich in den Unterarm - als müssten sie Schützengräben ausheben.
Will nicht mehr.
Will das nicht mehr. Nichts. Mehr. Alles. Schwarz.
Ein später Hausbewohner eilt durch den Hof, sein Blick streift, desinteressiert, gelangweilt, das Bündel Fleisch in der Ecke. Scheiß Penner. Schläft den Schlaf des Gerechten.