Krieg in der Zahnarztpraxis
„Sie werden heute keinen Grund haben zu schreien, ich verspreche es Ihnen.“ In Frau Wehmeiers Zahnreihen klafften mehr Löcher als in einem Schweizer Käse und ich wusste, dass ich ihr wehtun musste um sie zu stopfen.
„Wie oft putzen Sie sich ihre Zähne?“ Eigentlich war das eine meine Standartfragen, aber bei Frau Wehmeier fragte ich auch aus eigenem Interesse, denn aus ihrem Mund kamen beängstigende Gerüche.
„Jedes Mal, wenn ich zu Bett gehe und wieder aufstehe.“ Es ist immer wieder dasselbe, dachte ich.
„Putzen Sie sich Ihre Zähne zufällig mit Zement, Frau Wehmeier“, flüsterte ich.
„Was haben sie gesagt?“
„Schon gut. Sind Sie ganz sicher, dass ich sie nicht betäuben soll?“
Als die Patientin meinen Vorschlag hörte, schloss sie ihren Mund so schnell, dass sie mir fast den Finger abbiss.
„Damit Sie mir meine Wertsachen klauen und sich damit aus dem Staub machen können“, fragte sie empört. „Das können Sie vergessen Sie Halsabschneider! Suchen Sie sich endlich eine vernünftige Arbeit!“
In der ganzen Stadt war bekannt, dass sich Frau Wehmeiers Wertsachen auf eine Wohnung voller Gerümpel und einen Yorkshire Terrier reduzieren ließen.
„Ich werde mich bemühen, und jetzt lassen sie uns anfangen.“
Nur langsam öffnete sie ihren Mund, doch als sie sah, dass ich nachhelfen wollte, presste sie ihre Kiefer so weit auseinander wie eine Schlange. Das war der Vorteil an riesigen Händen wie meinen, sie verschafften einem Respekt.
„Wo wir doch gerade bei dem Thema Arbeit sind, was machen Sie denn im Moment?“ Ich versuchte Frau Wehmeier von ihrer augenblicklichen Situation abzulenken, bei normalen Menschen half das manchmal.
„Ich arbeite nicht für Geld“, nuschelte sie. „Ich arbeite ehrenamtlich in einem Altenheim.“
Ehrenamtlich. Das Wort hörte sich in meinem Gehörgang wie eine lateinische Vokabel an, deren Bedeutung ich vor langer Zeit vergessen hatte.
„Was zählt ist die Arbeitsmoral und die Motivation.“
Wieder zwei unbekannte Vokabeln. Ich konnte ihr Gebrabbel nicht mehr ertragen, also bohrte ich ihren Nerv an. Frau Wehmeier schrie laut auf.
„Aua! Was sollte das dass, das haben sie mit Absicht getan, sie Sadist! Sie haben gesagt, dass sie mir nicht wehtun müssten heute, sie haben gelogen“, nuschelte sie.
„Und sie haben gesagt, dass sie sich ihre Zähne zwei Mal am Tag putzen, das war auch gelogen, jetzt sind wir quit.“ Wieder musste ich daran denken, was für ein guter Anwalt ich doch geworden wäre.
„Sie haben Recht Frau Wehmeier, ich bin abgerutscht, das wird nicht noch ein Mal passieren.“
„Abgerutscht? Wo haben sie denn ihre Zulassung gemacht, sie Klempner?“
„Nun, ich will sie nicht noch einmal anlügen, ich habe keine Zulassung mehr, aber das ist nicht so schlimm, verstehen sie?“ Frau Wehmeier schien nicht zu verstehen. Ruckartig stand sie auf und schaute sich um.
„Verloren? Warum arbeiten sie dann noch hier“, schrie sie.
„Nun, ich wollte es meiner Belegschaft später erzählen. Es ist doch nichts dabei, Frau Wehmeier! Das ist wie mit dem Führerschein. Ob man ihn nun in der Brieftasche hat oder ob er auf irgendeiner Polizeistation liegt, ist doch egal, man fährt immer noch gleich gut, glauben sie mir.“ Meine Patientin schien mir nicht zu glauben. Stattdessen nahm sie sich den Backenzahnbohrer, den ich selbst kreiert hatte, und bedrohte mich damit aus sicherer Distanz. Um nicht völlig wehrlos da zustehen, schnappte ich mir den Sauger und nahm meine Kampfposition ein.
Backenzahnbohrer gegen Sauger, der Krieg konnte beginnen.
Sie griff als erste an. Mit einem Hechtsprung kam mir diese kleine, dicke Dame entgegen und betätigte im Flug den Einschaltknopf ihres Backenzahnbohrers. Warum hatte ich ihn bloß mit einem Akkugerät ausgestattet, dachte ich. Sie traf mich mitten auf der Nase und bohrte mir ein drittes Nasenloch. Ich schrie laut auf und flog mit Frau Wehmeier zusammen auf den Boden. Noch während ich mich vor Schmerz krümmte, nahm sie eine Betäubungsspritze und stach sie mir in meinen Allerwertesten.
„Da haben sie ihre Betäubung, sie Dieb“, lachte sie. Ich schrie erneut, denn diese Furie hatte das verfluchte Ding so tief in meinen Arsch gestoßen dass das Ende der Spritze meinen Gesäßknochen traf. Mir wurde schwarz vor Augen und als Frau Wehmeier die Spritze auch noch zur Hilfe nahm um aufzustehen, war ich mir sicher, dass ich ohnmächtig werden würde.
„Mal sehen, was ihre Mitarbeiter davon halten, dass sie ohne Zulassung Zähne ziehen.“ Den Gang zur Tür hätte sie sich sparen können, denn ich hatte natürlich abgeschlossen.
Das war meine Chance. Die Spritze hatte ich nämlich mit einer Betäubung für kleinere Tiere gefüllt, als ich gehört habe, dass Frau Wehmeier meine nächste Patientin ist. Ich musste diesen Schmerz vergessen und…
„Sie haben die Tür abgeschlossen, sie verdammter…“ Bevor sie den Satz zu Ende bringen konnte, schob ich ihr den Sauger so tief in ihren Mund, dass sie meinen Ellbogen zwischen ihren Kiefern schmeckte.
„Wie gefällt Ihnen das, Frau Wehmeier?“ Sie krächzte und als ihr Gesicht langsam an Farbe verlor, tat sie mir leid. Ich zog den Schlauch aus ihrem Mund und schloss die Tür auf.
„Frau Wehmeier ist fertig“, rief ich zu der Schwester während ich mir meine Nase zuhielt.
„Oh mein Gott, die sieht ja aus…“, sagte Ursula.
„Nun, die Betäubung wollte sie nicht, sie kennen das ja. Schicken sie mir doch den nächsten Patienten rein, ja?“
Ursula nahm Frau Wehmeier, die noch immer ganz benommen war, an die Hand und nickte mir zu.
„Der nächste Patient ist der Bürgermeister“, sagte sie.
Der kommt mir gerade Recht, dachte ich. Die Steuern waren schon immer zu hoch gewesen.