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Kurzer Einblick in die Bulimie
Kurzer Einblick in die Bulimie
Meine Hände stützen sich zitternd auf das Porzellanbecken der Toilette, Tränen laufen über mein Gesicht und ich fühle mich schwach, so schwach.
Wieder bin ich gescheitert, wieder war mein Versuch zu widerstehen für die Katz.
Ich bin der teuflischen Stimme in mir erlegen, die sagte << Tu es! >>
Langsam richte ich mich auf, betätige die Spülung und verabschiede den Beweis meines Versagens, aber nur dort in diesem Becken, nicht in mir!
Sorgsam untersuche ich die Toilette und ihre Umgebung auf trügerische Spuren und entferne sie, es reicht, wenn ich weiß, was mir passiert, jemanden anderes geht es nichts an!
Ich besitze darin Routine und niemand wird etwas bemerken. So war es schon immer und so wird es bleiben. Diese Last trage ich ganz alleine und dies ist mein persönlicher Kampf. Außerdem, wer wäre in der Lage mich zu verstehen? Mir den richtigen Weg aus meinem Irrgarten zu zeigen?
Ja, ich fühle mich schlecht und bereue, das ist in den ersten Minuten immer so, doch danach wird es in mir leicht, so schön leicht. Alles bin ich losgeworden, habe mich erbrochen, habe das Schlechte aus mir herausgewürgt, die Konsequenz der Völlerei noch einmal ausgetrickst.
Irgendwann werde ich es schaffen, der Versuchung und dem Hunger zu widerstehen, werde normal essen und nie wieder rückfällig werden, aber nicht heute. Dieser Tag war einfach nicht der Richtige, tröste ich mich selbst. Die Stimme hat zuviel Futter bekommen und ich konnte sie nicht beruhigen. Morgen wird es anders sein, dann werde ich stark sein. Doch ganz tief in mir drin, weiß ich gar nicht mal ob ich mich von meiner Freundin, der Sucht, trennen will. Was mache ich denn ohne sie? Woraus besteht dann mein Lebensinhalt? Wer oder was füllt dann diese Leere in mir und meinem Leben?
Diese Fragen quälen mich so sehr, aber genauso weiß ich, dass ich nicht immer so weiter machen darf und kann. Dass es mich töten wird, wenn ich weiter in diese Richtung gehe, denn das Ziel dieses Weges ist der Tod. Und der andere Weg, die Lösung, liegt so klar vor mir, lädt mich ein, doch ich wage es nicht ihn zu betreten, es ist mir unmöglich ihn zu gehen, obwohl er doch so einfach und harmlos gebaut ist.
Ich wasche mir die Hände und schaue in den Spiegel über dem Waschbecken, er zeigt meine Stirn, hinter der sich all diese Gedanken in sekundenschnelle in einem Teufelskreis jagen. Der Erste beißt den Letzten und umgekehrt.
Darunter meine Augen, deren Tränen langsam trocknen. Das ist gut, denn auch meine Tränen dürfen nicht bemerkt werden.
Ich atme tief durch, schiebe alles beiseite, denn gleich muss ich wieder funktionieren, muss die sein, die ich so gut vorgebe zu sein.
Langsam öffne ich die Badezimmertür, trete aus meiner Welt in eine andere, die trotzdem auch wieder meine ist, nur eben anders. Stimmengewirr und Musik schlägt mir entgegen. Ich habe Gäste, gute Freunde, für die ich nun ein Lächeln aufsetze, damit sie ganz gewiss sein können, dass ich es bin, die eintritt und das alles in Ordnung ist!
Habe diese geschichte nochmal überarbeitet:
http://www.kurzgeschichten.de/vb/showthread.php?t=32748