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Kurztrip nach Feierabend

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17.02.2005
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Kurztrip nach Feierabend

Ich sitze im Café in der hintersten Ecke, schön versteckt, und trotzdem fühle ich mich wie auf dem Präsentierteller. Ich kann absolut sicher sein, hier niemandem zu begegnen, den ich nicht treffen will. Mein Handy ist ausgeschaltet. Dennoch ist da dieses merkwürdige Gefühl, als würde ich nackt über den Rathausmarkt marschieren. Ich bin hier, um zu schreiben, vielleicht liegt es daran. Schreiben kann eine sehr intime Angelegenheit sein, auch oder gerade wenn man nur ein paar Gedanken festhalten und sich ein wenig seinen Träumen nach einem anstrengenden Arbeitstag hingeben will. In diesem Moment wird ein Zitat für mich zum Lebensgefühl: Das Café ist der ideale Ort für alle, die alleine sein wollen, dafür aber Gesellschaft brauchen.

Das Café ist relativ leer, nur sechs Gäste sitzen plaudernd oder schweigend im Raum verteilt, aber hier herrscht immer ein gewisser Lautstärkepegel. Das Geklapper des Geschirrs, Dampfgeräusche der Kaffeemaschinen, das nagende Rattern der Kaffeemühle, Musik und die Unterhaltungen der Gäste. Alles vermischt sich mit dem Kaffeeduft zu einer betörenden Melange und verbreitet auf ganz eigene Weise eine Entspannung, die man nur hier findet.
Ich fühle mich beobachtet, gerade so, als ob ich etwas Verbotenes tun würde. Die Bedienung hinter dem Tresen sieht neugierig zu mir herüber, die Gäste ignorieren mich – hoffentlich. Ich schwitze, obwohl ich direkt unter der Lüftung sitze und mir ständig ein kühler Lufthauch in den Kragen schleicht. Seit gestern Abend freue ich mich auf diesen Moment, und vorhin, als es endlich so weit war, verließ mich fast der Mut. Ich habe ein Date – nur mit mir alleine. Ich genieße meine Kaffeekreation, wärme meine kalten Hände an der Tasse. Ein riesengroßer Cookie wartet darauf, von mir vernascht zu werden. Süß, verführerisch, gehaltvoll. Die Sünde pur. Der passende Feierabendlohn.

Aus den Lautsprecherboxen erklingt ein Lied, das ich einer Nacht auf dem Mont Martre in Paris gehört habe. Meine Gedanken befreien sich aus der Umklammerung der Anspannung und begeben sich auf die Reise. Langsam formiert sich vor meinem inneren Auge ein Bild. Wie auf einem belichtetem Stück Fotopapier im Bad der Entwicklerflüssigkeit erscheinen die Details, erst nur schemenhaft angedeutet und blaß, dann immer klarer und bunter. Ich lasse mich gehen und tauche ein in dieses Bild. Ich fühle einen kleinen Windhauch auf meinem Gesicht. Man fühlt sich so erhaben auf den Stufen des Sacre Coeur, hoch über der Stadt, und trotzdem spürt man noch Verbundenheit mit dem, was sich unter einem ausbreitet wie ein wild gemusterter Teppich – anders als beim Eiffelturm, wo man sich wie von einem Lufthauch davon geweht fühlt. Bei Einbruch der Dunkelheit an lauen Sommerabenden erwacht auf diesem höchsten natürlichen Punkt der Stadt ein ganz eigenes Leben. Es wird zum Treffpunkt vieler verschiedenster Menschen. In meiner Nacht hatte ein junger Mann seine Gitarre dabei und spielte ein bekanntes Lied. Auf einmal entstand ein Klangteppich, der alle Umstehenden einfing, als nach und nach alle anfingen, mitzusingen. Ein magisches Gefühl jagte mir warme Schauer über den Rücken. Ich sah hinunter. Tausende von Lichtern erweckten den Eindruck einer brennenden Stadt, wie tanzende Fackeln in der Ferne. Ich wünschte, dieser Moment würde ewig dauern.

Hier und jetzt, in der Hamburger City, erinnere ich mich daran. Ich entdecke, dass dieser Moment in jener Nacht tatsächlich ewig anhält, wenn man ihn nur leben lässt. Der Arbeitstag ist auf einmal so weit weg, als hätte er gar nicht stattgefunden. Ich bin so entspannt wie nach einem Kurztrip. Was so ein geistiger Ausflug, getragen von der Erinnerung durch ein Lied, bewirken kann!

Die Bedienung hinter dem Tresen hat es aufgegeben, mich zu beobachten. Habe ich wirklich die ganze Zeit hier gesessen? Sie hat ja keine Ahnung, wo ich wirklich gewesen bin!

 

Hallo Kätzchen, herzlich willkommen auf kg.de :)

Sprachlich ist die Geschichte einwandfrei - abgesehen von ein, zwei Fehlern.
Kein einziger Satz liest sich holprig - war nicht deine erste Geschichte, oder?

Die Atmosphäre in dem Café hast du relativ gut hinbekommen - man kann es sich gut vorstellen.

Ich mag zwar normalerweise keine Tagträumergeschichten, aber deine fand ich ganz gelungen.

Gruß,
131aine

 

Hallo Kätzchen,

auch mir hat deine Geschichte gut gefallen. Ich hatte fast das Gefühl selbst in dem Café zu sitzen. Und was zu lachen hatte ich auch, aber das war meine eigene Schuld und von dir sicher nicht so gedacht:
statt

Kätzchen schrieb:
das nagende Rattern der Kaffeemühle
las ich:
"das nagen der Ratten ..."
und dachte mir, Mensch, was für ein "nettes" Café das wohl sein muss ... ;)
Schön und nachvollziehbar geschrieben.. hat Spaß gemacht, es zu lesen.

Bis dann
kleine Nacht

 

Hallo Blaine!

Doch, dies war meine erste Geschichte und ich hatte sie ursprünglich nur als Übung gedacht. Allerdings habe ich sie vor kurzem überarbeitet.

Freut mich sehr, daß sie dir gefallen hat! :bounce:

Gruß, Kätzchen

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo kleine Nacht,

"das nagen der Ratten ..."

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle bessere Worte finden, denn so war das tatsächlich nicht gedacht. :hmm:


Danke auch dir für das Kompliment!

Viele Grüße,
Kätzchen

 

Nein, nein, das war ja meine Schuld, aber ich wollte es euch nicht vorenthalten. ;)

Wer lesen kann, ist klar ... usw.

Liebe Grüße
kleine Nacht

 

Hallo kätzchen,

auch von mir ein herzliches Willkommen. Mir hat deine Geschichte auch gefallen. Sie war kurz, prägnant und dennoch in einem schönen Stil geschrieben. Irgendwie konnte ich dir ganz leicht durch Paris folgen und so wurde es einfach eine tolle Liebeserklärung an die Stadt der Liebe, dessen Magie du wohl versucht hast, einzufangen. Meiner Meinung nach ist es dir auch gut gelungen.

Einen kleinen Kritikpunkt habe ich sprachlich trotzdem:

er alle Umstehenden einfing, als so nach und nach alle anfingen, mitzusingen.

Mich hat das "so" nach dem "als" ein wenig beim ersten Lesen irritiert. Ich würde es sreichen, denn der Sinn bleibt auch ohne das "so"noch erhalten.

Den Kritikpunkt der kleinen Nacht kann ich nicht nachvollziehen. Ich würde dieses nagende Rattern unbedingt drin lassen, denn es ist eigentlich eine schöne Umschreibung und man hat den Ton förmlich in den Ohren :D Wie kleineNacht shon sagte: "Wer lesen kann, ist klar...." ;)

Wenn das wirklich deine allererste Geschichte war, dann solltest du auf jeden Fall weiter machen, weil du einen Erzählstil, der schön bildhaft erzählen kann und mir auch super gefällt. Wäre also schön, mehr von dir - vielleicht auch mal eine längere Geschichte - lesen zu dürfen. :)

cu_christoph

 

Hallo Christoph,

erst mal möchte ich mich für deine motivierende und anspornende Rückmeldung bedanken.

Du hast völlig recht: Das "so" nach dem "als" ist völlig überflüssig und stammt noch aus der Zeit des ersten Entwurfs. Ich habe es jetzt rausgeschmissen.

Ich habe mich bereits entschieden, das "ratternde Nagen der Kaffemühle" im Text zu belassen. Ich saß gestern wieder in jenem Café und die Kaffeemühle ging mir gehörig auf die Nerven, ohne daß sich mir eine bessere Formulierung dazu offenbarte.

Ich würde gerne ein paar andere Texte hier abstellen, aber die sind für Wettbewerbe verfaßt, die jetzt gerade laufen. Aber da ich gerade eine sehr produktive Phase habe, wird sich bestimmt bald ein Text finden, der hier her paßt.

Also bis dann, viele Grüße,

Kätzchen

 

Hallo Kätzchen,
nach dem ich Deine Folgegeschichten gelesen hab war ich jetzt nun neugierig wie Deine Erste denn war/ist. Und bin überrascht welch sauberen Einstieg du hingelegt hast. Du kannst wirklich auf engem Raum (Kg) sich gut vorstellbare Bilder erzeugen!
Du scheinst ein guter Beobachter zu sein und dies in Worten gut wiedergeben zu können. Was käme wohl raus wenn Du Dich in einer von A-Z fiktiven Umgebung umsehen würdest...?

Lieben Gruß
Micha

 

Hallo Sue Sunflower,

auf diese Variante bin ich noch gar nicht gekommen, mit "Sex and the City"... wobei ich zugeben muß, auch ein großer Fan dieser Serie zu sein! Warum auch nicht? Ein bißchen oberflächliche Zerstreuung muß schließlich auch mal sein! ;)

Daß Paris in der Geschichte auftaucht hat aber den Grund, daß ich tatsächlich in Paris diese in der Rückblende erzählte Geschichte erlebt habe. Auch die Szene im Café habe ich mehr oder weniger so erlebt. Ich wollte getreu dem Buch "Schreiben in Cafés" von Natalie Goldberg ein paar Gedanken festhalten, als dieses Lied plötzlich spielte. So habe ich eben genau diese Gedanken mit der Erinnerung festgehalten.

Gut, nun kann man sagen, das sei ja gar kein "kreatives" Schreiben, aber ich war zu dem Zeitpunkt ja auch noch ganz am Anfang und habe dies als klasse Übung empfunden - und es hat Spaß gemacht.

Es freut mich, immer wieder zu hören bzw. zu lesen, daß die Stimmung gut eingefangen ist und inspirierend wirkt. Wenn mir das bei einer authentischen Geschichte gelingt, dann wird es mir auch bei rein fiktiven Geschichten gelingen, je mehr Übung ich bekomme. :thumbsup:

Vielen Dank für die positive Rückmeldung und viele Grüße,

Kätzchen

 

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