Was ist neu

Löwenmäulchen

Seniors
Beitritt
22.02.2005
Beiträge
657

Löwenmäulchen

Für Felsenkatze

Tiya sprang die letzten Stufen hoch und hielt inne. Das Mädchen streckte ihr Gesicht gegen die ersten Sonnenstrahlen des Tages und lächelte zufrieden. Nichts konnte ihre Laune trüben, denn heute war ein Festtag und sie musste nicht zur Schule gehen. Trotzdem war sie früh aufgestanden, um mit ihren Freunden die Stadt zu erkunden und durch die Gassen zu streichen, auf der Suche nach einem Erwachsenen, der ihnen vielleicht Süßigkeiten schenkte.

Der Dunstschleier, der noch über den weißen Dächern der Stadt lag, verflüchtigte sich allmählich. Tiya setzte sich an die Brüstung und schielte auf die enge Gasse hinunter. Ihre Freunde waren noch nicht da, aber sie war absichtlich früher gekommen, um sie von oben zu erschrecken. Sie tastete nach den Pistazienschalen in ihrer Tasche und vergewisserte sich, dass sie noch genug hatte.
Der Melonenverkäufer zog einen schwer beladenen Karren die Gasse hoch.
„Hallo, Herr Melonenverkäufer!“, grüßte Tiya.
„Hallo, Tiya! So früh schon auf den Beinen?“
„Klar, ich warte darauf, dass mir ein Erwachsener Süßigkeiten schenkt.“
„Willst du mir helfen, den Wagen bis zum Marktplatz zu ziehen? Ich hätte dann vielleicht noch einen Melonenschnitz für dich übrig.“
„Nein, heute werde ich nichts tun, um etwas zu bekommen, heute müssen die Erwachsenen großzügig sein!“, rief sie hinunter.
„Für ein deine neun Jahre bist du aber schon ganz schön frech, was?“ Der Melonenhändler schüttelte lachend den Kopf und setzte seinen Weg fort. Weitere Leute zogen unten an ihr vorbei, unterwegs zum Markplatz, wo bald kein Durchkommen mehr sein würde. Doch nicht alle strömten in dieselbe Richtung. Ein Mann in einem dunklen Umhang erregte Tiyas Aufmerksamkeit, als er sich seinen Weg durch die Menge bahnte. Der Mann machte eine ziemlich finstere Miene. Tiya fand, dass an einem solchen Tag niemand schlecht gelaunt sein sollte und warf dem Mann zur Strafe einen Kieselstein und ein paar Pistazienschalen an den Kopf. Schnell duckte sie sich hinter die Brüstung und lugte zwischen einer Spalte im Gemäuer hinunter. Der Mann fasste sich an den Kopf, blickte kurz verärgert um sich, stieß leise einen Fluch aus, zog seinen Umhang enger und ging weiter. Tiya sah, wie dabei etwas herunter fiel. Sich dessen bewusst, dass der Mann sie sehen könnte, spähte sie über den Mauerrand und schnappte überrascht nach Luft. Da lag etwas Farbiges auf den runden Pflastersteinen. Ein Bonbon?
Tiya hastete die Treppe hinunter, bevor jemand anderes ihre Trophäe wegschnappen konnte. Ein Weinhändler war schon bedrohlich nahe und würde bald mit seinem Wagen die Beute überrollen, wenn sie ihn nicht aufhielt.
„Halt!“, rief sie außer Atem. Etwas verdutzt stoppte der Weinhändler.
„Was ist, Mädchen?“
„Fast hättest du meine Beute überfahren!“, entgegnete Tiya tadelnd und hob den Gegenstand auf, den der seltsame Mann vorhin hatte fallen lassen. Enttäuscht sah sie ihn sich an. „Das ist ja bloß eine Blume!“
„Nana, der Tag ist noch lang“, tröstete der Weinhändler sie. „Außerdem ist das ein Löwenmäulchen. Die sind bei uns nur selten zu finden.“
„Ein Löwenmäulchen?“
„Ja, schau her. Darf ich kurz?“
Tiya übergab sie ihm vorsichtig. Der Weinhändler steckte die Blume zwischen die Finger und machte eine Bewegung. Die Blume klappte auf und zu wie ein Löwenmaul. Tiya beobachtete ihn dabei mit großen Augen.
„Viel Spaß und Glück noch“, verabschiedete sich der Weinhändler, indem er ihr das Löwenmäulchen zurückgab, und beeilte sich, noch rechtzeitig zum Marktplatz zu gelangen.

Tiya kletterte auf ihren Spähposten zurück und setzte sich hin.
„So, jetzt erzählst du mir eine Geschichte, großer Löwe.“ Dabei öffnete sie das Löwenmäulchen und machte ein Geräusch, das sie für ein Grollen eines Raubtiers hielt. Das Ergebnis war ein dünnes, heiseres Knurren.
„Oh großer Löwe, friss mich bitte nicht!“
„Wie sollte ich auch?“
Erschrocken ließ Tiya die Blume fallen und machte einen Satz zurück. Hatte das Ding gesprochen?
„Was kann ich schon als Blume ausrichten?“, seufzte das Löwenmäulchen.
„Du ... du kannst sprechen?“, fragte sie ungläubig, immer noch einen Sicherheitsabstand bewahrend.
„Aber ja doch. Ich bin kein gewöhnliches Löwenmäulchen.“
„Sondern?“
„Kannst du mich bitte aufheben? Hier unten ist es so ... entwürdigend.“
Vorsichtig näherte sich Tiya. Vorher hatte es auch nicht gebissen, sprach sie sich zu und nahm die gelbe Blume in die Hand.
„Danke. Also, du wolltest eine Geschichte hören.“
Tiya nickte. Konnte es sie überhaupt sehen? „Ja“, sagte sie zur Sicherheit.
„Gut. Zuerst musst du aber versprechen, mir zu helfen, wenn ich fertig bin.“
„Helfen? Ja ... aber was ...“
„Ich brauche deine Hilfe. Aber hör mir jetzt gut zu, wir haben nicht viel Zeit. Mein Name ist Ilmun und ich bin ein Löwe der königlichen Garde. Genau genommen Hauptmann der Löwengarde. Genauer genommen Leibwächter des Thronfolgers.“
Die Löwengarde! Tiya schnappte nach Luft. Von weitem hatte sie diese edlen Wächter schon einmal gesehen, aber mit einem zu sprechen, das hätte sie sich nie erträumt. Doch – Moment. „Ein Löwe? So siehst du aber nicht aus.“
„Das ist gerade mein Problem. Vielleicht hast du schon einmal von Sharrad, dem mächtigen Zauberer gehört. Er genießt einen ... sagen wir einmal, bei manchen Leuten einen zweifelhaften Ruf.“
„Möglich. Ist das dieser geheimnisvolle Fakir?“
„Gut möglich, dass du den meinst.“
„Und was hat es mit diesem Zauberer auf sich?“
„Das ist der Mann, dem du vorher den Stein an den Kopf geworfen hast. Und eben dieser Sharrad hat mich verzaubert und in diese Blumenform gesteckt, damit ich nichts ausrichten kann, wenn er seine Pläne durchführen wird.“
„Was hat er denn vor?“
„Er will nichts Geringeres als die Macht des Königs an sich reißen. Natürlich tut er das nicht so offenkundig, deshalb will er sich erst einmal in die Königsfamilie einschleusen, indem er seine Tochter mit dem Thronfolger verheiraten will. Dazu hat er mich unschädlich gemacht und danach ungestört den Prinzen entführt.“
„Wieso den Prinzen entführt, wenn er ihn doch mit seiner Tochter verheiraten will?“
„Sharrad ist ein Meister der Illusion und Gestaltwandlung. Solange der richtige Prinz abwesend ist, wird Sharrad dessen Gestalt annehmen und sich als verliebter Thronfolger ausgeben.“
„Aber was will er dann machen, wenn er Prinz wird? Er kann doch nicht die ganze Zeit in dieser Gestalt bleiben?“
„Nein, das hat er auch nicht vor. In der Gestalt des Prinzen wird er den König bitten, Siraia, wie die junge Frau heißt, heiraten zu dürfen. Da Sharrad bereits ziemlich einflussreich und die Tochter auch sehr hübsch ist, wird das eine leichte Sache. Aber sobald er sein Ziel erreicht hat, will er noch mehr anstreben. Sharrad ist kein guter Mann, das kann ich dir versichern. Ich kannte ihn schon, als ich noch kein Löwe der Garde war ...aber das erzähle ich dir später einmal.“
„Wieso ...“
„Wir dürfen keine Zeit verlieren. Jetzt müssen wir schleunigst los!“
„Wie denn? Ich möchte dir ja gerne helfen, aber ...“ Tiya wurde von einem Ruf unterbrochen, der herauf schallte.
„Tiya! Komm runter! Wir wissen, dass du da oben bist! Du hast dich schon letztes Mal da oben verschanzt!“
Tiya zögerte.
„Steck mich in deine Tasche und geh runter. Sag deinen Freunden, dass du etwas anderes vorhast“, raunte Ilmun ihr zu. Das Mädchen tat wie geheißen und stieg hinunter.
„Komm schon, Tiya, das Fest wird gleich beginnen!“, rief ein Knabe. Es war der Sohn des Melonenverkäufers.
„Mmm ... wisst ihr, ich kann heute nicht. Ich muss noch etwas Wichtiges tun.“
„Heute? He, heute ist das Getreidefest, was hast du da denn noch Wichtiges vor?“
„Ein Geheimnis.“
„Was denn?“
„Eben, darf ich nicht verraten, sonst wäre es nicht geheim. Kann ich euch das nicht später erzählen? Ich muss wirklich los.“
Tiyas Freunde sahen sie komisch an, aber ehe sie nachhaken konnten, war Tiya schon in der nächsten Gasse verschwunden.
„Und jetzt?“
„Zuerst müssen wir zu Sharrads Haus, dort bewahrt er das Elixier auf, das den Zauber rückgängig machen kann. Ich erkläre dir den Weg.“
„Aber was machen wir mit dem Prinz?“
„Den retten wir später.“
„Ach so.“ Sie dachte kurz nach, während sie weiter ging. „Sieht der Prinz wenigstens gut aus? Weißt du, wenn wir ihn schon retten ...“
„Ob er gut aussieht? Hm, für dein Empfinden ... ich denke schon ... aber steck mich jetzt wieder in die Tasche, es macht einen seltsamen Eindruck auf die Leute, wenn du mit einer Blume sprichst.“

Das Haus war nicht schwer zu finden. Es lag in einem der Außenbezirke der Stadt und hatte im Gegensatz zu den umliegenden Gebäuden eine dunkle Fassade, die geschmückt war mit Säulen, die von steinernen Dämonengestalten getragen wurden.
„Ganz schön düster.“
„Sharrad hat das Haus mit Absicht so bauen lassen, um Eindruck zu schinden. Fakir-Image. Lass dich nur nicht davon beirren.“
„Ich habe keine Angst“, verteidigte sich Tiya trotzig. „Aber wie kommen wir da rein?“
„Ähem ... am besten versuchst du es über den Garten, der hinter dem Haus liegt. Schauen wir uns um.“
Tiya schlüpfte in den dunklen Spalt zwischen den Häusern und ging der Wand entlang. Und sie wurden tatsächlich fündig.
„Schau, da vorne“, deutete Ilmun.
Dort war ein Brett befestigt, das schräg an der Mauer, die mindesten drei Meter hoch war, hinauf führte. Es war die Katzenleiter.
„Da soll ich rauf?“
„Äh, versuchen kannst du es zumindest.“
„Weißt du zufälligerweise, ob das Ding hält?“
Ilmun schwieg betreten. Tiya dachte daran, dass sie vorher gesagt hatte, dass sie keine Angst hatte. Also musste sie da hoch.
Behutsam setzte sie einen Fuß auf das Brett. Es schien genug stabil zu sein. Als sie mit beiden Füßen darauf stand, ging sie in die Knie, um die Belastbarkeit zu prüfen. Das Brett bog sich gefährlich und knarrte.
„Pass auf!“, zischte Ilmun. „Geh auf allen vieren, wie eine Katze. So verteilst du dein Gewicht.“
Tiya probierte es aus. Ilmun hatte Recht, die Katzenleiter bog sich nicht mehr so stark. „Wenn wir Glück haben, ist Sharrads Katze dick und schwer“, versuchte Ilmun Tiya zu beruhigen.
„Hoffen wir es. Wenn dieses Brett bricht und ich runter falle, lande ich vielleicht blöd und zerquetsche ...“
„Mach weiter!“
Als Tiya mehr als Hälfte hinter sich hatte, tauchte auf der Mauerkrone ein großes, felliges Etwas auf.
„Oh nein, Sharrads Katze!“, flüsterte Tiya. „Von Wegen Glück!“
Sharrads Haustier war in der Tat dick und schwer, aber nicht nur das, sie funkelte das Mädchen mit ihren schwefelgelben Augen an und fuhr die Krallen aus. Tiya schluckte. Mit einer solchen Katze war nicht zu spaßen, erst recht nicht in ihrer Lage.
„Was soll ich bloß machen, Ilmun?“
„Katzen lassen sich gerne kraulen. Vielleicht ...“
Tiya streckte vorsichtig die Hand aus und machte „Bssss“, aber das schien die Katze nur noch mehr zu reizen.
„Die will nicht! Schhhh! Husch! Weg da!“ Scharrads Katze hatte aber nicht im Sinn, sich verscheuchen zu lassen und sprang stattdessen kampflustig aufs Brett. Das Holz knarrte erneut. Tiya rutschte ein Stück rückwärts. Die Katze näherte sich fauchend und verpasste ihr einen Hieb mit der Tatze. Lange, dunkelrote Rillen bildeten sich auf der Haut von Tiyas Hand.
„Aua! Du verdammtes Viech! Scheißkatze! Miststück!“ Tiya verlor vor lauter Zorn all ihre Hemmungen. Sie spuckte die Katze an und stieß das überraschte Tier mit einer fegenden Bewegung vom Brett. Miauend landete es am Boden, duckte und machte sich aus dem Staub. Doch das Brett wackelte immer noch, sodass Tiya ums Gleichgewicht kämpfen musste. Im letzten Augenblick konnte sie sich an einem Mauerspalt festklammern.
Schweiß rann ihr von der Stirn, als sie oben ankam. Aber sie hatte keine Zeit, sich auszuruhen, denn auf der Mauerkrone war sie den Blicken frei ausgesetzt. Sie suchte nach dem Pendant der Katzenleiter, die sie heraufgekommen war. Aber da war nichts. Sie entdeckte ein Loch in der Wand am Ende der Mauer, das ins Haus führte. Zu klein für sie. Also musste sie springen. Mit ihren Freunden hatte sie schon viele abenteuerliche Sprünge gewagt, aber vor dieser Höhe hatte sie trotz allem Respekt. Glücklicherweise war der Boden des Gartens mit hohem, weichem Gras bedeckt.
„Klammer dich an den Rand der Mauer und versuche, die Höhe so gut wie möglich zu verringern“, riet ihr Ilmun.
Der Fall war immer noch hoch. Als Tiya landete, spürte sie einen schmerzhaften Zwick in ihrem rechten Fußgelenk. Sie verzog ihr Gesicht. „Mist! Aaah!“, presste sie hervor.
„Was ist, Tiya?“, fragte Ilmun besorgt.
„Mein Fuß ... ich glaube, ich hab mir irgendwas verknackst.“
„Kannst du aufstehen?“
Tiya versuchte es. „Ja, es geht. Tut aber verdammt weh.“ Mühselig humpelte sie durch den üppigen Garten, unter Dattelpalmen und Magnolien, vorbei an Rabatten von Meerlavendel, Kreuselmyrthe, Schleifenblumen und anderen Pflanzen, die Tiya nicht kannte.
„Warte, Tiya! Weißt du, wie Löwenzahn aussieht?“, stoppte Ilmun.
„Ja, wieso?“
„Pflück ein paar Blätter, die werden wir später noch für meine Rückverwandlung brauchen.“
Unter einem Tulpenbaum entdeckte sie die gelben Blumen und riss drei von den länglichen gezackten Blättern ab, die sie zu Ilmun in ihre Tasche steckte. Dann ging sie direkt zur Terrassentüre, die offen stand. Es war niemand zu sehen.
„Lass uns schnell reingehen!“
„Du meinst, ich soll rein, mit dir in der Tasche.“
Wenn Ilmun die Augen verdrehen hätte können, dann hätte er es in diesem Augenblick bestimmt getan.
Sie huschte durch die Türe und fand sich in einem reich ausgestatten Zimmer wieder. Am Parkettboden und an den Wänden, wo sich keine Bücherregale und Schränke befanden, breiteten sich bunte Teppiche aus. In einer Ecke waren um einen runden, tiefen Mahagonitisch, auf dem eine Wasserpfeife stand, drei bequeme Diwane angeordnet, die mit dicken, weichen Samtkissen ausgestattet waren. In der Mitte des Raumes war im Boden ein seichtes Wasserbecken eingelassen, auf dem Rosenblätter trieben, die einen süßen, angenehmen Duft verbreiteten. Tiya stieß einen anerkennenden Pfiff aus. „Dieser Sharrad lässt es sich vielleicht gut gehen!“
„Ja, aber beeil dich jetzt bitte! Staunen kannst du ein anderes Mal. Wir dürfen hier keine Zeit verlieren. Los, zum Keller! Dort befinden sich die Arbeitsräume.“
Tiya spähte in den Gang. Nichts. Die Luft schien rein zu sein. So schnell es mit ihrem Fußgelenk ging, lief sie zur Treppe, die in den Keller führte. Das Hinuntersteigen bereitete ihr Schmerzen, aber sie biss sich tapfer auf die Zähne.
„Die nächste Türe links.“
Die Türe war nicht verschlossen. Tiya stieß sie auf und schnappte nach Luft. Der dunkle Raum war gefüllt mit Regalen, Büchern, Gläsern, Schalen, Flaschen und allerlei Geräten, die sie nicht kannte. In einer Ecke blubberte etwas in einem breitbauchigen Behälter und verströmte ein schwaches, rötliches Licht. Durch Ritzen der mit Brettern verriegelten Fenster unter der Decke fielen Strahlen wie Fäden aus Rauch herab. Es roch eigenartig, mufflig und beißend zugleich. Ein wildes Potpourri aus verbrannten Metallen, Ammoniak, nassem Stein, getrockneten Pilzen und frischem Holz.
„ Wie um Himmels Willen wollen wir hier etwas finden?“
„Ich war schon einmal hier.“
„Aha. Ausführlicher geht es nicht, was?“, meinte Tiya schnippisch.
„Sei ruhig und beeil dich, wir können nicht ewig ungestört hier unten bleiben.“
„Ja, ist ja gut, sag mir, wo dieses Elixier ist.“
„Warte, lass mich überlegen. Ich glaube ... im zweithintersten Regal. Es ist ein kleines, dunkles Fläschchen.“
Tiya packte den Schemel, der unter einem der Tische stand, und stellte ihn zum Regal. Dann stieg sie hinauf und begann zu suchen.
„Ilmun, hier hat es mehrere kleine dunkle Fläschchen.“
„Lass mich sehen. Kannst du mich so hinhalten, dass ich die Etiketten sehe?“
Ilmun suchte die Flaschen ab. Viele der Etiketten waren bereits verblasst, aber er glaubte sich daran zu erinnern, dass Sharrad das Elixier erst kürzlich beschriftet hatte.
„Das könnte es sein. Nimm es mal und zeig es mir“, flüsterte Ilmun.
Gerade wollte Tiya das Fläschchen genauer betrachten, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.
„Was suchst du hier?“, herrschte sie eine junge, aber selbstbewusste Stimme streng an. Erschrocken wandte sich Tiya um und ließ dabei das Fläschchen fallen. Klirrend zersprang es auf dem Boden und hinterließ einen zischenden, dunklen Fleck auf dem Boden. Die Person, die Tiya ertappt hatte, machte einen Satz zurück. Überrascht sah Tiya, dass es sich um eine junge Frau, oder nein, doch eher ein Mädchen handelte, das etwa fünf Jahre älter als sie sein mochte. Als das fremde Mädchen sich gefasst hatte, fragte sie nochmals: „Raus mit der Sprache, was suchst du hier?“
„Ich ... ich ... mein Fuß ...“
„Dein Fuß?“
„Ja, ich habe mir den Fuß verstaucht ... und es tut weh und ich wollte etwas dagegen machen und ich bin hierher gekommen weil ich gehört habe dass Herr Sharrad ein mächtiger Zauberer ist und ich habe gedacht dass er vielleicht ein Mittel dagegen hat und dann bin ich hier herunter gekommen.“
Das Mädchen schien es ihr nicht ganz abzukaufen. Ihre Stirn verengte sich. „Wie heißt du?“
„Tiya.“ Sie biss sich auf die Zunge. Mist. Jetzt wusste die andere ihren Namen. „Und du?“
„Du weißt nicht, wer ich bin? Ich bin Siraia, Sharrads Tochter.“
Tiya hoffte, dass Siraia nicht bemerkte, wie sich gerade ihre Gedanken überschlugen.
„Mein Fuß tut wirklich sehr weh“, lenkte Tiya ab. „Schau mal.“ Sie streckte Siraia ihren Fuß entgegen, dessen Gelenk inzwischen blau angeschwollen war.
„Hmm, das sieht böse aus. Warte einmal, ich finde bestimmt etwas dagegen.“
Siraia drehte sich um hielt einen Augenblick inne. Dann zog sie die unterste Schublade eines Regals auf der anderen Seite aus und wühlte darin.
„Schnell!“, flüsterte Ilmun Tiya zu. „Die zweite Flasche rechts.“
Gerade noch rechtzeitig ließ Tiya das Fläschchen in ihrer Tasche verschwinden, bevor Siraia sich umwandte, eine silberne Dose triumphierend in der Hand haltend.
„Das ist es! Mein Vater hat diese Salbe bei mir benutzt, als ich mir einmal den Finger gequetscht habe. Am besten kommst du mit herauf, hier unten ist es so modrig und düster.“
Tiya nickte schüchtern und folgte ihr hinauf in ihr Zimmer, das im ersten Stock lag. Auch Siraias Gemach war edel ausgestattet, nicht ganz so opulent wie der untere Raum, aber sehr verspielt. Verschiedenste Blumen steckten in den vielen Vasen, die überall im Zimmer verteilt waren. Zu den eleganten Gefäßen gesellten sich Bücher, die sich in allen Ecken sammelten. Siraia setzte sich auf die Bettkante.
„Na komm, kannst dich auch setzen“, lud sie Tiya ein.
„Aber ... meine Kleider sind nicht so sauber und ...“
„Ach was, jetzt zeig schon deinen Fuß her.“
Tiya löste die Sandale. Siraia klatschte etwas von der kühlende Salbe auf das geschwollene Gelenk. Es kribbelte zuerst, aber der Schmerzt linderte sich bald.
„Danke“, murmelte Tiya. „Schönes Zimmer. Wohnst du alleine hier?“
„Nein, mein Vater wohnt doch auch hier“, antwortete Siraia lachend.
„Ich meine, ob du ein eigenes Zimmer hast? Ich muss mein Zimmer mit meinen zwei älteren Brüdern teilen, und es ist bestimmt weniger als halb so groß wie deins.“
„Wirklich?“ Siraia seufzte. „Ich hätte auch gerne einen Bruder oder eine Schwester.“
„Ach was, Geschwister nerven nur, Siraia.“
„Du kannst mich übrigens gerne Sira nennen, wenn du willst. Weißt du, mein Vater ist sehr streng. Ehrlich gesagt, dieses Haus ist ein goldener Käfig. Ich darf nie hinaus.“
„Was? Du darfst nicht raus? Und wo spielst du dann?“
„Spielen? Hier, im Zimmer. Oder im Garten.“
„Und deine Freunde? Kommen die dann hierher?“
„Freunde?“ Sira blickte betrübt aus dem Fenster. „Ich habe keine Freunde. Keine echten zumindest. Manchmal nimmt mich mein Vater zu Leuten mit, die auch Kinder haben. Aber das sind so furchtbar eingebildete Typen.“ Sie hob zur Verdeutlichung ihre Nase und setzte sich steif hin.
Tiya nickte wissend. „Fühlst du dich nicht schrecklich einsam?“
„Ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, Freunde zu haben. Du bist seit langem das erste Mädchen, das normal mit mir redet. Sonst muss ich mich immer über Politik oder über Leute, die ich gar nicht kennen will, unterhalten. Mein Vater legt Wert darauf, dass ich mich mit den anderen ‚befreunde’. Aber weißt du, was das Schlimmste ist? Er will mich verheiraten! Mit dem Prinzen! Manchmal hasse ich meinen Vater wirklich! Wie kann er das nur tun?“
„Äh, das ist doch schön ...“
„Schön? Schön, sagst du?“, Sira funkelte Tiya an. „Von wegen! Der goldene Käfig am Hof wird vielleicht größer sein, aber er wird ein Käfig bleiben.“
Tiya hatte immer noch keine Ahnung, von welchem Käfig Sira die ganze Zeit sprach, aber sie nickte einfach weiter. Irgendwie hatte sie ein schlechtes Gewissen, dass sie Siras Gutmütigkeit ausnutzte. In der Tasche machte sich Ilmun bemerkbar.
„Schau zu, dass du dich verdünnisierst, diese junge Dame ist ja unerträglich in ihrem Selbstmitleid.“
„Sei still! Warte doch!“
Sira sah auf. „Wie?“
„N... nichts. Was meint denn deine Mutter dazu?“
„Meine Mutter? Ich kenne sie nicht. Mein Vater sagt, dass sie bei meiner Geburt gestorben ist, aber es gibt Zeiten, da glaube ich es ihm nicht. Weißt du, ich hoffe manchmal, dass meine Mutter plötzlich auftaucht und mich mitnimmt, fort von hier.“
„Willst du denn nicht etwas dagegen unternehmen? Ich würde mir das nicht gefallen lassen!“
„Wie denn? Mein Vater ist ja sonst gut zu mir. Schau dich um, ich kann mich nicht beklagen.“ Sira stieß einen Seufzer aus.
In diesem Moment fasste Tiya einen Beschluss.
„Vertraust du mir?“
„Vertrauen?“ Sira zögerte kurz. „Ich weiß nicht ...“
„Ich bin dir etwas schuldig, oder?“
Einen Augenblick glaubte Tiya, Zweifel in ihren Augen zu sehen, doch dann fasste sich Sira ein Herz und stimmte zu.
„Gut, dann ...“ Tiya holte tief Luft. Ilmun protestierte heftig und polterte in ihrer Tasche, aber sie erzählte Sira, was sie hierher geführt hatte. Sira horchte ihr aufmerksam und geduldig zu.
„... Wenn du mir also hilfst, diesen Prinzen zu retten, wirst du ihn nicht heiraten müssen.“
„Klingt logisch. Aber dieser Löwe, steckt der wirklich in deiner Tasche?“
„Soll ich ihn dir zeigen?“ Zum Beweis holte Tiya Ilmun hervor. „Darf ich vorstellen? Ilmun – Siraia. Siraia – Ilmun.“
Das Löwenmäulchen rührte sich nicht. Sira beäugte Tiya und die Blume kritisch. Zweifel legte sich über ihr Gesicht.
„Na los, Ilmun sag doch was!“, stupste Tiya verzweifelt das Löwenmäulchen. Ilmun machte immer noch keinen Mucks. „Gut. Tut mir Leid Sira, offenbar ist dieses Löwenmäulchen doch nur eine gewöhnliche Blume. Soll ich es zu den anderen Blumen stellen?“
„Nein! Um Himmels Willen nicht!“, meldete sich Ilmun schließlich. „Hallo Sira.“

„Dann können wir ja endlich aufbrechen“, meinte Sira fröhlich und schulterte die kleine Tasche, in die sie alles nötige gestopft hatte. Sie hatte andere Sachen angezogen Die drei – Ilmun wieder in Tiyas Tasche – gingen hinunter. Sira führte sie durch dasselbe Zimmer hinaus, durch das sie gekommen waren, und durchquerte den Garten. Am anderen Ende befand sich, verborgen hinter einem Vorhang aus Efeuranken, eine kleine Hintertüre. Sie war gegen außen abgeriegelt, aber von innen ließ sie sich problemlos öffnen.
„Manchmal mache ich kurze Spaziergänge in der Stadt, aber nur sehr selten, weil mein Vater immer alles merkt. Ich kann ihm schlecht Dinge verheimlichen.“
„Das kenne ich von meiner Mutter“, grinste Tiya, während Sira die Efeuranken wieder zurecht rückte. Dann schlüpften die beiden ungleichen Mädchen durch die Pforte hinaus in die enge, dunkle Gasse.

Unter einem alten Olivenbaum machten sie Halt. Tiya und Sira setzten sich auf einen Stein und nahmen beide einen großen Schluck aus dem Wasserschlauch, den Sira mitgenommen hatte.
„Ist es noch weit bis zu dieser Zisterne, Ilmun? Hier draußen ist es ganz schön heiß“, jammerte Tiya.
„Nein, sieh da, hinter dem Hügel ist es.“
Im Schatten einer Felsengruppe tauchte die Halbruine einer Hütte auf. Daneben sahen sie die Zisterne, ein Rund aus unbehauenen Steinen und eine hölzerne Vorrichtung, um Eimer hinab zulassen. Tiya rannte darauf zu und lugte die dunkle Öffnung hinunter. Unten spiegelte sich der blaue Himmel auf der Wasseroberfläche.
„Tiya, der Prinz ist in der Hütte.“
„Sag doch was.“
„Ich dachte, du hättest Durst.“
„Haha.“
Sira war bereits in der Hütte verschwunden. Als Tiya ebenfalls eintrat, hatte sich Sira neben die in einfachen Leinenkleidern gehüllte Gestalt gekniet und holte ein Messer hervor. Ilmun seufzte erleichtert, als er sah, dass es seinem Schützling den Verhältnissen entsprechend gut ging.
Der Prinz keuchte. „Bring mich nur um! Ich weiß, dass du Sharrads Tochter bist! ... Aber ich ... werde mich nicht klein kriegen lassen! Ich habe königliches Blut in mir und mir macht es nichts aus, einen heldenhaften Tod zu sterben! Der Zorn meines Vaters ...“
„Halt den Mund, siehst du nicht, dass wir dich retten?“, schnauzte Sira, während sie ihm die Fesseln durchschnitt. ‚Den finsteren Blick hat sie eindeutig von ihrem Vater’, dachte sich Tiya grinsend. Sie musterte den Prinzen genauer im schummrigen Licht, das durch die eingefallenen Dachbalken fiel. Es war ein Junge in Siras Alter, nicht besonders groß, aber man sah, dass er noch wachsen würde, denn er war ein bisschen schlaksig und hatte verhältnismäßig zu lange Arme. Trotzdem, aus ihm würde bestimmt einmal ein hübscher junger Mann werden, seine dunklen Augen funkelten jetzt schon leidenschaftlich und würden mit Sicherheit das Herz jeder Frau im Sturm erobern ...
„Tiya“, holte Ilmun sie aus ihren Tagträumen zurück. „Kannst du mich so hinhalten, dass Theoi mich sieht?“
„Theoi?“
„Du kannst ihn auch gerne Hoheit nennen, aber ich glaube, im Augenblick spielen Formalitäten keine Rolle.“ Tiya näherte sich dem Prinzen, der immer noch etwas von Märtyrertod und Heldentum faselte, als Sira ihm etwas Wasser von ihrem Schlauch einflößte. „Der ist ja noch schlimmer als der Held aus dem Galmayum-Epos“, stöhnte sie.
„Galmayum-Epos?“, fragte Theoi. Er schien irgendwie aus seinem Delirium zu erwachen. „Du kennst das?“
„Och, weißt du, bis zur Stelle, wo sie bei den kalten Bergen ankommen, ist die Geschichte ganz nett, aber nachher wird’s ein bisschen langatmig, finde ich.“
„Langatmig? Du hast ja keine Ahnung!“
„Der pathetische Erzählstil ist grottig.“
„Wie kannst du nur! Das Galmayun-Epos ist ein Meisterwerk der ...“
Bevor sich die beiden jedoch in eine hitzige Diskussion stürzen konnten, räusperte sich Ilmun. „Ihre Majestät Theoi?“
Erst jetzt bemerkte der Prinz Tiya, die das Löwenmäulchen in der Hand hielt. „Ilmun? Du lebst immer noch? Ich dachte, ich würde die nie wieder sehen, als Sharrad dich in eine Blume verwandelte!“ Er klang sichtlich erleichtert.
„Kommt, gehen wir raus ans Tageslicht und besprechen, wie es weitergehen soll“, übernahm Sira die Initiative.

„Jetzt, wo wir Theoi gefunden haben, kann ich mich wieder zurückverwandeln, was meint ihr?“, warf Ilmun in die Runde. Tiya nickte aufgeregt und holte das Fläschchen und den Löwenzahn hervor.
„Wie machen wir das, Ilmun?“
„Stellt mich auf einen Stein. Ja, ich glaube so sollte es gehen.“
Neugierig standen Tiya, Sira und Theoi um den Stein und schauten auf Ilmun herunter.
„Dann träufelt etwas von dem Gegenmittel auf mich. Zehn Tropfen, nicht mehr und nicht weniger.“
Tiya entkorkte das Fläschchen und schnupperte daran.
„Pass auf! Steck deine Nase lieber nicht zu tief da rein! Wenn du lange Krallen und eine Löwenmähne kriegst, will ich nicht schuld sein.“ Sofort streckte Tiya den Behälter weg und drückte ihn Theoi in die Hand.
„Tretet nachher zur Seite, wenn die Rückverwandlung beginnt, ich benötige Platz.“
Tiya hielt den Atem an, als sie stumm mitzählte. Eins, zwei, drei, vier ... Bei neun machte sie noch einmal einen Schritt zurück. Und mit einem Male begann das Löwenmäulchen zu leuchten, wie ein kleiner Stern, hell und rein, kraftvoll und ungebändigt. Tiya spürte, wie die Kraft in den Löwen zurückfloss, spürte, wie etwas Unsichtbares seine Fühler ausstreckte und Energie anzog. Ein Strom von Macht bündelte sich auf dem Stein und ließ das Blümchen wachsen. Kalt glühende Lichtspiralen wurden entfesselt, die wild und unkontrolliert um den Umriss kreisten, der langsam Form annahm. Tiya erkannte eine Raubtiergestalt und sah, wie diese sich bückte und den Löwenzahn mit dem Maul aufhob. Ilmun lächelte und entblößte sein elfenbeinweißes Gebiss. Dann verblasste das Leuchten, doch nicht der silberne Löwe vor ihnen. Dieser sah sehr real aus.
Ilmun lachte und sprang auf, machte einige kraftvolle Sätze und jagte zu einem nahen Hügel hinauf, wo ihm der Wind, der vom Meer kam, ins Gesicht blies und seine Mähne durchschüttelte. Der Löwe stieß ein tiefes Grollen aus. Es klang nach Freiheit, dachte Tiya immer noch sprachlos. Die drei Kinder sahen ungläubig und bewundernd hinauf. Schließlich löste sich Theoi aus seiner Starre und rannte ebenfalls auf die kleine Anhöhe. Oben angelangt, umarmte er Ilmun und vergrub sein Gesicht in der Mähne.
Tiya und Sira waren wie von Donner gerührt, als sie die Szene schweigend mitverfolgten.
„Ich werde noch sentimental, so wie Galmayun nach der Ankunft in Tiamsáthr“, murmelte Sira. Tiya hörte sie nicht, sondern hatte nur Augen für Theoi, der aus vollem Herzen lachte und Ilmun drückte.

„Meint ihr, wir kommen noch rechtzeitig?“, gab Sira ihre Befürchtungen kund.
„Wir müssen auf alle Fälle so schnell wie möglich zum Palast gelangen. Theoi, spring auf.“
Der Prinz schüttelte den Kopf. „Nein es geht, ein bisschen Brot und Wasser haben schon Wunder bewirkt.“ Er sah zu Tiya hinüber. „Ich glaube, sie hätte es mehr nötig als ich. Hab keine Sorge, ich schaff das schon noch bis zum Palast. Tiya, kletter du auf Ilmun.“
Tiya traute ihren Ohren nicht. „Ich soll ... ich soll auf einem Löwen reiten?“
„Na hör mal, nachdem du mich den ganzen Weg hierher getragen hast, darf ich mich doch wohl revanchieren, oder?“
Ehe Tiya etwas einwenden konnte, hatte Theoi sie gepackt und auf den Rücken des Löwen gehievt.
„Danke“, murmelte Tiya.
„Keine Ursache, solange wir nicht am Hof sind, verneige ich mich vor dir. Ich bin es, der dir danken muss“, lächelte Theoi Tiya galant an, die froh war, dass sie sich in diesem Augenblick an der Mähne Ilmuns festhalten konnte und sich nicht auf die eigenen Beine verlassen musste. Zum Glück sprang Ilmun mit einem Ruck los, sodass die anderen nicht sehen konnte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss.

Sira und Theoi liefen so schnell wie es ging hinterher, während Tiya sich darauf konzentrierte, nicht herunter zu fallen. Unter dem feinen Fell spürte sie das imponierende Muskelspiel Ilmuns, ein Körper, der nicht nur dazu gebaut war, Stärke zu demonstrieren, sondern auch, wenn es sein musste, zu töten.
Als sie auf Seitenwegen den Palast erreichten, brachte Tiya kaum ein Wort heraus, immer noch beeindruckt von Ilmuns Erscheinung. Wie edel der Löwe sich bewegte, dachte sie sich. Kaum zu glauben, dass der Leibwächter des Thronfolgers vor wenigen Augenblicken noch eine lächerlich hilflose Blume gewesen war.
Rechtzeitig war sie abgestiegen und folgte gespielt demütig den anderen die marmorne Treppe hinauf. Die vier Wachen am Tor salutierten und traten zur Seite. Geschickt führten Theoi und Ilmun die beiden Mädchen durch ein Labyrinth aus Gängen, Treppen, Innenhöfen und leeren Sälen. Tiya hatte das Gefühl, dass sie belebte Orte wenn möglich vermieden. Schließlich gelangten sich durch einen kleinen Garten zu einem rechteckigen Turm. Ein Wächter davor hielt eine kleine Siesta. Theoi trat auf ihn zu und rüttelte ihn an der Schulter.
„Was zum ... oh, Eure Hoheit!“ In Sekundenschnelle sprang er auf und stand stramm. „Ihr seid schon wieder da?“
„Was meint ihr?“
„Ihr ... Ihr seid doch eben erst gegangen. Was habt Ihr mit Euren Kleidern gemacht? Und wer ...“
„Wenn du deinen Posten und deinen Kopf behalten willst, dann stell keine Fragen!“, herrschte Theoi ihn barsch an.
„Ja, Eure Hoheit, wie Ihr wünscht.“
„Dann sind wir uns ja einig. Lass uns jetzt bitte rein.“
„Jawohl, Eure Hoheit.“
Der Wohnturm war Theois Reich. Fresken von Helden und ihren ruhmreichen Taten zierten das Treppenhaus, das hinauf führte. Tiya konnte nichts damit anfangen, aber Sira rief immer wieder überrascht aus und nannte fremdländische Namen. „Unglaublich! Die neunte Ruhmestat von Svartaldar!“ „Und das muss eindeutig Prinz Silberhufe sein!“ „Oh, Ritter Eilian und die Fliederprinzessin!“
Tiya kannte keinen, doch bevor sie sich fragen konnte, wer all diese Personen waren, hatten sie bereits Theois Zimmer erreicht. Das Zimmer selbst bestand, neben einem einfachen Bett, zu Tiyas und Siras Überraschung aus Bücherregalen, nicht unähnlich dem Salon von Sharrads Haus.
„Sind das alles deine Bücher, Theoi?“, fragte Sira beeindruckt. Der Prinz nickte. „Ja, ich kann mir so viele Bücher wünschen, wie ich will. Mein Vater ist großzügig. Aber setzt Euch doch.“ Er deutete auf den Diwan, der in der Mitte des Raumes stand, und lies sich selber in seinen Lesesessel fallen. Ilmun tigerte zum Fenster.
„Ich werde Ausschau halten, falls Scharrad kommt“, sagte er.
„Und wir? Wie wollen wir Scharrad überführen?“, fragte Tiya nach einer Weile, als niemand etwas sagte. Sira und Theoi schauten sich an. In diesem Blick lag etwas, das Tiya nicht verstand oder noch nicht verstehen konnte, aber sie spürte, dass da etwas in der Luft lag.
„Tiya, ich ... wir“, setzte sie an, „... wir haben beschlossen, Scharrad nicht zu überführen.“
„Aber ... wieso? Ich verstehe das nicht.“
„Nun, erstens will ich Scharrad nicht hinter Gitter bringen. Trotz allem ist er eines: Mein Vater. Vielleicht hätte er es verdient, aber ich könnte ihm das nicht antun, auch wenn ich ihn manchmal hasse. Wer weiß, was sie dort unten in den Verliesen alles mit ihm anstellen würden. Und zweitens ...“
„... Ja, und zweitens“, fuhr Theoi fort, „wollen wir weg von hier.“
„Weg? Ihr?“
„Ja, ich habe das Leben am Hof satt“, seufzte Theoi. „Ich will die Welt sehen, die Ozeane befahren, die kalten Berge aus dem Galmayun-Epos besteigen ... Wusstest du, dass ich noch nie auf dem Meer war, Tiya? Ja, mein Vater lässt mich nicht, ich darf den Palast nicht ohne offizielles Trara verlassen, solange ich noch nicht mündig bin. Obwohl der Hafen vor den Toren der Stadt liegt. Ich kann das Meer vom Dach dieses Turmes aus sehen, aber ich bin noch nie über den Wellen ...“
„Sei froh! Als ich das erste Mal auf einem Boot war, wurde ich seekrank“, warf Tiya ein.
„Das werde ich dann ja sehen, wenn ich auf hoher See bin. Es ist so, Sira und ich haben auf dem Rückweg miteinander geredet. Wir haben festgestellt, dass wir viele Gemeinsamkeiten haben und beide in einem goldenen Käfig leben. Aber wir wollen nicht unser ganzes Leben in Luxus gefangen verbringen. Mein Herz zieht sich zusammen, wenn ich von den endlosen Wäldern Seldarions lese, die Sehnsucht packt mich, wenn die Helden von Lirisand zum ewigen Eis aufbrechen. Sira ergeht es genauso, deshalb haben wir beschlossen, von hier zu fliehen.“ Er machte eine Pause. „Ja, fliehen ist das richtige Wort. Wir wollen aus diesem goldenen Käfig ausbrechen.“
Zwar sah Tiya auch hier keine goldenen Gitterstäbe, aber es dämmerte ihr langsam, was die anderen damit meinten. Sie nickte nur stumm. Ein dicker Kloß hatte sich in ihrem Hals gebildet, der sie daran hinderte, irgendetwas zu sagen.
„Tiya, ich bin dir sehr dankbar, dass du mir geholfen hast, wer weiß, wie lange mich Scharrad da draußen hätte liegen lassen.“ Theoi sah sie an und ergriff kurz ihre Hand. Der warme Druck ließ Tiyas Herz unangenehm zusammenziehen und das leere Gefühl in ihrem Magen, das sich eindeutig nicht wie Hunger anfühlte, wurde immer größer. Sie wich seinen Augen aus. „Aber Sira und ich dürfen nun keine Zeit verlieren, wir werden das Nötige zusammenpacken und von hier verschwinden.“
„Wie wollt ihr das denn anstellen?“
„Ich habe genug Geld zur Verfügung. Das soll natürlich keiner merken, weshalb ich diese einfachen Kleider, in die mich Scharrad gesteckt hat, behalten werde. Sira und ich werden uns als junges Ehepaar ausgeben und eine Schifffahrt zum nächsten größeren Hafen machen. Was uns dort erwartet, werden wir noch sehen ...“ Theoi strahlte über das ganze Gesicht. „Vielleicht treffen wir auf die Sagenhafte Mondsegler, Kapitän Sternenauges Schiff ...“
„Oder wir werden unterwegs von Blutbarts Piraten überfallen und auf die Jadeinseln verschleppt ...“, fügte Sira hinzu.
„Ja, Blutbart-Geschichten fand ich auch immer sehr toll.“
„Ich wollte schon immer einmal die berüchtigten Jadeklippen sehen ...“
Tiya schwieg enttäuscht, während die anderen beiden weitere legendäre Pirateninseln und Banditenoasen aufzählten. Ilmun merkte es und stupste Tiya leicht an.
„Es wird Zeit für dich, wieder heimzugehen. Deine Freunde und Eltern vermissen dich bestimmt schon.“
Tiya stieß ihn zurück und wandte sich ab. Mit Tränen in den Augen stand sie auf und lief die Treppe hinunter.
„Was hat sie?“, wollte Sira besorgt wissen.

Ilmun fand Tiya gedankenverloren auf einer Bank im Garten.
„Ach Tiya, setz nicht so eine bittere Miene auf, das steht dir nicht“, tröstete Ilmun sie. „So wirst du niemals einem hübschen Prinzen gefallen, wenn ich dich in die Königreiche mitnehme, wo ich herkomme.“
Tiya sah auf. „Was, du nimmst mich in Wüstenreiche mit?“ Ihre Miene hellte sich ein wenig auf.
„Ja, wenn du magst. Aber wenn du willst, kann ich dir auch die Jadeklippen zeigen. Oder dich zu den schönsten Prinzen auf dieser Erde bringen. Du musst nur ja sagen und mir eines versprechen, nämlich, dass du dich geduldest, bist du alt genug bist.“
„Ich will gerne, aber wieso ...“ setzte Tiya an.
„Wieso?“ Ilmun seufzte. „Ich möchte, dass du hier noch eine schöne Kindheit verbringst. Du sollst selber merken, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um diese Stadt und deine Heimat zu verlassen. Ich werde auf dich warten und meinen Teil des Versprechens einlösen.“
„Wo werde ich dich finden können?“
„Erkundige dich in der Oase, die einige Meilen von hier ist. Dort wird man dir Auskunft geben, wenn du sagst, dass du Ilmuns Freundin bist. Schau mich an, Tiya.“ Das Mädchen hob ihren Kopf. Auf eine Art flößte ihr der Löwe beinahe Angst, sie sah zum ersten Mal die Wildheit und Kraft, die hinter diesen bernsteinfarbenen Augen loderten, aber sie sah auch Ferne, Freiheit und dieselbe Sehnsucht, die ihr Herz erfüllte.
„Ja, ich verspreche es“, flüsterte sie.

Tiya schlief immer noch tief, als am nächsten Morgen ihre Mutter ins Zimmer kam und sie weckte.
„Was ist denn, Mama?“ Schlaftrunken richtete sie sich auf.
„Ein Botenjunge, den ich noch nie gesehen habe, hat mir dieses Paket gebracht und gesagt, es sei für dich bestimmt.“
Verwundert nahm Tiya das in Papier gewickelte Bündel entgegen und packte es aus. Es war ein in Leder gebundenes Buch. Ein schwerer Umschlag fiel heraus, als sie es aufschlug. Sie hob ihn auf und öffnete ihn. Darin befanden sich eine Goldmünze und ein kurzer Brief.

Liebe Tiya

Da ich jetzt keine Verwendung mehr für meine Bücher habe und sie alle schon gelesen habe, überlasse ich sie dir. Ich habe veranlasst, dass sie nach und nach aus dem Palast geschmuggelt werden. Wenn du willst, dass dich Ilmun später mitnimmt, musst du sie aufmerksam durchlesen. Spare das Geld, das ich für dich auf die Seite gelegt habe, für später auf, du wirst es benötigen.
Es ist bereits spät, Siraia und ich müssen gehen, damit wir noch rechtzeitig an Bord gehen können.
Ich wünsche dir alles Gute und danke dir nochmals für deine Hilfe. Siraia lässt dich auch herzlich grüßen.

Theoi

Tiya schluckte und sah sich den Einband genauer an. Mit Mühe entzifferte sie zwischen stilisierten Ranken den mit Gold verzierten Titel, der aus verschlungenen Lettern bestand.
„Das Galmayun-Epos“ las sie.

 

Hallo sirwen,
das ist ja eine wirklich süße Kindergeschichte, die du da geschrieben hast. Mir ist nicht ganz klar, welches Alter deine Protagonisten wirklich haben, aber ansonsten hat es mir sehr gefallen.
Einerseits versteckt Tiya sich und will ihre Freunde erschrecken, dieses Verhalten deutet auf ein eher kleineres Kind hin, andererseits lassen ihre Gedanken, als sie den Prinzen betrachtet, eher darauf schließen, dass sie schon etwas älter ist, wenn du verstehst, was ich meine.

Was mich auch noch ein bisschen stört ist die schnelle Anbandelung deines Prinzen mit der Tochter des Magiers. An dieser Stelle - sie sind doch nur dem Löwen hinterhergelaufen? - solltest du nachlegen. Mein Tipp wäre, dass du sie einfach ein bisschen älter machst als deine Protagonistin, ich hatte da nicht wirklich den Eindruck. Dann kann der Prinz sie nämlich auf den Löwen tun, um sie in Ruhe loszuwerden. Und sie müssen es auch nicht ewig eilig haben, ich verstehe an der Stelle sowieso nicht so ganz, warum sie in Aktionismus ausbrechen.

Das Setting hat mir sehr gefallen. Ich liebe Wasserpfeifen und Teppiche. :) Gerne gelesen!

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita!

Mensch, wie schnell liest du? :susp: Ich glaube, noch schneller als ich auf "Wer-ist-online" klicken kann ...

Mir ist nicht ganz klar, welches Alter deine Protagonisten wirklich haben, aber ansonsten hat es mir sehr gefallen.
Das steht zwar im Text, aber ich hatte schon beim Schreiben Mühe damit, dass das richtig rüberkommt. Soll ich Tiya am Anfang älter darstellen oder am Ende jünger machen?
Hättest du vielleicht einen konkreten Tipp?

Und sie müssen es auch nicht ewig eilig haben, ich verstehe an der Stelle sowieso nicht so ganz, warum sie in Aktionismus ausbrechen.
Stimmt eigentlich.
Oje, ich habe wieder mal das Gefühl, eine Geschichte zu voreilig gepostet zu haben. Danke für die Kritik und die Hinweise jedenfalls, die haben meine letzten Zweifel, die ich vor dem Posten unterdrücken wollte, bestätigt. :Pfeif:

Das Setting hat mir sehr gefallen. Ich liebe Wasserpfeifen und Teppiche.
Kriege ich nächstes Mal eine Empfehlung, wenn ich eine Geschichte in einer Taverne mit Wasserpfeifen und Teppichen spielen lasse, wo Met serviert wird? :D

Liebe Grüsse,
sirwen *sich an die Überarbeitung mach*

 

Hi sirwen,
wieso, ne halbe Stunde ist doch nicht eben schnell.. ich glaube, mein Rekord war mal ein Kommentar nach 5 Minuten. Das war, glaub ich, eine relativ kurze Geschichte von Jobär... ;)
Ich würde Tiya jünger machen. Dann könnte sie mit Unverständnis auf die amourösen Anstrengungen der beiden anderen reagieren und würde in dieser Szene nicht mehr so aus der Rolle fallen. Es macht es auch sinnvoller, dass sie am Ende noch warten muss, die Sache mit der unbeschwerten Kindheit finde ich nämlich sehr schön.

Die Geschichte ist ja mittlerweile ein bisschen gesackt. Deshalb mag ich noch mal weiterkritteln:
Die Szene, in der dein Prinz und die Tochter des bösen Schwarzmagiers deiner Prot ihre Entscheidung nahelegen, geht mir zu schnell. Da solltest du noch mal Tempo rausnehmen. Wir haben da im Endeffekt drei Parteien: Einmal die beiden, die miteinander abhauen wollen. Dass der jeweilige Vater da schnell mal vergessen ist, verstehe ich - Sira hält wahrscheinlich wirklich nicht mehr viel, aber zumindest der Prinz sollte da mehr Pflichtgefühl an den Tag legen und sich noch mal überzeugen lassen.
Außerdem ist da Tiya selber. Welche Motivation hat sie an dieser Stelle? Sie hilft deinem Löwen mehr oder weniger grundlos, vielleicht aus Neugierde. Sie rennt durch die Gegend, läuft dem Plot hinterher und tut eigentlich alles nur, um zu gucken, was dann passiert. Ich würde ihr noch eine eindeutige Motivation verpassen, die dann in der "wir laufen weg"-Szene gipfelt. Ich stelle mir dabei etwas vor wie die Sehnsucht nach einem größeren Leben, also dem, was ihr der Löwe am Ende auch anbietet.
Die dritte Partei, deren Motivation unklar ist, ist der Löwe. Er will unbedingt die Verschwörung vereiteln, wird zurückverwandelt und rettet den Prinzen. Dann zieht er sich in irgendeine Oase zurück, um darauf zu warten, dass das Mädchen, das er kurz vorher kennengelernt hat, alt genug ist, um mit ihm durchzubrennen. Warum tut er das? Wo liegen seine Loyalitäten, wo seine Prioritäten? Verpass ihm doch eine Lebensschuld beim Prinzen. Die hat er dann beglichen und kann sich an deine Protagonistin binden... irgendwie sowas.

Kriege ich nächstes Mal eine Empfehlung, wenn ich eine Geschichte in einer Taverne mit Wasserpfeifen und Teppichen spielen lasse, wo Met serviert wird?
Wenn sie gut ist :D
Scherz beiseite, sowas will ich irgendwann noch mal selber schreiben... :lol:

gruß
vita
:bounce:

 

Hallo vita!

Uargh, habe ich mir eigentlich überhaupt was überlegt, als ich diese Geschichte geschrieben habe? Danke für die Hinweise und die Vorschläge, die kann ich wirklich brauchen.

Sie hilft deinem Löwen mehr oder weniger grundlos, vielleicht aus Neugierde.
Natürlich hat sie eine Motivation. Äh ... nur habe ich vergessen, die zu erwähnen. :Pfeif:
Jetzt weiss ich, womit ich mich die nächsten Tage beschäftigen werde ... :hmm:

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Hallo Sirwen,

irgendwie ist es seltsam, eine Geschichte zu kommentieren, die für jemanden geschrieben wurde, so als würde man ein Geschenk auspacken, das einem nicht gehört :shy:
Aber ich fand den Titel so schön, dass ich sie einfach lesen musste und da ist es nur fair, wenn ich dir auch einen Kommentar dazu gebe.

Wie vita hatte ich Probleme mit dem Alter des Prinzen und der Tochter des Fakirs, ich habe mir beide deutlich älter vorgestellt, vielleicht 14 oder 15. Okay, so viel älter ist das nun auch nicht, aber für mich wirkt das innerhalb dieser orientalisch märchenhaften Welt recht stimmig ...
Tiyas Alter finde ich allerdings perfekt, viel jünger würde ich sie nicht machen, sonst würde sie mir irgendwie zu "kindlich" vorkommen.

Das Setting hat mir sehr gut gefallen, die ganze Atmosphäre hat mich angenehm an die Märchen aus 1001 Nacht erinnert, die als Kind geliebt habe und es noch immer tue, dafür ein ganz dickes Lob!
Vielleicht habe ich die Geschichte dann auch mehr als Märchen gelesen, weshalb mich die Sache mit dem etwas plötzlich kommenden Versprechen des Löwen und der Zuneigung zwischen Prinz und Siraia nicht so sehr gestört hat.
Aber ich gebe vita recht, vielleicht solltest du das noch ausbauen.

Tut mir leid, wenn das Ganze jetzt eher wenig konstruktiv ist, aber ich fand die Geschichte insgesamt einfach sehr niedlich (vor allem den verwandelten Löwen) und angenehm zu lesen.

Viele Grüße,
Meari

 

Hallo Meari!

Nene, das sollte sich nicht so anfühlen, als würdest du ein fremdes Geschenk auspacken. ;) Danke fürs Lesen und Kommentieren! Ich freue mich über jegliche Rückmeldung.

Wie vita hatte ich Probleme mit dem Alter des Prinzen und der Tochter des Fakirs, ich habe mir beide deutlich älter vorgestellt, vielleicht 14 oder 15.
Äh, und wieso kommst du darauf, dass das nicht so sein sollte? Im Text habe ich es so beschrieben, das "gefühlte" Alter muss ich aber noch besser herausarbeiten. Für mich sind Sira und Theoi in diesem Alter.
Vielleicht habe ich die Geschichte dann auch mehr als Märchen gelesen, weshalb mich die Sache mit dem etwas plötzlich kommenden Versprechen des Löwen und der Zuneigung zwischen Prinz und Siraia nicht so sehr gestört hat.
Ja, die Geschichte sollte sich eher als Märchen /Kinder-Fantasy lesen. Trotzdem werde ich versuchen, noch ein bisschen Kitsch-Faktor rauszunehmen.
Ansonsten danke für das (unkonstruktive) Lob, macht doch nichts! :D Freut mich, dass es dir gefallen hat.

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Hallo, Sirwen.

Ich hole zum Gegenschlag aus. :)

Wirklich eine sehr schön ausgedachte Geschichte. In der Tat würde ich sie auch als Jugenderzählung einordnen, muß aber sagen, daß ich vor Deinem Talent, Situationen und Räume zu schildern, den Hut ziehen muß. Ich hatte fast immer das Gefühl zu wissen, wo sich deine Figuren gerade befinden. Einzige Ausnahme ist der Anfang: als Tiyas Freunde nach ihr Rufen, hatte ich sie eigentlich noch auf ihrem Aussichtsposten, aber dann ist sie plötzlich in einer Gasse verschwunden. Habe ich da was verpaßt?

Einige Dinge passieren für meine Begriffe etwas zu schnell oder sind zumindest nicht ganz schlüssig motiviert (das coupling von Tiya und Sira, das coupling von Theoi und Sira). Wobei sich ja alle Figuren in der Pubertät oder zumindest kurz davor befinden - bestimmte Dinge kann man da ja nicht verstehen! ;) Tiya ist demnach 9, Sira und Theoi etwa 14, das habe ich auch so verstanden, wobei die Altersdifferenz zwischen Tiya und den beiden anderen vielleicht wirklich noch ein bißchen stärker profiliert werden könnte - das spielt in dem Alter ja doch eine ziemliche Rolle.

Die Episode mit der dicken Katze des Fakirs fand ich etwas überflüssig. Falls Du sie als eine Art Gegenpart oder Reibung zu Ilmun und Tiyas Beziehung zu ihm angelegt haben solltest, hat das nicht so ganz funktioniert.

Die Beschreibung der Motivationen und Beziehungen zwischen den vier Kernfiguren Figuren solltest Du vielleicht noch ein bißchen intensivieren, dafür vielleicht ein paar andere Stellen kürzen. Der Anfang ist für meine Begriffe etwas zu lang geraten, was die sich entwickelnde Sympathie zwischen Siraia und Theoi angeht, solltest Du vielleicht noch ein paar weitere eifersüchtige Beobachtungen Tiyas einstreuen, die den Wandel der anfangs ja nachvollziehbaren Abneigung beider gegeneinander in wachsende Zuneigung andeutet (immerhin ist die Geschichte ja aus Tiyas Sicht erzählt). Der Disput über das Galmayun-Epos ist dabei etwas kontraproduktiv, weil offenbar ja beide von den darin berichteten Orten und Figuren fasziniert sind, Siraia aber so tut (tut sie so?), als habe sie sich beim Lesen zu Tode gelangweilt. Wenn beide als im goldenen Käfig internierte Leseratten ihre Begeisterung für den Epos entdecken, haben sie doch bereits eine Basis, auf der das zarte Pflänzchen Zuneigung wachsen kann.

Das einzige, was mir völlig opak geblieben ist (und worin ich vita beipflichten muß), ist die Motivation Ilmuns, den Prinzen erst zu retten, dann aber so mirnichts, dirnichts einfach den Rückzug anzutreten und seinen Schützling auf eine nicht ungefährliche Reise um die Welt gehen zu lassen. Eigentlich müßte er ja a) dafür sorgen, daß der Prinz seinen Plan nicht umsetzt oder zumindest b) durch seine Anwesenheit an der Seite seines Schützlings dafür sorgt, daß ihm nichts geschieht. So wirkt er plötzlich als ein Freelancer, der nachdem ihm vom Prinzen (und eigentümlicherweise nicht vom König) der Job gekündigt wurde, einfach wieder nach Hause geht. Vielleicht hattest Du ja vor, Ilmuns Angebot als eine Art Geschenk Theois anzulegen, heißt: Theoi entbindet Ilmun von der Aufgabe, ihm zur Seite zu stehen und gibt ihm den Freundschaftsdienst auf, sich fortan um Tiya zu kümmern, mit der ihn ja nun auch eine gewisse Verpflichtung und Sympathie verbindet.

In dieses Beziehungs- und Motivationsgeflecht ist vielleicht noch ein bißchen Arbeit zu investieren, aber insgesamt kann ich nur wiederholen: Eine sehr phantasievolle, atmosphärisch stimmige und gelungene Kurzerzählung. :thumbsup:

Grüße
bvw

 

Hallo brudervomweber!

Ja, deine Einwände sind berechtigt. Ich bin schon daran, die genannten Punkte zu überarbeiten (das geht bei mir nicht so auf die schnelle, ich nehme mir Zeit dafür ...)

Die Szene mit der Katze war eher zur Erheiterung gedacht, ich bin wohl von den Katzen meiner ehemaligen WG-Mitbewohnerin dazu inspiriert worde. Und irgendwer muss ja diese Leiter benutzen ... inwiefern fandest du das denn überflüssig?

Sira findet den Galmayun-Epos nicht so toll, aber ich denke, ihre Begeisterung für alte Epen bietet den beiden einen Diskussionsstoff. Ist das zu kontraproduktiv? Ein bisschen wollte ich auch kg.de-Kultur in diese Story reinbringen :D.
¨
So bleiben wird die Story auf alle Fälle nicht, ich pack die Problemfelder noch an bzw. habe schon damit angefangen. :)
Danke für dein Feedback!

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Hallo Sirwen,

ich habe deinee Geschichte schon vor einer Woche gelesen, kam aber zeitlich ums Verrecken nicht zum Atmen, geschweige denn zum Kommentieren. Jetzt bin ich so weit und sehe, dass die meisten Dinge, die mir auffielen, schon geschrieben sind.

Ein letzer Aspekt, der mich interessiert hat, blieb aber bisher unerwähnt: Es stellte sich mir nicht nur die Frage nach dem Alter der Protagonisten, sondern nach dem Alter der Zielgruppe für diese Geschichte. Aus dem Bauch heraus hätte ich auf Jugendliche ab 10 oder 12 Jahren getippt, da die eingeflochtene Liebesgeschichte jüngere wahrscheinlich nicht berührt. Vielleicht irre ich mich, da ich mich mit altersbeogenen Interessen nicht genug auskenne, aber viel jünger sehe ich das Publikum nicht. Und vor dem Hintergrund erschien es mir erlaubt nach einigen Logikfehlern ausschau zu halten, von denen ich denke, dass sie leute dieses Alters bereits stören würden.

Wir haben also eine Achtjährige, welche "durch die Gassen streicht" um "Süßigkeiten von irgend einem Erwachsenen zu bekommen". - Hier schrillt bei mir schon mal eine pädagogische Alarmglocke, aber sei's drum. - Dann spielt sie jemandem einen Streich und sie findet eine Blume, die ihr eine haarsträubende Geschichte erzählt. Sie soll einen Einbruch begehen und ihren Freundinnen bloß nicht erzählen, wo sie hingeht (warum eigentlich nicht?). Das befolgt sie natürlich umgehend und ohne einen Beweis zu verlangen. Jene Blume, die vorgibt ein Wachposten des Palastes zu sein, kennt sich recht gut in Hinblick auf die angebliche Verzauberung und das entsprechende Heilmittel aus. Es weiß, dass noch Löwenzahn benötigt wird und wieviele Tropffen einer Flasche deren Etikett sie kennt verwendet werden müssen. :susp: Sollte man da nicht misstrauisch werden, wenn ein angeblicher Leibgardist so viel von Alchemie versteht?

Ich fand Tiyas Verhalten jedenfalls ziemlich gutgläubig und hätte erwartet, dass sie für ihre Naivität entweder eines auf den Deckel bekommt oder aber dass sie etwas mehr eigenständiges Denken zeigt. Als sie sich gegenüber dem Löwenmäulchen durchsetzt und der Fakirstochter alles erzählt habe ich dann aufgeatmet und konnte mich auf die Geschichte einlassen.

Das ist aber auch alles, was mir an konstruktiver Kritik einfällt. Insgesamt fand ich die Erzählung sehr atmosphärisch. Die unerfüllte Liebe zum älteren Prinzen, der Drang nach Freiheit, die pseudointellektuellen Dialoge der verwöhnten Kinder - das waren alles sehr stimmige Elemente, die der Geschichte eine angenehme Tiefe verliehen haben. Sehr lesenswert :thumbsup:

Liebe Grüße,

Mihai

P.S.: Noch ein letzter Satz zu dem Dialog der Beiden über das Galmayun-Epos. Mir erscheint es nicht ungewöhnlich, wenn ein gemeinsames Erlebnis (dazu zählt auch eine gemeinsame Lektüre) zwei Menschen verbindet, auch wenn beide getrennte Meinungen darüber haben.

 

Hallo Grossvater!

Danke für die zusätzlichen Kritikpunkte, die kann ich wunderbar noch in die Überarbeitung mit einbeziehen!

Zu Ilmuns Alchemiekenntnissen: Habe ich in der aktuellen Version völlig vergessen einzubauen. Das hat seinen Grund (auch wenn der nicht besonders originell ist). An diese Teil arbeite ich in gerade ...
Aber was die pädagogischen Alarmglocken schreien, ist mir ziemlich schnuppe :D.
Und gut, dass du nochmal erwähnst, dass Tiya zu gutgläubig ist. Muss ich noch bearbeiten.

Es freut mich auf alle Fälle, dass du trotz den angeführten Schwachstellen die Story lesenswert fandest :).

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Hallo, Sirwen.

Ich wollte gar nicht hetzen. Auch mir ist klar: Gut Ding will Weile haben.

Die Katzen-Episode war in meinen Augen einfach unmotiviert. Jedes Teilchen in deiner Geschichte hatte seinen Platz und seine Berechtigung, nur die dicke Katze irgendwie nicht. Man kann ja eine Katzentreppe haben, ohne daß notwendigerweise die Besitzerin Brückenzoll erhebt. Mir ist schon klar, daß die Katze quasi zwangsläufig durch die Art des Zugangs in das Haus des Zauberers in Erscheinung tritt, aber gegenüber der recht straffen (und darum in meinen Augen guten) Organisation der übrigen Erzählstücke fiel mir die Katze irgendwie als überflüssig auf. Nicht mal die Kratzer haben (anders als der umgeknickte Fuß) irgendeine nachhaltige Bedeutung. Eigentlich kann die dicke Katze einfach oben am Fenster sitzen, Tiya beim hochklettern zuschauen, gähnen und mit den Augen klimpern. Katzen machen auch sowas. Meine Katze jedenfalls. ;)

Zur Uneinigkeit über das Galmayun-Epos: Die beiden können sich ruhig uneins sein, aber in der Befreiungs-Episode hatte ich den Eindruck, daß Siraia sehr auf Contra gegen den ihr ohnehin anfangs suspekten Theoi geht, weil sie eigentlich nur ihre Abneigung gegen seine Lieblingserzählung zum Ausdruck bringt. Hier wäre vielleichtb ein Brückenschlag sinnvoll, indem sie einen Gegenvorschlag toller Literatur macht, den Theoi grottig findet und beide dann irgendwie auf eine Synthese kommen, die beide gut finden. Das würde dann auch die Brücke zu ihrem Plan schlagen, gemeinsam auszubüchsen. Und die kg.de-Kultur hätte auch ihren konstruktiven Platz.

Grüße
bvw

 

Hallo sirwen,

erst einmal ein paar Sätze mit Schusselfehlern, die ich so beim Lesen gefunden habe:

„Für ein deine neun Jahre bist du aber schon ganz schön frech, was?“

„Von Wegen Glück!“

Viele der Etiketten waren bereits verblasst, aber er glaubte sich daran zu erinnern, dass Sharrad das Elixier erst kürzlich beschriftet hatte.
Die ganze Zeit erzählst du mehr aus Tiyas Perspektive, hier wird’s plötzlich Ilmuns. Hat mich gestört. Vielleicht solltest du das auch besser in wörtliche Rede verpacken („Das Etikett muss lesbar sein, ich weiß, dass Sharrad es erst kürzlich beschriftet hat“, erklärte er Tiya).

Es kribbelte zuerst, aber der Schmerzt linderte sich bald.
Suche das überflüssige t ...

„Nein! Um Himmels Willen nicht!“, meldete sich Ilmun schließlich. „Hallo Sira.“
:lol: Sehr schön!

Du lebst immer noch?
Das klingt für meine Begriffe eher enttäuscht: Wie, du bist noch immer nicht tot? Ach Scheiße!
Passender fände ich einfach: Du lebst noch? Das klingt irgendwie positiver.

Was Logikschwächen, Tiyas Motivation usw. betrifft, kann ich die Argumente der anderen gut nachvollziehen und unterstützen, muss aber zugeben, dass mich diese Punkte beim Lesen nicht so extrem gestört haben, weil ich mich einfach viel zu entzückt auf die Figuren dieser Geschichte eingelassen habe. Ich sag einfach mal, das ist schöne Jugend-Fantasy und von daher ist die Story sicher auch mit Recht Felsenkatze gewidmet. :) Flüssig zu lesen und mit vielen Schmunzlern. Auch wenn mir ehrlich gesagt die Mischung aus Dramatik und Witzigkeit nicht immer stimmig erschien.
Schön jedenfalls, dass die Geschichte mit der Freundschaft von Sira und Tiya einen für mich zunächst unerwarteten Verlauf nimmt.
Bei Ilmun war ich zwiegespalten. Er hat mich nach seiner Verwandlung extrem an diesen unsympathischen Löwen aus den Chroniken von Narnia erinnert und wie Theoi sein Gesicht in Ilmuns Mähne vergräbt war mir sogar eine Spur zu – äh, rosamundig. Außerdem war mir sein Charakter auch irgendwie nicht klar genug (sowie das, was vita schon angesprochen hat, erst rettet er den Prinzen, dann verzieht er sich).

Na ja, du bist ja vermutlich sowieso gerade in der Arbeit an einer neueren Version, auf die ich mich schon freue.

Insgesamt hat’s viel Spaß gemacht, deine Geschichte zu lesen, trotz der ein oder anderen erwähnten Kleinigkeit. Sympathisch, dass Tiya sich den Fuß verknackst und nicht ewig unversehrt durch die Welt rennt, und dass die Story so realistisch bleibt und sie den Prinzen nicht kriegen kann. :D

Liebe Grüße,
ciao
Malinche

 

Hallo Malinche!

Danke für's Lesen, Schusselfehlerraussuchen und Kommentieren!

Ich sag einfach mal, das ist schöne Jugend-Fantasy und von daher ist die Story sicher auch mit Recht Felsenkatze gewidmet.
Ronja hat sich schön darüber ... äh ... sie hat auch schon was dazu gesagt. :D

Er hat mich nach seiner Verwandlung extrem an diesen unsympathischen Löwen aus den Chroniken von Narnia erinnert und wie Theoi sein Gesicht in Ilmuns Mähne vergräbt war mir sogar eine Spur zu – äh, rosamundig.
Du hast die Lächerlichkeit dahinter nicht gesehen! *hüstel* ... Ok, ich werd's ändern. Ich will einmal keine zu rosamundige Stellen in einer Geschichte haben. Narnia habe ich übrigens nicht gelesen ...

Ay, es kommt immer mehr auf mich zu bei dieser Überarbeitung. :dozey: Freut mich natürlich, dass du trotz all den bekrittelnswerten Punkten Freude an der Geschichte hattest.

Hallo brudervomweber!

Die Katze werde ich lassen. Ich will das so. :schiel: Aber das mit dem Galmayun-Epos werde ich mir nochmal überlegen. Danke für den Vorschlag!

Liebe Grüsse,
sirwen

 

sirwen schrieb:
Narnia habe ich übrigens nicht gelesen ...
Äh, ich auch nicht - in einer für mich ansonsten untypischen Anwandlung bin ich, ohne das Buch bzw. die Bücher gelesen zu haben, in den Kinofilm gegangen, der eher mies war. Und da war der Löwe halt so ein unsympathisches computeranimiertes Viech. Aber wenn du ihn nicht kennst, besser so, ich wünschte heute auch, ich wäre nicht ins Kino gegangen ... [Off-Topic-Ende]

 

Hallo sirwen!

Also mir hat Deine Geschichte sehr gut gefallen! Allein schon die Idee des in ein Löwenmäulchen verwandelten Löwen finde ich süß, und die Geschichte drumherum erzählst Du sehr schön, baust eine schöne Spannung auf, die für mich ihren Höhepunkt hat, als Tiya die Flaschen inspiziert und dann von Siraia dabei erwischt wird. Als sie sich dann angefreundet haben, war ich sehr erleichtert.

Im Gegensatz zu ein paar anderen Kritikern hatte ich weder mit dem Alter Probleme noch mit der Motivation von Tiya; es ergibt eins das andere, also sie findet die Blume und die spricht mit ihr (!), da ist sie automatisch mitten im Geschehen und braucht keine extra Motivation, meiner Meinung nach jedenfalls, und außerdem ist es ein Märchen, keine Gesellschaftskritik. ;)

Was ich aber auch seltsam fand, ist, daß Ilmun so genau Bescheid weiß, wie er zurückverwandelt werden kann. Allerdings wird hier …

„Ich war schon einmal hier.“
… eine Erklärung angedeutet, wenn auch nicht näher erklärt, aber so konnte ich es dann doch akzeptieren.
Die Katze fand ich völlig passend, für mich hat sie sogar noch die Spannung erhöht.
Und am Ende hat mir das Erkennen des goldenen Käfigs besonders gefallen, da waren mir die restlichen Details nicht so wichtig.

Eines wurde noch nicht erwähnt:

heute war ein Festtag und sie musste nicht zur Schule gehen
Zu der Zeit, in der Deine Geschichte spielt, stelle ich mir einen Festtag anders vor. Da erwarte ich mir keine Marktfahrer auf der Straße, sondern irgendein festliches Treiben.

Ein bisschen ein Problem hatte ich mit den Namen, aber das habe ich fast immer, wenn mehrere Namen eine Rolle spielen, besonders, wenn die auch noch irgendwelche Gemeinsamkeiten haben (Tiya und Sira haben gleich zwei gleiche bei nur jeweils vier Buchstaben). – Wenn sonst niemand ein Problem damit hat, muß es Dich nicht tangieren. ;)

Ach ja: Eigentlich sollte das ja eine Geburtstagskritik werden, aber da mein Sohn und ich krank waren, bin ich ein bisschen hintennach. Trotzdem wünsch ich Dir noch alles Gute! :)

Ansonsten hab ich nur noch ein paar kleine Details:

»Das Mädchen streckte ihr Gesicht gegen die ersten Sonnenstrahlen des Tages«
– diese Formulierung mit dem »gegen« finde ich nicht sehr schön, ich würde das umstellen: Das Mädchen streckte ihr Gesicht den ersten Sonnenstrahlen des Tages entgegen …

»Ihre Freunde waren noch nicht da, aber sie war absichtlich früher gekommen, um sie von oben zu erschrecken.«
– das »aber« würde ich streichen und stattdessen zwei Sätze draus machen oder einen Strichpunkt (Semikolon) dazwischen.

»„Für ein deine neun Jahre bist du aber schon ganz schön frech, was?“«
– »ein« ist zuviel

»Tiya sah, wie dabei etwas herunter fiel.«
– hinunter

»Tiya hastete die Treppe hinunter,«
»Tiya kletterte auf ihren Spähposten zurück«
(und etwas später) »Tiya schlüpfte in den dunklen Spalt«
– die ziemlich gleich klingenden Satzanfänge fielen mir etwas auf, vielleicht magst Du ja einen davon ändern?

»als ich noch kein Löwe der Garde war ...aber das erzähle ich dir später einmal.“«
– Leertaste vor »aber«

»Tiya wurde von einem Ruf unterbrochen, der herauf schallte.«
– zusammen: heraufschallte

»Das Mädchen tat wie geheißen und stieg hinunter.
[…]
Ich muss noch etwas Wichtiges tun.“«
– tat/tun, vielleicht bringst Du ja eins davon weg

»Sie dachte kurz nach, während sie weiter ging.«
– wenn »weiter« i. S. v. eine Tätigkeit fortsetzen gebraucht wird, gehört es mit dem Verb zusammen: weiterging

»Es lag in einem der Außenbezirke der Stadt«
– Gab es damals schon »Außenbezirke« bei Städten? Ich würde eher »Es lag in einem Vorort« schreiben.

»und ging der Wand entlang.«
– ging an der Wand entlang

»die mindesten drei Meter hoch war, hinauf führte.«
– mindestens … hinaufführte

»Wenn dieses Brett bricht und ich runter falle,«
– zusammen: runterfalle, schöner wäre aber hinunterfalle (Du verwendest ja sonst auch keine so abgekürzten Wörter)

»Als Tiya mehr als Hälfte hinter sich hatte,«
– mehr als die Hälfte

»„Von Wegen Glück!“«
– Von wegen

»Sharrads Haustier war in der Tat dick und schwer, aber nicht nur das, sie funkelte das Mädchen mit ihren schwefelgelben Augen an«
das Haustier: es funkelte

»Lange, dunkelrote Rillen bildeten sich auf der Haut von Tiyas Hand.«
– »auf Tiyas Hand« würde reichen

»„Du meinst, ich soll rein, mit dir in der Tasche.“«
– Fragezeichen, da es eine Frage ist

»Am Parkettboden und an den Wänden, wo sich keine Bücherregale und Schränke befanden, breiteten sich bunte Teppiche aus.«
– »breiteten sich aus« finde ich eine schöne Lösung, um das Liegen und Hängen zu umgehen. :)

»„ Wie um Himmels Willen wollen wir hier etwas finden?“«
– Leertaste zuviel vor »Wie«
– Wie, um Himmels Willen, wollen

»„Ilmun, hier hat es mehrere kleine dunkle Fläschchen.“«
– hier sind mehrere …

»ich bin hierher gekommen weil ich gehört habe dass Herr Sharrad ein mächtiger Zauberer ist und ich habe gedacht dass er vielleicht ein Mittel dagegen hat«
– hierher gekommen, weil ich gehört habe, dass … gedacht, dass er vielleicht …

»Dann zog sie die unterste Schublade eines Regals auf der anderen Seite aus und wühlte darin.«
– auf statt aus (oder sie zog sie heraus)

»Am besten kommst du mit herauf,«
hinauf

»Siraia klatschte etwas von der kühlende Salbe auf das geschwollene Gelenk.«
– entweder ohne »von der« oder »von der kühlenden Salbe«

»aber der Schmerzt linderte sich bald.«
– Schmerz

»Tut mir Leid Sira, offenbar ist dieses Löwenmäulchen doch nur eine gewöhnliche Blume.«
– »leid« darf man wieder klein schreiben

»schulterte die kleine Tasche, in die sie alles nötige gestopft hatte.«
– alles Nötige

»während Sira die Efeuranken wieder zurecht rückte.«
– zusammen: zurechtrückte

»eine hölzerne Vorrichtung, um Eimer hinab zulassen.«
– zusammen: hinabzulassen

»hatte sich Sira neben die in einfachen Leinenkleidern gehüllte Gestalt gekniet«
– die in einfache Leinenkleider gehüllte Gestalt

»„Kommt, gehen wir raus ans Tageslicht und besprechen, wie es weitergehen soll“, übernahm Sira die Initiative.«
– Da »übernahm« kein Synonym für sagte usw. ist, paßt es hier nicht in der Form. Entweder »Sira übernahm damit die Initiative« oder »Mit (den Worten) „Kommt … soll“ übernahm Sira die Initiative.
Aber eigentlich geht es auch schon aus dem Gesagten hervor, daß sie die Initiative übernimmt, und einfacher wäre z. B.: forderte Sira die anderen auf.

»Neugierig standen Tiya, Sira und Theoi um den Stein und schauten auf Ilmun herunter.«
hinunter

»Und mit einem Male begann das Löwenmäulchen zu leuchten, wie ein kleiner Stern«
– würde das e von »Male« streichen (Geschmacksache), und der Beistrich nach »leuchten« gehört da nicht hin

»Es klang nach Freiheit, dachte Tiya immer noch sprachlos.«
– sie dachte nicht »Es klang«, sondern »Es klingt«

»sodass die anderen nicht sehen konnte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss.«
– konnten

»während Tiya sich darauf konzentrierte, nicht herunter zu fallen.«
– nicht hinunterzufallen

»dass der Leibwächter des Thronfolgers vor wenigen Augenblicken noch eine lächerlich hilflose Blume gewesen war.«
– meiner Meinung nach brauchst Du da kein »gewesen«, da der Abschluß bereits durch »vor wenigen Augenblicken noch« festgelegt ist.

»Rechtzeitig war sie abgestiegen und folgte gespielt demütig den anderen«
– Vorschlag: Sie stieg rechtzeitig ab und folgte …

»Tiya konnte nichts damit anfangen, aber Sira rief immer wieder überrascht aus und nannte fremdländische Namen. „Unglaublich! …«
– würde das umdrehen: aber Sira nannte fremdländische Namen und rief immer wieder überrascht aus: „Unglaublich! …“

»und lies sich selber in seinen Lesesessel fallen.«
– ließ
– schöner wäre »selbst«

»„... Ja, und zweitens“, fuhr Theoi fort, „wollen wir weg von hier.“«
– die drei Punkte finde ich hier überflüssig

»Auf eine Art flößte ihr der Löwe beinahe Angst,«
– Angst ein, …

»Darin befanden sich eine Goldmünze und ein kurzer Brief.«
– »kurzer« würde ich streichen, da der Leser die Länge des Briefes ja ohnehin sieht

»„Das Galmayun-Epos“ las sie.«
– Epos“, las

Würde mich freuen, wenn aus der angekündigten Überarbeitung noch was wird, die Geschichte wär's auf jeden Fall wert. ;)

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Häferl!

Danke vielmals für deinen Kommentar! Witzig, dass du ausgerechnet jetzt diese Geschichte ausgräbst, ich habe nämlich erst letzte Woche wieder angefangen, an Kurzgeschichten zu schreiben, nach einer fast einjährigen Flaute. Da wollte ich auch das Löwenmäulchen weiterüberarbeiten und habe nach der letzten Version gesucht, aber meine Harddisk, wo alle Daten drauf sind, hat schlapp gemacht. Jetzt muss ich wieder von vorne anfangen. :dozey:
Vielleicht ist es aber auch besser so.

Das mit der Motivation muss ich nochmal genau anschauen und überlegen.

Ach ja: Eigentlich sollte das ja eine Geburtstagskritik werden, aber da mein Sohn und ich krank waren, bin ich ein bisschen hintennach. Trotzdem wünsch ich Dir noch alles Gute!
Danke! :) Ich hoffe, ihr seid beide wieder wohlauf und gesund.

Liebe Grüsse,
sirwen

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom