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"L" wie Liebe, "S" wie Schönheit und "K" wie Krieg

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24.02.2007
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"L" wie Liebe, "S" wie Schönheit und "K" wie Krieg

Das Opernhaus des Waldes hatte zur kleinen Nachtmusik geöffnet.
Unter dem Dach der schützenden Laubkronen der Baumriesen tanzten die Glühmwürmchen, so hell leuchtend wie die Sterne am Himmelszelt, ihren neckischen Tanz im Takte des großen Waldorchesters, das vom Wind dirigiert wurde.
Der Chor der Gräser wisperte leise, als der Wind durch sie fuhr, die tiefen Stimmen der Eulen schwangen mit in der Melodie, als der Wind diese nächtlichen Gesellen aus ihrem Schlaf erweckte, die hellen Stimmen der Nachtigall vermählten sich mit dem Knistern des Laubes und dem trommelwirbelartigem Knarzen der Äste. Das Glucksen eines Sees, der in den Tiefen des Waldes auf einer mondbeschienen Lichtung lag, untermalte die leise, vielstimmige Sinfonie des Waldes.
Und in diesem See, wohlbehütet im Schoße der Natur, saß ein wunderschönes Mädchen mit nackter, blütenweißer Haut und langem, silbern glänzenden Haar, das im Licht des Mondes badetete und sich mit gespitzten Ohren am Orchester des Waldes ergötzte. Das süße Kind fürchtete sich nicht vor der nächtlichen Dunkelheit des Waldes. Warum auch?
Um sie herum war nur friedvolles, gedeiehendes Leben, sorgenfrei und unbeschwert.
Das Lied des Waldes wurde von meinen Schritten übertönt, als ich unbeholfen durch die Dunkelheit des Waldes tapste. Ich schwieg ehrfürchtig, da ich fürchtete, schon beim kleinsten Laut meiner selbst diese wunderbare, friedvolle Szenerie, die sich vor mir auftat, zu zerstören.
Wer es war, der es sich da anmaßte, den Wald in seiner friedvollen Monotonie zu stören, war schnell erklärt. Es war ich, Jonathan, der Kartograf und Naturwissenschaftler. Ich hatte es mir zur Lebensaufgabe erklärt, alles, was es auf dieser Welt gibt, aufzuschreiben, einzuordnen und zu definieren, um die ganze Welt in einem einzigen Buch festzuhalten. Ein umögliches Unterfangen, würde jeder denken. Doch was wäre die Menschheit, wenn sie nicht stets versuchen würde, das Unmögliche möglich zu machen. Wenn sie nicht unermüdlich versuchen würde, ihre Träume nicht nur zu träumen, sondern zu leben.
Wenn ich irgendwann in meinem Buch das Wort "Schönheit" definieren müsste, würde ich wohl genau diesen Augenblick beschreiben.
"Schönheit...", würde ich schreiben, "ist, auch wenn manche Leute das Gegenteil sagen, spürbar und fassbar. Man muss nur die Augen weit aufreißen, sein Herz öffnen und nicht an gute, alte Zeiten denken oder auf neue, gute Zeiten hoffen. Man muss immer wissen, dass jetzt die schönste Zeit ist und jetzt der schönste Moment deines Lebens ist"
Ich lächelte. Vielleicht würde ich noch zum Philosoph werden. Ich trat auf die Lichtung und stellte den Korb, den ich bis dahin getragen hatte, ins weiche, wispernde Gras. Der Korb war mit dem gefüllt, was ich als "Genußmittel" in meinem Lexikon definieren würde: Wein, Hartkäse, Landbrot und einige rot - goldene Äpfel.
Das Mädchen im Wasser drehte sich zu mir um und ein süßes Lächeln huschte über ihre Lippen, deren Farbe irgendwo zwischen rosen- und karmesinrot war. Ich glaube, dass "Liebe" das einzige Wort sein wird, dass ich in meinem Lexikon nicht beschreiben werde, denn Liebe ist etwas so intimes, geheimnisvolles und individuelles, das es einfach nicht zu definieren ist. Deshalb will ich das Gefühl, das mich bei ihrem Anblick wie ein elektrischer Impuls durchzog, auch nicht näher beschreiben. Das muss der, der diese Worte liest, schon selbst herausfinden.
Auch das, was ich in der anderen Hand hielt, legte ich ins Gras der Lichtung. Eine gewachste, bisher unbenutzte M1 Garand. Das Gewehr war das einzige, was nicht in dieses harmonische Bild passte. Das einzige, was an die grausame Welt um uns herum erinnerte.
Sie stieg ohne Scham aus dem Wasser. Die Wasserperlen, die über ihre geschwungenen Hüften, ihren Busen und ihren flachen Bauch rannen, glitzerten im Mondlicht und es wirkte, als würde sie ein Gewand aus funkelnden Perlen tragen.
Wir umschlangen und küssten uns. Ihr Körper schmiegte mich an den meinen, der in eine frisch - gewaschene Uniform der deutschen Wehrmacht gehüllt war. Der Moment dauerte gleichermaßen eine Ewigkeit lang und war gleichermaßen viel, viel zu kurz. Wir lösten uns voneinander. Ihre blauen Augen sahen mich. Sie wirkten wie zwei Seen, in denen ich mit meinem Blick versinken und ertrinken konnte.
"Ich habe uns etwas mitgebracht!", ich deutete auf den Korb. Sie nickte, ihre Augen funkelten freudig.
Während ich eine rot - weiß karierte Decke aus dem Korb holte, auf dem Gras ausbreitete und die mitgebrachten Leckereien darauf ausbreitete, zog sie sich ihr weißes Leinenkleid über.
Wir setzten uns auf die Decke, auf der wir aßen, streichelten, küssten, kraulten, schmusten und liebkosten, als ob es kein Morgen geben würde. Dies alles geschah ohne ein einziges Wort. Wir führten eine stille Konversation aus Blicken und Berührungen, jedes Wort hätte nur diesen dünnen Kokon zerstört, den wir um uns herum geschaffen hatten, damit wir die Welt vergaßen, die sich gegen uns verschworen hatte.
Es heißt, dass Liebe stärker als alles andere ist. Dem konnte ich so nicht zustimmen, denn sie war nicht einmal stärker als die Wehrpflicht, die mich zwang, am nächsten Morgen meine Heimat und meine Geliebte zu verlassen.
Je näher der Morgen trat, desto stärker schlug mein Herz vor Angst. Ich wollte nicht fort. Ich wollte nicht ins ferne Russland. Ich wollte einfach nur bis zu meinem Lebensende hierbleiben, die Welt definieren und mit meiner Geliebten alt werden.
Doch dies hatte mir das Schicksal nicht vergönnt. Es hatte mir nur noch diese eine Nacht gegeben. Diesen einen, friedvollen Moment, der nah an der Grenze zur Perfektion war. Doch nun neigte er sich schon seinem Ende zu. Ich spürte Unruhe, klamme Kälte, nassen Schweiß auf meiner Haut und einen Kloß in meinem Hals. Am liebsten hätte ich mein kleines Notizbüchlein aus meiner Hosentasche geholt und diese Gefühle unter der Definition zu "Angst" aufgeschrieben. Doch dies hätte mir nur die wenige, verbleibende Zeit dieses Momentes genommen.
Als die Nacht dem Tage wich erhob ich mich von der Decke, nahm das Gewehr, küsste meine Geliebte und ging ohne einen Ton davon. Ich war nicht fähig zu sprechen. Nur fähig zu weinen und zu schluchzen.
Am Saume des Waldes hielt ich an.
Die Sonne erstrahlte am Horizont, sie war so blutrot wie der Krieg und so hell wie das letzte Licht in der Dunkelheit des Todes.
Noch einmal lauschte ich in den Wald hinein.
Er war verstummt. Das Opernhaus des Waldes hatte seine friedvolle Nachtmusik beendet und ich wusste, dass es nie mehr so schön spielen würde wie in dieser Nacht.

 

Hallo denLars,

eine schön romantische Geschichte, die Du da geschrieben hast. Sehr nett für Zwischendurch. :)
Zwei Liebende, die nachts im Wald picknicken - wahrscheinlich deshalb nachts, weil sie sich fast vor dem Morgen verstecken wollen. Der Morgen bedeutet Trennung für sie beide und für ihn die Wehrpflicht. Wahrscheinlich spielt die Geschichte im Zweiten Weltkrieg ("Russland" könnte hier ein Hinweis gewesen sein) und Dein Protagonist kommt nicht wieder, was ich an diesen Worten festmache:

Es hatte mir nur noch diese eine Nacht gegeben.

Sehr tragisch, die Story. Hat mir eigentlich gut gefallen.

Gruß
stephy

 

Hi Lars,

vielleicht hast du ja nach zweieinhalb Jahren noch einmal Lust, dich an diese Geschichte zu setzen. Da ich dich neulich eingelogt gesehen habe, ist das Kapitel schreiben für dich anscheinend jedenfalls noch nicht zuende.
Und bei dieser Geschichte wäre es auch schade, denn sie ist im Grundsatz sehr schön, auch wenn sie noch deutlich gewinnen könnte.
Zum Beispiel halte ich "Russland" und das Festhalten am 2. Weltkrieg für solche Geschichten angesichts jüngerer Einsätze der Bundeswehr nicht für nötig. Ob die Deutschen zu dieser Zeit ein amerikanisches Gewehr hatten, müsste ich recherchieren. Mitnehmen hätten sie es glaube ich auch damals schon nicht dürfen.
Aber das sind nur kleine Beispiele dafür, was Detailgenauigkeit einer Geschichte noch bieten kann.
Ein paar sprachliche Details:

auf einer mondbeschienen Lichtung lag
mondbeschienenen
Wer es war, der es sich da anmaßte, den Wald in seiner friedvollen Monotonie zu stören
das zweite "es" ist zu viel
war schnell erklärt.
in diesem Falle: ist schnell erklärt
Man muss immer wissen, dass jetzt die schönste Zeit ist und jetzt der schönste Moment deines Lebens ist"
"Man - deines" passt nicht, entweder vorne "du" oder hinten "des" - inhaltlich regt sich zu diesem Satz bei mir sofort zynischer Widerspruch. Sag das z.B. mal den Eltern, deren Sohn gerade in Afghanistan gefallen ist.
Ich glaube, dass "Liebe" das einzige Wort sein wird, dass ich in meinem Lexikon nicht beschreiben werde, denn Liebe ist etwas so intimes, geheimnisvolles und individuelles, das es einfach nicht zu definieren ist.
Dann sollten die Überlegungen "Müsste ich Schönheit definieren" nicht im Konjunktiv stehen.
In diesem Satz häufen sich Fehler und stilistische Mängel, deshalb formuliere ich mal um:
Ich glaube, "Liebe" wird das einzige Wort sein, das ich in meinem Lexikon nicht beschreiben werde. Liebe ist etwas so Intimes, Geheimnisvolles und Individuelles, dass sie einfach nicht zu definieren ist.
oder
Ich glaube, "Liebe" wird ..., denn Liebe ist viel zu intim, geheimnisvoll und individuell, um sie zu definieren.
Das Gewehr war das einzige, was nicht in dieses harmonische Bild passte.
das Einzige (im nächsten Satz genauso)
Müsste es dann nicht im Satz zuvor auch "ein gewachstes, bisher unbenutztes M1 Garand" heißen? Bei Wiki heißt es der M1 Garand
und es wirkte, als würde sie ein Gewand aus funkelnden Perlen tragen.
Man kann einen Konjunktiv auch ohne "würde" bilden, meistens ist das schöner: als trüge sie ein Gewand ...
Der Moment dauerte gleichermaßen eine Ewigkeit lang und war gleichermaßen viel, viel zu kurz.
Der Satz liest sich ungeschickt. Der Moment dauerte eine Ewigkeit und war doch viel zu kurz. wäre runder.
"Ich habe uns etwas mitgebracht!", ich deutete auf den Korb.
Zeichensetzung: "Ich habe uns etwas mitgebracht!" Ich deutete auf den Korb.
Während ich eine rot - weiß karierte Decke aus dem Korb holte
keine Leerzeichen: rot-weiß karierte
zog sie sich ihr weißes Leinenkleid über.
Mit "Leinen" nimmst du ihr alles Elfenhafte.
Wir setzten uns auf die Decke, auf der wir aßen, streichelten, küssten, kraulten, schmusten und liebkosten, als ob es kein Morgen geben würde.
Auch hier die Sache mit dem Konjunktiv: als gäbe es keinen Morgen
bis auf "aßen" und "schmusten" erfordern alle Verben ein Reflexivpronomen (in diesem Falle "uns"), du müsstest als schreiben: auf der wir aßen, schmusten, uns küssten, kraulten und liebkosten als gäbe es kein Morgen.
die sich gegen uns verschworen hatte.
Würde ich streichen, es reicht doch, die Welt zu vergessen, warum muss die sich noch verschworen haben? Und wenn, müsste das erklärt werden, wer ist da aus welchem Grund gegen die Liebe der Beiden?
Es heißt, dass Liebe stärker als alles andere ist.
Wenn man "dass" zu vermeiden versucht, klingen die Sätze oft gleich viel schöner. Es heißt, Liebe sei stärker als alles Andere.
Dem konnte ich so nicht zustimmen, denn sie war nicht einmal stärker als die Wehrpflicht, die mich zwang, am nächsten Morgen meine Heimat und meine Geliebte zu verlassen.
"so" streichen, weil zu umgangssprachlich. Gedanke nicht plausibel, denn selbst, wenn er einberufen wird, ändert es etwas an den Gefühlen der Beiden füreinander? Selbst, wenn sie getrennt werden und selbst, wenn er im Einsatz fällt, endet damit die Liebe?
Diesen einen, friedvollen Moment, der nah an der Grenze zur Perfektion war.
verdichten: Diesen einen friedvollen Moment, nah an der Perfektion. (ich würde den Satz nach "Moment" schon beenden).

Lieben Gruß
sim

 

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