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Land des Frühlings
Land des Frühlings
Talyfee ging durch die Straßen von Blufar. Dabei hatte die junge Elfe ihr Handy am Ohr. "...Wer? Ach der. Nein, das is nur ein Angeber. Ich glaub nich, das er wirklich ein Krieger ist. – Die Tätowierung? Wenn du im richtigen Studio genug Geld hinlegst, kannst du se nachmachen lassen. – Ja, schieß den Angeber in den Wind. Ich bin grad auf den Weg ins Cakic, da hab ich gestern ein Kleid gesehn, das muss ich unbedingt haben..."
Lautes Hupen und Bremsenquetschen rissen sie aus ihrem Gespräch. Wie eine Wand ragte vor ihr das Führerhaus eines großen Lasters empor. Talyfee holte erschrocken Luft, noch bevor sie schreien konnte spürte sie einen heftigen Schlag.
Die junge Elfe öffnete die Augen. Das einzige was sie sah, war ein Tunnel aus Licht. "Was ist passiert?," wunderte sie sich. "Wo bin ich hier?"
Sie betrat den Tunnel. Sie wusste nicht, wie schnell sie sich bewegte, oder wie lang der Tunnel war. Irgendwann kam sie an sein Ende. Hinter einem goldenen Vorhang konnte Talyfee schemenhaft eine Parklandschaft erkennen. In der Nähe des Eingangs schien jemand zu stehen. "Wartet der auf mich?"
Neugierig trat sie durch den Schleier. "Willkommen, mein Kind," wurde sie begrüßt. "Auch wenn ich gewünscht hätte, das du nicht so früh hier her kommst."
"Oma? Was machst du den hier, du bist doch vor vier Jahren..." die junge Elfe schluckte. "Ich bin tot, oder? Der Laster hat mich voll erwischt."
"Ja, Kleines. Wie konnte dir so etwas Dummes passieren?" Die ältere Elfe sah Talyfee traurig an. Sie seufzte. "Jetzt bist du hier, es gibt kein Zurück mehr. Komm, ich zeig dir das Land des ewigen Frühlings." Sie reichte ihrer Enkelin die Hand.
Zusammen gingen die beiden durch eine schöne Parklandschaft. Wiesen luden zum Verweilen ein. An blühenden Bäumen hingen reife Früchte. Vögel sangen in der Luft. Hinter einem Hügel riefen und lachten spielende Kinder. Glasklares Wasser plätscherte in einem Bach.
"Ich habe hier alte Freunde wiedergetroffen, und auch neue Freunde gefunden," erzählte die Großmutter. "Hier sind alle Völker friedlich vereint. Aber das hier ist für die Seelen nur eine Zwischenstation. Jeder bleibt so lange er will. Siehst du dort das schwarze Tor? Das ist der Ausgang. Dahinter ist die nächste Station auf der Reise der Seelen. Wenn die Götter sehen, das du dafür reif bist, wirst du eins mit dem Universum. Dein 'Ich' löst sich auf. Oder du kehrst in die Welt zurück und wirst wiedergeboren. Dabei wird dein Gedächtnis gelöscht. Du fängst also wieder ganz von Vorne an."
Talyfee lag auf einer Wiese. Sie wusste nicht, wie lange sie schon hier war. Es gab keine Jahreszeiten und auch keine Nächte. Sie sah zum blauen Himmel hinauf. Ein seltsamer Himmel der weder Sonne noch Wolken kannte.
Vor einiger Zeit hatte ihre Großmutter das Land des ewigen Frühlings verlassen. "Ob sie wiedergeboren wurde?"
Plötzlich schien sie jemand zu rufen. Die junge Elfe machte sich auf den Weg. Dabei warf sie den Graßhalm, auf den sie gekaut hatte, weg. Irgendwann fand sie sich vor dem goldenen Tor wieder.
Sie sah einen Zwerg, der eine Zwergin umarmte. Er weinte dabei. Talyfee konnte nicht einschätzen, ob es vor Trauer oder vor Freude war.
"Hallo Kleines," grüßte er die Elfe, "meine Frau ist gerade gekommen. Endlich sind wir wieder zusammen. Das du hier bist heißt, es kommt jemand, den du gut kennst."
Talyfee nickte. Als sie das Tor sah, war ihr klar geworden, das sie hier auf jemanden warten sollte. Hinter dem goldenen Schleier zeichnete sich eine Silhouette ab. Der Neuankömmling trat hindurch. "Mama?," Talyfee war überrascht.
"Taly, mein Kind, schön dich wider zusehen." Die beiden Elfen umarmten sich. "Aber ich hätte dich gerne unter andern Umständen gesehen." Beide weinten.
"Was ist passiert, Mama?," wollte die junge Elfe wissen.
"Vor ein paar Jahren, kurz nach deinem Tot, stellten die Ärzte bei mir Krebs fest," erzählte die Mutter. "Eine Behandlung durch einen Heiler konnte ich mir nicht leisten. Und die Nebenwirkungen der konventionellen Behandlung wahren schlimm. Mir war nur noch übel. Dann bin ich auf diesen Rahd gestoßen. Er sagte, das Krebs nur mit Vitaminkonzentraten heilbar ist. Ich hab mich darauf eingelassen, und fühlte mich bald besser. Noch vor ein paar Wochen sagte er mir, das ich geheilt wäre. Doch dann ging es mir rapide schlechter. Nun bin ich hier."
"Hier kannst du dich erholen, Mama. Im Land des ewigen Frühlings gibt es keine Schmerzen. Komm ich führ dich etwas rum."
Wie lange war es schon her, seid ihre Mutter angekommen war? Talyfee hatte das Gefühl für die Zeit verloren. Sie hatte viele Leute ankommen gesehen. Viele bekannte Gesichter hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich waren sie durch das schwarze Tor gegangen.
Die junge Elfe saß auf einer Wiese, ihre Mutter lag neben ihr. 'Es ist friedlich hier,' ging es Talyfee durch den Kopf. 'fast schon zu friedlich. Auf die Dauer wird es langweilig.' Sie stand auf.
"Wo willst du hin?," fragte ihre Mutter.
Talyfee küsste sie. "Vielleicht sehn wir uns irgendwann wieder," sagte sie dabei.
Die junge Elfe machte sich auf den Weg. Wenig später stand sie vor dem schwarzen Tor. "Was wird mich dahinter erwarten?"
Sie atmete ein paar mal tief durch. Dann trat sie entschlossen durch den schwarzen Schleier.