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Landmann
Tom Baron hockte zwischen verdorrenden Getreidestauden und strich sanft über den trockenen Erdpanzer, der bereits erste Risse bekam.
Der Anblick des wolkenfreien Himmels über ihm, wo an diesem Tag nicht einmal die ewighungrigen Raubvögel ihre Kreise zogen, versprach Tom wenig Besserung.
Ungefähr ein Drittel der Ernte war bereits verloren und wenn es in den nächsten ein, zwei Tagen nicht regnete, könnte er auch den Rest vergessen.
Er hatte einige gute Jahre hinter sich, weswegen er einen Totalausfall finanziell verkraften konnte.
Im nächsten Frühjahr wäre er jedoch gezwungen, einen Kredit aufzunehmen, um sich Samen und Arbeiter leisten zu können und genau das hatte er vermeiden wollen.
Die meisten Farmer in der Gegend hatten früher oder später Geld von der Bank leihen müssen. Zu Wucherzinsen.
Irgendwann waren sie dann so hoch verschuldet, dass die Bank Haus und Grund pfändete und sie von ihrem Land vertrieb.
Mittlerweile bewirtschaftete die Bank so viel Ackerland, dass es ihr möglich war die Preise zu bestimmen.
Tom Baron hatte vor einigen Jahren sein Feld mit denen seiner beiden Nachbarn Charlie Fields und Billy Petersen zusammengelegt.
Zur gleichen Zeit hatte er begonnen, sich mit wirtschaftlichen Prozessen auseinander zusetzen und Freundschaften in der Farmervereinigung, der Gemeinde und der Bank zu knüpfen.
Bevor er Saatgut kaufte, analysierte er den Markt und versuchte Bedürfnisse herauszufiltern, die in zu geringem Maße erfüllt waren.
Im ersten Jahr gab es viele Skeptiker.
„Man kann nicht auf einem Acker, auf dem immer Weizen angebaut wurde, Roggen anbauen. Der Boden verträgt das nicht.“
„Warum willst du Roggen anbauen? Dein Großvater hat schon Weizen angebaut und verkauft und hat seine Familie damit immer anständig ernähren können.“
Auch seine beiden Freunde und Geschäftspartner waren misstrauisch.
Letztendlich setzte Tom sich durch und als Charlie Fields und Billy Petersen nach dem Verkauf der Ernte mehr Geld in Händen hielten, als je zuvor, hatten sie es schon immer gewusst.
Andere wiederum blieben skeptisch.
„Du hattest Glück, Junge. Der Boden ist sehr gut. Er kann ein Jahr verkraften, aber nächstes Jahr musst du wieder Weizen anbauen.“
Tom blieb auch in den folgenden Jahren erfolgreich, während die Anderen den Grund ihrer Großväter an die Bank verloren.
Jemand rief nach ihm.
Er stand auf, blickte um sich und sah seine Tochter Jeannie auf sich zulaufen.
Tom ging ihr gemächlich entgegen und beobachtete dabei ihren eigenwilligen Laufstil.
Ihre Arme und Beine arbeiteten so gleichmäßig und kraftvoll wie Kolben, ihr Rücken war stramm wie der eines Soldaten in Habacht-Stellung und ihr Gesichtsausdruck so konzentriert, wie der eines Runningbacks auf dem Weg zur Goalline.
Als sie ihn erreicht hatte, blickte sie ihn mit grimmiger Miene an und sagte: „Das Essen ist fertig.“
Tom biss die Zähne zusammen, um ein Schmunzeln zu unterdrücken, dann antwortete er: „Gut.“
Nach einer kurzen Pause: „Was gibt’s denn?“
Jeannie wollte antworten, stockte, senkte den Blick und überlegte. Sie hatte vergessen zu fragen.
„Du wirst schon sehen“, murmelte sie, drehte sich um und ging zurück zum Haus.
Tom folgte ihr mit einem leichten Grinsen und als er sie eingeholt hatte, packte er sie und setzte sie auf seine kräftigen Schultern, wobei ihm sein Strohhut vom Kopf fiel.
„Jetzt hast du deinen Hut verloren“, stellte Jeannie trotzig fest.
Er ging in die Knie, hob die Kopfbedeckung auf und setzte sie seiner Tochter auf.
„Ich brauch’ keinen Hut. Ich mag die Sonne“, sagte sie, behielt ihn aber auf.
„Aber du brauchst Schuhe, deine Füße sind ganz dreckig.“
„Ich brauch’ keine Schuhe.“
„Deine Mutter mag es nicht, wenn du den Dreck mit deinen Füßen ins Haus trägst.“
„Du hast doch auch keine Schuhe an!“
„Das ist etwas anderes.“
„Ist es nicht! Außerdem sind meine Füße nicht dreckig. Das ist nur Erdstaub.“
„Den deine Mutter dann vom Boden aufwischen muss“, erwiderte Tom in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete.
Als Tom und Jeannie die Küche betraten, stellte Rose, Toms Ehefrau, gerade das Essen auf den Tisch.
„Setzt euch, das Essen kühlt schnell aus“, forderte sie die Beiden freundlich auf.
Rose Baron war mit ihrem pausbäckigen Gesicht und dem kleinen Mund keine Schönheit, doch strahlte sie eine Herzlichkeit und Wärme aus, mit der sie selbst die Gehässigsten für sich einnahm.
Bevor sich Tom an seinen Ehrenplatz am Kopfende des Tisches begab, ging er zum anderen Ende, an dem seine Mutter saß.
Seit dem Tod des Großvaters vor einigen Monaten redete sie kaum noch und kam nur zum Essen aus ihrem Zimmer im Anbau des Hauses.
Ihr Blick, ihr ganzes Wesen verriet die Sehnsucht nach ihrem Mann.
Tom streichelte sanft ihren Oberarm und küsste sie auf die Wange.
„Wie geht es dir, Mutter?“, fragte er zärtlich.
Seine Mutter antwortete nicht, sondern starrte nur, die Hände im Schoß, in den Teller.
Tom wechselte mit Rose einen besorgten Blick, streichelte dann noch ein Mal den Arm seiner Mutter und begab sich an das gegenüberliegende Tischende.
Jeannie aß lustlos ihr Mahl, während Rose versuchte die Mutter zu füttern.
Tom versuchte seine Frauen zu erheitern: „Habt ihr schon gehört? Charlie Fields war letzte Nacht so betrunken, dass er sich an einem seiner Hunde vergangen hat, weil er dachte, es wäre seine Frau.“
Rose warf ihm einen vorwurfsvollen, ärgerlichen Blick zu, woraufhin er beschämt seinen Kopf senkte.
Nachdem alle gegessen hatten, befahl Tom: „Jeannie, bring’ deine Großmutter in ihr Zimmer und kümmere dich um sie.“
Jeannie verzog das Gesicht.
Sie wusste, dass ihre Eltern ungestört miteinander reden wollten und anstatt ihr das zu sagen, die Großmutter vorschoben.
Da sie an den ernsten Gesichtern ihrer Eltern sah, dass diese keinen Widerspruch duldeten und sie ihrer Großmutter nicht das Gefühl geben wollte, eine Last zu sein, nahm sie die alte Frau an der Hand und führte sie in ihr Zimmer.
Als Tom und Rose allein waren, fragte diese ihn: „Wie sieht’s mit dem Getreide aus, Tom?“
Der erwiderte mit gesenkter Stimme: „Ein Drittel ist verloren, der Rest kurz davor. Morgen, spätestens übermorgen muss es regnen.“
„Hast du schon mit Charlie und Billy geredet?“
„Nein, heute noch nicht. Ich wollte abends eine Versammlung einberufen.“
„Wir Frauen werden auch daran teilnehmen“, sagte Rose bestimmt.
„Natürlich“, stimmte Tom zu.
„Wir werden Jeannie und Mutter zu den Petersens bringen, die Versammlung machen wir bei uns.“
Tom nickte und machte sich auf den Weg zu seinen Nachbarn.
„Tom?“
Er blieb stehen und drehte sich halb in ihre Richtung.
„Stimmt das, was du über Charlie erzählt hast?“
Tom murmelte ein Nein und verließ das Haus.
Er entschied sich, zuerst die Fields aufzusuchen.
Vielleicht wegen seines schlechten Gewissens über seinen misslungenen Scherz.
Als er seinen nackten Fuß auf den Erdboden setzte, zuckte er zusammen.
Er überlegte einen Moment, sich aus dem Haus seine Schuhe zu holen, verwarf aber den Gedanken gleich wieder.
Wenn sein Boden litt, dann auch er.
Sein Vater hatte ihm, solange er lebte, immer wieder eingetrichtert: „Um zu wissen, wie es deinem Boden geht, musst du ihn fühlen, Tommy. Wenn du Schuhe trägst, geht das nicht.“
Der kleine Tommy gehorchte seinem Vater und war irgendwann auch davon überzeugt, dass er in diesem Punkt der gleichen Meinung war.
Wie auch in einem anderen: „Tommy, du musst den Boden wie ein Familienmitglied behandeln, dann wird er dich immer gut ernähren. Tust du das nicht, wirst du verhungern.“
Letztes Jahr, kurz vor Wintereinbruch, war der alte Tom gestorben.
Es blieb nicht viel Zeit für die Trauer, denn um dem Wintereinbruch zuvorzukommen, musste man den alten Baron schnell beerdigen.
Dadurch konnten nur die Leute zum Begräbnis kommen, die in der Umgebung wohnten.
Um den Trauergästen zu zeigen, wie viel ihm sein Vater bedeutet hatte, ließ er ihn im teuersten Sarg beerdigen und einen Marmorgrabstein aufstellen.
Zu seiner Überraschung mischte sich unter die Beileidsbekundungen auch Kritik.
Das teure Begräbnis sei ordinär, sein bescheidener Vater würde im Grab rotieren. Es sei taktlos den Tod des Vaters mit solchem Pomp zu zelebrieren.
Erst der Priester, ein enger Freund seines Vaters, klärte ihn über den Unmut der Leute auf: „Es war nicht sehr klug von dir, deinen Vater auf diese Weise zu beerdigen, Tommy. Du weißt, wie schlecht es vielen Leuten geht. Die Meisten sind schwer verschuldet, viele sogar kurz davor ihr Land zu verlieren. Und du lässt deinen Vater bestatten wie einen König! Sieh dir doch den Friedhof an! Nur Holz- oder Steinkreuze, gewöhnliche Grabmale aus einfachem Stein. Jeder weiß, dass du deinen Vater geliebt hast. Du hättest es nicht beweisen müssen, schon gar nicht auf diese Weise.“
Einige Tage später musste Tom den Grabstein ersetzen, denn der marmorne war gestohlen worden.
Tom war über sein sterbendes Land geeilt und klopfte nun an die Tür des heruntergekommenen Fields Hauses.
Geöffnet wurde sie von einer Frau mit blassem Teint und strähnigem Haar, das ihr ins Gesicht hing.
„Hallo, Tom“, grüßte sie ihn überrascht.
„Hallo, Irene. Ist Charlie da?“, erwiderte Tom freundlich.
Irene senkte ihren Blick: „Nein, im Moment nicht.“
Tom nickte wissend: „Kann ich kurz reinkommen?“
Sie ging wortlos und leicht gebeugt zur Seite, woraufhin Tom sie mit leichtem Unwohlsein passierte.
Gemeinsam begaben die Beiden sich in die Küche, wo sie ihm etwas zu trinken anbot.
„Ja, gern. Danke, Irene.“
Sie stellte ihm sein Getränk hin und entschuldigte sich für einen Augenblick.
Als sie zurückkam, hatte sie ihren Dutt neu geknotet, sodass ihr Haar nicht mehr in ihr Gesicht hing, das sie scheinbar gewaschen hatte, da der Fettglanz verschwunden war.
„Wo sind eure Hunde?“, fragte Tom, um das Gespräch zu beginnen.
„Ich weiß nicht. Wahrscheinlich irgendwo im Schatten“, antwortete sie, wobei sie unwillkürlich aus dem Fenster sah.
Tom nickte leicht: „Warum ich eigentlich hergekommen bin . . .“, er stockte, senkte den Blick.
„Wegen dem Feld“, stellte Irene tonlos fest.
„Ja“, er unterbrach wieder. „Wir werden die gesamte Ernte verlieren, wahrscheinlich. Rose und ich wollen deshalb heute Abend eine Versammlung abhalten.“
„Wir kommen.“
Tom versuchte in ihre melancholischen Augen zu blicken.
Er setzte zum Sprechen an, zögerte, überwand sich: „Habt ihr noch Geld?“
„Nein“, kam umgehend die Antwort, in einem Tonfall, den Tom nicht recht interpretieren konnte.
War es Wut? Resignation? Oder einfach nur eine Feststellung?
Tom nickte.
Er überlegte, ob er ihr finanzielle Hilfe anbieten sollte, aber er wusste, dass das nicht viel helfen würde und er das zuerst mit Rose besprechen müsste.
Plötzlich stand er auf: „Wir sehen uns dann heute Abend bei der Versammlung.“
Und ging.
Die Petersens waren ziemlich verblüfft gewesen, als Tom mit Jeannie und seiner Mutter am späten Nachmittag vor ihrer Tür stand.
Er hatte sie nach dem Besuch bei Irene vergessen, war gedankenversunken durch den trockenen Acker geschlendert.
Tom entschuldigte sich bei ihnen, woraufhin Billy großzügig abwinkte und die Drei hereinbat.
Nach einem kurzen, oberflächlichen Gespräch wurde Jeannie , wie auch die beiden Petersen-Kinder, in die Obhut von Ma und Pa Petersen übergeben.
Bevor sie sich auf den Weg machten, streichelte Tom liebevoll den Arm seiner Mutter, sagte mit einer Mischung aus Sorge und bemühter Heiterkeit: „Mach’ dir einen schönen Abend mit den Petersens, Mutter“, und küsste sie zum Abschied auf die Wange.
Als er sich zu Jeannie wandte, machte die ein grimmiges Gesicht und sprach gebieterisch: „Du kannst gehen.“
Tom hob überrascht die Augenbrauen, setzte zu einer Erwiderung an, überlegte es sich anders und verließ kopfschüttelnd das Petersen-Haus.
Einige Meter vom Haus entfernt meinte Ruth Petersen: „Deine Tochter wird immer seltsamer, Tom Baron.“
Woraufhin Tom mit den Schultern zuckte und etwas vor sich hin murmelte.
Um Ruth zu unterbrechen, die gerade zu einer Erwiderung ansetzte, in der es mit größter Wahrscheinlichkeit um Jeannies falsche Erziehung gehen würde, sagte Billy: „Kommt Charlie auch? Ich meine . . .“
„Ja“, antwortete Tom abweisend.
Den Rest des Weges legten die Drei schweigend zurück.
Nachdem alle Parteien im Baron-Haus versammelt waren, freundliche Worte ausgetauscht und ein von Rose zubereitetes Abendmahl verzehrt hatten, begann die Diskussion.
Tom Baron war der Gesprächsführer und saß an seinem Ehrenplatz, ihm gegenüber seine Frau Rose, zu deren linker Seite die Petersens, rechter Hand die Fields’.
Tom wollte die Sitzung mit einer kurzen Zusammenfassung der Situation beginnen, wurde aber von einem kräftigen, dumpfen Schlag auf den Tisch unterbrochen.
Charlie Fields war mit seinem Kopf auf die Tischplatte geknallt, bewegte ihn nun darauf umher wie ein Stein, der einen Abhang hinabrollt und vom Gegenhang retourniert wird.
Irene umfasste ihn, mehr verzweifelt als besorgt, an den Schultern und versuchte ihn vergebens kräftigrüttelnd zur Besinnung zu bringen.
„Warum hast du den mitgenommen, Irene? Der hat doch sowieso nie etwas zu unserem Unternehmen beigetragen, sondern immer nur die Hand aufgehalten“, pikierte sich Ruth.
„Ruth . . .“, setzte Tom zu einer Beschwichtigung an.
„Was! Wir wissen doch alle, dass Charlie ohne deine Hilfe längst sein Land verloren hätte und um Almosen bettelnd durch die Stadt vagabundieren würde. Ich habe kaum einen Bissen von Roses Essen runterbekommen, beim Anblick dieses . . . dieses . . .“
„Ruthie“, Rose legte besänftigend ihre Hand auf Ruths Handgelenk.
„Aber . . .“, setzte Ruth erneut an.
Billy legte seinen Arm um die Schultern seiner Frau und sagte beruhigend: „Ruthie, Charlie war doch immer so. Du kennst ihn doch schon dein ganzes Leben, genau wie wir alle.“
„Das ist es ja!“, echauffierte sie sich.
Dann bemerkte sie den traurigen Blick Irenes und senkte ihren: „Tut mir leid, Irene.“
Irene erwiderte nichts, sah nur fragend ihren Ehemann an, der mittlerweile eingeschlafen war und aus dessen leicht geöffnetem Mund ein wenig Speichel rann.
Eine Zeit lang saßen die Fünf schweigend in der Küche und betrachteten Charlie bedauernd, zum Teil verachtend.
Tom durchbrach schließlich die Stille: „Bringen wir ihn nach Hause“, sagte er zu Billy gewandt, der zustimmend nickte.
„Und was ist mit der Versammlung?“, fragte Ruth.
„Die können wir morgen auch noch abhalten. An der Situation wird sich nichts ändern“, erwiderte Tom tonlos.
Tom und Billy spannten im Stall die Pferde vor den Wagen, trugen dann Charlie aus dem Haus und legten ihn auf die Tragfläche.
Irene setzte sich neben Tom, Billy nahm hinten bei seinem bewusstlosen Kindheitsfreund Platz.
Daraufhin gab Tom seinen Pferden den Befehl loszugehen, welchen diese lustlos befolgten.
Tom überlegte, wie er Irene aufheitern könnte, ihm fiel aber nichts ein, außer, dass er selber ein wenig guten Zuspruch brauchte.
Seine Miene schien seine Gedanken offenbart zu haben, denn Irene hakte sich nun bei ihm ein, woraufhin Tom die Zügel in die linke Hand nahm und seinen rechten Arm um ihre Schultern legte.
„Ich glaube, es wird regnen“, durchbrach Billy das Schweigen.
„Wie kommst du drauf?“, fragte Tom verwundert.
„Ich kann es riechen“, antwortete Billy und inhalierte die Abendluft.
„Man kann Regen nicht riechen. Das geht nicht“, mischte sich Irene ein.
„Doch, das geht, riecht ihr es denn nicht?“, erwiderte Billy leicht euphorisch, „Es wird regnen, noch heute Nacht, spätestens morgen früh!“
Tom und Irene hoben synchron ihre Nasen und atmeten tief ein.
„Und, riecht ihr es?“
„Nein“, kam es einstimmig von vorne.
„Ihr werdet sehen. Ihr werdet es riechen, schmecken und fühlen.“
Tom nickte leicht und murmelte eine Antwort.
Beim Fields-Haus angelangt, hielten sie an und trugen Charlie hinein.
Als sie sich voneinander verabschiedeten, sagte Tom zu Irene, sich ständig unterbrechend: „Weißt du Irene, wenn ihr wollt, können du und Charlie den Winter bei uns verbringen. Wir schaffen das schon irgendwie.“
Irene antwortete mit einem sanften Nicken und einem geflüsterten: „Gute Nacht“, und schloss die Tür.
Auf der Rückfahrt versuchte Billy ein Gespräch zu beginnen, wurde aber von Tom ignoriert, der während des ganzen Weges einen Punkt zwischen den Köpfen der Pferde fixierte.
Beim Baron-Haus nahmen sie Ruth auf und fuhren zum Petersen-Haus, wo Tom die Beiden absetzte.
Er wollte Jeannie und seine Mutter mitnehmen, als er sie jedoch schlafend vorfand, einigte er sich mit den Petersens, dass die Beiden bei ihnen übernachteten und er sie am nächsten Morgen abholen würde.
Tom verabschiedete sich und fuhr nach Hause, wo er die Pferde in ihre verdiente Nachtruhe entließ.
„Wo sind Jeannie und Mutter?“, fragte ihn Rose, die auf der Veranda saß.
„Die übernachten heute bei Ruth und Billy“, antwortete Tom und setzte sich neben seine Frau.
„Warum?“
„Ich wollte heute Nacht mit dir allein sein“, entgegnete Tom, legte einen Arm um ihre Schulter und küsste sie auf die Wange.
Am nächsten Morgen regnete es.
Tom und Rose waren auf der Veranda eingeschlafen und von einigen Regentropfen, die ihnen der Wind ins Gesicht geblasen hatte, aufgeweckt worden.
„Es regnet, Tom, es regnet!“, stellte Rose euphorisch fest.
Tom nickte zustimmend.
„Freust du dich nicht?“, fragte sie überrascht.
„Doch, aber wer weiß, wie lange es regnet?“, entgegnete Tom skeptisch.
Rose schüttelte lachend ihren Kopf, umarmte ihren Mann und sagte: „Sei nicht immer so ernst, Tom. Freu dich doch.“
Tom ließ sich von der Begeisterung seiner Frau anstecken und erwiderte lächelnd: „ Ja, du hast Recht, Rosie.“
Einige Zeit später brachte Billy Jeannie und die alte Mrs. Baron nach Hause. Als er Tom sah, sprang er vom Wagen, rief: „Ich hab’s dir gesagt, Tom Baron, ich hab’s dir gesagt“, und stieß einen Jubelschrei aus.
Tom ging zum Wagen und half Jeannie und seiner Mutter beim Absteigen.
„Und, freust du dich auch, dass es regnet?“, fragte er seine Tochter.
„Meine Haare sind nass und mir ist kalt“, ärgerte sich Jeannie und lief ins Haus.
Tom warf seiner Frau einen fragenden Blick zu, den sie, ihn nachahmend, mit einem leichten Nicken und ernster Miene beantwortete, woraufhin beide schmunzeln mussten.
Nachdem Tom seine Mutter ins Haus gebracht hatte, machte Billy den Vorschlag, ein wenig zu feiern.
Die Barons stimmten zu.
Billy holte seine Familie, Tom die Fields.
Es regnete den ganzen Tag und die drei Familien feierten das ersehnte Nass bis in den Abend hinein. Sogar Jeannie.
Auch am nächsten Morgen regnete es. Ebenso am darauffolgenden und den Tag danach. Schließlich stoppte der Regen, die Wolken waren entleert und lösten sich auf.
Tom Baron hockte zwischen den ertränkten Getreidestauden und fuhr immer wieder mit der Hand über den schlammigen Boden.