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Zirkelspiel Lauwarm bis zum Ende

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23.08.2005
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Lauwarm bis zum Ende

»Lisa, mir reicht's. Ich mach' Schluss«, begann er.
Norbert stemmte die Arme in die Hüfte und musterte sie neugierig. Ihre Antwort folgte prompt: »Wieso das denn? Wenn, dann müsste ich mit dir Schluss machen. Im Gegensatz zu dir hab' ich wenigstens Gründe.«
»Ach so! Und was sollen das für welche sein? Kommst du jetzt wieder mit deinem idiotischen Emanzengelaber?«
»Na und? Du bist ja ein richtiger Sexist geworden. Dauernd kommst du mit Sprüchen wie ›Nimm ab, Lisa, mit dir kann man sich ja nicht sehen lassen‹ oder ›Verdien' nicht soviel Geld, sonst werd' ich noch neidisch‹ Und deine bescheuerten Freunde habe ich auch satt. Warum haben die nur Fußball und saufen im Kopf ...?«
»Du machst es dir ja so einfach, Prinzessin!«

›Einfach‹.
Anfangs war die Beziehung unkomplizierter gewesen. Sie hatten sich Hals über Kopf ineinander verliebt und schwebten monatelang auf Wolke sieben. Sie studierten an der selben Uni und trafen sich so oft wie möglich. Zuletzt zogen sie zusammen.
»›Prinzessin‹? Wie oft habe ich dir gesagt, dass du dir diese Tour für 'ne andere aufsparen kannst?«
Norbert verdrehte entnervt die Augen.
»Jetzt mach' mal halblang. Immer hast du das letzte Wort. Und alles passt dir irgendwie nicht. Schatz, machst du noch? Schatz, wirst du bald mal? Schatz hier, Schatz da, ...«
»Ist das ein Wunder? Du gibst dir kein bisschen Mühe!«
»Klar geb ich mir Mühe! Bei dir hat das bloß keinen Sinn mehr.«
»Keinen Sinn also ...«
Lisa schluckte.

Nach einem halben Jahr in der gemeinsamen Wohnung brach Norbert sein Studium ab, sprach aber nicht über seine Gründe dafür. Lisa hingegen beendete ihr Studium, machte Karriere. Norbert blieb antriebslos zuhause und konnte sich für nichts begeistern. Lisas Bemühungen, Norbert zu helfen, verschlechterten die Situation, anstatt sie zu verbessern. Manchmal sprach Norbert vom schlechten Einfluss, den ihr Erfolg auf seine Motivation hatte, aber er wurde nie konkret. Stattdessen ließ er sich gehen.
Lisa fand ihre Sprache wieder: »Wie findest du das denn: Zwei Wochen beachtest du mich nicht, Sparflamme, und dann, nach irgendeiner Sauftour, ist dir nach, wie nennst du das: ... ›Romantik‹. ›Sei doch ein bisschen zärtlich‹ kommt dann von dir. Und wenn ich mich dann ›anstelle‹ bist du kurz davor, mich zu verprügeln. Nennst du das Liebe? Wo ist da der aufmerksame, freundliche Norbert von früher? Was hast du für Probleme? Sag's mir! Deine Probleme machen mich krank!«

Norbert lief rot an. Er starrte sie mit einem durchbohrendem Blick an.
»Was weißt du schon von meinen Problemen!«, rief er übertrieben laut, »In Wirklichkeit bin ich dir doch völlig egal.« Norbert zitterte vor Wut. Lisa sagte nichts.
»Du hast ja alles so richtig gemacht. Dir kann keiner was vorwerfen. Erst Abitur, dann Studium, jetzt Ingenieurin. Und du bist so eloquent. Da fühlt man sich als Mann richtig minderwertig.«
Er hielt inne, seine Augen blitzten kurz, dann schlug er Lisa unvermittelt ins Gesicht. Obwohl er schon manches Mal kurz davor war, sie zu verprügeln, war dieser Schlag der erste. Lisa verlor das Gleichgewicht und ihre blonden Haare flogen durch die Luft. Völlige Überraschtheit und Ungläubigkeit waren in ihrem Gesicht abzulesen.
Lisa schlug hart auf, war kurz benebelt. In der Zwischenzeit drehte Norbert sich um und ging. Als Lisa sich ächzend erhoben hatte, hatte Norbert bereits die Wohnung verlassen.
»Du kannst mich auch mal!«, rief sie ihm kraftlos hinterher.

 

Hi HienTau!

Sooo, du hast also versucht, mich zu imitieren. Hochinteressant. Dann wollen wir mal ...

Also vom Stil her gibt es so Einiges zu bemängeln. :D Das heißt, dass ich mich nicht so richtig darin wiedererkenne. Aber das muss dich nicht betrüben, denn ich werde von bernadette wahrscheinlich genauso zerrissen werden. ;)
Außerdem könnten die anderen ja immer noch sagen: "Doch, doch, das ist genau der Megabjörnie-Stil." Und die sind es ja, die du überzeugen musst.

Inhaltlich vermittelst du ein immer wieder hochaktuelles Thema: Mann kann es nicht ertragen, dass Frau beruflich erfolgreicher ist als er. In deinem Fall führt das dazu, dass er jeden Antrieb verliert, sein Dasein zuhause fristet und sie unter seinen Launen leiden lässt. Schließlich hat er selbst keinen Bock mehr und macht Schluss, was ihre Eitelkeit zu verletzen scheint ( "Ich müsste mit dir Schluss machen" etc. ). Am Ende gelingt es ihm, scheinbar überlegen von der Bühne zu treten, wenn auch auf äußerst plumpe Weise.
Interessanterweise kann man seine Position sogar grundsätzlich nachvollziehen als Mann. :D
Identifizierungsmöglichkeiten gab es in der Geschichte allerdings keine, was einerseits natürlich an Norberts Ich-Bezogenheit liegt, andererseits daran, dass beide psychologisch nicht vollkommen plausibel handeln, zumindest aus meiner Sicht; denn wenn sie so eine erfolgreiche Karrierefrau ist, setzt das auch ein gewisses Durchsetzungsvermögen voraus. Würde sich so eine Frau ein Verhalten gefallen lassen, wie Norbert es an den Tag legt? Und welche Gründe hat Norbert denn nun für den Abbruch des Studiums? Das ist für das Verständnis der ganzen Handlung wichtig.
Gewissermaßen leidet die Geschichte unter genau dem, was du meinen Texten vorwirfst: Da wird ein Konflikt angedeutet, der es wert ist, dass man ihn behandelt, aber dabei bleibt es dann auch. In diesem Fall hat das aber zur Folge, dass das Ganze nicht so richtig rund wirkt.
Insgesamt hat die Geschichte aber mehr Gehalt als meine Vorlage. ;)

Was die handwerkliche Umsetzung betrifft, trübt sich das Bild allerdings erheblich. Das wird eine lange Liste. Schließlich bist du ja mit einem hohen Anspruch an den Start gegangen, nicht wahr? ;)

Allgemein wäre da die Machart der Dialoge. Die Sätze klingen ausnahmslos wie aus einer Seifenoper. Vielleicht liegt es daran, dass Beziehungsdramen sich besonders schwer sprachlich rüberbringen lassen. Deshalb habe ich von solchen Themen auch stets die Finger gelassen. :D
Lasse dir am besten von einem erfahrenen Schreiber von Beziehungsgeschichten Tipps geben.

Sie fühlte sich ausgenutzt und seine arrogante Abfuhr hatte ihr den Rest gegeben.

Da klingelt bei mir gleich die Klischeewarnung: Wuäh, ich fühl mich ausgenutzt. :dozey:
Die Formulierung sollte etwas bildhafter ausfallen, nach dem "Show, don't tell"-Motto ( hier passt es wirklich ). Außerdem weiß ich nicht, ob "ausgenutzt" das richtige Wort ist, um den Konflikt in der Geschichte treffend zu beschreiben.

»Lisa, mir reicht's. Ich mach' Schluss. Endgültig!«, begann er vor fünf Minuten.

Wenn schon, dann "hatte er begonnen". Außerdem ist das kein Bericht, sondern eine Geschichte. Auch hier muss mehr Bildhaftigkeit rein. Schreibe doch, welche Empfindungen es in ihr ausgelöst hat:
"Lisa, mir reicht's. Ich mach' Schluss. Endgültig!" Diese Eröffnung war wie ein Schlag in die Magengrube gewesen.
Vor wie vielen Minuten das war, sollte hier nicht weiter interessieren.

Norbert stemmte die Arme in die Hüfte und musterte sie neugierig.
»Wieso? Wieso du mit mir? Was soll ich dir denn für einen Grund gegeben haben?

Hier suggerierst du, dass Norbert spricht. Der Leser muss dann noch mal zwei Zeilen zurück, um es richtigzustellen. Außerdem, warum sollte er sie neugierig mustern? Was meinst du damit?
Ich würde an der Stelle lieber Lisas Körpersprache beschreiben.

Wieso müssen die dem idiotischen Klischee vom fußballfanatischen Säufer entsprechen ...?«

Das wirkt etwas sehr unauthentisch. Menschen, die aufgebracht sind, sprechen keine so komplizierten Sätze.
"Wieso holst du immer diese asozialen Penner ins Haus, die nichts als Fußball und Bier im Kopf haben?" Oder so. Das käme meinem Stil auf jeden Fall näher *g*.

Wie oft habe ich dir gesagt, dass du dir diese Tour für irgendeine andere aufsparen kannst?«

Diesen Wortteil streichen. In solchen Dialogen sind nur schlanke Sätze gute Sätze.

Du gibst dir überhaupt gar keine Mühe!«

Ebenso.

Er suchte sich Freunde, die einen ähnlichen Abstieg hinter sich hatten und verdrängte mit Spaß und Alkohol kurzzeitig seine Probleme.

Klischee-Alarm: "Ich konnte meine Probleme einfach nicht mehr ertragen und flüchtete mich in den Alkohol *nachdenklichesgesichtmachundbüßerposeeinnehm*."

›Sei doch ein bisschen zärtlich‹ quengelst du dann wehleidig.

Nachgesetzte Sprechverben in wörtlicher Rede sind immer seltsam unauthentisch. Schreib doch: "Und dann quengelst du immer rum von wegen 'Sei doch ein bisschen zärtlich'".

Auch sie war wütend, ihr rotes Gesicht stand im Kontrast zu ihrem blonden, zerzausten Haar.

Aus wessen Sicht? Bisher hast du immer aus Lisas Sicht gesprochen. Jaja, die leidigen fahrlässigen Perspektivenwechsel ...

Es ist doch ganz einfach. Ich brauche einen Job!«

Hm, einerseits ist er antriebslos, andererseits will er unbedingt einen Job? Das passt doch irgendwie nicht zusammen. Und was kann er ihr diesbezüglich vorwerfen? Ich finde, jemand, der sich so wehleidig benimmt, würde von einer Frau wie Lisa doch kaum so verständnisvoll behandelt werden, oder?

Der Audruck völliger Überraschtheit und Ungläubigkeit während ihres Falls sollten ihn noch lange verfolgen.
Lisa schlug hart auf, war kurz benebelt, versuchte so schnell wie möglich aufzustehen.

Die Willkür im Perspektivenwechsel bekommt der Geschichte nicht.

Als Lisa sich ächzend erhoben hatte, war Norbert bereits um die nächste Straßenecke gebogen.

Das erweckt den Eindruck, sie hätten draußen gestritten. Aber sowas trägt man doch normalerweise in den eigenen vier Wänden aus, oder?

Und dann wäre da noch der Titel. Ich weiß nicht recht, inwiefern der in einer Beziehung zur Geschichte steht.

Ciao, Megabjörnie

 

Hallo Megabjörnie,

Danke, dass du dir soviel Zeit genommen hast, die Geschichte gründlich zu durchkämmen. Soweit ich das bisher beurteilen kann, sind all deine Kritikpunkte berechtigt.
Sobald ich mich an die Überarbeitung gemacht habe (hoffentlich in den nächsten Tagen), gehe ich auf deine Kritikpunkte im Einzelnen ein.

Bis dahin,
HienTau

 

Hallo HienTau,

der Grundkonflikt Deiner Geschichte ist ein Problem, das jedem (zumindest aus Erzählungen) bekannt vorkommt: Eine Frau ist beruflich erfolgreicher als ihr Mann, darunter leiden seltsamerweise beide.
Dieses Ausgangsdilemma würde ich tatsächlich als typisches "Megabjörnie"-Thema werten. Das ist gut getroffen.

Leider muss ich MB dann auch in allen übrigen Kritikpunkten beipflichten: Du bleibst in der Behandlung sehr an der Oberfläche, die Dialoge haben noch keine richtige Plausibilität.
Die Auflösung - der lauwarme "Sieg" des Protagonisten - finde ich dann wieder sehr konsequent. Eine prägnantere Ausformung der übrigen Geschichte würde hier die Wirkung verstärken.

Insgesamt eine vom Imitationsaspekt teils gelungene, aber selbst formal "zu lauwarme" Geschichte.

Viele Grüße,
Naut

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Naut,

  • Leider muss ich MB dann auch in allen übrigen Kritikpunkten beipflichten: Du bleibst in der Behandlung sehr an der Oberfläche, die Dialoge haben noch keine richtige Plausibilität. - Das fasst Megabjörnies Kritik nochmal ganz gut zusammen, finde ich. An den Dialogen werde ich nochmal gründlich Hand anlegen. :read:
  • Insgesamt eine vom Imitationsaspekt teils gelungene, aber selbst formal "zu lauwarme" Geschichte. - Auf diese Zweitinterpretation des Titels habe ich nur gewartet, nein - es ist der einzige Zweck dieses Titels, ja dieser Geschichte :lol:

Gruß,
HienTau

 

Hi nochmal,

So, ein wenig überarbeitet; nicht zufriedenstellend, auch wenn ich die gröbsten Schnitzer entfernt habe (und bestimmt neue hinzugefügt habe, vor allem die Oberflächlichkeit hat, äh ... zugenommen). Vor allem der Streit wegen Norberts Arbeitslosigkeit ist als völlig unplausibel gestrichen.
@ Megabjörnie: Die meisten der kritisierten Textstellen habe ich entweder gestrichen oder umformuliert/ersetzt. Deine Kommentare waren ziemlich hilfreich.
@ Naut: Mit der Oberflächlichkeit hat sich nichts getan :( vielleicht beim nächsten Mal ...
Leider wird mir in den nächsten Wochen die Zeit fehlen, überhaupt etwas zu schreiben, daher gehe ich nicht so weit wie möglich. Man möge es mir verzeihen ...

Gruß,
HienTau

 

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