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Leben Oder Sterben?

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16.11.2008
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Leben Oder Sterben?

Leben oder Sterben?

Es war totenstill um sie herum. Ab und an zirpten Grillen am nahen Wald vor ihr, aber sonst war kein Laut zu vernehmen. Es schien so, als würde alles ihre Entscheidung abwarten. Diese schwerwiegende Entscheidung, die ihr niemand anderes abnehmen konnte. Sie sah auf die Straße. Auf die Straße, auf der sie schon oft spaziert war. Sich von der Musik berauscht ganz ihren Gedanken hingegeben hatte. Vielleicht sah sie sie heute Nacht zum letzten mal.
Leben oder Sterben?
Neben der auffälligen Stille waren noch die Glühwürmchen bemerkenswert, die die Luft zu erfüllen schienen.
Überall grüne leuchtende Punkte.
„Schön“, dachte sie unverwand. „Wirklich schön“.
Aber dieser Gedanke drang nicht weiter bis auf ihr Unterbewusstsein.
Leben oder Sterben?
Sie hatte schon oft an diesen Moment gedacht. Aber, dass er in solcher stoischer Ruhe kommen würde, hätte sie nicht geglaubt. Sie fühlte diesen Frieden in sich, diese Ruhe.
Herrlich.
Endlich schwiegen alle Stimmen in ihr, sie war im Einklang. Mit sich, mit der Welt, einfach mit allem.
Sie hatte den Kopf so sehr gesenkt, dass ihr Kinn fast die Brust berührte, die zerzausten langen Locken streiften die Oberschenkel. Ihre Hände hielt sie im Schoß gefaltet, wie ein Kind, das etwas Unerlaubtes getan hatte und nun auf die Strafe wartet.
Tat sie denn gerade etwas Unerlaubtes?
Nein, das war ihre Entscheidung.
Leben oder Sterben?
Plötzlich musste sie an die Schule denken. Dieses kalte Gebäude, an das sie sich nie hatte gewöhnen können. Vielleicht würde sie nie wieder auf ihrem Platz sitzen können.
Über diesen Gedanken musste sie fast lächeln.
Auf was für welche Gedanken man kam, wenn man an der Schwelle stand.
Leben oder Sterben?
Sie versuchte darüber nachzudenken, was sie im Leben alles getan hatte, doch ihr Kopf war wie leer gefegt. Keine einzige Erinnerung ließ sich mehr aufrufen. Es herrschte nur angenehme Leere, statt dem Gedankenchaos der letzten Monate. Kein dunkles Meer an Selbstvorwürfen, in dem sie ertrinken konnte. Keine steinigen Wüsten des Selbsthasses, in denen sie zu Grunde gehen konnte.
Keine plagenden Kopfschmerzen, keine zerstörerischen Magenschmerzen, keine Gefühle.
Nur das Gefühl der Gefühllosigkeit.
Leben oder Sterben?
Das einzige, was sie nicht vergessen konnte war er. Wenn nicht bewusst, dann unterbewusst, aber er war immer da. Wie eine schmerzende Narbe saß er in ihrem Herzen. Machte es schwer zu atmen.
Leben oder Sterben?
Die Gleise hinter ihr knisterten. Sie saß nicht mal einen Meter weit von ihnen entfernt. Die Ruhe wich nicht, sie wurde sogar stärker. Sie fühlte sich seltsam behütet, einmal in ihrem kurzen Leben nicht fehl am Platz. Sie war genau richtig, hier und jetzt.
Sie vernahm das leise Vibrieren des Bodens, als sich der Güterzug näherte.
Sie konnte schon die Scheinwerfer sehen.
Leben oder Sterben?

 
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Seraphima schrieb über ihrer Geschichte:

So, hier die Story, macht mich fertig, zerfetzt das Stück in der Luft, aber vergesst nicht, etwas Konstruktives reinzuhauen.
Danke.

Vor- und Nachbemerkungen bitte immer gesondert unter der Geschichte einfügen. Danke

 

Wieso macht die Geschichte dich denn fertig? Hast du die gleichen Gefühle wie die Protagonistin? Wieso sollte die Geschichte zerfetzt werden?
Ich finde sie gut, sauber und flüssig geschrieben. Da ich Todessehnsuchtsgeschichten mag, weil mir das Thema doch nahe liegt, bin ich sicher nicht die schärfste Kritikerin. Du hast die Situation gut beschrieben, ich konnte mich in die Protagonistin hineinversetzen, sah wie sie die Scheinwerfer des Zugs. Ich denke das ist das wichtigste bei einer Geschichte, wenn man den Leser das Geschehen bildlich vor Augen sehen lässt.

 

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