- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
Leilonda
Leilonda ist so schön. Jeder erwähnt ihren Namen voller Ehrfurcht, so schön ist sie. Rotblondes Haar, schlanke Hüften, der Körper zur Gänze enthaart, aus weißem Wachs die Haut. Ihre grünen Augen suchen und finden fast jede Samstagsnacht im Rumbaklub. Wählerisch ist sie, die schöne Leilonda. Mustert, betrachtet, hört zu und entscheidet. Sie verführt mit roten Krallen und überschminkten Lippen. Farbe über die Fältchen im Gesicht gepinselt.
Die Garderobe aus Mailand, vom feinsten. Leilonda knatscht Kaugummi mit Wildkirschengeschmack, ohne Zucker. Selbst der Kaugummi ist teuer, aus der Apotheke. Vitamine sind ihm zugesetzt. Sie tänzelt sich durch den Rumbaklub, fängt Blicke, mal hier mal da. Gonz lächelt schüchtern. Er hat einen Bauch, der sich ganz sanft über den Gürtel seiner Hose wölbt. Gonz besucht den Klub Leilondas wegen. Jeden Samstag steht er bei einem einzigen Getränk stundenlang an der Bar und wartet auf Leilondas Erscheinen. Gonz hat nur wenig Geld, er kann sich nicht durchsetzen. Er ist eben nicht für die Neue Zeit geboren worden. So humpelt er durchs Leben. Die Miete geht sich aus, Nahrung und ein Getränk jeden Samstag im Rumbaklub. Auf Gonz pflegt man herumzutrampeln, er ist so weich. Weiche Haut, weiches Herz, da trampelt es sich leicht. Im Betrieb, manchmal auch im Rumbaklub. Freunde hat er keine. Er tröstet sich, indem er von Leilonda schwärmt. Leilonda, Leilonda, oh schöne Leilonda! Ach hätte er doch den Mut, sie einmal anzusprechen. Gonz kann es nicht, so ist er weiterhin am Träumen.
Leilonda liebt die Neue Zeit. Erfolgreich ist sie, kann Ränke schmieden, ist überall zu Hause und auch nirgends. Ihr Konto kann sich sehen lassen. Im Rumbaklub bestellt sie Campari, oder andere Feinheiten, die viel kosten. Es spielt ja keine Rolle. Das Getränk braucht nicht mal zu schmecken. Man schmeckt nicht mehr in der Neuen Zeit. Leilondas Herren müssen makellos sein, selbst für die paar Stunden Lust. Mehr braucht Leilonda nicht, auch den Herren ist das nur Recht. Makellos hat der Wuchs zu sein, die Kleidung, das Konto, auch das Gemächt. So ist Leilonda eben. Anspruchsvoll. Sie kann es sich leisten.
Ramp besucht den Rumbaklub regelmäßig. Ein wahrer Kerl in florentiner Tuch. Dreitagebart nach neuester Mode geschnitten. Keinen Millimeter weicht ein Barthaar vom anderen ab. Das schwarze Haar mit Gel verglänzt. Am Körper auch Dreitagebärte, überall, eine neue Dienstleistung der Neuen Zeit. Wenn Ramp erscheint, wird’s still im Rumbaklub. Ramp hat so breite Schultern, so schönen Wuchs. In teuren Turnstudios auf Maschinen gewachsen. Gänsehaut rieselt über die Rücken der Damen, auch so mancher Herren. Bewundernde Blicke himmeln zu Ramp. Erfolg hat er mit Rechnerprogrammen. Kungeln kann er der Ramp. Ränke schmieden, Krieg führen, unerbittlich, so setzt er sich durch. Schnell muss es gehen, immer schneller. Auch mit der Lust. Ramp mochte Leilonda eine Zeit lang, ist sie doch wie er.
Endlich! Leilonda hat den Klub betreten. Kalte Küsschen auf Ramps Wangen, wächsernes Lächeln. Gonz’ Herz pocht heftig. Immer stärker hämmert das weiche Herz gegen die weiche Brust. Nicht eines Blickes würdigt sie ihn. All seinen Mut nimmt er zusammen, geht auf sie zu. Leilondas knallige Wachslippen heucheln ein Lächeln. Eisig kalt berühren ihre Hände seinen Unterarm.
„Kennen wir uns?", flüstert sie gleichgültig. Gonz schüttelt zaghaft den Kopf. Schlanke Finger mit roten Krallen betasten den Bauch, fahren durch die Knopfleiste zur behaarten Haut. Leilonda wendet sich ab. Zu dick sei er, meint sie und auch Herren sollten die Behaarung zeitgemäß bearbeiten lassen. Angewidert von Gonz’ haariger Weichheit, seiner Scheu, stolziert sie fort, um Ramp zu umgarnen. Doch Ramp ist Leilondas mittlerweile überdrüssig. Derzeit bevorzugt er die quirlige Tutu, die jeden Samstag aus einem anderen Land stammt und nur Englisch spricht, wie es sich eben gehört. Tutu ist jünger als Leilonda und so wundervoll exotisch. Tanzen kann sie. Wild schwingt sie ihre Hüften zu Allerweltsmusik. Künstliches Knallen und Tutus Hüften, das Leben ist wunderbar. Tutu ist sehr beliebt im Rumbaklub.
Gonz sperrt sich auf dem Klo ein und weint. Geekelt hat ihr vor ihm, vor seiner Sanftmut, seiner Scheu, seinen Haaren, seinem Bauch. Man hatte ihm beigebracht, dass Weinen verboten sei. Auf dem Klo denkt er, könne ihn ja keiner sehen.
„Weg hier", schreit es in ihm. „Nur weg hier!"
An der Tür zur Bar begegnet ihm Tutu in einem Nebel aus Schweiß und Parfum.
„Hallo Putzi", quiekt sie mit anglophonem Akzent, „na amüsierst du dich? Ganz rote Augen. Zu viel Ramtatam reingezogen wie!"
„Ja!" Gonz schluckt, sein Hals hat einen Knoten vom Heulen.
„Zu viel Ramtatam!"
Gonz verlässt den Rumbaklub, für immer. Leilonda kocht vor Wut. Der stählern schöne Ramp hat sie zurückgewiesen. Ein Mischgetränk verlangt sie, stürzt das Kaltflüssige die Kehle hinunter. „Noch eines", giert sie die Kellnerin an, „aber flott! Ja!"
Tutu ist erschöpft. Sie bläst die Luft aus geblähten Backen, betritt den Raum auf dessen Türe „Privat" in Messinglettern prangt. Der Leiter des Klubs ist zufrieden.
„Wie viel krieg ich jetzt?", fragt Tutu in einheimischem Dialekt.
„Nun gut, sagen wir hundert Sesterzen!", brummt der Schneidige hinter dem Eichenholztisch.
Enttäuscht nimmt Tutu die Banknote. So viele Stunden Tanzen, Schaustellen und nur hundert Sesterzen. Sie faltet den Geldschein, steckt ihn in den Ausschnitt des Arbeitskleides. Ramp der stählerne Krieger. Seine Lust wird nun zur Bezahlung der Studiengebühren beitragen. Tutu muss eben noch ein paar Stunden so tun als ob.
Betrunken wankt Leilonda aus dem Lokal. Kreischt und winkt ein Taxi herbei. Enttäuscht ist sie und zornig. Ramp, der schöne Krieger, hat sie zurückgewiesen. Der Lenker erweckt in ihr Verlangen. Leilonda giert nach Mann. Jung ist er, riecht nach Seife aus dem Großmarkt.
„Macht ja nichts", lallen die Gedanken.
„Auch wenn er ein..."
Größer wird ihre Gier, wächst an, überwältigt sie.
Ob er für vierhundert Sesterzen noch mit ihr ginge. Der Lenker zögert. Vierhundert Sesterzen. Kinderkleidung, eine Kleinigkeit für seine Frau. Das Geld reicht ohnehin hinten und vorne nicht. Einmal die Miete pünktlich bezahlen können. Beider Arbeit reicht kaum zum Leben. Er willigt ein. Leilonda riecht und spürt Mann. Im Geiste einen erfolgreichen Edelmenschen vor sich habend, kann sie sich in wildem Entzücken erfreuen. Seufzend nimmt der Lenker die Banknoten. Kinderkleidung, eine Kleinigkeit für die Frau.