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Leinwand
Schau mich an, wie ich mich hetze. Die Dunkelheit leuchtet schon in meinen Augen, wenn ich heftig seitwärts schiele. Ich kann sie schmecken. Sie trägt die zartminzige Note blauer Farbe. Ich bin auf einer kahlen Leinwand im Künstlerkeller.
Ein Fleck, nicht aus Farbe, das bin ich. Daher rührt meine innere Erregung. Sie treibt mich an, lässt mich nicht nachdenken. Ich überspringe eine Pore, die sich schon zur Hälfte mit Farbe vollgesogen hat, und bin da. Durchatmen: Alles ist strahlend weißlich, kreidebleicher Stoff, meine Welt ist noch flach. Der Schöpfer zieht gemächlich seine Bahnen mit dem Pinsel, tunkt die Fasern in einen Klecks auf der Palette, die ich gar nicht sehen sollte. Ein Traum riss mir die dünne Wand ein, die zwischen Wahnsinn und Wirklichkeit schützend ruht. Nun hebt er seine Hand, zieht an einem glühenden Stängel, dessen Spitze sich zu einem rauchenden Kugelkoloss aufbläht. Langsame Striche feiner Führung, rasend schnelle Kugelblitze die mir mein Leben trachten. Er schafft uns Raum, wo nichts als Raum ist, und e i n e n Platz, wo nichts als Platz wäre, wäre er nicht da.
In Farbklecksen bin ich unsichtbar. Ein Fleck unter Flecken, versteckt auf einem größeren Fleck. Mein ganzes Sein ist verwoben im natürlichen Wunschgemenge, Teil der geheiligten Farbtupfer zu bleiben. Sie schützen mich bis zu meinem Tod, den sie veranlassen. Doch sie schützen nicht, um zu töten. Die Leinwand mag von einer leuchtenden Strahlkraft sein, doch mir ist sie wie ewige Dunkelheit. Ich meide. Ich warte. Ich lebe.
Ich wache auf.