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Levi Robin
Allee der Traurigkeit 13
13713 Alt-Hohenschönhausen
Bewerbung um ein Zimmer
Verehrter Herr Kasulke,
meine Mutter wies mich kürzlich darauf hin, dass Sie günstig, gegen etwas Hilfe in Ihrer Immobilie, eine Bleibe zu vergeben hätten. Sie hielt es wohl für angeraten und erhofft sich, dass ihr Sohn, das ist der Unterzeichner dieses Schreibens, innerhalb einer WG ein leichteres Spiel hätte, Kontakte zu knüpfen. Diese Prognose kann ich nicht teilen, dabei liegen mir Vorhersagen mit gewisser Wahrscheinlichkeit noch etwas mehr als ihr.
Dass Sie mein Begehr positiv bescheiden werden, ist zu freundlich von Ihnen. Ich bedanke mich also im Voraus dafür, dass Sie mir das Eckzimmer im Erdgeschoss beim Kaminzimmer zugeteilt haben werden. Sollten indes Torten und Kuchen abhanden kommen, bekennen ich mich in vorauseilendem Gehorsam für schuldig in allen Anklagepunkten.
Soweit sie bei der Gartengestaltung oder diversen Holzarbeiten eine helfende Hand benötigen, darf ich Ihnen versichern, die Arbeiten zu Ihrer Zufriedenheit zu erledigen.
Zwar bezweifle ich, dass diese Informationen das geringste Interesse Ihrerseits wecken und sehe auch keinerlei Korrelation zur Vermietung eines Zinmers, doch kann ich Ihnen zu meiner Person mitteilen, dass mir Fotografie und Origami als Gestaltung meiner bescheidenen Freizeit am Herzen liegen.
Soweit es seine Zeit zulässt, sind auch Wander- und Campingausflüge mit meinem Vater und meiner Zwillingsschwester ein Freizeitvergnügen meinerseits.
Meine Schwester pflegt zu sagen, ich sei ein "Stissel", falls Ihnen dieser gewöhnungsbedürftige Ausdruck nicht geläufig sein sollte; es meint doch nichts anderes, als Schweigsamkeit. Ein gutes Buch sei einem Gespräch egal welcher Qualität vorgezogen.
Unglücklicherweise werde ich oft fälschlich für einen Geist gehalten, doch versichere ich Ihnen, durchaus aus Fleisch und Blut zu sein. Nichts desto trotz werden Sie gar nicht bemerken, ob ich Zuhause bin oder nicht.
Da Ihre Wohngemeinschaft die verschiedensten Kreaturen beherbergt, erlaube ich mir, davon auszugehen, dass mein treuer Begleiter, eine im Gegensatz zu ihrer Bezugsperson schrecklich gesprächige Rabenkrähe mit Namen Kasper, kein Hindernis für ein Mietsverhältnis darstellen wird.
Gleichwohl sich unweigerlich einige dramatische Begebenheiten ereignen werden, seien Sie unbesorgt; über die Einzelheiten Ihres überaus tragischen Schicksals werde ich mich - gewohnheitsgemäß - ausschweigen.
Hochachtungsvoll
Levi Robin
P.S. Ihre positive Rückantwort können Sie Kasper einfach ans Bein binden. Er wird sie mir zuverlässig zutragen. Falls Sie ihn mit einem Käsewürfel für seine Mühen entlohnen könnten, wäre ich Ihnen überaus verbunden.