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Licht und Schatten
Licht und Schatten
„Atal, Halt!“, rief Llewllyn, wobei er seinen Magierstab, der ihn auch als Offizier auszeichnete, hob, und das Reiterschwadron stoppte.
Sein Hengst Gwyndu schnaubte unruhig und scharrte mit den Hufen in der trockenen Erde.
Llewllyn ließ seinen Blick über das Elbenheer schweifen.
Ein letztes Mal hatte der Elbenkönig die Llengau antreten lassen, um gegen die Menschen zu kämpfen.
Llewllyn blinzelte, als sein Blick über die tausenden silbernen Rüstungen streifte, auf die die Sonne traf. In perfekter Präzision standen die Infanteristen, unterteilt in die neun LLengau, im Zentrum des Heeres, flankiert von den Reitern mit ihren langen Lanzen und weißen Standarten auf windhauchgleichen, ebenso weißen Rössern
Stille lag auf dem Elbenheer, und Llewllyn wusste, warum. Auch seine Hände waren feucht, der Stab in seiner Hand zitterte ganz leicht.
„Angst vor dem TOD?“, fragte eine kleine hämische Stimme in seinem Kopf, „du hast schon 1473 Jahre gelebt, und hast Angst vor dem STERBEN?“
Er schluckte.
„Je länger man lebt, desto schwieriger ist es dem Tod entgegenzutreten.“, schoss es ihm durch den Kopf.
Von den ordentlich aufgereihten, silber-weißen Llengau der Elben wanderte sein unruhiger Blick zur stahlgepanzerten Masse der Menschen, die sich ihrem Ziel näher als je zuvor sehen mussten.
Wie ein großes, graues, hinterhältiges Tier saß das Menschenheer auf der Hügelgruppe auf der anderen Seite des Tales.
Der blutrote Adler von Marond leuchtete zu ihm herüber, auch die Kreuze von Zalath konnte er erblicken, und noch viele andere.
Da erklangen hunderte Hörner, die sich zu einer lärmenden Kakophonie vereinten, langsam wieder trennten und schließlich vom Lärm des sich in Bewegung setzenden Haufen Stahl übertönt wurden.
Llewllyn fasste die Zügel und seinen Stab fester und wartete.
„Blaenllaw, Vorwärts!“, rief nun der Elbenkönig und die Kommandanten gaben seinen Ruf weiter.
Lleng um Lleng setzten die Elben sich in Bewegung, stumm, und mit dem sicher scheinenden stählernen Tod als Aussicht.
Schweren Herzens gab Llewllyn den Befehl loszureiten. Er blickte die Reiter an, die ihm folgten. Sie alle sollte er in den Tod führen; noch nie hatte er seine Aufgabe als Offizier so gehasst wie heute.
In einem weiten Bogen galoppierten sie am Rande des Schlachtfeldes auf die Flanke des anderen Heeres zu.
Nur noch von Ferne hörte Llewllyn das „Rhuthro, Angriff!“ des Königs, welches die Soldaten aufnahmen, woraufhin die ersten Reihen in einen schnellen Lauf verfielen.
Auch die Menschen bliesen nun zum Angriff. Wieder dröhnten die Hörner atonal über die Ebene und der Boden begann zu zittern als tausende Stahlgepanzerter Soldaten ebenfalls ins Laufen verfielen. Kurz darauf krachten die Heere unter ohrenbetäubendem Lärm aufeinander.
Schwert prallte auf Schild, Speer auf Rüstung, dann ein Sirren und ein Pfeilhagel ging auf die hinteren Reihen der Menschen nieder.
Llewllyn drehte sich weg, er hasste Schlachten, und doch musste er handeln, wie man es von ihm erwartete.
Auf sein Zeichen hin schwenkten die Reiter aus und wurden schneller.
Gwyndu nahm die Geschwindigkeit der anderen Pferde auf und beschleunigte, bald jagten sie in vollem Galopp auf den Feind zu.
Immer schneller näherte sich die Wand aus Stahl, der Boden bebte unter dem Donner der Pferdehufe. Llewllyn packt seinen Stab fester, während seine andere Hand sich krampfhaft um die Zügel krallte.
Doch sie waren nicht unbemerkt geblieben. Jemand rief etwas und Lanzenträger eilten in ihre Richtung, sie stellten ihre großen Schilde auf den Boden und richteten die langen Lanzen auf die Pferde.
Llewllyn hob den Stab und murmelte ein paar Worte. Ein greller Lichtblitz schoss aus der Spitze desselben, breitete sich aus und schwappte über die Lanzenträger. Geblendet taumelten sie rückwärts und ließen ihre Waffen fallen. Im nächsten Moment prallten die Reiter in vollem Galopp in die feindlichen Linien. Nach dem ersten Schock fingen die Menschen sich wieder und ein wütender Kampf entbrannte. Überall war nur noch Lärm, Blut, Kampf und Tod.
Llewllyn teilte von Gwyndu herab Schläge mit seinem Stab aus. Ein Infanterist sank neben ihm zu Boden, doch da war schon ein neuer Gegner. Parade – Schlag – Parade – Ausweichen – Wieder Schlagen – …
Er hörte das Zischen von Stahl durch Luft hinter sich im letzten Moment und hob reflexartig den Stab, um den Hieb abzulenken.
Das Schwert traf auf den Stab, rutschte ab und grub sich in seine linke Schulter, anstatt seinen Kopf vom Rumpf zu trennen. Brennender Schmerz durchzuckte seinen Arm. Kurzzeitig sah Llewllyn nur dunkle rote Schwaden vor seinen Augen wabern, dann klärte sich sein Blick langsam wieder. Der hinterhältige Angreifer war längst von einer elbischen Silberklinge niedergestreckt worden, doch die Wunde brannte und blutete stark. Sein linker Arm hing nutzlos an seiner Seite.
Er blickte sich um, auch die anderen Reiter gerieten mehr und mehr in Bedrängnis ob der großen Menge Infanteristen, die schier unermesslich schien.
„Zurück!“, brüllte er über den Schlachtenlärm hinweg. Aus dem Augenwinkel sah er den König, der, von seinen besten Kriegern geschützt, mitten im Zentrum des schlimmsten Getümmels stand und irgendetwas tat. In der einen Hand hielt er den Stab des Hohepriesters, doch was war das kleine graue Ding in der anderen?
Doch Llewllyn hatte keine Zeit über den König nachzudenken, seine Reiter hatten sich größtenteils aus den Nahkämpfen gelöst, und nun mussten sie erst einmal Land gewinnen, um sich neu zu formieren. Immer noch brannte die Wunde in seinem Arm. Von Stahl geschlagene Wunden verheilten langsamer als normale, denn Stahl machte krank.
Gerade wollten sie in Galopp gehen um der Masse stählerner Leiber zu entkommen, als eine Schwadron Menschenreiter auf ihren großen, klobigen Schlachtrössern von der Seite herangeprescht kam und ihnen den Weg abschnitt.
Von hinten näherten sich nun wieder die Infanteristen, von vorne jagten die Reiter heran. Panik drohte Llewllyns Geist zu vernebeln, immer härter wurde ihr Griff, sie verband sich mit Wut und begann seinem Verstand die Luft abzudrücken. Überall schienen nur noch graue, gesichtslose Stahlklötze zu sein, und dazu Blut, Blut und noch mehr Blut.
In einem letzten Aufbäumen seines Verstandes hob Llewllyn den Stab. Unendlich lange schien es zu dauern die geheimen Worte zu murmeln. Aus seinem Augenwinkel schoss das Bild des Königs auf ihn zu, der gerade das kleine graue Ding – war es ein Stahldolch? – und den Hohepriesterstab zusammenführte. In dem Moment, in dem Llewllyn die Worte gesprochen hatte, ertönte ein ohrenzerfetzender Knall, der nicht bloßer Lärm war, sondern viel tiefer ging, und auch aus viel größeren Tiefen kam.
„Als wären Raum und Zeit geborsten, als wäre die Realität gerissen“, schoss es Llewllyn unvermittelt durch den Kopf
Alles schien erstarrt, als wäre selbst de Zeit erschreckt stehen geblieben. Wie in Zeitlupe wandte er den Kopf in Richtung des unirdischen Lauts. Plötzlich war der unwirkliche Moment der Zeitlosigkeit vorbei und Llewllyn sah, wie die Spitze des Hohepriesterstabes explodierte und sich ein Schwall gleißender Finsternis und pechschwarzen Lichts über das Schlachtfeld ergoss. Eine völlig irrationale Angst, ja Panik, vor dem, was da mit rasender Geschwindigkeit auf ihn zu kam, packte Llewllyn. In diesem Moment löste sich auch endlich der Lichtblitz aus seinem Stab, wollte sich ausbreiten, doch da rollte die Woge grellen Schattens heran und umfloss Llewllyn und Gwyndu. Wie eine Kapsel schloss sich das gleißende Licht um Reiter und Pferd.
Alle Realität floh und es gab nur noch ihn, umschlossen von einer Kapsel aus Licht, in einem Meer physikalischer Unmöglichkeiten und purer Blasphemie. Eine blutrote Gestalt, oder etwas, das Llewllyns überforderter Geist als Gestalt wahrnehmen wollte, kam auf ihn zu und streckte etwas nach ihm aus, das wie eine Klaue aussah, wollte in ihn hineingreifen, etwas wegnehmen. Er spürte den unglaublichen Hass, der von der Gestalt ausging, aber auch ihre Furcht vor dem Potential, dessen, was sie aus ihm entfernen wollte. Die Klaue näherte sich immer mehr, war bald kaum noch mehr als ein paar Zentimeter entfernt. Die Panik wurde immer stärker, er konnte nicht mehr atmen, alles begann zu verschwimmen, doch dann stieß die Klaue an die Kapsel aus Licht und die Gestalt heulte auf vor Schmerz und Wut, die Klaue zog sich zurück. Llewllyn glaubte sich schon gerettet, doch im letzten Moment, bevor sie ganz verschwand, schleuderte die Gestalt einen Klumpen dichtester Finsternis in seine Richtung. Llewllyns Kraft ließ nach, der Zauber kollabierte und das Licht verschwand, dann traf ihn die Finsternis und er spürte, wie sie geradewegs in ihn hinein drang und sich dort neben dem festsetzte, was die Gestalt hatte wegnehmen wollen.
So schnell wie die unirdische Woge gekommen war, verschwand sie auch wieder, ohne Spuren zu hinterlassen. Völlig durcheinander und noch bis ins Mark erschüttert von diesem unwirklichen Alptraum, blickte Llewllyn sich um.
Sein erster Blick galt dem Feind. Die Menschen blickten verwirrt, und geschockt um sich, doch schien das Ereignis sonst keinen Einfluss auf sie gehabt zu haben.
Schon begannen sie sich wieder zu formieren.
Er suchte die anderen Elben – und ihm entfuhr ein Schrei des Entsetzens. Seine Kampfgefährten waren keine Elben mehr. Zwar hatten sich ihre Züge und Statur nicht verändert, doch statt der silberweißen Elben, sah er sich nun umgeben von Wesen mit dunkelgrauer Haut, schwarzem Haar und blutroten Augen, in denen außer Hass nichts mehr zu sehen war. Auch ihre Pferde waren schwarz, genau wie ihre Rüstungen, die nicht länger aus Silber geschmiedet schienen, sondern aus einem seltsamen Metall, das unwirklich glänzte.
Unwillkürlich blickt er an sich herab – und ein erneuter Schrei des Entsetzens entfuhr ihm. Er sah genau so aus, wie die anderen Elben. Und auch Gwyndu war pechschwarz. Sein Entsetzen wurde schlagartig unterbrochen von einem Kriegshorn. Er fuhr herum und sah die Reiterschwadron wieder auf ihn und seine Reiter zuhalten. Die Menschen kamen schnell näher, Llewllyn hob den Stab, und plötzlich kochten nie gekannter Hass und Wut in ihm hoch. Ohne wirklich zu wissen, was er tat, richtete er den Stab auf die Menschen und brüllte ein einziges Wort. Statt des Lichtes, das sonst die Spitze seines Stabes verließ und die Menschen nur blendete, brach absolute Finsternis aus ihr hervor, in der Wesen unmöglicher Anatomie schemenhaft auftauchten und wieder verschwanden. Die Finsternis brach über die Menschenreiter herein und verschluckte sie, wie ein riesiges, gefräßiges Maul. Schreie abgrundtiefer Schmerzen drangen aus der Wolke, die Llewllyn seltsamerweise mit einer finsteren Genugtuung erfüllten. In Sekundenschnelle war alles vorbei, die Wolke verzog sich und ließ nichts zurück als etwas, das nur noch entfernt an die Reste von Menschen und Pferden erinnerte. Mit einem hämischen Grinsen auf den Lippen blickte Llewllyn über sein Werk, als ein Schädel seinen Blick fing. Er sah aus, als sei er – abgenagt worden.
Aus leeren Augenhöhlen grinste der Schädel zurück. Wie durch diesen Anblick aufgerappelt, erwachte der alte Llewllyn wieder. Grenzenloses Entsetzen packte ihn, als er sah, was er getan hatte.
Noch nie hatten die Elben Magie zum Töten benutzt, noch nie hatte Elbenmagie eine solch zerstörerische Macht entfaltet. Panisch blickte er sich um, suchte seine Reiter, doch wo waren sie?
Er ließ seinen Blick schweifen, und was er sah erfüllte ihn mit Angst. Alle Elben hatten die seltsame Verwandlung erfahren und drangen nun wie die zum Leben erweckte Dunkelheit auf den Feind ein. Plötzlich hörte er ein Wiehern in seinem Rücken und fuhr herum. Ein Mensch galoppierte in diesem Moment an ihm vorbei, mit nichts als dem Wunsch, zu überleben, in den Augen. Da flog plötzlich ein Schwert von hinten heran, grub sich mit einem hässlichen Laut in den Rücken des Menschen, und blieb dort stecken. Der Mensch sackte mit einem erstaunten Seufzer in sich zusammen, sein Pferd blieb stehen.
Ein Elb preschte heran und zog das Schwert aus dem Rücken des Menschen. Als Llewllyn ihm in die Augen blickt, schauderte es ihn, denn dort war nur Hass, und Freude am Leiden anderer, nicht mehr das elbische Mitleid mit dem besiegten Feind, geschweige denn die Barmherzigkeit gegenüber dem Gegner, der fliehen wollte.
Ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen ritt der andere Elb zurück ins Getümmel.
Llewllyn wusste nur noch eines: hier war kein Bleiben möglich, er wollte nur weg von diesem verfluchten Ort, an dem das Böse die Herrschaft übernommen hatte.
Ohne weiter nachzudenken trieb er Gwyndu an, bis dieser in einen gestreckten Galopp verfiel. Nur weg vom Schlachtfeld, das nun eher ein Schlachthaus war.
Kurz bevor der über die Hügelkuppe jagte, hörte er noch die Menschen zum Rückzug blasen, doch er ritt und ritt, bis er nicht mehr konnte und Gwyndu von alleine vor Erschöpfung stehen blieb. Er fiel mehr vom Pferd, als dass er abstieg. In seinem Kopf jagten immer noch Gedanken umher, schreckliche Bilder des grausamen Todes, den er über die Gruppe Reiter gebracht hatte, und die unerträgliche Erinnerung seiner eigenen Freude angesichts dieses Leids.
Langsam formte sich ein Gedanke in seinem Kopf, sein einziger Ausweg, wie es ihm schien. Dieses Böse saß in ihm, war ein fester Teil seiner selbst, wenn er es vernichten wollte, musste er…
Llewllyn stand auf und zog einen kleinen Dolch aus der Scheide, die an seinem Gürtel hing. Nur beiläufig nahm er war, dass auch sein Dolch nun aus dem seltsamen Metall bestand. Er hob den Dolch in Höhe seines Halses und – fühlte seinen Arm gepackt und zurückgerissen. Mit einem Schrei der Überraschung wirbelte er herum, um direkt wieder überrascht einen Satz rückwärts zu machen. Vor ihm stand eine gleißende Gestalt, die anzusehen kaum möglich war, ohne sich des Augenlichts zu berauben. Er spürte den Frieden und das Wohlwollen, die von dieser Erscheinung ausgingen. Sie waren so stark, wie der Hass bei der blutroten Gestalt gewesen war.
Schlagartig fühlte Llewllyn sich geborgen und sicher. Jegliche Gedanken, die den Dolch und seine Hauptschlagader betrafen, waren wie weggeblasen.
Die Erscheinung sprach nicht, und doch hörte er sie in seinem Kopf. Ihre Worte befreiten seinen Geist von der beklemmenden Angst, die seit dem Erlebnis auf dem Schlachtfeld nicht mehr gewichen war, und erfüllten ihn wieder mit Mut und Zuversicht.
Als alles gesagt war, was zu sagen gewesen war, verblasste die Erscheinung wieder, doch sie verschwand nicht.
Llwellyn steckt den Dolch wieder weg und bestieg sein Pferd.
Sein Kampf war noch nicht vorbei.