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Lichtträger

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15.12.2004
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Lichtträger

Er saß nur noch und schrieb. Eingesperrt. Grundlos. Er wusste nicht warum, er verstand es nicht. Aber was spielte das alles nun für eine Rolle für ihn? Es war nicht das Gefängnis, welches ihn an den Rand des Wahnsinns trieb. Sie war es.
Ihre weichen Hände, wie sie manchmal damit langsam über seinen Rücken strich und er eine Gänsehaut bekam. Ihre lockigen Haare, die wie kleine Schlangen über ihm schaukelten, wenn er unter ihr auf dem Bett lag und sie küsste. Ihre Augen, von denen er sich einbildete, sie wären so hell, dass sie selbst des Nachts unter ihren Augenlidern leise leuchteten, um ihm in seinen dunklen Träumen den Weg zu weisen. Ihr Bauchnabel, von dem er seinen Blick nicht lassen konnte, wenn sie wie eine Tote auf dem Bett lag, so gläsern und zerbrechlich wie milchiges Glas, hinter dem wir immer nur die Umrisse einer Gestalt erahnen können. Hätte er nicht die regelmäßigen Atembewegungen ihres Brustkorbes ausmachen können, so wäre er gleich in die Küche geeilt und hätte das Messer an seinen Hals gesetzt, nur um ewig bei ihr sein zu können.
Doch sie war nicht da. Sie besuchte ihn nicht, die Briefe kamen unbeantwortet zurück. Sie stapelten sich in der Zelle, die Verzweiflung sichtbar geworden in einem Stapel aus Briefen. Er schrieb und schrieb; Liebesbriefe, Gedichte, Haikus. Manchmal aber malte er ihr auch die schrecklichen Bilder seiner Träume, die in ihrer Grausamkeit von Tag zu Tag zunahmen. Er verweigerte zu essen, die Zeit, die er nicht zum Schreiben nutzte, schlief er und träumte. Hätte er nicht ein Bild von ihr in die Zelle mitnehmen können, so hätte er sich selbst mit den Glassplittern des Spiegels das Leben genommen.
Eines Morgens jedoch, nach dem grässlichsten und zermürbendsten Traum, den er seit seiner Haft durchlebt hatte, verkündete man ihm, dass sie ihn Besuchen käme. Im Spiegel sah er, wie seine Augen glänzten, wie der matte Tau eines Frühlingstages. Doch es war nicht die Freude. Er wusste nicht was es war. Als seine Zellentür geöffnet wurde, war es ihm als nehme er unbewusst Abschied von den Dingen, die ihm teuer geworden waren. Die Schreibmaschine mit den vergilbten Buchstaben, seine Bücher, die er hier in der Zelle zwar niemals angerührt, aber doch in seinen Briefen immer wieder verwendet hatte. Seinen Beutel aus Leinen, indem er die letzten Erinnerungen an seine Jugend bis heute aufbewahrt hatte. Er erhob leicht die rechte Hand wie zu einem letzten Gruß, als er abgeführt wurde.
Zwischen langen, ihm endlos erscheinenden Mauern führte man ihn. Einer der Männer schaute ihn plötzlich an: „Was ist mit deinen Augen?“ fragte dieser, aber er wusste dem Wärter nicht zu antworten. In einem kleinen Raum, am Ende des Labyrinths aus Gängen sah er sie. Wie eine leblose Puppe saß sie am Tisch hinter der Glaswand. Ihm unerreichbar.
Er setzte sich ihr gegenüber, er starrte sie an. Kein Lächeln erschien in ihrem Gesicht, keinen Muskel verzog sie, selbst die Augenlider schienen für einen endlosen Moment lang still zustehen. Dann kam auf einmal das Licht aus ihren Augen, und seine strahlten wie zur Erwiderung noch stärker, wie tausend Sonnen an einem einzigen Himmel. Er stand auf von dem Tisch auf, genau wie sie. Der Wärter krümmte sich auf dem Boden und hielt dann wie leblos die Hände vor die Augen. Die Glaswand spiegelte das Licht, bündelte es. Er tat einen Schritt zu Seite vor die Glaswand, sie bewegte sich wie sein Spiegelbild, stellte sich ihm gegenüber. Wie durch einen Vorhang glitt er durch das Glas hindurch, in ihren Körper hinein, hinein in ihre Augen. Sie beide waren nun nur noch Licht, und aus ihren Augen heraus konnte er sehen, wie er mit dem Küchenmesser immer wieder auf sie einstach, bis sich ihre Lieder langsam und müde schlossen.

 

Hallo Jack K.,

schöne Geschichte und schön kurz, so dass man sie bequem in fünf Minuten lesen kann, wenn man mal wenig Zeit hat.
Dennoch birgt sie Wendepunkte und Überraschungen. Sehr schön.

Er stand auf von dem Tisch auf, genau wie sie. Der Wärter krümmte sich auf dem Boden und hielt dann wie leblos die Hände vor die Augen. Die Glaswand spiegelte das Licht, bündelte es. Er tat einen Schritt zu Seite vor die Glaswand, sie bewegte sich wie sein Spiegelbild, stellte sich ihm gegenüber. Wie durch einen Vorhang glitt er durch das Glas hindurch, in ihren Körper hinein, hinein in ihre Augen. Sie beide waren nun nur noch Licht...

das ist extrem verwirrend (vielleich normal für dieses Grene. Ist die erste "seltsame" Geschichte, die ich lese), macht den Schluss aber viel besser.

Mit dem Ende ist dir ein sehr schöner Aha-Effekt gelungen, auch wenn man jetzt nicht genau weiß, ob der Mann nun wirklich frei ist, ob er alles nur geträumt hat, oder ob sie wirklich zu besuch war.

Er saß nur noch und schrieb. Eingesperrt. Grundlos. Er wusste nicht warum, er verstand es nicht...
...so wäre er gleich in die Küche geeilt und hätte das Messer an seinen Hals gesetzt, nur um ewig bei ihr sein zu können.

Ich versteh das so, bzw versteh das nicht: Er sitzt im Gefängnis und hat keine Ahnung was er schlimmes getan hat. Er hat sie doch nur ermordet. Im zweiten Teil würde er sich sofort umbringen, wenn ihr etwas so schlimmes wiederfahen wäre... Ach was solls. Ich versteh die ganze Geschichte nicht ;)

Aber was ich auch noch gut fand, war dieser ständige Vergleich mit dem Tod z.B.

wenn sie wie eine Tote auf dem Bett lag...
Wie eine leblose Puppe...
hielt dann wie leblos die Hände vor die Augen...

beim zweiten Lesen erschließt sich dabei ein ganz anderer Zusammenhang :) ...

hat mir gut gefallen
weiter so

gara

ps. Jetzt hab ich gar keine verbesserungsvorschläge gemacht, wie es eine Kritik aber sollte. Was soll´s. Du wirst schon nicht böse sein oder? :D

 

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